Einfluss der sozialen Herkunft von Lernenden in der Erwachsenenbildung auf den Prozess des selbstgesteuerten Lernens mit digitalen Medien


Hausarbeit, 2014

23 Seiten, Note: 1,3

Marina Springmann (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Selbstgesteuertes Lernen (SGL) mit digitalen Medien
2.1 SGL - Begriffserklärung und Voraussetzungen
2.2 Digitale Medien und Lernszenarien
2.3 Medienkompetenz

3. Ansätze zur Erklärung von Teilhabe an Weiterbildung
3.1 Das Konzept der sozialen Milieus
3.2 Die Habitus-Feld-Theorie Bourdieus

4. Bildungsferne erwerbslose Lernende und der Prozess des SGL
4.1 Weiterbildungsdispositionen und -barrieren
4.2 Wie ist eine Verbesserung des Prozesses des SGL mit digitalen Medien für bildungsferne Erwachsene möglich?

5. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Digitale Medien in der beruflichen Bildung“ lautet der Titel eines auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) veröffentlichten Artikels im Dezember 2013. Das lebenslange Lernen ist in unserer modernen Informations- und Wissensgesellschaft die Grundlage für eine erfolgreiche Lebensbiographie und digitale Medien spielen eine zunehmend große Rolle in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Die Potentiale digitaler Medien, Bildungsprozesse aktiv und flexibel zu gestalten und neue Formen der Kommunikation und sozialen Vernetzung zu bieten, sind enorm. Immer mehr Informationen, Publikationen oder Dienstleistungen sind im Internet zu finden (BMBF, 2013).

Das BMBF sieht dabei eine umfassende Medienkompetenz als Voraussetzung für die Teilhabe an Wissen und Nutzung digitaler Bildungsprozesse und hat daher Fördermaßnahmen zur Entwicklung, Erprobung und zum Einsatz neuer Bildungsangebote mit digitalen Medien, Web2.0 und mobilen Technologien in einem Umfang von ca. 60 Millionen Euro initiiert (ebd., 2013).

Als Studentin der Bildungswissenschaft bewertet die Autorin dieser Hausarbeit die in einem dem Homepage-Artikel des BMBF beigefügten Film gezeigten Beispiele für Anwendungen und Projekte der Fördermaßnahmen eindeutig positiv. Als Fachverantwortliche für kaufmännische Aus- und Weiterbildungen bei einem Bildungsträger für Erwachsenenbildung stellt sich ihr jedoch gleichzeitig die Frage, von wie vielen Lernenden digitale Weiterbildungsangebote tatsächlich angewendet werden können. Denn diese Art von meist selbstgesteuertem Lernen setzt nicht nur Medienkompetenz im Umgang mit dem entsprechenden Medium voraus, sondern ebenso die Kompetenz und Motivation, „…sich selbstständig und effektiv dieses Selbstlernangebots zu bedienen.“ (Siebert, 2009, S.59). Während Ihrer Tätigkeit bei DEKRA Akademie beobachtete1 die Autorin in den letzten Jahren, dass die – zum Großteil von der Agentur für Arbeit oder vom JobCenter geförderten – Teilnehmer zunehmend bildungsferne Schul- und/oder Berufskarrieren mitbringen und ebenso zunehmend Schwierigkeiten mit dem selbstgesteuerten Lernen (mit digitalen Medien) haben. Aufgrund dieser Beobachtung gilt das Erkenntnisinteresse in dieser Hausarbeit der Forschungsfrage: Wie beeinflusst die soziale Herkunft von bildungsfernen erwerbslosen Lernenden in der Erwachsenenbildung den Prozess des selbstgesteuerten Lernens mit digitalen Medien?

Im folgenden Kapitel dieser Arbeit werden zunächst der Begriff des selbstgesteuerten Lernens und die Voraussetzungen dafür erklärt und Lernszenarien mit digitalen Medien sowie die Bedeutung der Medienkompetenz dargestellt. Es folgt im dritten Kapitel eine Skizzierung des Konzeptes der sozialen Milieus und der Sozialtheorie Pierre Bourdieus, wobei die Begriffe Habitus, Feld und Kapital näher erläutert und thematisch an die Erwachsenenbildung angeschlossen werden. Im vierten Kapitel wird die Einstellung von bildungsfernen erwerbslosen Lernenden zur (beruflichen) Weiterbildung sowie Weiterbildungsbarrieren geschildert und gezeigt, wie diese den Prozess des SGL beeinflussen. Aufgrund der herausgearbeiteten Fakten werden verschiedene Möglichkeiten zur Verbesserung des Prozesses des SGL dargestellt. Die Arbeit schließt mit einem Fazit und Ausblick ab.

