Patienten mit depressiven Erkrankungen in der Physiotherapie

Welche Herausforderungen stellen sich für Physiotherapeuten und wie können sie die Interaktion professionell gestalten?


Examensarbeit, 2018

25 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was sind Depressionen?
2.1.Begriffsklärung nach ICD 10
2.2.Ursachen und Symptome

3. Therapiemöglichkeiten
3.1.Pharmakotherapie
3.2.Psychotherapie

4. Physiotherapie bzw. Bewegungstherapie und Depressionen – Wie wirksam ist sie und was kann im physiotherapeutischen Rahmen getan werden?

5. Kommunikationsgestaltung mit depressiven Patienten
5.1.Kommunikationsgestaltung in der Physiotherapie
5.2.Kommunikationsgestaltung mit depressiven Patienten im physiotherapeutischen Setting
5.3.Fehler, die man machen kann und Schwierigkeiten, die aufkommen können
5.4.Wie Angehörige mit depressiven Patienten umgehen sollten

6. Diskussion

7. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

„In der Depression lebe ich ohne Sinn und Bewusstsein.

Ich sehe, ohne wahrzunehmen.

Ich fühle ohne Empfindung und Gefühl.

Ich schmecke ohne Genuss.

Ich rieche ohne Empfindung.

Ich denke ohne Geist und Sinn und Phantasie und Kombinationsfähigkeit.

Ich lache ohne Freude.

Ich weine ohne Schmerzensstachel.

Ich bewege mich ohne motorische Harmonie und Ausdrucksvermögen.

Ich kenne weder Hoffnung noch Maß noch Ziel.

Schlaf und Tod sind mir das Erstrebenswerteste.

Ich freue mich nicht, ich begeistere mich nicht, ich liebe nicht, ich trauere nicht.

Ich male nicht, ich spreche nicht, ich dichte nicht, ich singe nicht, ich tanze nicht, und

wenn ich es dennoch tue, dann ohne Ausdruck und Phantasie und ohne dabei zu sein, ohne Leben.“ (Gedicht einer depressiven Frau, Wolfersdorf, 2002, S. 1)

Depressionen – Es gibt wohl keine Krankheit, die so schwerwiegend ist und gleichzeitig so tabuisiert wird wie diese. Sie gehört zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere zu den am meisten unterschätzten psychischen Erkrankungen in Deutschland. Betroffene grenzen sich aus ihrem sozialen Umfeld aus, zeigen markante Wesensveränderungen und beenden ihr Leiden noch immer viel zu oft mit dem Suizid. Nach Schätzungen erkranken weltweit circa 350 Millionen Menschen an Depressionen und laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird die Krankheit, die zur Oberkategorie der Affektiven Störungen zählt, bis zum Jahr 2020 die zweithäufigste Volkskrankheit sein (BMG, 2018). Es wird Zeit, über dieses Tabuthema zu sprechen, um Betroffenen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind, enorme Möglichkeiten der Hilfesuchung bestehen und um Angehörigen die Ernsthaftigkeit dieser Krankheit klar zu machen.

So wird in dieser Arbeit zunächst ein kurzer Überblick über die Depressionen mit ihren Ursachen und Symptome gegeben. Im weiteren Verlauf wird über ein mehrdimensionales Behandlungssetting gesprochen. Am Ende wird das Thema der Kommunikation mit Depressionspatienten thematisiert. Im Wesentlichen geht es hierbei um das Verhalten aus therapeutischer Sicht, eventuellen Herausforderungen und der Zusammenarbeit mit Angehörigen.

2. Was sind Depressionen?

2.1.Begriffsklärung nach ICD 10

Nach dem internationalen Klassifizierungssystem der ICD-10 (dort Kapitel V „Psychische und Verhaltensstörungen, Affektive Störungen – F30-F39“) werden depressive Störungen der Kategorie der Affektiven Störungen zugeordnet und als psychopathologisches Syndrom von bestimmter Dauer definiert. Die Hauptsymptome der in dieser Kategorie zusammengefassten Krankheitsbilder beziehen sich auf eine Veränderung der Stimmung bzw. des Aktivitätsniveaus, wobei bei der Depression oft von depressiver Niedergestimmtheit, gravierendem Interessenverlust, Freudlosigkeit und starker Ermüdbarkeit gesprochen wird. Zur exakten Klassifikation werden weitere Symptome, deren Ausprägung und der Schweregrad, der sich in eine leichte, mittelgradige oder schwere Episode unterteilt, herangezogen (DGPPN et al, 2015).

2.2.Ursachen und Symptome

„Die Depression ist ein multifaktorielles Geschehen, womit gemeint ist, dass viele Bedingungen an der Entstehung und der Auslösung sowie Aufrechterhaltung einer depressiven Erkrankung beteiligt sind.“ (Wolfersdorf, 2002, S. 37) Jedoch bedeutet das Vorliegen, der Ursachen nicht unbedingt, dass derjenige zwingend erkrankt; es besteht lediglich eine erhöhte Disposition. Für die Depression gibt es körperliche, seelische und/oder soziale Bedingungen die letztendlich zur einer sogenannten „psychobiologischen Disposition“ (nach Ehlhard, 1981) führen. Auf dieser Grundlage kann sich die Krankheit, aufgrund aufkommender Ereignisse und das Zusammentreffen verschiedener Faktoren auf unterschiedlichen Ebenen, entwickeln.

