Anerkennung versus Toleranz. Eine kritische Betrachtung der gängigen Gleichstellungspolitik


Hausarbeit, 2021

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Theorien der Anerkennung
2.1. Johann Gottlieb Fichte
2.2. Georg Wilhelm Friedrich Hegel
2.3. Jürgen Habermas
2.4. Axel Honneth

3. Was ist Toleranz?
3.1. Das Problem mit der Toleranz
3.2. Die Historie der Toleranz

4. Toleranz versus Anerkennung
4.1. Rassistisches Gedankengut in einer Gesellschaft der Meinungsfreiheit

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Ist das Konzept der Toleranz in der demokratischen Politik des 21. Jahrhunderts der geeignete Weg, um Gleichberechtigung in vollstem Maße durchzusetzen? Oder ist es doch das Konzept der Anerkennung, welches für bedingungslose Gleichberechtigung steht?

Im Folgenden möchte ich diesen Fragen nachgehen. Um zu einer adäquaten Antwort kommen zu können, müssen zunächst die berühmtesten Anerkennungstheorien der Philosophiegeschichte genauer beleuchtet werden und die zugrundeliegenden Konzepte in den Kosmos der Frage nach Toleranz eingeordnet werden. Starten möchte ich mit der Theorie von Johann Gottlieb Fichte, welcher einen ersten Entwurf der Anerkennungstheorien bietet. Fichtes Konzept entstand als Rechtsphilosophische Politiktheorie und wurde von Georg Wilhelm Friedrich Hegel weitergeführt.

Hegels Theorie klammert den rechtsphilosophischen Rahmen zwar nicht aus, fokussiert sich aber auf die Geistesebene der intersubjektiven Beziehungen, aus welchen er seine Theorie der Anerkennung formuliert. Diese handelt primär von der Notwendigkeit der gegenseitigen Anerkennung zur Ausbildung einer vollendeten Identität.

Lange Zeit war es still um die Anerkennungstheorie, bis Jürgen Habermas die Notwendigkeit sah, ebendiese Theorie wieder aufzugreifen und in Teilen weiterzuentwickeln. Es geht Habermas vornehmlich darum, die Schlüsse, welche Marx und Kant aus den Theorien Hegels geschlossen haben, zu kritisieren und auf Basis dieser Kritik eine eigene Anerkennungslehre zu entwickeln. Er bettet sein Konzept in die von ihm entwickelte Diskursethik ein und macht die Anerkennung somit zum Bestandteil seines Gesamtwerkes.

Axel Honneth, welcher ein Schüler Habermas war, ist der aktuellste Vertreter der Anerkennungstheorie. Er versucht die vorangegangenen Lehren gebündelt weiterzuentwickeln und geht dabei so weit zu sagen, dass die adäquate Anerkennung anderer Menschen unabdingbar für die persönliche Entwicklung ist.

Anschließend an die Ausführungen der Anerkennungstheorien, möchte ich mich mit dem Problem der Toleranz beschäftigen. Zunächst möchte ich die Problematik der Begrifflichkeit klären und anschließend die Historie des Toleranzbegriffes genauer beschreiben, sodass die Frage beantwortet werden kann, ob eine Umwälzung des Begriffs der Toleranz hin zu einem Konzept der Anerkennung notwendig ist.

Schließen möchte ich meine Ausführungen mit einem Exkurs in die Frage der Meinungsfreiheit und ihre rechtliche Grundlage.

2. Die Theorien der Anerkennung

Was ist Anerkennung? Welche Faktoren müssen beachtet und vollzogen werden, um anderen Menschen das richtige Maß an Respekt und Anerkennung zukommen zu lassen? Dies sind Fragen, welche besonders in der Zeit des deutschen Idealismus zu einer Theoriebildung geführt haben, welche auch in der heutigen Zeit große Wichtigkeit aufweist. Die deutschen Philosophen Johann Gottlieb Fichte und Georg Wilhelm Friedrich Hegel gelten als Begründer der Anerkennungstheorie. Im Verlauf der Zeit griff Jürgen Habermas die Anerkennungstheorie Hegels wieder auf und entwickelte sie weiter. Habermas erkannte die Aktualität des Themas und versuchte in Anschluss an Hegel und Fichte eine moralische Gesellschaftstheorie weiterzuentwickeln, welche sich insbesondere mit zwischenmenschlichen Beziehungen und der daraus resultierenden wahren Intersubjektivität beschäftigt. Auf Basis der Theorien von Habermas trat Axel Honneth in den Fokus der Anerkennungstheorie und machte dieses Thema zum Mittelpunkt seines Schaffens. Die Anerkennungstheorie und ihre Herkunft sind in der heutigen gesellschaftlichen Forschung von hoher Relevanz und sie ist ein wichtiger Bestandteil der politischen Philosophie, der Sozialphilosophie und der Moralphilosophie.