2. Selbstgesteuertes Lernen (SGL) mit digitalen Medien

2.1 SGL - Begriffserklärung und Voraussetzungen

Der Begriff „selbstgesteuertes Lernen“ wird seit den 1990er Jahren häufig verwendet und ist eine Übersetzung des amerikanischen „self-directed learning“. Grundlage ist die konstruktivistische Annahme, dass Lernende Ihre Lernprozesse selbst aktiv gestalten, wobei SGL kein eindeutiger und operationalisierbarer Begriff ist, sondern Interpretationsvarianten zulässt (Siebert, 2009, S.26 und 28). Als klassisch zitieren Faulstich und Zeuner die Definition von Malcom Knowles aus dem Jahr 1975: „In its broadest meaning, ‚self-directed learning‘ describes a process in which individuals take the initiative, with or without the help of others, in diagnosing their learning needs, formulating learning goals, identifying human and material resources for learning, choosing and implementing appropriate learning strategies, and evaluating learning outcomes” (Knowles in Faulstich & Zeuner, 2008, S.149). Diese Definition zeichnet das Bild eines aktiv handelnden Lernenden2, der offensichtlich in allen Belangen hinsichtlich des SGL motiviert und verantwortlich agiert, was eine beträchtliche Handlungskompetenz voraussetzt, und sich in einem weitestgehend selbstbestimmten Lernarrangement befindet.

Zur Handlungskompetenz als Voraussetzung im Prozess des SGL gehört es, zu wissen, wo welches Wissen zu finden ist und für welche Aufgaben es benötigt wird. Ebenso muss Wichtiges von Unwichtigem unterschieden werden und Informationsquellen müssen richtig eingeschätzt werden. Man muss verstehen, wie das Wissen jeweils zustande gekommen ist, Zusammenhänge herstellen und Grenzen des Wissbaren erkennen können (Siebert, 2009, S.63). Der Lernende muss jedoch nicht nur Informationen, sondern ebenso sich selbst gut einschätzen können und sich über seine Stärken und Schwächen im Klaren sein, wobei über Lern- und Lebenserfolg weniger die kognitive als vielmehr die emotionale Intelligenz entscheidet (Siebert, 2009, S.36).

Zur Selbststeuerung des Lernens gehören vorgelagerte und prozesshafte Entscheidungen wie z.B. die Entscheidung für ein Lernprojekt und dessen Lernziele oder die Nutzung verschiedener Lernmedien und Lernhilfen. Diese Entscheidungen wird ein Lernender aufgrund seiner Interessen und Lernbedürfnisse treffen, wobei die Bevorzugung von individuellen Lernstilen und Lernstrategien eine große Rolle spielt (ebd., S.26).

Es können verschiedene Lernstile unterschieden werden. Beim Lernen aus Erfahrungen z.B. werden Lerninhalte nachhaltig biographisch und beruflich verankert, während das handlungsaktive Experimentieren nach dem Prinzip ‚Versuch und Irrtum‘ funktioniert. Die reflektierte Beobachtung (distanziertes, beobachtendes Lernverhalten) und die abstrakte Begriffsbildung (theoretischer, systematischer Zugang zu Lerninhalten) werden als gut geeignet für SGL betrachtet (ebd., S.69-71). Sie sind Bestandteil von subjektiven Lerntheorien, welche sich auf Grund von milieuspezifischen allgemeinen Lebenserfahrungen, spezifischen Lernerfahrungen oder auch durch kollektive Deutungsmuster (z.B. für etwas schon zu alt oder nicht schlau genug zu sein) und mediale Informationen schon früh herausbilden (ebd., S.45-46).

