Umgang mit Tod und Trauer im Kindergarten. Soziale Arbeit als Emotionsarbeit


Hausarbeit, 2021

24 Seiten, Note: 1,9


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Tod

3. Trauer

4. Wie erleben Kinder Trauer und Tod

5. Offenheit, Akzeptanz und Gewissheit

6. Offenheit im Kindergarten

7. Tabuthema

8. Tod eines Kindes im Kindergarten

9. Wie können pädagogische Fachkräfte, Kinder und deren Eltern in ihrer Trauer begleiten

10. Begleitung der Kinder

11. Begleitung der Eltern

1. Einleitung

„Unser Sterben beginnt mit der Geburt und endet mit dem Tod“

(Schmied, 1985, S. 13).

Abschiede und Verluste sind Bestandteile des menschlichen Lebens von Geburt an (vgl. Diebold, 2013, S. 9). Der Tod gehört zum Leben dazu, er kann nicht totgeschwiegen1 werden und betrifft früher oder später jeden von uns2. Sterben ist allgegenwärtig, aber weitgehend ein leises Thema3. „Obgleich jedes Jahr viele Menschen sterben, etwa ein Prozent der Bevölkerung, ist dies kein Thema [...] [der] Bevölkerung“ (Göckenjan, 2008).

Sterben, Tod und Trauer spielen in der Pädagogik - was den deutschsprachigen Raum angeht - eine untergeordnete Rolle.4 Die Disziplin hat sich dem Thema immer wieder einmal angenommen, im Prinzip das Feld aber Anderen, insbesondere der Psychologie, überlassen. Besonders in der frühkindlichen Pädagogik ist die Emotion der Trauer nach einem Todesfall wenig wissenschaftlich untersucht. Kinder stellen viele Fragen und sind von Natur aus neugierig und interessiert. Besonders für Tabus und unangenehme Fragen haben Kinder eine Vorliebe. Das klammert auch die Themen Tod und Trauer nicht aus (vgl. (Schroeter-Rupieper, 2013). Der Umgang vieler Erwachsener mit dem Tod lässt aber den Eindruck entstehen, dass „der Tod [...] nicht zu den gesellschaftlichen Werthaltungen [passt]“ (Gebhard, 2013, S. 212).

„Das Thema ,Tod und Sterben‘ ist für die [...] Pädagogik [...] ein relativ neuer Gegenstand wissenschaftlicher Reflexionen und theoriegeleiteter Praxis“ (Zieger, 2016, S. 508). Besonders im Bereich des Kindergarten ist diese Thematik kaum erforscht.

Da stellt sich die Frage, wie Pädagogische Fachkräfte mit dieser Thematik im Kindergarten umgehen?

2. Tod

Das Thema „ Tod“ beinhaltet Grundfragen der menschlichen Existenz.

„Ob Atmung, Kreislauf oder zentrales Nervensystem - es gibt Funktionen im menschlichen Körper, die für das Leben unabdingbar sind. Kommt es zum endgültigen Versagen dieser lebensnotwendigen Funktionen, spricht man vom Tod eines Menschen. Tritt der Tod nicht abrupt ein, beispielsweise durch einen tödlichen Unfall, sondern kündigt sich durch eine unheilbare Krankheit oder Altersschwäche auf absehbare Zeit an, wird diese Phase als das Sterben bezeichnet“ (Bundesverband Deutscher Bestatter e.V., 2021).[5],[6] Nicht nur ein Mensch kann sterben, sondern auch Tiere.

Der Tod gehört zum Leben. Er ist die endgültige Grenze des Lebens und der Mensch weiß, im Gegensatz zum Tier, um seinen Tod, lange bevor dieser eintritt. Doch „trotz dieses Wissens [...] glaubt im Grunde niemand an seinen eigenen Tod“ (Arens, 1994, S. 24). Dennoch gehört er untrennbar zu uns. „Er bleibt [.] als unser Ureigenstes das uns Fremdeste. Das macht den Tod so rätselhaft“ (Jüngel, 1994, S. 13).

Noch immer denken viele Erwachsene, dass „Tod und Sterben“ Kinder nicht interessieren, „dass sie noch zu klein oder vielleicht auch zu ,unschuldig‘ sind und dass sie von solchen schweren Themen verschont bleiben sollen - frei nach dem Motto: ,Das Leben ist später noch hart genug‘“ (Hinderer & Kroth, 2005, S. 5).5 6

Doch Kinder begegnen dem Tod bereits im Kleinkindalter sehr häufig.7

3. Trauer

Trauer ist zwar ein wichtiges menschliches Gefühl, aber wenig erforscht. Das Bild von dieser Emotion beruht zum Teil noch auf Annahmen, die Sigmund Freud vor rund 100 Jahren getroffen hat (vgl. Manzke, 2015).

