Wertorientierte Kennzahlenkonzepte. Eine anwendungsbezogene Untersuchung ausgewählter DAX-30 Unternehmen


Bachelorarbeit, 2021

131 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Formelverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlagen wertorientierter Kennzahlenkonzepte
2.1 Definitionen, Funktionen, Aufgaben und Arten von Kennzahlen
2.2 Die Systematik von Kennzahlensystemen
2.3 Der Shareholder Value-Ansatz als Grundlage wertorientierter Unternehmensführung
2.4 Die Notwendigkeit wertorientierter Kennzahlenkonzepte

3 Ausgewählte wertorientierte Kennzahlenkonzepte
3.1 DCF-Konzept
3.2 CFROI und CVA-Konzept
3.3 EVA und ROCE-Konzept
3.4 Einblicke in weitere wertorientierte Kennzahlenkonzepte
3.5 Preinreich-Lücke-Theorem

4 Empirische Untersuchung
4.1 Bisherige Studien
4.2 Herleitung der Fragestellungen
4.3 Methodik
4.4 Resultate und Interpretation
4.5 Limitationen

5 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Anhang I: Bekenntnisse und Kennzahlenerhebung

Anhang II: Segmentberichterstattung

Anhang III: Zukunftsbezogene Aussagen und Prognosen

Anhang IV: Bestandteile variabler Vergütungssysteme

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Kategorisierung wertorientierter Kennzahlen

Tabelle 2: Entscheidungsregeln des EVA

Tabelle 3: Bisherige Studien

Tabelle 4: Bisherige Studien: Studienziele und ihre Erkenntnisse / Quelle: Eigene Anfertigung

Tabelle 5: Übersicht zu den untersuchten Unternehmen

Tabelle 6: Untersuchte Unternehmen nach Jahren

Tabelle 7: Kategorien zum Bekenntnis zu einer wertorientierten Steuerung

Tabelle 8: Beispielhafte Bekenntnisse zur wertorientierten Unternehmenssteuerung

Tabelle 9: Bekenntnisse zur wertorientierten Unternehmenssteuerung

Tabelle 10: Kategorien zu den wertorientierten Kennzahlen

Tabelle 11: Unternehmen mit wertorientierter Steuerung

Tabelle 12: Erfasste Kennzahlen im weiteren Sinne

Tabelle 13: Erfasste wertorientierten Kennzahlen im engeren Sinne

Tabelle 14: Erhebung der Kapitalkosten (WACC)

Tabelle 15: Kategorien zur Segmentberichterstattung

Tabelle 16: Segmentberichterstattung der DAX Unternehmen im GJ 19/20

Tabelle 17: Segmente und Aktivitäten der Bayer AG:

Tabelle 18: Kategorien zu den zukunftsbezogenen Aussagen und Prognosen

Tabelle 19: Zukunftsbezogene Aussagen und Prognosen der DAX Unternehmen

Tabelle 20: Wertorientierte Anreizsysteme in den DAX-30 Unternehmen

Formelverzeichnis

Formel 1: Shareholder Value

Formel 2: WACC

Formel 3: CAPM-Modell

Formel 4: DCF nach Equity-Verfahren

Formel 5: DCF nach WACC-Ansatz

Formel 6: Ermittlung des CFROI

Formel 7: Ermittlung des CVA

Formel 8: Ermittlung des EVA

Formel 9: Ermittlung des ROCE

Formel 10: Continental Value Contribution

Formel 11: Daimler Value Added

Formel 12: ThyssenKrupp Value Added

Formel 13: Ermittlung des EBITaC

Formel 14: Ermittlung des ROA

Formel 15: Ermittlung des ROE

Formel 16: Ermittlung des ROI

Formel 17: Kongruenzprinzip des Preinreich-Lücke-Theorems

Formel 18: Kapitalwert zum Entscheidungszeitpunkt

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Anforderungskatalog für Kennzahlen

Abbildung 2: Arten von Kennzahlen

Abbildung 3: Kennzahlensysteme

Abbildung 4: DCF-Verfahren im Überblick

Abbildung 5: Bekenntnis zur wertorientierten Unternehmenssteuerung im GJ 19/20

Abbildung 6: Unternehmen mit wertorientierter Steuerung im GJ 19/20

Abbildung 7: Segmentberichterstattung mit wertorientierten Kennzahlen

Abbildung 8: Prognosen der wertorientierten KPI für das Jahr 2021

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Problemstellung und Zielsetzung

Die steigende Internationalisierung der Kapitalmärkte und unterschiedliche Faktoren, wie beispielsweise die schnelllebige Entwicklung der Umwelt, stel­len Unternehmen vor neue Herausforderungen. Dadurch ist eine zunehmende Tendenz zu neuen Ansätzen zu beobachten, welche ihren Fokus u. a. auf eine wertorientierte und kennzahlenbasierte Führung von Unternehmen legen.1 Unter dem Oberbegriff der wertorientierten Kennzahlenkonzepte haben sich in den vergangenen Jahren eine große Anzahl von Unternehmensführungs­systemen etabliert. Ein Ziel dieser Konzepte ist es, mit den entworfenen Be­wertungsansätzen eine wertorientierte Unternehmenssteuerung zu ermögli- chen.2

Insbesondere Aktiengesellschaften sind am Kapitalmarkt oftmals in einem langfristigen Wettbewerb involviert, der z. B. Beteiligungskapital voraus- setzt.3 Viele Aktiengesellschaften haben frühzeitig erkannt, dass die Unter­nehmensführung den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens beeinflusst und oftmals über die traditionellen Kennzahlensysteme hinausgeht. Laut der Fachliteratur besteht ein Nachteil von traditionellen Kennzahlen darin, dass die Kapitalkosten nicht berücksichtigt werden.4 Vor allem für die globalisier­ten Anleger auf dem Kapitalmarkt, welche die Investition von Kapital frei auswählen können, ist die Bewertung der Kapitalkosten von entscheidender Bedeutung. Hierbei wird häufig das Kapital dort investiert, wo der höhere Nutzen erzielt und weitere wichtige Vorteile erreicht werden.5 Unternehmen und Investoren verfolgen ein gemeinsames Ziel: die dauerhafte und nachhal­tige Steigerung des Unternehmenswertes. Folglich besteht das Ziel einer wertorientierten Unternehmenssteuerung in einem nachhaltigen Shareholder Value. Dieses Modell geht auf die Veröffentlichung von Rappaports „Corpo- rate Performance Standards and Shareholder Value“ zurück.6

