Unterrichtsanfänge. Wie kann der Einstieg gelingen?


Praktikumsbericht (Schule), 2019

27 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische und empirische Perspektiven

3. Fallanalysen
1. Gruppenfall
2. Einzelfall

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

6. Anhang

1. Einleitung

„Guter Anfang ist halbe Arbeit“ (allgemeines Sprichwort) Jede Handlung muss angefangen werden, und je nach dem, wie der Anfang ausfällt, ist es auch um die Motivation und den weiteren Verlauf bestellt. Wenn man einen guten Start hinlegt, macht sich die nachfolgende Arbeit fast wie von selbst. Ähnlich ist das auch im Unterricht. Wenn es gelingt, die Schüler1 mitzunehmen und von Beginn an Motivation zu erzeugen, ist ein Thema wesentlich leichter zu bearbeiten und die Schüler nehmen behalten mehr im Kopf. Doch wie kann der Einstieg gelingen? Damit soll sich diese Arbeit beschäftigen.

Im folgenden Kapitel 2 wird sich mit den theoretischen Grundlagen des Unterrichtsanfangs beschäftigt, wobei vor allem auf Carla Schelle, Monika Wagner- Willi, Kerstin Rabenstein und Sabine Reh Bezug genommen und geklärt wird, bis wann es ein Anfang ist und was einen Anfang ausmacht. In Kapitel 3 werden zwei Protokolle interpretiert, welche im Rahmen des Seminars an einer halleschen Schule angefertigt wurden. Kapitel 4 zieht dann ein Fazit und vergleicht hierbei beide Protokolle.

2. Theoretische und empirische Perspektiven

Zuerst muss man sich damit beschäftigen, was überhaupt den Anfang eines Unterrichts ausmacht. Dazu habe ich mich mit dem Text von Carla Schelle „Unterricht anfangen“ aus dem Jahre 2018 auseinandergesetzt. Darin wird gleich zu Anfang die Frage gestellt, wann der Anfang beginnt und endet und verschiedene Möglichkeiten dafür aufgezeigt. So etwa kann der Beginn mit dem Betreten des Klassenraumes, mit der Begrüßung oder auch erst mit der Nennung des Unterrichtsthemas eintreten. Geht man dabei nach Boris Zizek, besteht die Eröffnung des Unterrichts aus drei Stufen: Zuerst muss der Unterrichtsraum erschlossen werden, worauf die Übergangsphase, genannt „Landeanflug“ oder „Präbeginn“, startet, welche dann im eigentlichen Unterricht mündet (Vgl. Zizek 2015, S 304). Dies ist jedoch nur die zeitliche Einteilung, Schelle unterteilt in sieben verschiedene Konstituierungsweisen für den Unterricht, die dabei unterschiedliche inhaltliche, pragmatische, thematische und theoretische Umstände einschließen. So kann Unterricht lediglich durch ein Ablaufmuster, durch die (Re)Etablierung von Ordnung oder durch Rituale konstituiert werden. Außerdem kann ein Anfang auch das Unterrichtskonzept vorwegnehmen und den Unterrichtsgegenstand thematisieren, zur Überprüfung des Wissens dienen oder, wie bei Zizek, zur Herstellung des pädagogischen Arbeitsbündnisses inklusive der Klärung, „wer das Sagen hat“ (Vgl. Schelle 2018, S. 87-92). Im Folgenden zeigt Schelle dann die verschiedenen Konstituierungsweisen an drei Protokollen.

Schelle schließt mit dem Fazit, dass Unterrichtsanfänge nicht leicht zu erforschen sind, da es kaum Möglichkeiten gibt, den gesamten Zeitraum unverfälscht aufzunehmen. Entweder muss die Kamera erst aufgebaut werden und bekommt daher das Geschehen vor der Türe nicht mit auf das Band oder aber die Kinder sind durch die Kamera im Unterrichtsraum abgelenkt, wodurch sie möglicherweise ein anderes Verhalten zeigen, als es normal wäre.

