Reflexive Koedukation. Geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen


Hausarbeit, 2020

18 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Historischer Überblick

Geschlechtsspezifische Unterschiede

Das Konzept der reflexiven Koedukation

Didaktische Konsequenzen

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die Debatte über Monoedukation vs. Koedukation bleibt weiterhin aktuell. Monoedukativer Unterricht war bis in die 1960er Jahre vorherrschend. Im Anschluss an die Koedukationsdebatte entstanden immer mehr koedukative Schulen, die die Gleichberechtigung und Chancengleichheit für Mädchen gewährleisten sollten. Dies wurde in den 1980er Jahren wiederum kritisiert, da es zur Benachteiligung von Mädchen im Schulalltag führe. In den letzten Jahren erweiterte sich die Debatte um die Perspektive der Jungen, die, was den schulischen Bildungserfolg angeht, hinter den Mädchen zurückblieben. Da die traditionelle Geschlechterhierarchie dazu führt, dass beide Geschlechter als Bildungsverlierer dastehen, wurde das Modell der reflexiven Koedukation entwickelt.

Daher soll die Hausarbeit die Fragen untersuchen worin geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen liegen und wie reflexive Koedukation zu mehr Chancengleichheit an Schulen beitragen kann?

Um ein angemessenes Verständnis der Thematik zu gewährleisten sollen zunächst die historischen Entwicklungen der Koedukation skizziert werden. Anschließend sollen geschlechtsbezogene Unterschiede analysiert werden. Darauf aufbauend wird das Konzept der reflektiven Koedukation vorgestellt und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die didaktische Umsetzung beschrieben. Abschließend folgt ein kurzes Fazit.

Historischer Überblick

Die Entwicklung des Bildungssystems verdeutlicht die Bedeutsamkeit von Geschlecht. Das katholische Arbeitsmädchen vom Land galt lange Zeit als Inbegriff für Bildungsungleichheiten.1

1839 wurde die allgemeine Volksschulpflicht eingeführt. Um diesen Pflichtunterricht flächendeckend für alle Kinder unter zwölf Jahren verwirklichen zu können, wurde Koedukation teilweise zugelassen, da die Einrichtungen und Ausstattungen monoedukativen Unterricht nicht zuließen. Dabei scheint es eher so gewesen zu sein, dass die Mädchen und Jungen zwar zusammen im Unterricht saßen, jedoch nicht gleich erzogen wurden.2 Die weibliche Bildung wurde als Erziehung für den Mann

verstanden und diente der Vorbereitung als Gattin, Hausfrau und Mutter. An eine höhere Bildung, die über die Volksschulbildung hinausging, war damals noch nicht zu denken. Die bürgerliche Frauenbewegung wurde 1865 gegründet und begann organisiert zu wirken. Forderungen nach einer verbesserten Bildung für Frauen wurden erst ab 1872 gestellt. Die ersten Erfolge ließen sich um das Jahr 1908 verzeichnen. Frauen die Zulassung zum Universitätsstudium und höhere Mädchenschulen die Anerkennung als höhere Lehranstalten. Die bürgerliche Frauenbewegung forderte darüber hinaus unabhängig vom Geschlecht einen gleichen Zugang zum Bildungssystem. Die bundeseinheitliche Koedukation etablierte sich jedoch erst 52 Jahre darauf, im Jahr 1965.3 Ziele waren außerdem das Recht auf Bildung, Freiheit der Berufswahl und Mitbestimmung. Um die damalige Unterordnung zum Mann zu verringern, war eine Verbesserung der Bildung für Frauen erforderlich. Diese sollte gewährleistet werden, indem Mädchen ihre Unterrichtung ausschließlich durch Frauen erhielten, um zu gewährleisten, dass die Ziele ernstgenommen und umgesetzt würden. Daher forderte die Frauenbewegung die Lehrerinnenbildung. Dazu mussten sie zunächst zum Universitätsstudium zugelassen werden, wobei sie zunächst auf Widerstand stießen.4 Im Zuge der Industrialisierung entstand ein veränderter Arbeitsmarkt, wodurch Frauen sich zum Teil selbst versorgen mussten. Der allgemeine Konsens für die Argumentation, wonach Frauen grundsätzlich die intellektuellen Fähigkeiten fehlen, um dem Bildungsangebot folgen zu können, wurde immer geringer. Eine Petition für eine größere Beteiligung am wissenschaftlichen Unterricht wurde 1887 an das Preußische Abgeordnetenhaus eingereicht.5 Ökonomische Veränderungen bedingten schließlich, dass immer mehr Frauen auf ein eigenes Einkommen angewiesen waren und damit einhergehend das Interesse am Lehrerinnenberuf stieg. Schließlich konnten sie nach dem Besuch einer höheren Mädchenschule Lehrerinnenseminare besuchen. Jedoch waren ihre Möglichkeiten zu unterrichten sehr begrenzt und sie erhielten für ihre Arbeit nur zwei-drittel des Lohns den Männer bekamen. Zudem bestand für sie ein Heiratsverbot und sie hatten keinerlei Ansprüche auf eine Pension.6 Durch die Fortbildungskurse und Stellenvermittlung des 1890 gegründeten Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins verbesserte sich die Frauenbildung. Bereits drei Jahre später konnten Frauen in Göttingen und Berlin