Um ein Unternehmen wertorientiert steuern zu können, müssen entspre­chende Kennzahlen implementiert werden. Diese Kennzahlen sollen der Un­ternehmensführung dabei helfen, Handlungsalternativen, wie z. B. Investiti­onsentscheidungen und Entscheidungen bezüglich des Portfolios von Ge­schäftsbereichen, im Kontext der Unternehmenswertsteigerung zu beurteilen. Die große Anzahl der wertorientierten Kennzahlen macht es erkennbar, dass sich in der Praxis kein Kennzahlenkonzept eindeutig einrichten konnte. Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit die bisher entwickelten wertori­entierten Kennzahlenkonzepte in der Lage sind, ein Unternehmen wertorien­tiert zu steuern. Obwohl diese Konzepte weit verbreitet sind, besteht das Problem, dass die Bewertungsgrundlage von wertorientierten Kennzahlen noch nicht standardisiert ist. Die Standardisierung wird der wesentliche Schritt zu einer guten Kommunizierbarkeit und mehr Vergleichbarkeit sein. Zielsetzung dieser Arbeit ist es, anhand der veröffentlichten Informationen in den Geschäftsberichten der Unternehmen den Stand der Nutzung wertorien­tierter Kennzahlen innerhalb ausgewählter DAX-Unternehmen7 darzustellen, kritisch zu würdigen und miteinander zu vergleichen. Als Zeitraum, für den die Geschäftsberichte der DAX-Unternehmen auf wertorientierte Inhalte ana­lysiert und untersucht werden, wurden die Jahre 2019 und 2020 ausgewählt.

Aufbau der Arbeit

Um dem Leser den Einstieg in die Thematik der wertorientierten Kennzah­lenkonzepte zu erleichtern, wird in Kapitel 2 der theoretische Rahmen der Arbeit dargestellt. Hier wird zunächst der allgemeine Begriff der Kennzahl definiert, gefolgt von einer Beschreibung der wichtigsten möglichen Arten von Kennzahlen; darüber hinaus wird dargelegt, welche Funktionen und Auf­gaben diese im Allgemeinen zu erfüllen haben. Daraufhin wird eine Gegen­überstellung wertorientierter und traditioneller Kennzahlen vorgestellt und die Notwendigkeit wertorientierter Kennzahlenkonzepte herausgearbeitet. Des Weiteren wird auf die Kennzahlensysteme eingegangen. Zum weiteren Verständnis wird der Shareholder-Value-Ansatz erläutert.

Das dritte Kapitel bildet den Abschluss des theoretischen Teils dieser Arbeit. Hier werden die wichtigsten wertorientierten Kennzahlenkonzepte beschrie­ben und durch eine Kategorisierung in einen gemeinsamen Kontext gebracht. Außerdem werden die Kapitalkostensätze und ihre Bedeutung bei der Bestim­mung und Bewertung des Unternehmenswertes erörtert. Anschließend wird das Preinreich-Lücke-Theorem vorgestellt.

Basierend auf den vorangegangenen theoretischen Kapiteln, folgt anschlie­ßend der praktische Teil dieser Arbeit. In Kapitel 4 erfolgt die empirische Untersuchung der DAX-Unternehmen. Zunächst werden bisherige Studien zum untersuchten Thema analysiert. Im Anschluss daran werden die Metho­dik sowie der Betrachtungsgegenstand der vorliegenden Arbeit vorgestellt. Im weiteren Verlauf werden Forschungsfragen hergeleitet und nacheinander beantwortet. Zu guter Letzt werden im fünften Kapitel die Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst.

2 Grundlagen wertorientierter Kennzahlenkonzepte

2.1 Definitionen, Funktionen, Aufgaben und Arten von Kennzahlen

In der Vergangenheit wurde der Begriff der Kennzahl in der wirtschaftswis­senschaftlichen Fachliteratur nicht immer identisch definiert. Der heute all­gemein akzeptierte Kennzahlenbegriff hat eine vielschichtige Entwicklung durchlaufen.

Ursprünglich war eine Kennzahl nur ein analytisches Instrument, um die Ren­tabilität oder finanzielle Stabilität eines Unternehmens darzustellen. Die Kennzahl ist die bewusste Verdichtung von Informationen. Sie fasst die im­mer komplexer werdende Situation unterschiedlicher betriebswirtschaftlicher Sachverhalte in einer Zahl zusammen, um verschiedenen Entscheidungsträ­gern innerhalb des Betriebs zu helfen, effektive und effiziente Entscheidun­gen im besten Interesse des Unternehmens zu treffen.8 Reichmann beschreibt Kennzahlen „als jene Zahlen, die quantitativ erfassbare Sachverhalte in kon­zentrierter Form erfassen“.9 In den folgenden Abschnitten werden die Funk­tionen und Aufgaben von Kennzahlen erörtert.

Funktionen von Kennzahlen

Nachdem der Begriff der Kennzahl ausreichend erläutert ist, stellt sich die Frage, welche Funktionen und Anforderungen eine Kennzahl zu erfüllen hat. Im Folgenden werden die fünf wichtigsten Funktionen einer Kennzahl darge­legt und interpretiert.

Die Anregungsfunktion ist die erste Funktion einer Kennzahl. Das bedeutet, dass Anwender durch regelmäßige Kennzahlenaufzeichnungen auf Verände­rungen und Auffälligkeiten (z. B. Standzeiten von Maschinen pro Tag) rea­gieren können.

Eine weitere wichtige Funktion ist die Operationalisierungsfunktion. Hier soll die Kennzahl im Rahmen der Festlegung von finanziellen Zielen für das gesamte Unternehmen (z. B. Rentabilitätsziele, Liquiditätsziele) oder von einzelnen Zielen innerhalb bestimmter Unternehmensteile (z. B. Umsatzstei­gerung einer bestimmten Abteilung) eine mess- und fassbare Funktion auf- weisen.10 Sowohl für interne als auch für externe Zwecke können Kennzahlen verwendet werden.11 Als Teil der externen Analyse besitzen sie eine lange Tradition im Zshg. mit der Bilanzanalyse12 und dem Betriebsvergleich13. Die Aufgabe von Kennzahlen - als verdichtete Information - besteht darin, auf Basis des Zahlenmaterials in externen Jahresabschlüssen Informationen für konkrete Entscheidungen zu gewinnen, insbesondere bei Anlageentscheidun­gen für Wertpapiere und Kreditvergabeentscheidungen von Banken.14 Für die Entscheidungen werden die Jahresabschlussdaten mit der besten Aussage­kraft aus der Gesamtliste ausgewählt. Die ausgewählten Parameter bilden den Ausgangspunkt für die operative Entscheidungsfindung und können bei Be­darf um zusätzliche, nicht-quantitative Informationen ergänzt werden.15 Da sie kritische Zielwerte als Vorgabe für unternehmerische Teilbereiche lie­fern (z. B. Wachstumsziele), erfüllen Kennzahlen darüber hinaus auch eine Vorgabefunktion.

