Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Lehrkräfte im Umgang mit sprachlich-kultureller Vielfalt im Deutschunterricht
2.1 Haltungen von Lehrkräften
2.2 Kompetenzen von Lehrkräften
3 Unterrichtsentwurf
3.1 Stellung der Unterrichtsstunde und Ziele
3.2 Bedingungsanalyse (Beschreibung der Lerngruppe)
3.3 Sachanalyse
3.4 Didaktische Analyse
3.5 Methodische Analyse der Unterrichtsphasen
4 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
bspw. – beispielsweise
bzw. – beziehungsweise
BFS – Berufsfachschule
d.h. – das heißt
DaZ – Deutsch als Zweitsprache
KMK – Kultusminister Konferenz
LK – Lehrkraft
LSG – Lehrer-Schüler-Gespräch
LuL – Lehrerinnen und Lehrer
LV – Lehrervortrag
resp. – respektive
SuS – Schülerinnen und Schüler
Self-Regulated Strategy Development
u.a. – unter anderem
UiP – Unterrichts im Plenum
z.B. – zum Beispiel
1 Einleitung
Derzeit gewinnt der sprachsensible Fachunterricht sowohl in der universitären Aus- und Fortbildung von Lehrkräften als auch im Rahmen wissenschaftlicher Forschung Aufmerksamkeit (vgl. Fischer und Ehmke 2019: 412). Die Relevanz lässt sich dadurch begründen, dass etwa 83 Prozent der Lehrkräfte Lernende unterrichten, die einen Migrationshintergrund haben. Obwohl keine offiziellen Statistiken vorliegen, ist es wahrscheinlich, dass in Deutschland täglich über 190 Sprachen benutzt werden. Durch die Anzahl der Herkunftsregionen verbunden mit Diversifizierung anderer kultureller und sozialer Merkmale der Migration kommt es zu einer „Vervielfältigung der Vielfalt“ in der deutschen Bevölkerung. Um auf die Komplexität und die Dynamik in Bezug auf die Gestaltung gesellschaftlicher Institutionen aufmerksam zu machen, wurde der Arbeitsbegriff Super-Diversität eingeführt. Darüber hinaus bekunden über 90 Prozent der LuL ein Interesse an Sprachförderung und schreiben dieser einen hohen Stellenwert zu. Viele SuS, die sich im Alltag ohne Probleme verständigen können, haben Schwierigkeiten in bildungssprachlichen Fähigkeiten. Hierbei handelt es sich um Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund – die Bildungsbeteiligung zeigt dennoch, dass überproportional häufig SuS mit Migrationshintergrund sprachliche Defizite aufweisen. Aufgrund der rhetorischen Heterogenität in Schulklassen sind unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen gegeben, die Lehrende vor eine große Herausforderung stellen, da Unterricht an die bildungssprachlichen Fähigkeiten der Individuen der Lerngruppe angepasst werden muss (vgl. Becker-Mrotzek et al. 2012: 4–6; vgl. Gogolin und Duarte 2018: 68). Die Notwendigkeit einer systematischen Sprachförderung von leistungsschwachen SuS ist im bildungswissenschaftlichen Diskurs daher unumstritten. Es gibt jedoch bislang kaum empirische Studien über die Wirkung fachübergreifender im Vergleich zur DaZ-spezifisch fachintegrierten Förderung (vgl. Hammer et al. 2015: 32f.).
Ingrid Gogolin diagnostizierte vor über 20 Jahren den monolingualen Habitus der multilingualen Schule. Der Begriff wurde eingesetzt, um auf den am einsprachigen Normalfall orientierten Umgang mit migrationsbedingter Mehrsprachigkeit in Bildungseinrichtungen hinzuweisen. Obwohl dieser unter Umständen nicht mehr unangefochten in allen (Klassen-)Räumen vertreten ist, ist der monolinguale Habitus in deutschen Schulen auch heutzutage noch immer verbreitet. Studien von Lehrkräften zeigen, dass Mehrsprachigkeit grundsätzlich als wertvoll eingeschätzt wird, die Einbeziehung in den Unterricht aber oftmals aufgrund mangelnder Qualifizierung und Professionalisierung ausbleibt (vgl. Huxel 2018: 109f.).
