In dieser Hausarbeit soll untersucht werden, wie das Puppentheater für Kinder und Erwachsene in der Nazizeit dazu eingesetzt wurde, propagandistische Botschaften zu verbreiten. Bei der Gleichschaltung des gesamten Bildungs-, Kultur- und Freizeitlebens ließen die Nazis auch diesen Bereich nicht aus. Das Figurentheater sollte als Bestandteil des Programms der NS-Gemeinschaft "Kraft durch Freude", auch NSG genannt, durchaus zur Unterhaltung und Zerstreuung der Bevölkerung beitragen, gerade in Kriegszeiten. Doch wollten die Funktionäre der NSG nicht darauf verzichten, dabei auch die Möglichkeit der propagandistischen Beeinflussung der Zuschauer zu nutzen. In den folgenden Kapiteln soll untersucht werden, mit welchen Mitteln sie dies zu erreichen versuchten und wie diese aus sozialpsychologischer Sicht zu bewerten sind. Inhaltlich werden einige charakteristische Puppentheaterfiguren in den Vordergrund gestellt, die in der Nazizeit eine deutliche Umwandlung erfuhren wie den Kasper und weitgehend neue Figuren wie den Juden oder den Meckerer. Auf die Rassen- und Gesellschaftsideologie selbst, die mit diesen Figuren transportiert wurde, wird nur so weit eingegangen, wie es zum Verständnis erforderlich ist, da die grundlegende Ideologie der Nazis als bekannt vorausgesetzt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Propaganda als Form eines Kommunikationsprozesses
2. Puppenspiel als propagandistisches Erziehungs- und Bildungsinstrument
3. Umsetzung der Propaganda auf der Puppenbühne
Fazit
Literatur
0. Einleitung
In dieser Hausarbeit möchte ich untersuchen, wie das Puppentheater für Kinder und Erwachsene in der Nazizeit dazu eingesetzt wurde, propagandistische Botschaften zu verbreiten. Bei der Gleichschaltung des gesamten Bildungs-, Kultur- und Freizeitlebens ließen die Nazis auch diesen Bereich nicht aus. Das Figurentheater sollte als Bestandteil des Programms der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“, auch NSG genannt, durchaus zur Unterhaltung und Zerstreuung der Bevölkerung beitragen, gerade in Kriegszeiten. Doch wollten die Funktionäre der NSG nicht darauf verzichten, dabei auch die Möglichkeit der propagandistischen Beeinflussung der Zuschauer zu nutzen.1 In den folgenden Kapiteln soll untersucht werden, mit welchen Mitteln sie dies zu erreichen versuchten und wie diese aus sozialpsychologischer Sicht zu bewerten sind. Inhaltlich werde ich einige charakteristische Puppentheaterfiguren in den Vordergrund stellen, die in der Nazizeit eine deutliche Umwandlung erfuhren wie den Kasper und weitgehend neue Figuren wie den Juden oder den Meckerer. Auf die Rassen- und Gesellschaftsideologie selbst, die mit diesen Figuren transportiert wurde, werde ich nur so weit eingehen, wie es zum Verständnis erforderlich ist, da die grundlegende Ideologie der Nazis als bekannt vorausgesetzt werden kann.
1. Propaganda als Form eines Kommunikationsprozesses
Die Inhalte von Propaganda im Puppenspiel in der NS-Zeit sind sowohl inhaltlich als auch praktisch derart konzipiert, dass sie überwiegend die periphere Route2 der kognitiven Verarbeitung des Menschen ansprechen. Bei dieser Art der Verarbeitung ist ein bewusstes Nachdenken oder Hinterfragen der transportierten propagandistischen Botschaften unwahrscheinlich. Im Gegensatz dazu sind über die zentrale Route3 Einstellungsänderungen zwar in der Regel stabiler, nur sind sie auch deutlich schwieriger herbeizuführen. Auf der zentralen Route arbeitet der Sender, vereinfacht gesagt, mit Argumenten, um den Empfänger zu beeinflussen, auf der peripheren Route mit unterschwelligen Botschaften. Ein Beispiel aus der Werbung: Die zentrale Route wird angesprochen, wenn etwa die unvergleichlichen „Wascheigenschaften“ eines Waschmittels gepriesen werden, unabhängig davon, ob sie der Wahrheit entsprechen. Die periphere Route wird beispielsweise angesprochen, wenn Werbung auf nackte Haut setzt, vor allem, wenn dies nichts mit dem beworbenen Produkt zu tun hat, wie etwa bei der legendären „Lätta“-Werbung.