Der Kennzahl als Steuerungsfunktion kommt dabei eine besondere Bedeu­tung zu, da diese Zahl - wie bereits in Reichmanns Definition der Kennzahl erwähnt - die Eigenschaft hat, quantifizierbare und nachvollziehbare Sach­verhalte in konzentrierter Form wiederzugeben. Daher kann der komplexe Steuerungsprozess durch das Anlegen einer oder mehrerer Kennzahlen ver­einfacht werden.

Die letzte Funktion der Kennzahl ist die Kontrollfunktion. Über die Kennzah­len können mit dieser Funktion entsprechende Soll-Ist-Vergleiche erstellt werden, um zunächst Abweichungsanalysen durchzuführen. Im Anschluss daran können entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden.16

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kennzahlen wichtige betriebliche Fakten und Aspekte deutlich aufzeigen und es den Entscheidungsträgern er­möglichen, diese schnell zu verstehen. Das macht sie zu einer wertvollen In­formationsquelle. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionen können sie zu verschiedenen Zwecken eingesetzt werden: von der Erzeugung von Auf­merksamkeit bis hin zur Kontrolle der in Kennzahlen ausgedrückten Ziele. In der Praxis überwiegen finanzielle Kennzahlen, allerdings werden sie immer häufiger durch nicht-finanzielle Kennzahlen (z. B. kunden- oder prozessbe­zogene) ergänzt.17

Aufgaben von Kennzahlen

Laut Preißler ist die Integration einer Kennzahl in ein ganzheitliches Kenn­zahlensystem (siehe Kapitel 2.2 für Erläuterungen) mit bestimmten Anforde­rungen verbunden, die im Folgenden näher untersucht werden.18

In Abbildung 1 (siehe Seite 6) werden Mindestanforderungen dargestellt, die eine Kennzahl enthalten muss. Die wichtigste Anforderung, die eine Kenn­zahl erfüllen sollte, ist die Herstellung eines direkten Zusammenhangs zwi­schen den Erfolgsfaktoren und den von der Unternehmensführung gesetzten Zielen.19 Häufig ist jedoch zu beobachten, dass die Annahme der Zielorien­tierung missachtet wird und die Zielsetzungen und die jeweiligen Erfolgsfak­toren unabhängig voneinander gesetzt werden.20

Abbildung 1: Anforderungskatalog für Kennzahlen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Preißler (2020), S. 115.

Die Aktualität von Kennzahlen ist für die Entscheidungsträger oft von ent­scheidender Bedeutung. Die meisten Kennzahlen sind vergangenheitsorien­tiert und berücksichtigen oft nur zurückliegende Perioden, z. B. eine Analyse über einen gewissen Zeitraum. An dieser Stelle muss besonders betont wer­den, dass sich daraus das grundsätzliche Problem der Implementierung von Kennzahlen ergibt. In dieser Hinsicht sollten Kennzahlen dazu fähig sein, sich ihrem in ständigem Wandel befindlichen Umfeld zu modernisieren. Nur so kann verhindert werden, dass in der Praxis veraltete Kennzahlen verwendet werden, die oftmals zu Fehlentscheidungen führen.21

Generell ist es nicht empfehlenswert, eine Vielzahl von Kennzahlen zu gene­rieren, wenn die Kosten für deren Erstellung den mit der Kennzahl erzielbaren Informationsvorteil überwiegen. Eine wesentliche Anforderung an eine Kennzahl ist daher die Einhaltung des ökonomischen bzw. wirtschaftlichen Prinzips. Um die Kosten-Nutzen-Relation nie außer Acht zu lassen, sollte nach den entsprechenden Angaben des Unternehmens die wichtigsten Kenn­zahlen für den weiteren Entscheidungsprozess im Vorfeld selektiert werden. Die Qualität der Kennzahl entscheidet über den Erfolg oder Misserfolg. Dar­aus lässt sich ableiten, dass Kennzahlen auf klaren Definitionen basieren soll­ten, damit sie nachvollziehbar sind und richtig interpretiert werden können. Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass die richtige Interpretation sich in einzelnen Fällen schwierig gestalten kann, da zeitpunktbezogene bzw. ver­gangenheitsorientierte Kennzahlen die Situation nur zum untersuchten Zeit­punkt reflektieren- die Ausgangssituation könnte sich jedoch geändert haben. Außerdem müssen Kennzahlen relevante Fakten messen können, um die Ei­genschaft der Validität sicherzustellen. Es auch wichtig, dass die Berechnung der Kennzahlen auf einer einheitlichen Bezugsgrundlage basiert. Leider geht die Vergleichsfunktion verloren, wenn unterschiedliche Bezugsgrundlagen gelten. Eine übersichtliche Darstellung der relevanten Fakten ist entschei­dend, damit die Empfänger der Kennzahlen in der Informationsflut nicht den Überblick verlieren. Eine Kennzahl ist folglich immer nur so gut wie die Qua­lität der Ausgangsdaten. Es ist daher wichtig, erarbeitete Kennzahlen zu hin­terfragen, damit diese nicht durch fehlerhafte Informationsgrundlagen unzu­reichend werden, da Kennzahlen in hohem Maße manipulierbar sind. Daher sollte bei der Auswahl der Daten auf deren Korrektheit geachtet werden, weil sie nur unter dieser Voraussetzung grundsätzlich für die Generierung von Kennzahlen geeignet sind.22 Im Vordergrund der Betrachtung stehen die Be­nutzerfreundlichkeit und die Flexibilität des direkten Datenzugriffs. Interne und externe Daten müssen zu einem einheitlichen Informationssystem ver­knüpfbar, auswählbar und nachvollziehbar sein. Kennzahlen folgen dem Prinzip der einheitlichen Aufzeichnungen und sollten sich von der obersten Unternehmensebene bis auf alle Ebenen der nachgeordneten Unternehmens­bereiche erstrecken. Es sollte vermieden werden, dass Kennzahlen einzeln für die Teilbereiche des Unternehmens betrachtet werden. Wenn die Kennzahl funktionsübergreifend konzipiert wird, ist deren Aussagefähigkeit sicherge- stellt.23

