Der Selbstmord im "Mythos des Sisyphos" Albert Camus'

Vergleich mit Dostojewski und Kafka


Essay, 2021

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zusammenhänge des Absurden und des Selbstmordes
2.1. Camus zum Absurden - Was sind die Begrifflichkeit des Absurden und das Absurde grundsätzlich?
2.2 Selbstmord in der Welt des Absurden

3. Anderweitige Arten des Selbstmordes im Absurden
3.1. Camus philosophischer Selbstmord
3.2. Dostojewskis logischer Selbstmord
3.3 Unterschiede innerhalb der Sichtweisen von Dostojewski und Camus

4. Kausalität des Selbstmordes in Kafkas Romanen
4.1 Das Absurde im Alltag nach Kafka
4.2 Worin unterscheidet sich die Wahrnehmung des Absurden & die Reaktion auf 11 das Absurde nach Kafka, Dostojewski, Camus und wo stimmen sie überein?

5. Schluss

6. Literaturverzeichnis

l. Einleitung

Der Selbstmord ist ein konventionelles Thema, weshalb dieser in vielen Feldern der Wissenschaft bearbeitet wird bspw. in der Psychologie, der Historik und natürlich der Philosophie. Zudem findet man diesen aber auch in der Literatur z. B. in Shakespeares Werk „Romeo und Julia“. Dieser hat darüber hinaus gleichfalls einen festen Platz in Kulturen von Ländern wie Japan. Dort war er im 12 Jh. weit verbreitet bei den männlichen Samurai, dies war der rituelle Selbstmord (Seppuku). Dieser wird auch in der Oper „Madame Butterfly“ von Giacomo Puccini thematisiert, aus welchem die Bekanntheit des Seppukus ausgeht.

Die kritische Sichtweise von Camus dem herkömmlichen Selbstmord gegenüber wird in dieser Facharbeit hergeleitet und analysiert. Außerdem werden noch anderweitige Arten des Selbstmordes von Camus selber sowie Dostojewski und Kafka veranschaulicht und in Verbindung gebracht. Darüber hinaus kommen weiterhin zu der reinen Quellenanalyse selbstständige Gedanken, welche über die Quellen hinaus gehen und eigene Hypothesen schaffen. Dabei lautet meine Arbeitshypothese: Setzt man das Absurde voraus, stößt Camus den Selbstmord und Hoffnung ab, Dostojewski kritisiert den Selbstmord auch, aber befürwortet den Glauben, und Kafka stellt den Selbstmord als Folge von Ignoranz des Absurden und dem zusätzlichen eigenen logischen Denken dar, ähnlich wie Dostojewski. Erarbeitet wurde der Inhalt anhand des Essays „Der Mythos des Sisyphos“ von 1942. In diesem begründete Albert Camus das Absurde. Bei der Auswahl des Materials war das Hauptmerkmal, dass es den Selbstmord nach Albert Camus beinhaltet, weiteres Material wurde von Camus erwähnt und deshalb auch ausgewählt. Nur eine sekundäre Quelle wurde genutzt, diese diente dem besseren Verständnis. Der Arbeitsansatz besteht aus der Untersuchung und persönlichen Interpretation des Selbstmordes und seiner Abwandlungen nach Camus, Dostojewski und Kafka. Ziel ist es, am Ende eine genaue und prägnante Beschreibung der Ideen über den Selbstmord von den bereits genannten Autoren zu haben und diese mit eigenen Gedanken zu erweitern.

2. Zusammenhänge des Absurden und des Selbstmordes

Der Selbstmord steht nach Camus mit dem Absurden in einem engen Verhältnis, besser gesagt dient der Selbstmord als eine Art Kapitulation vor dem Absurden.1 Dabei ist das Absurde der Ausgangspunkt von Camus Sichtweise.2

2.1 Camus zum Absurden - Was sind die Begrifflichkeit des Absurden und das Absurde grundsätzlich?

Um die Haltung Camus dem Selbstmord gegenüber zu erfassen, ist es nötig zu verstehen, was nach Camus die Begrifflichkeit des Absurden ist.

„«Das ist absurd» soll heißen:«Das ist unmöglich», aber auch: «Das ist ein Widerspruch in sich»“3.