Aus den genannten Gründen übernimmt die Institution Schule große Verantwortung für die sprachliche Bildung und die gezielte Förderung der SuS, da das Beherrschen der Bildungssprache eine notwendige Voraussetzung für den Schulerfolg darstellt. Dementsprechend zeichnet sich das Anforderungsprofil von LuL zunehmend dadurch aus, mit heterogenen, von kultureller und sprachlicher Vielfalt geprägten Lerngruppen, pädagogisch erfolgreich umzugehen, um ihnen den zentralen Zugang zur Wissensvermittlung zu ermöglichen. Doch dieser kann nur gewährleistet werden, wenn die LuL zum einen die Lebenswelten der SuS vor dem Hintergrund des demographischen Wandels analysieren und zum anderen die notwendigen interkulturellen und didaktischen Kompetenzen aufbauen (vgl. Baumann und Becker-Mrotzek 2014: 9). Es bedarf einer professionellen Eignung, die als komplexes mehrdimensionales Konstrukt konzeptualisiert ist und als essentielle Voraussetzung für ein erfolgreiches berufliches Handeln einer Lehrkraft gilt. Über die Frage, welche Qualifikationen LuL für die sprachliche Unterstützung ihrer SuS konkret benötigen, herrscht keine Einigkeit (vgl. Paetsch et al. 2019: 55f.).
Vor diesem Hintergrund wird sich im Rahmen der Hausarbeit im nächsten Kapitel mit der Fragestellung auseinandergesetzt, welche Haltungen und Kompetenzen Lehrkräfte benötigen, um der sprachlich-kulturellen Vielfalt im Deutschunterricht in konstruktiver Weise zu begegnen.
Im Anschluss der theoretischen Inhalte erfolgt ein Praxisbezug, der eine Analyse eines selbst erstellten Unterrichtsentwurfs „Streuselschnecke“ sowie eine Modifizierung hinsichtlich der sprachlichen Herausforderungen bzw. der didaktischen Möglichkeiten für den Einbezug der Mehrsprachigkeit in den Deutschunterricht beinhaltet.
Den Abschluss dieser Hausarbeit bildet ein Fazit, das die erarbeiteten Inhalte in Bezug auf die Mehrsprachigkeit und DaZ im Kontext Schule zusammenfasst.
2 Lehrkräfte im Umgang mit sprachlich-kultureller Vielfalt im Deutschunterricht
2.1 Haltungen von Lehrkräften
In diesem Themenfeld zur Mehrsprachigkeit und DaZ im Kontext der Deutschdidaktik werden Haltungen und Kompetenzen von LuL beschrieben und analysiert, die für die konstruktive Begegnung einer sprachlich-kulturellen Vielfalt im Deutschunterricht notwendig sind. In diesem Zusammenhang wird grundsätzlich eine Abgrenzung zwischen Haltungen und Kompetenzen angestrebt, die allerdings nicht ganzheitlich eingehalten werden kann, da sich unter Umständen Aspekte bedingen und miteinander verwoben sind.
Allgemein kann gesagt werden, dass Lehrkräfte von der Thematik einer sprachlich-kulturellen Diversität und Heterogenität im Unterricht überzeugt sein und ihr mit Offenheit begegnen müssen. Es ist essentiell, mögliche Vorbehalte gegenüber DaZ-SuS abzulegen sowie Denk-, Handlungs- und Wahrnehmungsschemata in Bezug auf Mehrsprachigkeit zu verändern, um dadurch das Lernklima und die Situation für mehrsprachige Kinder an der Schule zu verbessern (vgl. Syring et al. 2019: 85; vgl. Huxel 2018: 110, 119). Als eine der elementarsten Gelingensbedingungen mit dem Umgang diverser SuS-Gruppen gilt die positive Einstellung der Lehrkräfte. Wenn LuL der Verhaltens- und Begabungsvielfalt mit innerer Ablehnung gegenüberstehen, wird die bevorstehende Förder- und Integrationsarbeit missglücken, da die „Problem-SuS“ diese für gewöhnlich schnell erkennen und selbstständig in Abwehrstrategien bzw. Verhaltensauffälligkeiten abgleiten. Um diese Konstellation zu umgehen, ist das Durchbrechen bestimmter (Anfangs-) Haltungen und Barrieren notwendig (vgl. Klippert 2010: 78).