Eine weitere Funktion von Kennzahlen ist die sog. Frühwarnung. Die Struk­tur der Kennzahlen sollte so gestaltet sein, dass sie Entscheidungsträgern eine frühzeitige Informationsgrundlage bietet, um auf Risikofaktoren im Unter­nehmen reagieren zu können. Um eine solche Indikatorfunktion erfüllen zu können, ist es daher zunächst erforderlich, im Rahmen der Kennzahlenkon­zeption einen geeigneten Sollwert als Warngrenze zu definieren. Innerhalb des Unternehmens sollte es bestimmte Zugangsregeln geben, d. h., wenn es die Situation erfordert, darf nur ein ausgewählter Personenkreis diese Kenn­zahlen ändern. Daher sollten Kennzahlen zentral gespeichert, verwaltet und nachhaltig sein, um das Risiko von Manipulationen zu minimieren.

Die Funktion jeder Kennzahl ist eingeschränkt, da sie nur quantifizierbare Fakten beschreiben kann. Für eine erfolgreiche Unternehmensführung rei­chen die zahlenmäßig erfassbaren Tatbestände für Unternehmen alleine heute nicht mehr aus. In diesem Zshg. sollte das Spektrum der Informationen auch um nicht-quantifizierbare Daten ausgebreitet werden. In der Praxis verwen­den Entscheidungsträger jedoch häufig nur quantifizierbare Daten als Orien­tierungshilfe, ohne die qualitativen Informationen miteinzubeziehen.24

Arten von Kennzahlen

Nachdem die wesentlichen Funktionen von Kennzahlen näher definiert wur­den, konzentriert sich der folgende Abschnitt auf die verschiedenen Arten von Kennzahlen.

Abbildung 2: Arten von Kennzahlen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Preißler (2020), S. 113.

In Abbildung 2 wird eine typische Aufteilung in verschiedene Arten von Kennzahlen gezeigt. Generell lassen sich Kennzahlen in absolute Kennzahlen und Verhältniskennzahlen unterteilen.25

Einerseits lassen sich absolute Kennzahlen direkt als Einzelwerte darstellen (z. B. Kassenbestand oder Mitarbeiterzahl), andererseits indirekt über Sum­menbildung, Differenzen oder durch Mittelwertbildung (z. B. Bilanzsumme und durchschn. Lagerbestand).26 Einige Autoren sind der Auffassung, dass absolute Zahlen kaum Aussagekraft haben (z. B. Umsatz oder Cashflow), wenn sie nicht mit anderen Zahlen verglichen werden können. Aus diesem Grund sollten derartige Größen nicht zu den Kennzahlen gezählt werden.27 Unternehmen benötigen nicht nur eine Reihe von unzusammenhängenden Zahlen, sondern diese Zahlen sollten in einem Zshg. mit anderen Kennzahlen stehen, damit die Auswirkungen jeder Kennzahl verdeutlicht werden können. Die relativen Kennzahlen sollen von Anfang an mit anderen Zahlen vergli­chen werden. Relative Kennzahlen können in drei verschiedene Kategorien unterteilt werden:

- Die Gliederungszahl gibt den Anteil einer Zahl an einer übergeordneten Größe an. Die Eigenkapitalquote stellt beispielsweise das Verhältnis zwi­schen dem Eigenkapital und dem Gesamtkapital im gleichen Zeitraum dar.
- Die Beziehungszahl wird konzeptionell mit unterschiedlichen Größen ins Verhältnis gesetzt, um eine Aussage über deren Zshg. abzuleiten. Die Ei­genkapitalrentabilität stellt z. B. das Verhältnis zwischen Gewinn und Ei­genkapital dar. Damit die Kennzahl einen informativen Gehalt besitzt, muss ein sachlicher Zshg. zwischen dem Zähler und Nenner bestehen.
- Indexzahlen setzen im Gegensatz zu den o. g. Beziehungszahlen gleichar­tige Größen ins Verhältnis, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten oder an unterschiedlichen Orten gemessen werden. Damit eine solche Indexzahl bestimmbar ist, muss ein Basiswert angenommen werden. Das wesentliche Merkmal dieses Grundwertes ist es, dass es im Jahr dieses Referenzwerts zu keinem besonderen, das Jahr verändernden Einfluss gekommen ist.28

2.2 Die Systematik von Kennzahlensystemen

Definition und Funktionen von Kennzahlensystemen

Die Auswertung wirtschaftlicher Fakten erfordert eine Vielzahl von Kenn­zahlen, die zu diesem Zweck ermittelt werden. Aus Gründen der Übersicht­lichkeit ist die Organisation verschiedener Kennzahlen für das Unternehmen entscheidend.29 Das Kennzahlensystem kombiniert als wichtig erachtete Grö­ßen und bündelt diese, um den Zshg. zwischen ihnen aufzuzeigen. Im Allge­meinen hat sich die folgende Begriffsdefinition in der Literatur etabliert:

„Unter Kennzahlensystem wird im Allgemeinen eine Zusammenstellung von Kennzahlen verstanden, wobei die einzelnen Kennzahlen in einer sachlich sinn­vollen Beziehung zueinanderstehen, einander ergänzen oder erklären und ins­gesamt auf ein gemeinsames übergeordnetes Ziel ausgerichtet sind“.30

Je nach Unternehmensgröße, unterschiedlicher Aufgabenstruktur oder deren Abhängigkeit von den wachsenden und sich ändernden Herausforderungen auf dem globalen Kapital- und Absatzmarkt verfügen Unternehmen über ge­nauere operative Leistungsdaten und behalten die aktuellen Marktbedingun­gen bei. Dabei muss das Kennzahlensystem als Werkzeug zur Koordinierung der Informationsverarbeitung eine Vielzahl von Funktionen erfüllen, die im Folgenden beschrieben werden.31

Eine der wichtigsten Funktionen ist die Informationsfunktion, die betriebs­wirtschaftliche Sachverhalte komprimiert und übersichtlich darstellt, um In­formationen für das Unternehmen zu erhalten. Diese Informationsverdich­tung ist die Grundlage für Analysen und dient der Entscheidungsphase. Eine weitere Funktion des Kennzahlensystems ist die Planungs- und Operationa­lisierungsfunktion. Kennzahlensysteme bilden das jeweilige Zielsystem des Unternehmens ab und stellen besonders erfolgsorientierte bzw. wertorien­tierte Ziele in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung. In der Regel besteht die Aufgabe darin, die Unternehmensziele zu maximieren. Ferner werden Kenn­zahlensysteme häufig auch als Steuerungs- und Koordinationsinstrument ver­wendet, was eine weitere Funktion des Kennzahlensystems beschreibt.

