Ich spiel verrückt, spielst du mit? - FAQs
Was ist das Thema des Textes „Ich spiel verrückt, spielst du mit?“?
Der Text untersucht die gegensätzlichen Wahrnehmungen von Computerspielen und Lesen, insbesondere im Vergleich zu den positiven Konnotationen des Lesens und den oft negativen Assoziationen mit Computerspielen. Er hinterfragt die gängige Meinung, die Computerspiele als sinnlos und Lesen als sinnvoll darstellt, und analysiert die Argumentation von Steven Johnson in "Everything Bad is Good for You" als Versuch einer Image-Kampagne für Computerspiele.
Welche kontroversen Meinungen werden im Text dargestellt?
Der Text präsentiert den Gegensatz zwischen der traditionellen positiven Wahrnehmung des Lesens als entspannend und bereichernd und der oft negativen Sichtweise auf Computerspiele als zeitverschwendend und ungesund. Er beleuchtet die Diskrepanz zwischen der steigenden Anzahl von Computerspielern und der gleichzeitigen Abnahme der Leserzahlen, obwohl Computerspiele oft als weniger wertvoll angesehen werden.
Welche Rolle spielt die Argumentation von Marshall McLuhan im Text?
McLuhans Idee einer kulturellen Umkehrung, bei der Computerspiele das positive Image erhalten und Bücher neu bewertet werden, wird diskutiert. Der Text hinterfragt die Übertreibungen und die mangelnde historische Genauigkeit in McLuhans Argumentation, die die Entwicklung von Spiel- und Lesekultur nicht ausreichend berücksichtigt.
Wie werden Computerspiele im Text charakterisiert?
Der Text argumentiert, dass Computerspiele komplexe kognitive Fähigkeiten fördern, wie z.B. "Telescoping" (gleichzeitiges Organisieren verschiedener Prozesse) und "Probing" (experimentelles Erlernen von Spielregeln). Es wird behauptet, dass Spiele logisches Denken und die Bewältigung von Informationsfluten trainieren. Der Text nutzt Beispiele wie "The Sims", um zu zeigen, dass scheinbar einfache Spiele komplexe mentale Herausforderungen darstellen.
Wie werden die Vorzüge von Computerspielen im Vergleich zum Lesen dargestellt?
Der Text präsentiert Studien, die eine Verbesserung der motorischen Fähigkeiten und des Gedächtnisses bei Computerspielern im Vergleich zu Nicht-Spielern belegen. Es wird argumentiert, dass Computerspiele komplexe Strategien erfordern und das Problemlösungsvermögen fördern. Im Gegensatz zum linearen Fortschritt beim Lesen, bieten Computerspiele die Möglichkeit, durch Trial and Error zu lernen und Strategien anzupassen.
Wird im Text der Idee der „Realitätsflucht“ durch Computerspiele widersprochen?
Ja, der Text widerlegt die These, dass Computerspiele eine Flucht aus der Realität darstellen. Er argumentiert, dass die im Spiel geforderten Fähigkeiten zur Bewältigung komplexer Situationen auch im realen Leben nützlich sind und dass das "Wiedergeborenwerden" nach Fehlern im Spiel nicht als Flucht vor Konsequenzen interpretiert werden sollte.
Welche Schlussfolgerung zieht der Text bezüglich Computerspiele und Lesen?
Der Text kommt zu dem Schluss, dass Computerspiele und Lesen nicht nach den gleichen Kriterien bewertet werden können. Während die traditionelle positive Bewertung des Lesens bestehen bleibt, plädiert der Text für eine differenziertere und positivere Sicht auf Computerspiele, die ihre kognitiven Vorteile und ihren Einfluss auf die Popkultur anerkennt.
Welche historischen Beispiele werden im Text verwendet?
Der Text erwähnt Tacitus' Beschreibung der Germanen im 1. Jahrhundert n. Chr., um die negative Konnotation von Spielen im Laufe der Geschichte zu veranschaulichen. Er zeigt, dass Spiele schon immer mit negativen Assoziationen verbunden waren, im Gegensatz zum positiven Image des Lesens, welches erst später mit dem Aufkommen des Buchdrucks und der Verbreitung von Bildung entstand.
Ich spiel verrückt, spielst du mit?