Lehrkräften muss es in der schulischen Praxis gelingen, förderungsbedürftige SuS aufgrund ihrer „Nicht-Passung“ zur Normalitätsvorstellung nicht in bestimmte Rubriken einzuordnen. Diese Forderung hängt damit zusammen, dass die Vorbehalte von Lehrkräften als stereotypische Erwartungen verstanden werden können, die sowohl Einfluss auf das Selbstwertgefühl als auch auf die Leistungsfähigkeit der SuS haben. Schofield bezeichnet diesen Effekt als „Stereotype Threat“. Solche negativen Stereotype verstärken laut Studien die Wirkungsspirale bei Lernenden, indem SuS bei geringeren Erwartungen seitens der LuL auch schlechtere Leistungen erbringen (und umgekehrt). Außerdem sollten Lehrende eine Identifikation hinsichtlich ihrer eigenen Strategie im Umgang mit Diversität entwickeln, die ihnen hilft, sich auf die (sprachlich-diverse) Unterrichtsinhalte einzulassen (vgl. de Boer et al. 2020: 71; vgl. Karakaşoğlu und Doğmuş 2018: 584f.). Denn nur durch die persönliche Überzeugung des behandelten Gegenstands sowie das Empfinden, dass die Themeninhalte sinnvoll sind, ist es möglich, in die Unterrichtsgestaltung auch andere Sprachen einzubeziehen (vgl. Bredthauer und Engfer 2018: 7). In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die in der Lerngruppe herrschende Heterogenität zu akzeptieren (vgl. Harr et al. 2018: 175) und eine Innovationsbereitschaft in Form von neuen Praktiken zu generieren (vgl. Pilz 2018: 75).
Ein weiterer Gesichtspunkt neben der beschriebenen Offenheit bzw. der Überzeugung ist die anzustrebende durchgängige Sprachbildung. Hierunter ist ein Konzept zu verstehen, dass sich schematisch in drei Dimensionen gliedern lässt: Die vertikale Dimension beschreibt die Sprachbildung entlang der gesamten Bildungsbiografie. Primär soll die Kontinuität der Sprachbildung an den Schnittstellen (z.B. Übergang Sekundarstufe in den Beruf) gesichert werden. Bei der horizontalen Dimension hingegen ist das Verständnis gemeint, dass alle beteiligten Instanzen gemeinsam agieren, damit es zu einer kumulativen Entwicklung der bildungsrelevanten Fähigkeiten in der Sprache kommt – hierzu zählt neben dem arbeitsteiligen Vorgehen sowie der Abstimmung (pädagogischer) Lehrkräfte der verschiedenen Fächer auch die Kooperation mit anderen Bildungseinrichtungen (z.B. das Elternhaus), die ebenfalls auf die Sprachentwicklung der Jugendlichen Einfluss haben. Die letzte Dimension lässt sich als transversal beschreiben und zeigt auf, dass die gesamte Biographie von der Überbrückung zwischen gegebenen sprachlichen Voraussetzungen und der Aneignung spezifischer sprachlicher Mittel geprägt ist, die für den Bildungserfolg erforderlich sind. Gemeint sind zum einen die vorhandene (erst- und zweitsprachige) Alltagssprache und zum anderen die durch das Sprachlernen entwickelte Bildungssprache. Um dem Ansatz der durchgängigen Sprachbildung gerecht zu werden, müssen Lehrkräfte auch außerhalb des Unterrichtsfachs Deutsch bereit sein, als lernbegleitende Sprachbeobachter*innen zu fungieren, um die sprachlichen Grundlagen der SuS kontinuierlich zu ermitteln. (vgl. Gogolin 2018: 477f.). In einem Schulsystem, das eine hohe sprachliche und kulturelle Vielfalt aufweist, muss letztlich das gesamte Kollegium das Handeln an den unterschiedlichen Ausgangslagen (z.B. Kulturkreise und Lernbiografien) der SuS ausrichten (vgl. Kaiser Trujillo 2014: 226f.). Besonders wichtig für LuL ist es, sich bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund über den besonderen Förderbedarf als bei Muttersprachlern bewusst zu werden. Lehrkräfte müssen