Universitätsvorlesungen besuchen, sofern dies ministriell genehmigt worden war. Im selben Jahr wurde zudem das erste Mädchengymnasium eröffnet. Ab dem Jahr 1894 zeichneten sich erste Erfolge der Reformbewegung in Form von der Verbesserung der Lehrerinnenausbildung ab und führten dazu, dass 1902 die das Gehalt und die Pension betreffenden gesetzlichen Regelungen angepasst wurden. Als abgeschlossen galt die Frage der allgemeinen Zulassung von Frauen an Universitäten im Jahr 1908. Die Verankerung der beamtenrechtlichen Gleichstellung im Lehrberuf folgte 1919/20. Trotz der formalen Gleichstellung der Mädchengymnasien mit den Jungengymnasien, wurden weniger Bildungsmittel für Mädchengymnasien zur Verfügung gestellt. Diese und weitere Ungleichheiten führten zur Gründung des Vereins für Frauenwohl im Jahr 1900, der bereits ein Jahr nach der Gründung die Einführung der Koedukation forderte. Dieser Forderung wurde, aus materiellen Überlegungen heraus, 1913 durch den Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein entsprochen.7 Im Jahr 1955 wurden Leitsätze zur Koedukation veröffentlicht, wonach die vorgeschriebenen Unterrichtsinhalte nach den Grundsätzen der gemeinsamen Erziehung umgesetzt werden sollten. Ergänzend sollten die Lernenden die Möglichkeit haben in geschlechtshomogenen Gruppen zu arbeiten und ihren Interessen nachzugehen. Im Biologieunterricht wurde zeitweise eine getrennte Erziehung gefordert. Der Leibesunterricht sollte grundsätzlich nach Geschlecht getrennt sein. Als Ausgleich wurde die musische Erziehung gesehen, die das Gemeinschaftsleben fördern sollte. Auf der strukturellen Ebene sollten je ein Vertrauenslehrer und eine Vertrauenslehrerin für jede Stufe beauftragt werden. Das Kollegium sollte zahlenmäßig dem Geschlechterverhältnis der Lernenden entsprechen und mindestens eine Oberstudienratsstelle musste mit einer Frau besetzt werden, sofern die Schulleitung von einem Mann besetzt war.8

„Die Form des Unterrichts, die eine gemeinschaftliche Unterweisung von Jungen und Mädchen darstellt, aus Gründen der methodischen Zweckmäßigkeit oder wegen zwingender Verhältnisse, die eine Trennung nicht zulassen, wird als Koinstruktion bezeichnet. Koedukation als Erziehungsprinzip jedoch würde mehr bedeuten: es impliziert eine Allgemeinbildung der als gleichwertig anerkannten Schüler und Schülerinnen, die sich sowohl an gesellschaftlichen als auch individuellen Ansprüchen und Bedürfnissen orientiert. Eine gemeinschaftliche Erziehung beider Geschlechter müßte [sic!] beide Geschlechter in den Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens stellen. Dies muß [sic!] sich im Lehrplan, im Fächerkanon, in den Unterrichtsmaterialien, in den Interaktionen im Unterricht und in der schulischen Hierarchie ausdrücken.“9