Anzumerken ist, dass bei einer Repugnanz eine Gegenüberstellung benötigt wird; dieser Konfrontation ist in Camus Fall ein “Vergleich zwischen einem Tatbestand und einer bestimmten Realität“4. Somit ist resultierend das Absurde nur existent, wenn eine Handlung und eine spezielle Realität gegenübergestellt werden.5 Die Absurdität Camus selber entstammte dem „Mythos des Sisyphos“ aus der griechischen Mythologie, dieser ist der absurde Held.“6 Sein Schicksal ist als Bestrafung für seine Listigkeit einen Stein einen Berg hochzurollen, damit dieser, sobald er den Gipfel erreicht hat, wieder herunterrollt.7 Dieses Schicksal des Sisyphos stellt Camus mit der Arbeit des normalen Arbeiters gleich, somit ist auch das Schicksal dessen absurd bzw. sinnlos.8 Jedoch probieren Menschen entgegen diesem Absurden einen Sinn im Leben zu finden.

„Absurd aber ist der Zusammenstoß des Irrationalen mit dem heftigen Verlangen nach Klarheit, das im tiefsten Innern des Menschen laut wird.“9 Sobald Menschen verstehen, dass kein Sinn im Leben gefunden werden kann, so probieren sie diesem sinnlosen Leben zu entfliehen, bspw. durch Selbstmord. Da aber nach Camus es ,,[...]außerhalb dieser Welt nichts Absurdes geben [kann]“10, so ist dies der Grund, weshalb das Absurde etwas Bestimmendes ist und als die erste Wahrheit gelten kann.11

„Eine Welt, die man - selbst mit schlechten Gründen - erklären kann, ist eine vertraute Welt. Aber in einem Universum, das plötzlich der Illusionen und des Lichtes beraubt ist, fühlt der Mensch sich fremd“12.

In eigenen Worten ausgedrückt: Solange eine Welt zumindest einen weit entfernten Sinn hat, so hat der Mensch das Gefühl, einen Nutzen zu erfüllen. Jedoch ist es in unserem Leben nach Camus nicht der Fall, denn wir leben im Absurden, es gibt keinen Sinn, der gefunden werden kann. In dieser sinnlosen Welt fühlt sich der Mensch fremd.

Allerdings ist es wichtig, das, was [...] niederdrückt, festzuhalten und folglich das, was [...] darin für wesentlich [ge]halten [wird], zu respektieren. Somit ist der einzige Weg im Absurden zu leben, es zu respektieren.“13

2.2 Selbstmord in der Welt des Absurden

Nun, wo die Begrifflichkeit und der Sinn des Absurden geklärt ist, ist es Zeit diesen mit dem Selbstmord in Verbindung zu bringen. Anzumerken ist, dass der Begriff „Selbstmord“ nicht mit den Worten „Suizid“, „Freitod“ und „Selbsttötung“ gleichzustellen ist. Bei dem Nutzen des Wortes „Selbstmord“ erzielt man eine sofortige negative Konnotation, da hier vom „Mord“ gesprochen wird, welcher ein krimineller Tatbestand ist.

Die negative Konnotation des Ausdruckes „Selbstmord“ passt auch zu der Haltung von Camus entgegen diesem, da er diesen nicht unterstützt bzw. verabscheut; denn Camus betrachtet das Absurde, wie bereits erwähnt, als etwas in dem, nur mit Respekt-Schöpfung zu leben ist. Der Selbstmord dient mehr wie eine Kapitulation vor dem Absurden, da man mit dem Leben nicht fertig wird oder es nicht versteht.14.

Da der Mensch bereits in jungen Jahren den Instinkt der Neugier erlangt, zieht es sich durch seine gesamte Existenz und immer wieder kommt die Frage nach dem Sinn im Bestehen auf, doch diesen gibt es im Absurden nicht und, „aus freiem Willen sterben setzt voraus, dass man, und sei es nur instinktiv, das Lächerliche dieser Gewohnheit erkannt hat, das Fehlen jedes tiefen Grundes, zu leben die Sinnlosigkeit dieser täglichen Betriebsamkeit, die Nutzlosigkeit des Leidens“15. So ist nun Camus Hypothese zu beachten „Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord. Sich entscheiden, ob das Leben es wert ist, gelebt zu werden oder nicht [,..]“16. Da wir aber von einer Sinnlosigkeit ausgehen und Fehlen von Sinn im Leben ein häufiger Grund für den Selbstmord ist, stellt man sich die Frage: Wieso greift nicht so gut wie jeder Mensch zum Selbstmord, um dem Absurden zu entfliehen? Die Antwort auf diese Frage ist folgende:

„Das Urteil des Körpers gilt allemal so viel wie das des Geistes, und der Körper scheut die Vernichtung. Wir gewöhnen uns ans Leben, ehe wir uns ans Denken gewöhnen.“17

So hat der Körper immer den größeren Einfluss im Vergleich zum Geiste, beim Überlegen über die Vernichtung von sich selber (Selbstmord).