lernen, SuS nicht automatisch mit Fähigkeiten auszustatten bzw. diese vorauszusetzen, die persönlich als selbstverständlich erscheinen, von der Lerngruppe allerdings nicht besessen werden. Darüber hinaus ist vor diesem Hintergrund das professionelle Bewusstsein aufzuführen, das eine Haltung von Lehrenden darstellt, durch die das pädagogische Handeln und seine Involviertheit in benachteiligenden Strukturen in Bezug auf das Innovationspotential der Institution Schule und der Unterrichtsgestaltung reflektiert wird (vgl. Dirim 2018: 490; vgl. Karakaşoğlu und Doğmuş 2018: 585). Somit werden die Sprachen aller SuS wertgeschätzt, es entsteht eine gerechtigkeitsorientierte (Schul-) Kultur und der eigene, historisch geprägte (monolinguale) Habitus wird erkannt, mit den gesellschaftlichen Bedingungen der Schule verknüpft und als veränderbar wahrgenommen – eine selbstreflexive Haltung wird eingenommen (vgl. Lange 2019; vgl. de Boer et al. 2020: 70). Mit dieser Verhaltensänderung kann es gelingen, die gegenwärtig an Schulen herrschende Diskrepanz zwischen Einstellung und Umgang mit Mehrsprachigkeit zu beenden, Heterogenität als Bereicherung zu betrachten und das lebenslange Lernen in Bezug auf die Anforderungen der zwei- und mehrsprachigen SuS voranzutreiben. LuL entwickeln eine Art Selbstverpflichtung, der sie nachkommen möchten (vgl. Bredthauer und Engfer 2018: 9; vgl. Pilz 2018: 78; vgl. Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration 2016: 22f.). Bezogen auf die Ausgestaltung des Unterrichts sollten die LuL eine Lernkultur gewährleisten, die den SuS Lernarbeit ermöglicht, da der Lernerfolg vom praktischen Tun im Unterricht abhängt. Mithilfe einer positiven Fehlerkultur sollen sich SuS an Aufgaben bzw. Inhalten ausprobieren – darüber hinaus ist es erforderlich, ausreichend Zeit für Aufgaben bereitzustellen, damit sich diesen genähert werden kann. Gleichzeitig sollten Lehrkräfte der Schülerschaft das Gefühl geben, bei Fragen zur Verfügung zu stehen, wodurch Rückhalt suggeriert wird. Selbstverständlich gibt es auch Lernende, die ein tragfähiges Maß an Selbstvertrauen und Eigeninitiative besitzen, dennoch müssen auch diejenigen „abgeholt“ werden, die ohne Lehrerlenkung nicht erfolgreich lernen können. Aus diesem Grund sind die Lehrkräfte in der Pflicht, die darauf angewiesenen SuS klärende Rahmenvorgaben und Hilfestellungen zu bieten, um einer drohenden Überforderung entgegenzuwirken. Daher ist es ein Gebot der Chancengleichheit und Fairness, dass Lehrkräfte als Regisseure, Berater, Motivatoren und Prozessbegleiter agieren, damit die Lerngruppe davon profitieren kann (vgl. Klippert 2010: 81f., 86, 89). LuL müssen bei Bedarf während der Arbeit mit DaZ-SuS ihre kreativen, handlungs- und produktionsorientierten Methoden und Sozialformen teilweise zurückstellen, da diese für Lernende lernhinderlich sein können – umso mehr bedarf es einer spezifischen Lernstil-Fachkompetenz, die einen auf die Lerngruppe zugeschnittenen Unterricht ermöglicht. Ergebnisse der Neurowissenschaften zeigen, dass es nicht ‚den‘ gehirngerechten Zugang gibt, da Menschen sehr unterschiedlich lernen. Deshalb liegt die „richtige“ Lösung für den Sprachunterricht in der Methodenvielfalt, verbunden mit dem Wissen über die unterschiedlichen Lernstile (vgl. Grein 2019a: 69, 98).
Neben den primär beschriebenen Haltungen, die Lehrkräfte für einen konstruktiven Umgang mit der sprachlich-kulturellen Vielfalt an Schulen benötigen, folgen im weiteren Verlauf Kompetenzen, die es in Bezug auf eine heterogene Lerngruppe anzustreben gilt.