Wie uns Computerspiele Freude und Erholung schenken
Von Juliane Ungänz
Situation 1:
Abends Zehn Uhr in Deutschland. Die Jalousien sind schon den ganzen Tag unten. Ein summender Ton, von Monitoren und Rechnern, gelegentlich eine Stimme:„Jahhh!“, ein Schmerzliches „Das kann doch nicht war sein!“ oder ein Verärgertes „Cheater, alles Cheater!“ Am Schreibtisch sitzt eine Person, in verkrampfter Haltung, vor den Monitor gedrängt, mit der Kippe im Mundwinkel und nervösem Zucken im rechten Auge. Daneben steht der übervolle Aschenbecher, eine 2-Liter-Flasche Cola und ein Berg von Fast-Food-Verpackungen.
Situation 2:
An einem anderen Ort um Zehn. Durchs Fenster wirft der Mond ein sanftes Licht in den Raum. Im Kamin knistert das wollig warme Feuer und in einem alten, ledernen Clubsessel sitz, entspannt zurückgelehnt, eine Person. Auf einem kleinen Tisch steht eine Leselampe, eine Tasse Tee, sowie ein kleiner Teller mit ausgewähltem Gebäck.
Die beschriebenen Situationen sollen herrschende Meinungen über Computerspiele und Lesen, wie sie auch von Steven Johnson, in „Everything Bad is Good for You“, beschrieben werden, darstellen. Trotz der steigenden Zahl von Computerspielern, und der sinkenden Zahl von Lesern, werden PC-Spiele als weniger wertvoll angesehen. Der „konventionellen“ Meinung zu Folge gilt lesen als sinnvoll, Computerspielen als sinnlos. Auch die von mir beschriebenen Situationen, entsprechen dieser Meinung. Das gesamte Umfeld des Spielers wirkt unharmonisch, seine Ernährung ungesund. Lesen wird mit Entspannung gleich gesetzt. Das Problem liegt also im Image, wobei Johnson’s Text der Versuch einer Image-Kampagne für Computerspiele darstellt. Bücherlesen hingegen erfreut sich bereits glänzenden Ansehens. Das zeigt sich auch darin, dass Bücher Dekorationsstücke in unserem Wohnraum sind. Mit großen Bücherschränken, gefüllt mit Klassikern der Weltliteratur, über Tolstoj bis Tolkien, versuchen wir Besucher zu beeindrucken.
Der Computer ist, trotz aller Bemühungen um ein noch so schönes äußeres Design, dem Arbeitszimmer zugeschrieben. Schränke in denen CD-Roms und Softwarepackungen stehen beeindrucken nur „Kenner“. Die Allgemeinheit verlangt von Kulturgütern noch immer, dass sie schwer, staubig und aus Papier sind.
Im Verlauf von Johnsons Imagekampagne wird McLuhans Idee einer kulturellen Umkehrung vorgestellt: Was wäre wenn Computer plötzlich das bessere Image hätten, das primäre Informations-und Unterhaltungsmedium wären, und Bücher neu? Die Argumentation beruht auf der Selektion negativer Aspekte, die übertrieben dargestellt und zu einem „Worst-Case-Szenario“ überspitzt werden. Johnson stimmt McLuhans Argumentation nicht völlig zu, stellt jedoch fest, dass sie auch nicht ganz falsch sei.
Dabei ist McLuhans Vergleich nicht nur übertrieben, sondern steht auch in keinerlei Zusammenhang mit der Entwicklung von Spiel- und Lesekultur. Denn das Prinzip des Spielens traf unsere Kultur nicht wie ein Meteorit.
Schrift und Spiel existierten schon immer nebeneinander, und seit jeher hatte die Schrift das bessere Image. Im Jahr 98 n. Chr. beschreibt Publius Cornelius Tacitus in seinem Werk „De origine et situ Germanorum““ (Vom Ursprung und der Gebräuche der Germanen) die Germanen als edle Krieger, die im Kampf hohe Tapferkeit bewiesen. Kämpften sie jedoch nicht, verbrachten sie ihre Zeit mit hemmungslosen Trinkgelagen und Spielen. Schon damals gilt Spielen als schlechte Eigenschaft. Zumal die Germanen bei ihren Würfelspielen gern mal Frau und Hof, nicht selten auch ihre eigene Freiheit, verspielten. Spielen ist oft mit einem Einsatz verbunden, beim Lesen dagegen hab ich nichts zu verlieren.
Anfangs war das Lesen nur Vertretern der Kirche und wenigen Adligen vorbehalten. Dazu kam, dass Bücher teuer waren. Lesen wird damit zum Privileg und Bücher zum Luxus.
Eine Umkehrung, wie McLuhan sie vornimmt ist daher nicht nur überzogen, sondern geht falsch in der Behauptung Computerspiele werden als gefährlich ungestuft, weil das Neue immer skeptisch betrachtet wird.