Nun, wo geklärt wurde, weshalb der Selbstmord aufgrund des Körpers kein offensichtlicher Ausweg aus dem Absurden ist, ist es nötig, an das vorherige Kapitel zurückzudenken. Der Selbstmord stellt keine korrekte Umgangsweise mit dem Absurden dar, da „Leben heißt das Absurde leben lassen. Es leben lassen heißt vor allem ihm ins Auge sehen.“18 Beispiel für diese Art und Weise des Lebens findet man in dem Kapitel „Der absurde Mensch“. Diese Menschen sind „Der Liebhaber, der Komödiant und der Abenteurer “19.

„Was aber bedeutet das Leben in einem solchen Universum? Nichts anderes zunächst als die Gleichgültigkeit der Zukunft gegenüber und das leidenschaftliche Verlangen, alles Gegebene auszuschöpfen.“20

De facto ist das Leben im Absurden, ohne den Selbstmord, erst durch den Glauben an das Absurde sowie durch das Ersetzen der Qualität mit der Quantität bezüglich der Lebensereignisse möglich.21 Beispiele für dieses quantitative Leben sind „Die Quantität der Freuden“22 von Don Juan (der Liebhaber) oder die Quantität der Leben des Komödiants.23

3. Anderweitige Arten des Selbstmordes im Absurden

Bei der Beschäftigung mit Camus Sichtweise in puncto dem Selbstmord ist zu beachten, dass Selbstmord nicht nur wörtlich verstanden werden kann, sprich die Tötung einer selbst. Darüber hinaus ermöglicht Camus Einblicke in sonstige Arten des Selbstmordes, wie bspw. von Dostojewski.

3.1. Camus philosophischer Selbstmord

Beim philosophischen Selbstmord muss zunächst der Begriff „Selbstmord“ speziell für diese Thematik erneut definiert werden. Spricht Camus vom philosophischen Selbstmord, ist die Abwendung vom Absurden gemeint, was wiederum heißt, dass das Absurde stirbt.24

„Wenn ich mich nun an die Philosophie der Existenz halte, so sehe ich, dass ausnahmslos alle mir die Flucht vorschlagen. Ausgegangen vom Absurden auf den Trümmern der Vernunft in einer geschlossenen, auf das Menschliche begrenzten Welt, vergöttlichen sie durch einen sonderbaren Schluss, was sie niederdrückt, und sie finden einen Grund zur Hoffnung in dem, was sie hilflos macht. Diese erzwungene Hoffnung ist bei allen wesenhaft religiös. Sie verdient es, dass wir näher auf sie eingehen.“25

Um kurz zusammenzufassen, was Camus in diesem Zitat sagt, ist, dass die existenzielle Haltung «philosophischer Selbstmord» zu benennen ist.26

Dies liegt daran, dass trotz der Sinnlosigkeit bzw. dem Absurden der Welt weiterhin versucht wird, nicht existente Hoffnung beizufügen. Diese Haltung ist jedoch nicht nur Existenzialisten zu entnehmen. Logischerweise sind Angehörige einer Religion nicht anders nur ,dass sie bspw. auf ein Leben nach der Zeit in dem Absurden hoffen. Erinnert man sich daran, dass Camus von einer Priorisierung von Quantität sprach, erkennt man, dass diese auch nicht eingehalten werden kann, da bei einem Leben, welches das Absurde nicht leben lässt, auch kein Leben möglich und bestimmt keins, welches alles Gegebene ausgeschöpft hat, denn der Heilige neigt zur Qualität.27

Zudem kann noch festgestellt werden, dass das Entfliehen eines Individuums vor dem Absurden in illusorische Vorstellungen wie bspw. die Nicht-Existenz des Absurden oder das Hoffen auf Sinnvolles innerhalb des Absurden; dazu führt, dass man einen geistigen Selbstmord begeht. Diese Hypothese beruht auf der folgenden Idee: Das Absurde zu akzeptieren erfordert „Lieben und Besitzen, Erobern und Ausschöpfen“28. Dies benötigt geistige Anstrengung, sprich den Verstand, Willen und Mut. Sobald man aber probiert, das Absurde nicht anzuerkennen, kann man von einem geistigen Selbstmord sprechen.