2.2 Kompetenzen von Lehrkräften
Ein elementarer Kompetenzbereich ist die Fachkompetenz. LuL müssen darauf vorbereitet werden, SuS mit unterschiedlichen Erstsprachen und kulturellen Identitäten zu unterrichten und sie zu einem qualifizierten Abschluss zu führen. Hierfür bedarf es gut ausgebildetes Personal, das die Grundlage für den qualifizierten Sprachunterricht und Sprachförderung bildet (vgl. Becker-Mrotzek et al. 2012: 15). Fachkompetenz liefert den SuS nicht nur wichtige Inhalte, die sich auf den Bildungserfolg auswirken, sondern nimmt auch aus Sicht der Lehrenden eine entscheidende Rolle ein. Studien zeigen, dass die Mehrzahl der Lehrkräfte sprachlicher Fächer ohne Aus- und Fortbildung zurzeit nicht in der Lage ist, ihren Unterricht mehrsprachigkeitsdidaktisch zu gestalten. Aufgrund mangelhafter Ausbildung können sie in der Unterrichtsgestaltung die Bedürfnisse der mehrsprachigen Schülerschaft nicht berücksichtigen, wodurch die Gefahr einer physischen und psychischen Belastung durch die Herausforderung der Förderung besteht. Meist sind es Dienstältere mit jahrelanger Erfahrung, die mit der beschriebenen Situation besser umgehen. Die Ausführungen verdeutlichen, dass ein fundiertes Fachwissen verbunden mit Fortbildungen zur Mehrsprachigkeit für die konstruktive Begegnung im Schulgeschehen unumgänglich ist (vgl. Bredthauer und Engfer 2018: 5f.). Ein weiterer Aspekt besteht in der Kognition, die erforderlich ist, komplexe berufliche Aufgaben- und Problemstellungen zu bewältigen. Der klassische Kompetenzbegriff meint in diesem Zusammenhang nicht die aus der berufsbezogenen Wahrnehmung resultierenden Fähigkeiten (Wissen und Können), sondern auch motivationale und soziale. Alle Aspekte des Konstrukts Kompetenz sind erforderlich, um sämtlichen Anforderungen der Praxis gerecht zu werden – sie sind kontextspezifisch, mehrdimensional, durch Erfahrung erwerbbar und machen die Lehrkräfte handlungsfähig. Handlungskompetenz setzt sich (im Unterrichtsfach Deutsch) neben der bereits zu Beginn dieses Kapitels erläuterten Überzeugungen, aus motivationalen Orientierungen und selbstregulativen Fähigkeiten durch Kompetenzbereiche zusammen. Zu diesen zählen neben dem Fachwissen (Grundkenntnisse im Bereich der Syntax und Morphologie, konzeptioneller Mündlichkeit und Schriftlichkeit sowie didaktische und methodische Planung) auch das fachdidaktische, das pädagogische, das Interaktions- sowie das Beratungswissen (vgl. Köker 2018: 62, 64). Eine spezielle Begabung, um auf die sprachlichen Diversitäten in DaZ-Klassen adäquat zu reagieren, ist darüber hinaus die interkulturelle Fähigkeit. Sie meint, eine (kritische) Betrachtung des Bildungswesens zu liefern und den Fokus auf die Situation der von Ausgrenzung betroffenen Menschen zu legen. Hierbei werden die Ränder und Bruchlinien in individuellen und institutionellen Bildungsprozessen analysiert, um einen besseren Blick auf Migration und Diversität zu erhalten. Verbunden mit der Verschiebung dominanter Deutungsmuster und Normalitäten werden disziplinäre Zuständigkeiten überwunden und interkulturelle Konzepte entwickelt, um die Dilemma-Bewältigung (Förderung des Deutschen (als Zweitsprache) und Einbezug der Herkunftssprachen) voranzutreiben (vgl. Roth 2018: 242; vgl. Riehl und López 2018: 481). Insgesamt verfolgt dieser Kompetenzbereich einen angemessenen und professionellen Umgang mit Vielfalt, die sich in religiöser, kultureller, ethischer oder sprachlicher Ausprägung unterscheiden kann (vgl. Karakaşoğlu und Doğmuş 2018: 584). Praktische Anwendung findet sie, sobald Diagnose betrieben und Förderansätze für DaZ-SuS entwickelt werden, um auf die Bedarfe der Individuen abzuzielen (vgl. Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration 2016: 22). Dennoch muss es LuL trotz der persönlichen Voraussetzungen und des sensiblen Umgangs mit kulturellen Unterschieden gelingen, die Gemeinsamkeiten der Sprechenden – vor allem den Zugang und Erwerb der deutschen Sprache - anzusteuern und in den Mittelpunkt zu stellen (vgl. Grein 2019b: 125, 139). In diesem Zusammenhang kann es durchaus zu Widersprüchen kommen, die sich aus den Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten des Feldes ergeben – diese gilt es aus Sicht der Lehrkräfte allerdings auszuhalten und im Rahmen ihrer Professionalisierung die eigene Praxis in ihnen zu gestalten. Für die systematische Einbeziehung von Minderheitensprachen genügt es aber nicht, Ansatzpunkte bei einzelnen Lehrkräften zu suchen. Vielmehr muss eine Schulkultur ganzheitlich verändert werden (vgl. Huxel 2018: 119).