Zu den genetischen Faktoren lässt sich sagen, dass Eltern ihren Kindern psychische Charakteristika mitvererben. 1987 fand Zerbin-Rüdin eine hohe familiäre Belastung bei Patienten mit manisch-depressiven Erkrankungen. Die Risikoziffer für Verwandte ersten Grades erreicht alleinig bei Geschwistern mit einer unipolaren depressiven Erkrankung 13-31%. „Zu letzteren werden Kindheitsentwicklung, insbesondere die in der früheren Kindheit (Battegay, 1987), Persönlichkeitscharakteristika, die Art, mit Belastungen umzugehen, erworbene Einstellung von Hilflosigkeit, negativer Selbstbewertung (Beck, 1967, Seligmann, 1975, Will et al. 1998, Hoffmann et al. 2000) gezählt.“ (Wolfersdorf, 2002, S.39)

Bei den psychologischen Faktoren, spielen die frühkindlichen Erfahrungen, vor allem in Bezug auf die Mutter oder der Bezugsperson eine große Rolle. Mangelerfahrungen entstehen in dem Sinne durch Versagens- oder massive Verwöhnungserlebnisse, mangelnde Förderung, Anerkennung oder Interaktion durch oder mit der Bezugsperson – dadurch entsteht die Grunderfahrung, dass sich nicht um einen gekümmert wird; somit bin ich nichts und es würde keinem auffallen, wenn ich nicht mehr da wäre. Das Gefühl, dass man nicht geliebt, versorgt oder anerkannt wird, entwickelt sich, welches die Grundlage für die Entstehung der Depression bei Vielen darstellt.

Bei den biologischen Faktoren, bekommen die Neurotransmitter im zentralen Nervensystem eine besondere Rolle. Am besten erforscht sind hierbei Serotonin und Noradrenalin, die wie alle Neurotransmitter zur Informationsweiterleitung dienen. Durch zahlreiche Untersuchungen konnte bestätigt werden, dass bei depressiv erkrankten Menschen ein Mangel dieser besteht, weshalb die medikamentöse Therapie darauf abzielt, jenen zu beheben.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass für die Entstehung einer Depression genetisch-biologische, aber auch lebensgeschichtlich-biographische Faktoren von Bedeutung sind, die in Kombination mit entsprechenden Lebensereignissen oder –belastungen zur Erkrankungsbereitschaft führen.

Depressive Patienten leiden unter vielfältigen Beschwerden, die sie beklagen oder erfragt werden müssen. Bei einem Teil dieses Klientel sind sie in Haltung, Bewegung und Aussehen erkennbar, aber gerade Patienten jüngeren bis mittleren Alters machen oft nicht den Eindruck eines kranken Menschen. Fragt man an Depression erkrankte Personen nach ihren Symptome und sammelt und vergleicht diese, werden oft bestimmte Hauptsymptome deutlich, die für Hausärzte, Freunde, Familie und Angehörige aber auch Betroffene wichtig sind, um rechtzeitige Hilfsbedürftigkeit zu erkennen. Darunter zählen: Freudlosigkeit, Gefühlslosigkeit, Verzweiflung, Angst vor dem Tag und seinen Anforderungen, Zukunftsangst, Denkhemmung, Schuldgefühle, Nicht – Geliebt/Geschätzt –Werden - Gefühle, Gefühl von Hilfslosigkeit, Weinkrämpfe, Versagen und Minderwertigkeit, sowie Weglauf- und Todeswünsche und Suizidgedanken, die man zur Kategorie der affektiven und kognitiven Symptome zählt. Des Weiteren unterscheidet man zwischen vegetativen Symptomen, darunter zählen Müdigkeit, rasche Erschöpfbarkeit, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, Schlafstörungen und Tageschwankungen, sowie Antriebs- und psychomotorische Störungen, zu denen Symptome wie Nichtkönnen, Antriebslosigkeit, Stupor, psychomotorische Hemmung oder Getriebenheit eingeordnet werden.

Eine Depression entwickelt sich bei einem gesunden Menschen nicht über Nacht. Vielmehr zieht sich die Erkrankung über Wochen und Monate und beginnt schleichend mit Veränderungen der Vitalität oder Leistungsfähigkeit, Schlafstörungen oder reduziertem Appetit.

3. Therapiemöglichkeiten

Die Psychotherapie und die Pharmatherapie zählen zu den bestuntersuchtesten therapeutischen Ansätzen der depressiven Störung. Bewegungstherapie gilt als eine begleitende Maßnahme.