Subjektive Lerntheorien sind Teil der Identität und Wirklichkeitskonstruktion jedes Menschen. Sie beinhalten Annahmen über geeignete Lernarten und vor allem über die eigenen Fähigkeiten und geben Aufschluss über das Selbstbewusstsein, die Selbstwirksamkeitsüberzeugung sowie Wertesystem, Lebensziele oder Lebenspläne. Sie sind meist implizit und unbewusst und beeinflussen auch die Auswahl von Lernstrategien, welche bestimmen, wie ein Lernender sich das für die Lösung einer Problemstellung benötigte Wissen beschafft. Er kann zur Problemlösung z.B. Bekannte befragen, eine Bedienungsanleitung durchlesen oder ein Seminar besuchen (ebd., S.45).

Ob der Prozess des SGL erfolgreich verläuft ist also in erster Linie biographieabhängig. SGL ist auch eine Haltung, welche Grundlage der Identität eines jeden Menschen ist. Zur Haltung gehören grundlegende Einstellungen, Werte; außerdem ein stabiles Selbstbild, beständige Motivation und auch Begeisterungsfähigkeit. Eine Haltung des selbstgesteuerten Lernens erfordert ein Lernselbstvertrauen und ein Interesse an der Welt sowie eine Neugier auf Neues (ebd., S.33).

2.2 Digitale Medien und Lernszenarien

In jedem Lernarrangement erfolgt die Vermittlung von Informationen zwischen dem Lernenden und seiner Umwelt, der Lehr-Lern-Prozess, über Medien. Für E-Learning Prozesse kommen digitale internetbasierte Medien wie PC, Tablet-PC, Personal Digital Assistant (PDA), Smartphone, Mobile-App etc. zum Einsatz. Die angewandten Formen des Lernens reichen dabei von z.B. Web-Based-Training (WBT) über Online Learning hin zu Distance oder Virtual Learning. Diese neuen Formen der Zusammenarbeit zwischen Lehrenden und Lernenden werden auch als Mobile Learning, Hybrides Lernen oder Blended Learning bezeichnet. Hybrides Lernen und Blended Learning bezeichnen Konzepte, die traditionelles Lernen und das Lernen mit digitalen Medien in einer didaktisch sinnvollen, sich einander ergänzenden Kombination anstreben (De Witt & Czerwionka, 2007, S.95).

Hierzu setzt sich die Mediendidaktik mit Fragen der Mediengestaltung und Medienauswahl auseinander wobei im Zuge von immer mehr Formen von webbasierten Qualifikationsmöglichkeiten die gestaltungsorientierte Mediendidaktik ab den späten 1990er Jahren in den Vordergrund rückte. Wichtig ist hierbei die Feststellung, dass es nicht nur das eine richtige mediendidaktische Konzept gibt, sondern dass die Planung von Lernszenarien, insbesondere von E-Learningszenarien, ein komplexer Prozess ist, in dem verschiedene Bereiche, wie Zielgruppe, Lerninhalte und -ziele, Erwartungen, Kosten etc. berücksichtigt werden müssen und die daher eine besondere Reflexion seitens der Planenden erfordert (ebd., S.84, 89 und 91 und Faulstich & Zeuner, 2010, S.86). Als Erfolgsfaktoren gelten hierbei eine ausführliche Zielgruppenanalyse, das Angebot von Betreuungsleistungen oder die Anregung des Lernprozesses durch Lernaufgaben. Dazu gehören ebenso ein einfacher Zugang zum Lernangebot sowie eine übersichtliche Bedienung mit durchdachter Navigation und abgestimmtem Content von E-Learning-Modulen oder Internetseiten (De Witt & Czerwionka, 2007, S.98 und 100).

Wie De Witt und Czerwionka (2007) ausführen, stützt sich die Gestaltungsorientierte Mediendidaktik dabei auf das von Paul Heimann Mitte der 1960er Jahre zur Beschreibung und Analyse des Schulunterrichts entwickelte Berliner Model welches von vier in Interdependenz stehenden Entscheidungsfeldern (Intention, Inhalt, Methode, Medium) und zwei Bedingungsfeldern (anthropologisch, sozio-kulturell) als Voraussetzung für didaktisches Handeln ausgeht (ebd., S.90 und 99 und vgl. Heimann, Otto & Schulz, 1965). Paul Heimann stellte fest, dass in Unterrichtsanstalten nicht Bildung, sondern der Versuch einer Bildungshilfe mit dem Ziel des selbständigen Erkenntnisgewinns des Lernenden geleistet wird (Heimann et al., 1965, S.21).