3.2 Dostojewskis logischer Selbstmord

Camus behandelt in seinem Werk „Der Mythos des Sisyphos“ nicht nur seine Überlegungen, auch bezieht er sich auf Dostojewski um genau zu sein auf den logischen Selbstmord. Dabei ergründet er diesen, mit den Werken: „Die Dämonen“ (1873), „Tagebuch eines Schriftstellers“ (Dez. 1876) und „Die Brüder Karamasow“ (1878-80). Obendrein kann man anhand des Epigrafs in „Die Dämonen“ Dostojewskis, in welchem er eine biblische Geschichte zitiert, welche davon erzählt, wie Jesus aus Besessenen den Teufel austrieb;29 schlussfolgern, welche Einstellung Dostojewski dem Glauben gegenüber hat.

„«Da mir auf meine Fragen nach dem Glück vermittels meines Bewusstseins erklärt wird, dass ich einzig in der Harmonie des Ganzen glücklich sein kann, das ich nicht begreife und nie begreifen werde, ist es offensichtlich ... Da ich in dieser Ordnung die Rolle des Klägers und des Beklagten, des Richters und des Angeklagten gleichzeitig auf mich nehmen muss, und da ich diese Komödie seitens der Natur absolut dumm finde und es sogar meinerseits erniedrigend finden, mich auf dieses Spiel einzulassen so verurteile ich in meiner unbestreitbaren Eigenschaft als Kläger und als Beklagter, als Richter und als Angeklagter diese Natur, die mich so schamlos zum Leiden erschaffen hat - ich verurteile sie dazu, mit mir zusammen untergehen.»“30.

Dieser Ausschnitt entstammt Dostojewskis Oktoberheft von 1876, das Kapitel besteht aus einem Brief eines Selbstmörders, in welchem er sich rechtfertigte und seine Entscheidung begründete; bekannt ist dieser unter dem Namen „Delirium eines halbverrückten Menschen“, So beschreibt er in diesem die Absurdität der Welt, durch welche er zum Kläger als auch Richter im Gericht der Natur wurde. Anzumerken ist, dass er selber das Absurde als „dumme Komödie“ bezeichnet. diese Komödie abervon Seiten derNatur so dumm finde“31.

[...]


1 vgl. Camus, Albert. Der Mythos des Sisyphos, Reinbeck bei Hamburg, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2000, S.17

2 vgl.a.a.O., S.13

3 a.a.O.,42

4 a.a.O., S.43

5 vgl. a.a.O, S.43

6 a.a.O., S.142

7 vgl.a.a.O.,S.143

8 vgl.a.a.O.,S.143

9 a.a.O., S.33

10 a.a.O.,S.43

11 vgl.a.a.O.,S.43

12 a.a.O.,S.18

13 a.a.O.,S.44

14 a.a.O.,S.17

15 a.a.O.,S.18

16 a.a.O.,S.15

17 a.a.O.,S.20

18 a.a.O.,S.67

19 a.a.O.,S.108

20 a.a.O.,S.73

21 vgl.a.a.O.,S.73

22 a.a.O., S.88

23 vgl.a.a.O.,S.100

24 vgl. a.a.O., S.67

25 a.a.O.,S.45

26 vgl. a.a.O., S.54

27 vgl. a.a.O., S.89

28 a.a.O.,S.91

29 Dostojewski, F.M. Die Dämonen, Null Papier Verlag, 2019, S.5

30 Dostojewski, F.M. Oktoberheft, 1876 (zit. nach Camus)

31 Dostojewski, F.M. Tagebuch eines Schriftstellers - Notierte Gedanken, München Zürich, Piper, 2004, S.258

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Der Selbstmord im "Mythos des Sisyphos" Albert Camus'
Untertitel
Vergleich mit Dostojewski und Kafka
Note
1,7
Autor
Jahr
2021
Seiten
14
Katalognummer
V1169092
ISBN (Buch)
9783346578884
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Selbstmord, Camus, Dostojewski, Kafka
Arbeit zitieren
Alexander Morosov (Autor:in), 2021, Der Selbstmord im "Mythos des Sisyphos" Albert Camus', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1169092

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