3.1.Pharmakotherapie

In Deutschland gibt es eine große Anzahl zugelassener Medikamente zur Behandlung, wobei die Antidepressiva, gegliedert nach verschieden Wirkstoffgruppen, als wichtigstes Medikament gilt. Darüber hinaus gibt es ebenso nicht klassifizierte Antidepressiva (z.B. Johanniskraut). Viele randomisierte, placebokontrollierte klinische Studien und Metaanalysen bestätigen die Wirksamkeit von Antidepressiva. In placebokontrollierten klinischen Studien wurde eine 50-%ige Verbesserung der Depression als klinisch relevante Wirksamkeit eingestuft (DGPPN et al, 2015). Jedoch gehen immer noch 50-75% der Wirkung auf Placebo- und unspezifische Effekte zurück (Bschor, Kilarski, 2016, zitiert nach ÄkdÄ, 2018, S. 142). Außerdem bieten sie keine schützende Wirkung vor Suiziden (Bschor, Müller-Oerlinghausen, 2014, zitiert nach ÄkdÄ, 2018, S.142). Von den S3-Leitlinien wird für eine mittelgradige depressive Episode Antidepressiva als gleichberechtigte Alternative zur psychotherapeutischen Behandlung empfohlen, während für eine schwere depressive Episode Antidepressiva generell in Verbindung mit Psychotherapie behandelt wird. Allerdings gilt bei einer leichten depressiven Episode die Pharmakabehandlung nicht als Erstbehandlung (DGPPN et al., 2015, zitiert nach ÄkdÄ, 2018, S. 142). Aufgrund der relevanten spontanen Remissionsrate, ist eine aktive Begleitung/Beobachtung essentiell. Die Schweregradeinteilung richtet sichhier gemäß ICD 10 nach den Anzahlen der Symptome.

Antidepressiva bewirkt eine Erhöhung des intrasynaptischen Serotonin- und/oder Noradrenalinspiegels, die innerhalb weniger Stunden nach der Einnahme eintritt. Jedoch bleibt ungeklärt, warum die klinische Wirkung eine mehrwöchige Verzögerung aufweist. Die Ansprechrate liegt nur bei 50-70%, wobei die Hälfte der Pateinten eine Partialresponse und keine vollständige Remission erlebt. (DGPPN et al., 2018) Die Wahl des Antidepressivums hängt überwiegend vom Nebenwirkungsprofil ab. (Bschor, Adli, 2008, zitiert nach ÄdkÄ, 2018, S. 143). Die pharmakologische Behandlungstherapie gliedert sich in 3 Schritte. Beginnend mit der Akutbehandlung, wobei bei Ansprechen des Patienten auf die Medikation die Weiterbehandlung bis zur Remission erfolgt. Danach kommt der obligate Übergang in die Erhaltungstherapie für 6-9 Monate, zur Vorbeugung eines Frührezidivs. Anschließend folgt die 3. Phase, die Rezidivprophylaxe, welche sich über mehrere Jahre erstreckt. Die Medikation sollte, auch in Bezug auf die Dosis, unverändert fortgeführt werden. Bei einem Nicht-Ansprechen, trotz angemessener Dauer und Dosis, gibt es verschiedene Strategien zur Weiterverfahrung: Pharmakotherapie beenden, Blutspiegel des Antidepressivums kontrollieren und gegebenenfalls anpassen, Antidepressivum auf dosieren oder wechseln, zwei Antidepressivum kombinieren oder Augmentation mit Lithium/ atypischen Neuroleptikum.

3.2.Psychotherapie

Hierbei geht es darum, dass negative Gefühle und passives Verhalten abgebaut bzw. durch positivere, aktivere Verhaltensmuster ersetzt werden. Dabei gibt es verschiedene Therapieansätze, wobei die kognitive Verhaltenstherapie, die interpersonelle Therapie und die psychoanalytische bzw. tiefenpsychologische Therapie zu den wichtigsten Ansätzen zählen (Amrhein, 2010).

Eine große Zahl an Studien belegt die Wirksamkeit der psychotherapeutischen Behandlung, wobei jedoch die Effektivität je nach Schweregrad, Chronizität und Symptomgestaltung variiert. Roth und Fonagy fassten 1996 in einem allgemeinen systematischen Review, die eine große Anzahl Therapiestudien zur Wirksamkeit der vorher genannten, speziell auf die Therapie der Depression abgestimmten, psychotherapeutischen Interventionen, zusammen. Diese wurden als gleich wirksam wie Antidepressiva beschrieben (Roth, Fonagy, 1996, zitiert nach DGPPN et al., 2015, S. 94).

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Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Patienten mit depressiven Erkrankungen in der Physiotherapie
Untertitel
Welche Herausforderungen stellen sich für Physiotherapeuten und wie können sie die Interaktion professionell gestalten?
Hochschule
Brandenburgische Technische Universität Cottbus
Note
1,5
Autor
Jahr
2018
Seiten
25
Katalognummer
V1168911
ISBN (eBook)
9783346583499
ISBN (Buch)
9783346583505
Sprache
Deutsch
Schlagworte
patienten, erkrankungen, physiotherapie, welche, herausforderungen, physiotherapeuten, interaktion
Arbeit zitieren
Anna Schmidtchen (Autor:in), 2018, Patienten mit depressiven Erkrankungen in der Physiotherapie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1168911

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