Die Fachbegriffe periphere und zentrale Route sind nicht nur Bestandteil des oben zitierten Elaboration Likelihood Model von Petty und Cacioppo, sondern werden auch in anderen Zwei-Prozess-Modellen4, u.a. in der Medienwirkungsforschung, in ähnlicher Weise verwendet. Allgemein gesagt sind Zwei-Prozess-Modelle spezifische Reiz-Reaktions-Theorien, die unterschiedliche Routen der kognitiven Verarbeitung veranschaulichen. Mithilfe dieser und abgewandelter Modelle werden zwei wichtige Unterschiede bei der kognitiven Verarbeitung von (Propaganda-)Inhalten gezeigt und analysiert, die sich als bewusste, unbewusste oder auch als Misch- und Wechselformen der Informationsverarbeitung definieren. Zwei-Prozess-Modelle werden üblicherweise angewendet, um herauszufinden, wie Menschen durch persuasive Botschaften, zu der auch politische Propaganda gerechnet wird, beeinflusst werden. Welcher Weg der Verarbeitung eingeschlagen wird, ist abhängig von der Beschaffenheit der Mitteilung, der Motivation und den Fähigkeiten von Sender und Empfänger. Natürlich ist die Wirkung im Regelfall umso größer, je häufiger die Botschaft wiederholt wird.
Die Konzentration von Propaganda auf die peripheren Hinweisreize von Propaganda ist laut Klaus Merten durch Beschreibungen des Reiz-Reaktions-Modells5 erklärbar, das bereits Aristoteles in seinen Ausführungen zur Rhetorik implizit verwendete. Dementsprechend strukturiert und auf die periphere Route zugeschnitten, war auch die Propaganda im Puppenspiel der NS-Zeit, um so einfach und wirksam wie möglich einen Großteil der Empfänger zu erreichen. Nazipropaganda musste sowohl erzieherischen Charakter haben als auch alle Bildungsschichten und Altersklassen ansprechen, denn Puppenspiel sollte Kinder und Erwachsene gleichsam unterhalten und dabei unterschwellig manipulieren.
Verhaltens- und Propagandamechanismen, die heute u.a. anhand sozialpsychologischer und kommunikationswissenschaftlicher Modelle erklärt und untersucht werden, sowie die Erkenntnis, dass der Mensch ein „kognitiver Geizhals“ ist und dementsprechend Informationen auf der peripheren Route schneller verarbeitet und verinnerlicht, tragen ebenfalls zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Personenschemata6 und Stereotypen bei, welche die Nazis seinerzeit praktisch zu nutzten wussten. Des Weiteren verbreiteten die Nazis ihre Propaganda durch Ansätze der Pseudowissenschaft Physiognomie7 (= unbewegte Gesichtsmerkmale), bei der es darum ging, vom äußeren Erscheinungsbild eines Menschen oder einer entsprechenden Personengruppe auf bestimmte (negative) Charaktereigenschaften zu schließen. So konnten die Nazis mit sehr einfachen Mitteln gegen Juden und nonkonforme Gruppen wie die „Meckerer“ hetzen, denn die zwar starren, jedoch mimikstark und ausdrucksvoll hergestellten Gesichter der Figuren des Puppenspiels boten sich dazu regelrecht an.
[...]
1 Vgl. zur grundsätzlichen Bedeutung von Einstellungen in der Sozialpsychologie: Roland Mangold, Peter Vorderer, Gary Bente (Hrsg.): Lehrbuch der Medienpsychologie. Göttingen 2004, S. 190-193.
2 Vgl. Richard E. Petty, John T. Cacioppo: The Elaboration Likelihood Model Of Persuasion. In: Advances in experimental social psychology (Ed. L. Berkowitz), 19, 1986, S. 123 – 205. New York.
3 Vgl. ebd.
4 Vgl. Mangold, Lehrbuch, S. 182.
5 Vgl. Klaus Merten: Struktur und Funktion von Propaganda. Aufsätze und Berichte. In: Publizistik, Heft 2, Juni 2000, 45. Jahrgang, S.143-162; hier: S. 144.
6 Vgl. Mangold, Lehrbuch, S. 177- 179.
7 Vgl. Christine Wendelborn, Die Lehre der Physiognomie im 3. Reich, Facharbeit Psychologie, unveröffentlicht. URL:www.fvsg-ob.de/uploads/media/Facharbeit_Chr.Wendelborn.ppt [abgerufen am: 02.02.2014].
- Quote paper
- Jasmin Lienstädt (Author), 2013, Figurentheater als Propagandainstrument im Dritten Reich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1164997
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