Das Kennzahlensystem dient als Koordinationsinstrument, um die verschie­denen Teilbereiche des Unternehmens zu einem Gesamtkoordinationssystem zusammenzufassen. Außerdem dient das Kennzahlensystem auch zur Beur­teilung der erzielten Ergebnisse, indem es eine Kontrollfunktion für den Ent­scheidungsträger aufweist. Der Vergleich zwischen den geplanten und den tatsächlich erzielten Werten ermöglicht es ihm, Rückschlüsse auf den Erfolg oder Misserfolg der Entscheidung zu ziehen. Wenn das geplante Ziel nicht erreicht wird, ist eine detaillierte Analyse durchzuführen, um die Ursache her­auszufinden. Um nicht vor vollendete Tatsachen, die über Erfolg oder Miss­erfolg entscheiden, gestellt zu werden, verfügt ein Kennzahlensystem über eine Frühwarnfunktion. Diese Frühwarnfunktion des Kennzahlensystems zielt darauf ab, Risiken zu lokalisieren und rechtzeitig einzugreifen. Im nächs­ten Kapitel werden die Anforderungen und die Klassifizierung des Kennzah­lensystems beschrieben.32

Anforderungen an und Klassifizierung von Kennzahlensystemen

Aufgrund der Vielzahl an Kennzahlen, die von der Controlling-Abteilung ge­sammelt werden, besteht für das Unternehmen das Risiko, dass es seine Leis­tung nicht eindeutig analysieren oder steuern kann.33 Kennzahlensysteme müssen daher entscheidende Anforderungen erfüllen, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.34

Eine der Anforderungen, die ein Kennzahlensystem erfüllen sollte, ist die Darstellung der wichtigsten betriebswirtschaftlichen Aussagen über die Tä­tigkeiten des Unternehmens, z. B. in Form einer Spitzenkennzahl.35 Die hie­rarchische Struktur des Kennzahlensystems ermöglicht für den Nutzer Trans­parenz und eine verständliche Übersicht der Einflussgrößen, die zur Spitzen­kennzahl führen. An dieser Stelle muss besonders betont werden, dass nicht jede Kennzahl in das Kennzahlensystem integriert werden soll. Um festzule­gen, welche Kennzahlen für die Steuerung des Unternehmenserfolgs erfor­derlich sind, sollte vorher eine genaue Analyse durchgeführt werden. Je be­grenzter die Zahl der relevanten Kennzahlen ist, desto übersichtlicher ist das gesamte Kennzahlensystem. Außerdem ist es sehr wichtig, dass das Kenn­zahlensystem besonders flexibel ist. Die Möglichkeit, Kennzahlensysteme an das sich verändernde Umfeld anzupassen, wie z. B. bei Änderungen der Un­ternehmensstrategien oder -ziele, ist daher enorm wichtig. Ferner ist es auch wichtig, sich vorab mit den betroffenen Mitarbeitern zusammenzusetzen und ein gemeinsames Kennzahlensystem zu entwickeln, da diese Mitarbeiter zum Erfolg des Gesamtunternehmens beitragen können.36 Im nächsten Schritt wird die Klassifizierung von Kennzahlensystemen vorgenommen.

Abbildung 3: Kennzahlensysteme

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gladen (2014), S. 100.

In Abbildung 3 wird deutlich, dass das Rechensystem einzelne Elemente auf der Grundlage von Spitzenkennzahlen enthält, die in mathematische und sachliche Kategorien unterteilt sind. Die sukzessive Aufspaltung der Spitzen­kennzahl in ihre Bestandteile soll dem Entscheider einen detaillierten Über­blick geben. Dies hilft ihm, zu bestimmen, welche einzelnen Faktoren zu den Spitzenkennzahlen führen, um deren Auftreten bei Bedarf analysieren zu kön­nen. Die übersichtliche Darstellung und die für den Anwender leicht ver­ständlichen Zusammenhänge zwischen den Kennzahlen sind die Gründe für die Akzeptanz dieser Art von Kennzahlensystem in der Praxis. Das bekann­teste Rechensystem ist das Du-Pont-Kennzahlensystem, auch bekannt als ROI-Kennzahlensystem. Ferner finden sich in der betrieblichen Praxis häufig sog. Organisationssysteme. Der Unterschied zwischen dem Organisations­system und dem Rechensystem besteht darin, dass die dargestellten Kennzah­len im Organisationssystem nicht rein mathematisch miteinander verknüpft sind. Einer der Vorteile dieser Art von Kennzahlen ist, dass sie sehr flexibel ist. Der Vorteil dieser Flexibilität besteht darin, dass nicht ausschließlich ma­thematische Zusammenhänge aufgezeigt werden, dies hat jedoch auch den Nachteil, dass der quantitative Zusammenhang zwischen den verschiedenen Kennzahlen nicht eindeutig dargestellt wird.37

2.3 Der Shareholder Value-Ansatz als Grundlage wertorientierter Unternehmensführung

Im Rahmen einer wertorientierten Unternehmensführung wird das Anstreben des Managements eines Unternehmens nach langfristiger Steigerung des Ak­tionärsvermögens und damit des Unternehmenswertes angenommen.38 Die wertorientierte Unternehmensführung basiert auf der Grundidee des Share­holder Value von Rappaport, den Wert des Eigenkapitals zu maximieren.39 Rappaport kritisiert hier buchhalterische Gewinn- und Rentabilitätsgrößen, wie z. B. den Return on Investment (ROI), da dieser durch die Bilanzierungs­richtlinien beeinflusst werden kann, während Cashflow und Unternehmens­wert unverändert bleiben.40 Auch rechnungslegungsbezogene Kennzahlen sind kurzfristig orientiert, so dass deren Optimierung dem Erhalt der langfris­tigen Wettbewerbsfähigkeit gegenübergestellt werden kann.41