Auch Johnson erkennt zumindest teilweise die Fadenscheinigkeit von McLuhans Argumentationsweise und stellt fest, dass Spiel und Roman nicht nach den gleichen Kriterien gemessen werden können. Daraufhin versucht er seine Leser zu überzeugen, dass Computer-Spiele Teil der ständig wachsenden Pop-Kultur unserer Zeit sind und positiven Einfluss auf uns haben können.
Studien hätten eine Verbesserung der motorischen Fähigkeiten, besonders der Koordination der Hände, sowie des Gedächtnisses, bei Computerspielern, im Gegensatz zu Nicht-Computerspielern, nachgewiesen. Und bei Spielen wie SimCity würden die Kinder administratorischen Prinzipien zu verstehen lernen, bei denen sie im Klassenraum einschlafen würden. Im Kopf des Spielers laufen komplexe Vorgänge ab, je nach Komplexität des Computerspiels. Er muss verschiedenste Strategien entwickeln um über kurzfristige und langfristige Handlungen zu entscheiden. Das Endziel kann nicht linear angesteuert werden, nebenbei gilt es „am Leben zu bleiben“, und verschiedenste Hürden zu meistern, um dem Endziel näher zu kommen. Den mentalen Akt, all die gleichzeitig ablaufenden Prozesse sinnvoll zu ordnen nennt Johnson „Telescoping“. Das Computerspiel birgt jedoch noch mehr Tücken. Bei jedem Fehler geht es zurück an den Anfang des Levels oder einen gesicherten Checkpoint und sofort muss eine neue Strategie her. Der Spieler erprobt seine Handlungen also, bis sich Erfolg einstellt. Auch die Regeln des Spiels sind vor dem Spielen nicht bekannt. Der Spieler kann erst zur ausprobieren herausfinden, was er darf und kann, und was für ihn unmöglich ist. Dieser Vorgang wird von Johnson als „Probing“ beschrieben. „Telescoping“ und „Probing“ seien es auch, die das Computerspiel von der Literatur abgrenzten. Während Literatur am „Was passiert?“ interessiert ist, geht es beim Spiel ums „Wie passiert etwas?“. Damit ähnle das Computerspiel eher einer mathematischen Formel und förderten das logische Denken. Statt in der Informationsflut, die Computerspiele präsentieren können, unterzugehen, erlerne der Spieler gerade, diese zu bewältigen. Um die Welt auf dem Bildschirm mit Sinn zu füllen, würde der Spieler Ordnung schaffen. Spielen wird zur enormen geistigen Leistung. Man spielt nicht für’s Spiel, sondern für’s Leben.
Eines der meistverkauften Spiele der letzten 10 Jahre ist „The Sims“. Dabei gibt es da noch nicht mal Heere von Aliens, entführte Prinzessinnen oder ungeklärte Mordfälle. Der Spieler macht fast nichts, außer warten und zugucken. Die Figuren holen ihre Post, reden miteinander, sehen fern oder legen sich schlafen. Nach Johnson These, würden die gleichzeitigen Handlungsstränge im Spiel mich dahingehend fordern, dass ich verschiedenste Dinge gleichzeitig bedenken und koordinieren muss. Chris braucht was zu Essen, Theo muss endlich seinen Briefkasten leeren und Lisa soll mit Philipp flirten. Oje oje, soviel auf einmal Aber Moment mal. Tue ich nicht genau das gleiche tagtäglich schon in der realen Welt? Ständig muss ich Termine und Besorgungen auf meiner To-Do-Liste verschieben und für Vorgänge für meine kurzfristigen und langfristigen Ziele einleiten. Kühlschrank füllen, Rechnung zahlen, Geld verdienen, Bewerbungen verschicken, Essays zum Abgabetermin fertig machen, soziale Kontakte aufrechterhalten und soviel mehr. Wenn ich in der realen Welt lernen kann mit der Informationsflut zurecht zu kommen, warum soll ich dann Computerspielen? Vielleicht werden solche Fähigkeiten ja beim Spielen am Bildschirm beansprucht, aber für ihre Entwicklung ist das Spiel nicht notwendig.
Manch einer behauptet, man versuche durch das Computerspielen aus der realen Welt zu fliehen. Rein in die virtuelle Welt, wo meine Handlungen zwar zum Tod führen können, aber macht nichts, denn ich werd ja, durch simplen Tastendruck, wiedergeboren. Johnson widerspricht der Idee einer Realitätsflucht.
- Arbeit zitieren
- Juliane Ungänz (Autor:in), 2005, Ich spiel verrückt, spielst du mit?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116815