Wie wird nun Ordnung etabliert? Mit dieser Frage haben sich Rabenstein und Reh in ihrem Buch „Unterricht als Interaktion“, insbesondere im vierten Kapitel, auseinandergesetzt. Sie beobachteten dabei an zwei Beispielen die Übergangsphase von der Pause zum Unterricht. Im ersten kommt der Lehrer in den Raum und fängt ein Einzelgespräch mit einer Schülerin an, was zu einer Dialoghaftigkeit führt. Andere Schüler versuchen auch, ihre Probleme im Einzelgespräch mit dem Lehrer zu klären, was Rabenstein und Reh so interpretieren, dass keine Klassengemeinschaft hergestellt wurde und die Unterrichtsbereitschaft absprechen (Vgl. Rabenstein/ Reh 2018, S. 83). Im Gegensatz dazu steht das zweite Beispiel, in welchem die Lehrerin und die Schüler sich nebeneinander her auf den Unterricht vorbereiten. So ordnet die Lehrerin ihre Dokumente, während die Schüler ihre eigenen Plätze vorbereiten. Dabei vermischen sie, wie es für eine Übergangsphase üblich ist, verschiedene Verhaltensweisen, da sie während der Vorbereitung auch weiterhin ihre Peergruppengespräche führen und somit noch teilweise Pausenverhalten aufzeigen. In der Beobachtung werden sie zum Unterrichtsanfang hin immer ruhiger, für den Start der Stunde erzwingt die Lehrerin trotzdem Ruhe durch ein körperliches Zeichen (Vgl. Rabenstein/ Reh 2018, S. 89).

Das Beobachtete in Beispiel zwei entspricht auch ziemlich genau der Erkenntnis von Wagner-Willi, welche festgestellt hat, dass der Raum durch seine Innenarchitektur und Anordnung von Tafel, Tischen usw. bestimmte Erwartungen zum Ausdruck bringt, welche die Schüler mit der dazugehörigen Praxis verinnerlicht haben (Vgl. Wagner- Willi 2010, S. 116). Die Rituale wie Kleidung an der Garderobe ablegen und ihre Sitzplätze aufsuchen, erledigen die aus der Pause kommenden Kinder automatisch und ohne Anweisung. Aus den Gesprächen innerhalb der Peergroup werden Schüler­Schüler-Gespräche, die der Herstellung von Unterrichtsbereitschaft dienen und, je näher der Unterrichtsbeginn rückt, schließlich verstummen. Dazu gibt auch der Raum eine Grenze zur „Außenwelt“ ab, welche durch das Schließen der Tür abgedichtet wird (Vgl. Wagner-Willi 2005, S 126).

In den weiteren Beispielen von Rabenstein und Reh werden weitere Anfänge aufgezeigt, welche durch Schüleraussagen gestört werden oder aber vor dem Unterrichtsthema Organisatorisches von der Lehrkraft behandelt wird. Allen gemeinsam ist jedoch, dass immer erst eine Ruhe einkehrt beziehungsweise, falls die Ruhe durch Schüler gestört wird, diese von den Lehrern zu erzwingen versucht wird. Dies geschieht vor allem durch Gesten und Ermahnungen. Auch die Autoren sehen, dass „[d]as Einkehren von Ruhe [... ] ein offensichtlich wesentliches Moment der Ordnung des Unterrichts“ (Rabenstein/ Reh 2018, S. 89) sei.

Man kann also festhalten, dass der Unterrichtsanfang eine hochritualisierte Phase ist, die sowohl von Lehrern als auch Schülern gefüllt wird. Oberstes Ziel ist, eine Unterrichtsbereitschaft herzustellen, für welche eine Grundordnung eingenommen werden muss. Diese Ordnung beruht auf einer anfänglichen Ruhe.