Durch das 1986 erschienene Grundlagenwerk „Creating Shareholder Value“ von Rappaport haben wertorientierte Kennzahlen in vielen Unternehmen zu­nehmend an Bedeutung gewonnen.42

Der Shareholder Value (SV) stellt den Marktwert des Eigenkapitals des Un­ternehmens, das von Eigenkapitalgebern („Shareholders“) eingebracht wird, die ihre Kapitalbindung zur Erzielung markt- und risikoorientierter Renditen verlangen, dar.43 Wichtig ist hier, verschiedene Maßnahmen zu ergreifen, die den Shareholder Value steigern.44

Die Profitabilität eines Unternehmens, die den prognostizierten Zinssatz übersteigt, stellt eine „Überrendite“ dar, die zu einer Steigerung des Unter­nehmenswertes führt. Der Unternehmenswert ist der Wert, der sich aus der Abzinsung zukünftiger Cashflows zum Bilanzstichtag ergibt.45 Seine Berech­nungsmethode besteht darin, zuerst den Marktwert des Gesamtunternehmens zu bestimmen, um danach den Marktwert des Fremdkapitals abzuziehen.46 In der Formel 1 wird die Berechnung des Shareholder Values definiert.

Formel 1: Shareholder Value

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Rappaport (1999), S. 54.

In der Unternehmenssteuerung sind bekannte wertorientierte Kennzahlen u. a. der Shareholder Value Added (SVA), Free Cashflow, Cashflow Return on Investment (CFROI), Cash Value Added (CVA) und Economic Value Added (EVA).47 Aus dem Shareholder Value lassen sich folgende Bedeutungen ableiten:

- Entscheidendes Kriterium für die Unternehmensführung ist die Entwick­lung der Kapitalrendite der Aktionäre.
- Investiert werden soll nur in strategische Geschäftsfelder, von denen eine Wertsteigerung des Unternehmens erwartet wird.48

Außerdem ist zu beachten, dass durch die Fokussierung auf den Shareholder Value die Schwächen traditioneller Finanzkennzahlen und Kennzahlensys­teme weitgehend beseitigt wurden.49

2.4 Die Notwendigkeit wertorientierter Kennzahlenkonzepte

Die traditionelle Unternehmenssteuerung besteht aus Erfolgs- und Liquidi- tätskennzahlen.50 Traditionelle Zielgrößen beinhalten absolute und relative Bilanzgewinngrößen. In absoluten Zahlen spielen der Jahresabschluss und das Betriebsergebnis eine wichtige Rolle. Bei den relativen Größen handelt es sich um Kennzahlen wie z. B. die Eigenkapitalrendite, den Gewinn je Ak­tie oder den ROI.51

In der klassischen Unternehmenssteuerung, in der alle Aufwendungen durch Einnahmen beglichen werden können, wird von einem Erfolg gesprochen.

Bei wertorientierten Kennzahlenkonzepten kommt es dann zum Erfolg, wenn über den herkömmlichen Gewinn hinaus die Rendite die Kapitalkosten über­steigt und somit eine Wertsteigerung erzielt wurde.52

Nachteile traditioneller Unternehmenssteuerung

Aufgrund ihrer Beschaffenheit hat die Verwendung der buchhalterischen Ge­winngrößen einige Nachteile. Die Tatsache, dass buchhalterische Gewinngrö­ßen auf Vergangenheitsdaten basieren, führt zu einem Mangel an Aussage­kraft über die Rentabilität oder das zukünftige Wertsteigerungspotenzial.53 Ein weiteres Problem sind die bilanzorientierten Gewinngrößen aufgrund der Wahlmöglichkeit von Ansatz- und Bewertungswahlrechten. Diese können das Ergebnis durch die Ausübung von Passivierungs- und Aktivierungsopti­onen erheblich beeinflussen. Möglichkeiten wie z. B. die Wahl der Abschrei­bung, die Behandlung von Leasing, Bewertungsspielräume für Herstellungs­kosten gemäß § 255 Abs. 3 HGB sowie das Aktivierungswahlrecht für Auf­wendungen gemäß § 269 HGB können die konkreten Möglichkeiten zur Ver­fälschung des Unternehmensergebnisses darstellen.54

Die Nachteile der traditionellen Unternehmenssteuerung haben zu einer be­schleunigten Einführung wertorientierter Konzepte geführt.55 Aus theoreti­scher Sicht ist die Anwendung der traditionelle Zielgrößen unbefriedigend, aus praktischer Sicht sogar gefährlich.56

Um die Notwendigkeit einer wertorientierten Unternehmenssteuerung nach­zuweisen, soll an diesem Punkt die Schwäche der traditionellen Unterneh­menssteuerung dargestellt werden. Traditionelle Finanzkennzahlen und Kennzahlensysteme basieren in der Regel auf erfolgs- und liquiditätsorien­tierten Spitzenkennzahlen.57 Die Bilanzgrößen dienen der externen Berichter­stattung, sind jedoch nicht für die interne Unternehmenssteuerung geeignet.58 Auch wird bei den traditionellen Kennzahlen der Zeitwert des Geldes igno- riert.59 Die zur heutigen Zeit verfügbaren Gelder sind wertvoller als in einem Jahr.60 Die traditionellen Steuerungsgrößen beziehen sich auf eine bestimmte Periode.61 Eine Unternehmenssteuerung sollte sich jedoch an einer langfristi­gen Zukunftsplanung orientieren. In Bezug auf die Vergangenheit geben sie keine Auskunft über die Höhe der geschaffenen oder vernichteten Werte.62 Darüber hinaus berücksichtigen Finanzkennzahlen und Kennzahlensysteme weder unternehmerische Risiken noch notwendige Kapitalinvestitionen.63

Ziele wertorientierter Unternehmenssteuerung

Um das Ziel der Wertschöpfung für das Unternehmen zu erreichen, werden Instrumente zur Messung und Erfassung dieses Wertes benötigt. Das wertori­entierte Kennzahlenkonzept erreicht diese Absicht durch die Umsetzung des abstrakten Ziels der Steigerung des Unternehmenswertes.64

Die Controlling Abteilung des Unternehmens spielt im Konzept der Wertori­entierung eine zentrale Rolle. Durch diese erhält die Unternehmensleitung die notwendigen Informationen, um Entscheidungen treffen zu können, die der langfristigen Maximierung des Unternehmenswertes beisteuern. Auf dieser Basis trifft die Unternehmensleitung ex ante Entscheidungen, welche ex post auf den daraus resultierenden wertorientierten Beitrag hin kontrolliert wer­den. In diesem Zusammenhang werden wertorientierte Kennzahlenkonzepte eingesetzt, um messen zu können, ob ein Unterschied zwischen Soll- und Ist­wert in der Unternehmensperformance besteht.65