Freud bezeichnet Trauer als eine „regelmäßige Reaktion auf den Verlust einer geliebten Person oder einer an ihre Stelle gerückten Abstraktion wie Vaterland, Freiheit, ein Ideal usw.“ (Lammer, 2014, S. 2).

„Trauer dient als Bewältigung von Verlusterfahrungen. Trauer tritt dabei einerseits nicht nur in Tod auf, sondern auch in Fällen anderer bedeutender Verluste“ (Lammer, 2014, S. 2).

Das Gefühl der Trauer wird als extreme Form der Traurigkeit beschrieben. Sie geht einher mit Hilflosigkeit, Passivität, Interessenlosigkeit und emotionaler Erschütterung, die sich in Weinen, Depression und Rückzug in die Isolation äußert. Trauer ist die Reaktion auf den psychischen Schmerz, welcher durch einen Verlust entsteht.

Die Reaktionen auf die Trauer sind sehr verschieden. Es lassen sich allerdings grob folgende Trauerreaktionen eingrenzen:

- Schock
- Somatische Symptome
- Verdrängung
- Ärger und Schuldgefühle
- Verwirrung
- Depression
- Furcht
- Neugierde

Trauer ist, wie bereits erwähnt, immer ein prozesshaftes Geschehen. Durch einen Todesfall gerät das Kind in ein Ungleichgewicht. Daher kann Trauer unter anderem auch als Bewältigungsverhalten, als sogenanntes Coping, betrachtet werden, bei dem unter Rückgriff auf Ressourcen und Bewältigungsmechanismen versucht wird, das überlastete homöostatische System wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Diese Bewältigungsstrategien und die damit verbundene Entwicklung und Veränderung des Einzelnen kann als Grundlage der Trauer gesehen werden. Jedoch sind die Bewältigungsstrategien sehr unterschiedlich und individuell. Auch die zeitlichen Angaben, wie lang die Phasen des Trauerns andauern und wann sie eintreten, sind nicht allgemeingültig, da einzelne Phasen möglicherweise nur wenige Minuten oder sehr lange dauern können. Deshalb dürfen verschiedene theoretische Trauermodelle nicht starr auf die Praxis übertragen werden. Die Trauermodelle dienen lediglich als Orientierung (vgl. Diebold, 2013, S. 16 ff.).

Wie Erwachsene durchlaufen auch Kinder in ihrem Trauerprozess mehrere Phasen8. Diese Phasen sind kein festes Schema, sondern bieten nur Anhalts- und Richtpunkte, um den Trauerprozess einzuschätzen (vgl. Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V., 2010, S. 7).

Bis in die späten 60er Jahre gab es kaum Forschung zum Thema Trauer. Elisabeth Kübler-Ross beschäftigt sich seitdem intensiv mit dieser Thematik und hat fünf Phasen entwickelt, die jeder trauernde Mensch durchläuft. Die erste Phase ist durch einen Schockzustand gekennzeichnet, zu dem das Nicht-Wahrhaben-Wollen und Leugnen gehören. Die zweite Phase ist dann als Heilungsprozess notwendig, da hier die Gefühle aufbrechen und vor allem Zorn und Wut schmerzhaft erlebt werden. In der dritten Phase versuchen die Trauernden durch Verhandeln, den Schmerz des Verlustes nicht zu spüren. Die vierte Phase beschreibt eine natürliche Depression, die durch das Gefühl der Leere gekennzeichnet ist. In der fünften Phase schließlich stimmt der Trauernde dem Verlust zu, indem er lernt, mit der Realität und der veränderten Welt zurechtzukommen, was nach Kübler-Ross eine lebenslange Aufgabe ist (vgl. Diebold, 2013, S. 17 ff.).

Bowlby knüpft an die Theorie von Kübler-Ross an und nimmt eine differenzierte Perspektive ein. Er definiert Trauer, ausgehend von seiner Bindungstheorie, als Verlust einer Bindung. Dieser wird zwar von jedem Menschen unterschiedlich erlebt, dabei sind aber verschiedene Ähnlichkeiten erkennbar, die eine Einteilung der Trauer in vier Phasen erlauben.

Die Phase der Betäubung ist durch eine Veränderung der Gefühle charakterisiert, die zeitweise von emotionalen Ausbrüchen unterbrochen wird. Nach dieser Schockphase wird der Verlust in einer emotionalen Phase der Sehnsucht realisiert, indem nach der verstorbenen Bindungsfigur gesucht wird. In der dritten Phase empfindet sich der Trauernde als verzweifelt und desorganisiert, um schließlich in der vierten Phase eine Reorganisation des Lebens zu erreichen (vgl. Diebold, 2013, S.18).