LuL sind für die Unterrichtsvor- und -nachbereitung verantwortlich. Oftmals werden in der unterrichtsvorgelagerten Phase Arbeitsblätter bzw. Unterrichtsmaterialien erstellt. Bei der Erarbeitung ist darauf zu achten, dass sie auf die Lernvoraussetzungen aller Individuen abgestimmt sind. Die Differenzierung von Aufgaben ist wichtig, um die SuS nicht zu überfordern (vgl. Riehl und López 2018: 483; vgl. Dirim 2018: 485, 489). LuL benötigen demnach die Kompetenz in der Gestaltung von sprachsensibler Lern- und Unterrichtsprozesse und der damit verbundenen Aufgabengestaltung (vgl. Huxel 2018: 119). Mithilfe der sogenannten Sprachstanddiagnostik können Sprachstände der Lernenden ermittelt und zugeschnittene Unterstützungstechniken abgeleitet werden, die auch für die methodisch-didaktische Gestaltung des sprachsensiblen Unterrichts wichtig sind. Eine mögliche Technik im Fachunterricht sind sprachliche Baugerüste, auch scaffolds genannt, die zeitlich begrenzt im Unterricht eingesetzt werden und sprachschwachen Jugendlichen helfen, neue Inhalte fachlich zu erschließen. Beispielhaft sind Formulierungshilfen für wiederkehrende sprachliche Handlungen (vgl. Woerfel und Giesau 2018: 2). Mithilfe diagnostischer Verfahren können phonologische Leistungen der SuS erkannt werden (vgl. Schründer-Lenzen 2013: 89). Nur wenn den LuL die sprachlichen und kulturellen Unterschiede ihrer Klasse bekannt sind, ist der Einsatz einer gezielten Sprachbildung und eines (sprach-) sensiblen Unterrichts möglich (vgl. Harr et al. 2018: 175).
Inhaltlich zusammenfassend und bezugnehmend auf die anfänglich gestellte Fragestellung lässt sich konstatieren, dass LuL über ein Fachwissen im Unterrichtsfach Deutsch verfügen müssen, um den DaZ-SuS die deutsche Sprache näherzubringen. Mithilfe erlernter und angewendeter Sprachstanddiagnostik sollen die Lernvoraussetzungen der Lerngruppe ermittelt werden, um individuelle Förderansätze zu entwickeln. Essentiell erscheint in diesem Zusammenhang ein adäquater Einsatz methodisch-didaktischer Werkzeuge, um die verschiedenen Lernstile anzusprechen und die definierten Lernziele zu erreichen. Es ist darüber hinaus wichtig, die Komplexität von Aufgaben und Unterrichtsphasen auf die Bedürfnisse der Individuen abzustimmen, um keine Überforderung zu erzielen, sondern eine förderliche Lernatmosphäre zu schaffen. Für LuL ist es wichtig, die kulturelle Vielfalt als Bereicherung anzusehen, dieser offen zu begegnen, sich vom historisch geprägten monolingualen Habitus als Normalfall zu lösen und ein Bewusstsein zu entwickeln, dass SuS mit Migrationshintergrund einen anderen Sprachförderbedarf haben als Muttersprachler. In diesem Kontext spielt die eigene Reflexionsfähigkeit eine entscheidende Rolle, die zur Einschätzung über den (Lern-) Erfolg oder Misserfolg im Unterricht Auskunft gibt. Ergänzt werden sollte die tägliche Arbeit im Schulwesen durch zusätzliche Fortbildungen im Bereich der Mehrsprachigkeit, die dem Ansatz des lebenslangen Lernens entsprechen und den LuL helfen, den (gegenwärtigen, aber auch zukünftigen) Anforderungen gerecht zu werden.
3 Unterrichtsentwurf
Unterrichtsentwurf im
Unterrichtsfach Deutsch/ Kommunikation
Praktikant: Christoph Mikat
Ausbildungsschule: Berufsbildende Schule für Wirtschaft und Verwaltung II
Kompetenzbereich: Texte und Medienprodukte verstehen, bewerten und nutzen
Lernsituation: Multiperspektivität literarischer Texte und das Bewusstwerden von Vorurteilen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Schulform: Berufsfachschule mit dem Schwerpunkt Wirtschaft und Verwaltung
Klasse: BFS20
Anzahl der SuS: 16 (7 Schülerinnen und 9 Schüler)
Datum: Montag, 08. März 2021
Uhrzeit: 08:00 – 09:30 Uhr
Raum: 1.02
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