Kategorisierung

Die wertorientierten Kennzahlenkonzepte werden in der Literatur auf vielfäl­tige Weise kategorisiert. In Theorie und Praxis werden Kennzahlen in Cash- flow-orientierte und ergebnisbasierte Größen unterteilt. Diese Aufteilung kann wiederum mit absoluten und relativen Kennzahlen erfolgen. Die Ge­meinsamkeit aller wertorientierten Kennzahlenkonzepte besteht in der Maxi­mierung des ökonomischen Gewinns des jeweiligen Unternehmens.66 In der Praxis gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher wertorientierter Kennzahlen. Der Grund dafür ist, dass hinter diesen Kennzahlen oft Unternehmensbera­tungen stecken, die sich von der Konkurrenz abheben wollen. Die nachfol­gende Tabelle 1 zeigt die Unterteilung und Zuordnung der wesentlichen wert­orientierten Kennzahlen, die in Kapitel 3 näher erläutert werden.

Tabelle 1: Kategorisierung wertorientierter Kennzahlen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Langguth (2008), S. 138.

Der Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen von Kennzahlen besteht darin, dass Wertbeitragskennzahlen Größen darstellen, bei denen die Residu­alüberschüsse (CF oder das Ergebnis) einer Periode um die Kapitalkosten vermindert werden. Im Gegensatz dazu kann die Wertsteigerung von Renta­bilitätskennzahlen gemessen werden, indem die Kapitalkosten ins Verhältnis zum eingesetzten Kapital gesetzt werden. Zieht man die berechnete Rentabi­lität von den Kapitalkosten ab, kann dies als Nebenprodukt zu einem weiteren Wertindikator führen, da die resultierende Differenz die Rentabilitätsspanne ergibt.67

In der empirischen Untersuchung werden wertorientierte Kennzahlen im wei­teren Sinne und im engeren Sinne ausgelegt. Im engeren Sinne werden Kenn­zahlen betrachtet, welche einen Bezug zu den Kapitalkosten darstellen.

Betrachtung der Kapitalkosten

Die Einbeziehung der Kapitalkosten in die Berechnung der wertorientierten Kennzahlen ist ein wesentliches Merkmal des Grundgedankens der Wertori­entierung, denn nur durch ihre Addition lässt sich feststellen, ob das Unter­nehmen die Kapitalkosten verdient hat und folglich den Unternehmenswert steigern konnte.68 Daher soll an dieser Stelle auf die Betrachtung und Ermitt­lung der Kapitalkosten eingegangen werden.

Bestimmung der Kapitalkosten

In der Praxis werden die Kapitalkostensätze meist anhand des Weighted Average Cost of Capital (WACC) ermittelt. Die WACC-Methode stellt die gewichteten Durchschnittskosten von Fremd- und Eigenkapital dar. Dieser zeigt aus Sicht des Unternehmens die entstandenen Kosten der Finanzierung der Kapitalbasis aus Fremd- und Eigenkapital auf.69 Für das Management spielen auch die Kapitalkostensätze als zentrale Kennzahl des Unternehmens­risikos eine Rolle.70

Die Beziehungen zwischen den einzelnen Komponenten des WACC werden in der unteren Formel 2 aufgezeigt. Die Gewichtung erfolgt nicht auf der Ba­sis von Buchwerten, sondern auf der Basis von Marktwerten.71

Formel 2: WACC

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Gruber (2010), S. 7; Steger (2014) S. 172.

Entsprechend erfolgt die Bestimmung durch separate Ermittlung des Markt­wertes von Fremd- und Eigenkapital. Ihre gewichtete Summe ergibt die Min­destverzinsung des Fremd- und Eigenkapitals im Unternehmen. Da bei der Ermittlung des Unternehmenswertes zunächst der Marktwert des Eigenkapi­tals ermittelt werden muss, entsteht ein Zirkularitätsproblem. Um diese Situ­ation zu vermeiden, wird in der Praxis meist die Zielkapitalstruktur der WACC-Methode verwendet.72

Bestimmung der Fremdkapitalkosten

Bei der Ermittlung des Marktwertes des Fremdkapitals ist zu prüfen, ob das Fremdkapital zu marktüblichen Bedingungen aufgenommen wird und ob diese die jeweiligen Risiken richtig wiedergeben. Es ist auch wichtig, heraus­zufinden, welche Nebenkosten im Beschaffungsprozess anfielen. Sofern die Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von Fremdkapital mit den markt­üblichen Bedingungen übereinstimmen, entspricht der Marktwert des Fremd­kapitals dem bilanziellen Buchwert des Fremdkapitals im Unternehmen.

Weichen die Verhandlungsbedingungen jedoch von den marktüblichen Be­dingungen ab, ist der Marktwert des Fremdkapitals gesondert zu ermitteln. Dies erfolgt durch die Ermittlung des Fremdkapitalbarwertes aus den ausste­henden Zahlungen, die mit dem üblichen Fremdkapitalzinssatz abgezinst werden. Darüber hinaus müssen auch die Nebenkosten der Bereitstellung von Fremdkapital enthalten sein.73

Bestimmung der Eigenkapitalkosten

Die Ermittlung der Eigenkapitalkosten ist für Unternehmen wesentlich schwieriger, da kein genauer Betrag für die Nutzung des überlassenen Kapi­tals existiert. Daher werden die Eigenkapitalkosten aus den Opportunitätskos­ten von Eigenkapitalgebern hergeleitet. Hierfür wird der Betrag ermittelt, bei dem zu den Eigenkapitalgebern - unter einem gegebenen Risiko - eine ange­messene Rendite zurückfließt.74 Basierend auf dieser Grundidee werden in der Praxis die Eigenkapitalkosten über das CAPM (siehe S.20) berechnet.

Formel 3: CAPM-Modell

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Weber, Bramsemann et al. (2017), S. 42.

Aus der Formel 3 wird ersichtlich, dass sich der Renditeanspruch von Eigen­kapitalanlegern einerseits aus der Rendite einer risikolosen Anlage und ande­rerseits aus Marktrisikoprämien zusammensetzt. Die Marktrisikoprämie wird mit dem ß-Faktor multipliziert, welcher die Schwankungen widerspiegelt, die von der Entwicklung des entsprechenden Aktienindex abhängig sind.75

[...]