Trauer ist kein Zustand, sondern immer ein dynamischer Prozess, der durch verschiedene Faktoren beeinflusst wird. Es handelt sich um ein individuelles Geschehen, das individuell bewältigt werden muss und sich nicht allein durch Phasenmodelle oder Traueraufgaben erklären lässt (vgl. ebd., 2013, S. 24). „Vielmehr müssen diese durch verschiedene Faktoren, die den Trauerverlauf beeinflussen und in ihrer spezifischen Kombination von Trauer zu einer individuellen Erfahrung machen, ergänzt werden“ (ebd., 2013, S. 24).

[...]


1 „Sterben und Tod werden [...] in der modernen Gesellschaft verdrängt und tabuisiert“ (Göckenjan, 2008).

2 Die Konfrontation mit den Themen Tod und Trauer ist im Leben eines Menschen in unserer Gesellschaft unausweichlich. Jeder Mensch, egal welchen Alters, muss sich irgendwann gezwungenermaßen damit auseinandersetzen.

3 „Wenn jemand im Sterben liegt, dringt das selten nach außen, ein eingetretener Todesfall ist kaum eine Information wert: keine Trauerbekleidung, keine Beerdigungsumzüge, kein Glockenläuten, keine Kondolenzpflichten“ (Göckenjan, 2008).

4 „Nicht nur gesellschaftlich, sondern auch in der Sozialen Arbeit wird [der Umgang mit dem Tod] nur randständig behandelt“ (Diebold, 2013, S. 9).

5 „Der Begriff Hirntod wurde 1968 von einem Komitee der Harvard Medical School entwickelt. Der Begriff wurde etabliert, um im Rahmen der Transplantationsmedizin eindeutig zu bestimmen, wann ein Mensch im irreversiblen Koma liegt. Denn erst dieser Umstand sollte den Zeitpunkt markieren, an dem lebenserhaltende Maßnahmen abgebrochen und Organe zur Transplantation entnommen werden dürfen“ (Bundesverband Deutscher Bestatter e.V., 2021).

6 „Nach Eintritt des klinischen Todes und Hirntodes kommt es zum biologischen. Kennzeichnend für den biologischen Tod sind sichere Todeszeichen des Verstorbenen. Dazu gehören beispielsweise die Verwesung des menschlichen Körpers, Totenflecken und die sogenannte Leichenstarre. Das Auftreten der sicheren Todeszeichen und der biologische Tod müssen von einem Arzt im Rahmen einer Leichenschau festgestellt werden. Auch die Bestimmung des Todeszeitpunktes gehört zur Untersuchung und muss vom Arzt im Totenschein festgehalten werden“ (Bundesverband Deutscher Bestatter e.V., 2021).

7 „Ein geliebtes Haustier stirbt, vom Tod eines entfernten Verwandten oder eines Nachbarn wird gesprochen, ein Großelternteil verstirbt, oder der Tod trifft einen Menschen in unmittelbarer Nähe des Kindes: ein Elternteil, ein Geschwister, eine Klassenkameradin oder ein Spielkamerad. Der erste Impuls vieler Erwachsener ist es, die Kinder vor der Begegnung mit dem Tod zu schützen. Doch wissen wir eigentlich: Sterben, Tod und Trauer gehören auch zum Leben von Kindern und müssen keinen schlimmen Schaden anrichten“ (Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V., 2010, S. 5).

8 Kinder zeigen grundsätzlich den gleichen Verlauf wie Erwachsene. Sie empfinden die Emotion der Trauer aber eher „tröpfchenweise“. Das heißt, in einem Moment können sie hemmungslos wei­nen und im nächsten Moment intensiv spielen (vgl. Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V., 2010, S. 7).

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Umgang mit Tod und Trauer im Kindergarten. Soziale Arbeit als Emotionsarbeit
Hochschule
Universität Trier
Note
1,9
Autor
Jahr
2021
Seiten
24
Katalognummer
V1163119
ISBN (eBook)
9783346566355
ISBN (Buch)
9783346566362
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Trauer, Tod, Sozialarbeit, Emotionsarbeit, Kindergarten, Tod und Trauer, Kind und Tod, Trauererfahrungen in der Kindheit, Emotionen
Arbeit zitieren
Felix Girst (Autor:in), 2021, Umgang mit Tod und Trauer im Kindergarten. Soziale Arbeit als Emotionsarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1163119

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