Im Folgenden möchte ich die Theorien der genannten Philosoph*innen beschreiben, erklären und vergleichen.

2.1. Johann Gottlieb Fichte

Fichtes Erklärung des Anerkennungsbegriffs ist primär in den politikphilosophischen Rahmen einzuordnen. Die Theorie besagt, dass Anerkennung gleich Recht ist. Diese liegen allerdings nicht im Individuum selbst, oder werden sich von ebendiesem selbst gegeben. Die Rechte, welche Anerkennung beinhalten, werden dem Menschen von anderen Menschen verliehen. Daraus lässt sich folgern, dass für Fichtes Theorie eine Staatsgewalt gegeben sein muss, welche den Bürger*innen bestimmte Rechte verleiht und diese auch sichert. Doch nicht nur die von der Staatsgewalt gegebenen Rechte sind relevant. Auch die Rechte, welche sich Individualpersonen gegenseitig zusprechen, sind ausschlaggebend für die richtige Anerkennung, welche einem Menschen zuteil werden sollte. Der Status als anerkanntes Individuum, ist also davon abhängig, wie ihm andere Personen begegnen, wie sie ihn behandeln und welche Rechte zugesprochen werden.1 Das Zusprechen von Rechten an die gegenüberliegende Person, zieht auch immer nach sich, dass man seine eigene Handlungsfreiheit beschränkt, sodass die Handlungsfreiheit des Gegenübers gewährleistet ist.

„Damit ist der Gegenstand des Rechtsbegriffs gewonnen: „eine Gemeinschaft zwischen freien Wesen als solchen“. Deren Verhältnis untereinander ist dann ein Rechtsverhältnis, wenn sich die Gemeinschaftsmitglieder als freie Wesen wechselseitig anerkennen und sich ein Recht auf gleiche Handlungsfreiheit zugestehen. Entsprechend lautet die Rechtsregel: ‚Beschränke deine Freiheit durch den Begriff von der Freiheit aller übrigen Personen, mit denen du in Verbindung kommst‘ (I 3, 320), oder in einer anderen Formulierung: ‚ich muss das freie Wesen ausser mir in allen Fällen anerkennen als ein solches, d. h. meine Freiheit durch den Begriff der Möglichkeit seiner Freiheit beschränken‘.“2

Die Theorien Fichtes sind deutlich weitreichender als dieser kurze Umriss seiner Anerkennungstheorie, jedoch sind die anderen Aspekte seines Schaffens für die gestellte Frage dieser Arbeit von keiner Relevanz.

Kann auf Basis von Johann Gottlieb Fichtes Definition der Anerkennung belegt werden, dass Toleranz und Duldung eine vertretbare Praxis im Umgang mit Menschen, welche einer Minderheit angehören, sind? Meiner Ansicht nach, ist die Meinung Fichtes ein Hinweis darauf, dass Toleranz und Duldung keine Form von gegenseitigem Respekt sind. Wie bereits erwähnt, müssen sich Menschen gegenseitig Rechte zusprechen und der Respekt und die Anerkennung zwischen Individualpersonen kann nur durch das richtige Verhalten gegeneinander gewährleistet sein. Verhält es sich jedoch so, dass der Mensch, welcher einer Minderheit angehört, den Mensch, welcher einer Mehrheit angehört, Rechte zusprechen muss, ihn respektvoll behandeln muss, seine Kultur und Denkweise zu respektieren hat und ihm somit die nötige Anerkennung entgegenbringt, so ist es unabdingbar, dass es andersherum genauso ist. Verhält es sich jedoch so, dass der Mensch, welcher einer Mehrheit angehört, die Kultur, die Denkweise und die Handlungen der Person, welche einer Minderheit angehört, nicht in vollstem Maße respektiert, sondern sie nur duldet, sich aber eigentlich wünscht, dass die Person der Minderheit, entweder die eigene Kultur ablegt und die andere annimmt oder sich in den eigenen Kulturbereich zurückbegibt, so ist das Verhältnis der beiden Personen sehr unterschiedlich. Es kann also nicht von gegenseitiger Anerkennung gesprochen werden.