1 Vgl. Hammer (2015), S. 161.

2 Vgl. Reichmann, Kißler et al. (2017), S. 2.

3 Vgl. Langguth (2008), S. 216 f.

4 Vgl. Langguth (2008), S. 193.

5 Vgl. Langguth (2008), S. 193 f.

6 Vgl. Rappaport (1983), S. 38.

7 Vgl. https://www.finanzen.net.

8 Vgl. Weber und Schäffer (2020), S. 179.

9 Vgl. Reichmann, Kißler et al. (2017), S. 39.

10 Vgl. Weber und Schäffer (2020), S. 181.

11 Vgl. Steger (2014), S.1.

12 Vgl. Coenenberg (2014), S. 934 f.

13 Vgl. Schnettler (1961), S. 20 ff.

14 Vgl. Müller (2020), Rz. 129.

15 Vgl. Reichmann, Kißler et al. (2017), S. 39.

16 Vgl. Steger (2014), S. 1 f.

17 Vgl. Weber und Schäffer (2020), S. 181 f.

18 Vgl. Preißler (2020), S. 115 ff.

19 Vgl. Preißler (2020), S. 115.

20 Vgl. Brown (1997), S. 179.

21 Vgl. Preißler (2020), S. 115.

22 Vgl. Preißler (2020), S. 116.

23 Vgl. Preißler (2020), S. 119.

24 Vgl. Preißler (2020), S. 120.

25 Vgl. Küpper, Friedl et al. (2013), S. 471 f.; Gladen (2014), S. 14 ff.

26 Vgl. Steger (2014), S. 3.

27 Vgl. Gladen (2014), S. 14.

28 Vgl. Steger (2014), S. 3 f; Preißler (2008), S. 14 f.

29 Vgl. Witte (2016), S. 2673.

30 Reichmann, Kißler et al. (2017), S. 50.

31 Vgl. Steger (2014), S. 123 f.; Küpper, Friedl et al. (2013), S. 475 ff.; Reichmann, Kißler et al. (2017), S. 51 f.

32 Vgl. Wolkau (2017), S. 1.

33 Vgl. Seewald (2014), S. 422.

34 Vgl. Küpper, Friedl et al. (2013), S. 480 f.; Reichmann, Kißler et al. (2017), S. 53 f.

35 Vgl. Gleich, Linsner et al. (2019), S. 19.

36 Vgl. Küpper, Friedl et al. (2013), S. 481.

37 Vgl. Gladen (2014), S. 102.

38 Vgl. Palli (2004), S. 131.

39 Vgl. Rappaport (1983), S. 28 ff.

40 Vgl. Rappaport (1983), S. 31.

41 Vgl. Rappaport (1983), S. 1.

42 Vgl. Rappaport (1986), S. 1 ff.

43 Vgl. Stührenberg, Streich et al. (2003), S. 2; Graumann (2021a), S. 8.

44 Vgl. Voigt (2012), S. 5.

45 Vgl. Rappaport (1999), S. 40.

46 Vgl. Rappaport (1999), S. 54.

47 Vgl. Graumann (2021a), S. 8.

48 Vgl. Graumann (2021b), S. 1.

49 Vgl. Rappaport (1999), S. 15 ff.

50 Vgl. Steger (2014), S. 125.

51 Vgl. Pape (2010), S. 31.

52 Vgl. Gräfer und Gerenkamp (2016), S. 143.

53 Vgl. Pape (2010), S. 31.

54 Vgl. Britzelmaier (2013), S. 20 f.

55 Vgl. Steger (2014), S. 125.

56 Vgl. Hanssmann (1988), S. 2.

57 Vgl. Preißler (2020), S. 48 ff; Seilheimer (2007), S. 70 f.

58 Vgl. Pape (2010), S. 31.

59 Vgl. Weber und Schäffer (2014), S. 179.

60 Vgl. Stiefl und Westerholt (2008), S. 20.

61 Vgl. Weber und Schäffer (2014), S. 179.

62 Vgl. Pape (2010), S. 31.

63 Vgl. Steger (2014), S. 125; Pilzecker (2011), S. 7.

64 Vgl. Weber, Bramsemann et al. (2017), S. 31.

65 Vgl. Coenenberg und Salfeld (2007), S. 251.

66 Vgl. Pape (2010), S. 31.

67 Vgl. Ewert und Wagenhofer (2014), S. 518.

68 Vgl. Gräfer und Gerenkamp (2016), S. 143.

69 Vgl. Laier (2011), S. 94.

70 Vgl. Black, Wright et al. (1998), S. 61.

71 Vgl. Langguth (2008), S. 66.

72 Vgl. Frintrop und Gruber (2010), S. 7.

73 Vgl. Weber, Bramsemann et al. (2017), S. 38.

74 Vgl. Langguth (2008), S. 66.

75 Vgl. Black, Wright et al. (1998), S. 49.

Ende der Leseprobe aus 131 Seiten

Details

Titel
Wertorientierte Kennzahlenkonzepte. Eine anwendungsbezogene Untersuchung ausgewählter DAX-30 Unternehmen
Hochschule
Technische Hochschule Mittelhessen
Note
2,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
131
Katalognummer
V1165774
ISBN (eBook)
9783346575272
ISBN (Buch)
9783346575289
Sprache
Deutsch
Schlagworte
wertorientierte Kennzahlenkonzepte, Untersuchung DAX Unternehmen, DAX 30, Kennzahlen, Kennzahlenkonzepte, value based performance measurement concepts, application related study, selected dax 30 companies, dax 30 companies, wertorientierte Konzepte, Kennzahlensysteme, Shareholder Value, wertorientierte Unternehmensführung, DCF Konzept, CFROI, CVA, EVA, ROCE, Preinreich Lücke Theorem, Segmentberichterstattung, variable Vergütungssysteme, WACC, Kapitalkosten, EBITaC, ROA, ROE, ROI, Kapitalwert, Continental Value Contribution, Daimler Value Added, ThyssenKrupp Value Added, CAPM, Arten von Kennzahlen, Vergleich ausgewählter Konzepte, bisherige Studien
Arbeit zitieren
Esma Koc (Autor:in), 2021, Wertorientierte Kennzahlenkonzepte. Eine anwendungsbezogene Untersuchung ausgewählter DAX-30 Unternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1165774

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