Es gibt zahlreiche vielschichtige und multidimensionale Kombinationen von Lernarrangements oder Lernszenarien wobei der Anteil an Fremd- und Selbstbestimmung in mediengestützten Lehr-Lern-Prozessen deutlich variiert (De Witt & Czerwionka, 2007, S.83). So kann eigentlich fremdbestimmtes Lernen im organisierten Unterricht sehr wohl inzidentell und selbstbestimmt stattfinden, wohingegen der selbstbestimmte Entschluss eine Fremdsprache zu lernen, dazu führen kann, dass man sich für ein curriculares und somit fremdbestimmtes, Lernprogramm entscheidet (Siebert, 2009, S.27).

Hinsichtlich des Grades der Virtualisierung von Lehr-Lern-Prozessen werden drei Grundszenarien unterschieden:

a) Unterstützung und Begleitung eines Präsenzseminars durch Online-Dokumente wie, Folien, Handouts, Präsentationen etc.
b) Blended Learning oder Hybrides Lernen
c) Online-Seminare und -Lerngemeinschaften, welche komplett in einer virtuellen Lernumgebung stattfinden und sowohl asynchrone wie auch synchrone Anteile enthalten können (Arnold, 2011, S.116-119 und De Witt & Czerwionka, 2007, S.103-104).

Auch für Blended Learning ist eine zeitweise räumliche Distanz zwischen Lehrenden und Lernenden sowie den Lernenden untereinander und eine mögliche zeitliche Versetzung von Lehr- und Lernhandlungen charakteristisch. Im Falle der zeitlichen Versetzung spricht man von einem asynchronen Lernszenario. Hierfür eignen sich asynchrone Medien wie E-Mail, Wikis, Weblogs, Podcast, Diskussionsforen etc.. Deren Vorteil ist, dass Teilnehmende ihre Lern- und Bearbeitungszeit und ihr Lerntempo flexibel gestalten können. Ein Nachteil kann sein, dass Rückmeldungen von Seiten der Lehrenden möglicherweise nicht unmittelbar erfolgen und daraus Motivationsprobleme beim Lernenden entstehen können. Dem gegenüber stehen die synchronen Medien zur (fast) zeitgleichen Kommunikation und Aufgabenbearbeitung, wie Chats, Videokonferenzen etc. Beide Medienformen sind meist in Learning Management Systemen (LMS) wie z.B. moodle eingebunden (Arnold, 2011, S.116 und De Witt & Czerwionka, 2007, S.96-97).

2.3 Medienkompetenz

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist eine umfassende Medienkompetenz, sowohl auf Seiten der Lehrenden als auch der Lernenden, die Zugangsvoraussetzung für die Teilhabe an Wissen und an der Nutzung digitaler Bildungsprozesse: „Medienkompetenz kann heute bereits neben Lesen, Schreiben und Rechnen als “vierte Kulturtechnik“ bezeichnet werden und ist eine entscheidende Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts“ (BMBF, 2013).

[...]


1 Es handelt sich dabei um die subjektiven Erfahrungen der Autorin im Rahmen unsystematischer Beobachtungen ihres Berufsalltages.

2 Zur besseren Lesbarkeit wird die personenbezogene männliche Form verwendet. Es sind jedoch ausdrücklich immer beide Geschlechter gemeint.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Einfluss der sozialen Herkunft von Lernenden in der Erwachsenenbildung auf den Prozess des selbstgesteuerten Lernens mit digitalen Medien
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
23
Katalognummer
V1167331
ISBN (eBook)
9783346576293
ISBN (Buch)
9783346576309
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mediale Bildung und Medienkommunikation, Soziale Milieus, Kapital und Habitus, Digital literacy, digitale Medien, Lernszenarien, Medienkompetenz, Habitus-Feld-Theorie, selbstgesteuertes Lernen, berufliche Bildung, berufliche Weiterbildung, Weiterbildung, Erwachsenenbildung
Arbeit zitieren
Marina Springmann (Autor:in), 2014, Einfluss der sozialen Herkunft von Lernenden in der Erwachsenenbildung auf den Prozess des selbstgesteuerten Lernens mit digitalen Medien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1167331

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