Für die hier ausgewählten Passagen wurde der Unterrichtsanfang dann als beendet angesehen, wenn sowohl Ordnung und Unterrichtsbereitschaft herrschten, als auch zum eigentlichen Unterrichtsthema übergeleitet wurde. Dazu wird im zweiten Fall auch die Vorgeschichte bis zum Unterrichtsklingeln vernachlässigt, da hierzu keine Aufzeichnungen vorhanden sind.

Die vorliegenden Protokolle wurden mit Hilfe von Wernets objektiv-hermeneuti schen Textinterpretation bearbeitet. Das heißt, dass die Protokolle in Sequenzen aufgespalten wurden, welche dann kontextfrei betrachtet wurden. Kontextfrei bedeutet, dass man naiv auf eine bestimmte Stelle schaut, ohne das zu kennen, was danach oder davor kam, und sich überlegt, in welcher Situation welches Verhalten hervorgerufen würde (Vlg. Wernet 2009, S. 21-38).

3. Interpretationen

3.1 Gruppeninterpretation

„Ruhe!“

Wir befinden uns in einer zweiten Klasse einer Grundschule am Anfang der vierten Stunde, in welcher das Fach Sachkunde auf dem Plan steht. Während der Pause hat die Lehrerin, welche noch im Referendariat ist, einen Stationstisch aufgebaut.

Sequenz 1 : „Die Schüler gehen, lautstark redend, langsam zu ihren Plätzen, an den Plätzen herrscht weiterhin Gerede.“

Man sieht, dass die Schüler erst mit dem Klingelzeichen zu ihren Plätzen gehen. Dies geschieht, laut Protokollant, nur sehr langsam und unter lautstarkem Reden. Da ist natürlich die Frage, wie laut lautstark ist, jedoch ist es anscheinend lauter und langsamer, als der Protokollant erwartet hat, da er es extra erwähnt. Normalerweise soll ja auch mit dem Stundenklingeln der Unterricht beginnen, ergo die Schüler bereits an ihren Plätzen sein, was hier ebenfalls nicht gegeben ist. Wenn man das auf eine andere Situation überträgt, so könnte man sich fragen, ob dieses Verhalten wohl vor Gericht oder Theater üblich wäre.

Vor Gericht kann man das Stundenklingeln mit dem Eintreten des Richters vergleichen. Dabei stehen alle Beteiligten auf und sind vor allem bereits an ihren zugeteilten Plätzen, eine Abweichung von diesem Usus würde als abschätziges Verhalten dem Richter und der Justiz gegenüber gesehen. Im Theater jedoch ist es sehr normal, dass die Besucher sich erst nach dem ersten Gong zu ihren Plätzen begeben und natürlich ihre Gespräche beenden.

In Anbetracht der Tatsache, dass es sich um eine zweite Klasse handelt, kann man auch davon ausgehen, dass die Schüler noch ein gewisses Zeitmanagement lernen müssen, um pünktlich für den Unterricht bereit zu sein. Die Lehrerin könnte nun entweder abwarten, bis sich die Schüler hingesetzt haben oder aber schon mit einer Begrüßung zur Stunde beginnen, um den Schülern den Stundenbeginn aufzuzeigen.

...


1 In dieser Arbeit wird das generische Maskulinum angewendet. Dieses ist laut BGH (Az.: VI ZR 143/17) geschlechtsneutral und demnach auch meiner Meinung nach geschlechtergerecht

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Details

Titel
Unterrichtsanfänge. Wie kann der Einstieg gelingen?
Autor
Jahr
2019
Seiten
27
Katalognummer
V1169015
ISBN (eBook)
9783346579560
ISBN (Buch)
9783346579577
Sprache
Deutsch
Schlagworte
unterrichtsanfänge, einstieg, Portfolio, Praktikum
Arbeit zitieren
Tom Weber (Autor:in), 2019, Unterrichtsanfänge. Wie kann der Einstieg gelingen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1169015

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