2.2. Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Auch in der Anerkennungstheorie Hegels ist die unabdingbare Voraussetzung für Anerkennung die Wechselseitigkeit zwischen selbstbewussten Individuen. Hegel geht so weit zu sagen, dass das eigene Selbstverständnis und der damit verbundene Wert, welchen man sich selbst zuschreibt, abhängig ist von dem Wert, welchen man anderen Menschen zuschreibt. Die intersubjektiven Beziehungen sind also für die Charakterausbildung und die damit verbundene Freiheit, welche jedem Menschen zuteil werden sollte, unabdingbar. Um Hegels Anerkennungstheorie genauer nachvollziehen zu können, muss zunächst der Begriff des Selbstbewusstseins in Hegels Lehre genauer beschrieben und erklärt werden.

Der Mensch kann allgemeines Selbstbewusstsein nur in Verbindung mit anderen Menschen erreichen. Doch was bedeutet das allgemeine Selbstbewusstsein genau? Um diese Frage zu klären, muss der Weg vom Bewusstsein zum abstrakten allgemeinen Selbstbewusstsein nachgezeichnet und erklärt werden. Das Bewusstsein wird in der Lehre Hegels als wichtiger Teil einer Subjekt-Objekt Beziehung verdeutlicht. Das heißt, dass der Mensch Bewusstsein hat, indem er Dinge, welche er zu erkennen versucht, klar von sich selbst trennt. Das bedeutet, dass der Mensch Dinge, welche wahrgenommen werden, nicht nur wahrnimmt, sondern auch versteht, dass die zugeschriebenen Eigenschaften und das Verständnis des Dinges nur aus dem Menschen selbst kommen. Daraus folgt ein weiterer wichtiger Schritt vom Bewusstsein zum Selbstbewusstsein. Das Wissen ist ein unabdingbarer Faktor beim richtigen Wahrnehmen von Dingen der Welt. Ohne Wissen und ohne Bewusstsein nimmt der Mensch Dinge wahr und hält die Eigenschaften, welche er ihnen aus sich selbst heraus zuschreibt, für die Wahrheit. Entwickelt er Bewusstsein, so wird ihm klar, dass es einen Unterschied zwischen den wahren Eigenschaften und den von ihm selbst zugeschriebenen Eigenschaften geben kann. Durch das Aneignen von Wissen von außerhalb, kann er dieses erlangte Wissen den Dingen, welche er wahrnimmt, zuschreiben und wird somit zur richtigen Wahrheit über das Ding, welches wahrgenommen wird, kommen3. Beim Versuch das eigene Selbst auf diese Weise wahrzunehmen, stößt das Individuum jedoch auf das Problem, dass es alles Wissen über sich selbst, nur von sich selbst hat und es somit in erster Linie nicht möglich ist, allgemeingültiges und weltliches Wissen von sich selbst zu haben. Erst durch das Einfügen in eine Gesellschaft mit intersubjektiven Beziehungen, kann sich der Mensch weltliches Wissen über das eigene Selbst aneignen und wahres Selbstbewusstsein ausbilden.

[...]


1 Vgl. Bernstein, 2009, S. 53

2 Kersting, 2016, S. 23

3 Vgl. Honneth, 1959, S. 17

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Anerkennung versus Toleranz. Eine kritische Betrachtung der gängigen Gleichstellungspolitik
Hochschule
Philipps-Universität Marburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
20
Katalognummer
V1168173
ISBN (eBook)
9783346578594
ISBN (Buch)
9783346578600
Sprache
Deutsch
Schlagworte
anerkennung, toleranz, eine, betrachtung, gleichstellungspolitik
Arbeit zitieren
Philipp Sawitzki (Autor:in), 2021, Anerkennung versus Toleranz. Eine kritische Betrachtung der gängigen Gleichstellungspolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1168173

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