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Koedukationen vor allem ökonomischen Überlegungen geschuldet ist. Das Unterrichtsprinzip der Koinstruktion basiert auf strukturellen Prinzipien. Es vereinheitlicht Unterschiede der Geschlechter und grenzt sie an gesellschaftliche Normen und Werte an. Dies drückt sich in der unterschiedlichen Beurteilung von Lebensbezügen aus. Resultierend daraus ergibt sich ein eher sozialisationsbedingter Umgang mit Unterschieden im Lernverhalten.10 In den letzten Jahrzehnten haben gesellschaftliche Umbrüche, wie die Auflösung traditioneller Familienstrukturen, der technologische Wandel, sowie wirtschaftliche Veränderungen einen Perspektivwechsel für die Bildungspolitik erfordert. Die tradierten Rollenerwartungen und Lebensmodelle sind anhand des Wandels untauglich geworden.11

Geschlechtsspezifische Unterschiede

In sämtlichen Bildungszusammenhängen ist das Geschlecht ein erwiesener Faktor von Ungleichheit. Dabei ergeben sich abhängig vom Bildungsort unterschiedliche Nachteile für Mädchen und Jungen. In den letzten Jahrzehnten entstanden Maßnahmen zur Behebung von genderbetreffenden Ungleichheiten und Problemen für verschiedene Bildungskontexte.12

Das Geschlecht wurde lange als eine biologisch gegebene Tatsache angesehen.13 Die Zuweisung zu einem Geschlecht findet spätestens bei der Geburt anhand der Genitalien statt. Durch diese Zuordnung wird ein identitätsbildender Prozess angestoßen, indem die interaktive Produktion bzw. Reproduktion durch die relevanten Akteure stattfindet.14 Dementsprechend wurde die Differenzierung der Geschlechter aufgrund der naturwissenschaftlichen Begründung bis ins 19. Jahrhundert als unveränderbar betrachtet.15 Im Gegensatz dazu wird Geschlecht in der heutigen Zeit nach englischem Vorbild zwischen Sex und Gender differenziert. Sex beschreibt dabei die zuvor beschriebene biologische Ausprägung des Geschlechts, wohingegen Gender das kulturell und sozial determinierte Geschlecht ausdrückt.

[...]


1 Vgl. Faulstich-Wieland 2005, S. 1

2 Vgl. Faulstich-Wieland 1991, zitiert nach Matza 2008, S. 27

3 Vgl. Matza 2008, S. 27 ff.

4 Vgl. Matza 2008, S. 33 f.

5 Vgl. Matza 2008, S. 36

6 Vgl. Matza 2008, S. 38 f.

7 Vgl. Matza 2008, S. 39 ff.

8 Vgl. Faulstich-Wieland 1991, zitiert durch Matza 2008, S. 42 f.

9 Matza 2008, S. 43

10 Vgl. Matza 2008, S. 43 f.

11 Vgl. Tolle 1998, S. 10

12 Vgl. Budde & Venth 2010, S. 16 f.

13 Vgl. Budde & Venth 2010, S. 12

14 Vgl. Herwartz-Emden, Schurt & Waburg 2012, S. 68

15 Vgl. Wehling 2008, S. 31

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Reflexive Koedukation. Geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Veranstaltung
Gender und Bildung
Note
3,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
18
Katalognummer
V1165681
ISBN (eBook)
9783346574145
ISBN (Buch)
9783346574152
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gender, Bildung, Koedukation
Arbeit zitieren
Julia Hahn (Autor:in), 2020, Reflexive Koedukation. Geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1165681

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