Inhalt: 1 Das zweite topische Modell, 2 Das Über-Ich, 3 Der Ödipuskomplex, 4 Bedeutet strenge Erziehung ein strenges Über-Ich?, 5 Das Ichideal, 6 Das Kultur-Über-Ich, 7 Diskussion.
Inhaltsverzeichnis
1 Das zweite topische Modell
2 Das Über-Ich
3 Der Ödipuskomplex
4 Bedeutet strenge Erziehung ein strenges Über-Ich?
5 Das Ichideal
6 Das Kultur-Über-Ich
7 Diskussion
1 Das zweite topische Modell
1923 entwickelte Freud in ´Das Ich und das Es´ erstmals seine Theorie vom zweiten topischen Modell. Dieses Modell ist der Nachfolger seiner ersten Topik, wo er zwischen drei Systemen unterschied: das Bewusste, das Vorbewusste und das Unbewusste. Aus ihm heraus entwickelte Freud die zweite Topik. (vgl. Köhler 1987, S. 53) Bei dieser zweiten Topik gibt es ebenfalls drei Instanzen: das Es, das Ich und das Über-Ich.
Das Es ist der Triebpol, das Über-Ich richtet und kritisiert und das Ich hat die schwere Aufgabe, diese beiden Instanzen und die Realität in Einklang zu bringen. Das Ich repräsentiert die Interessen der Gesamtpersönlichkeit. Im Über-Ich gibt es außerdem auch noch das Ichideal, ein Ideal, an dem das Individuum gemessen wird. (vgl. Laplanche 1989, S. 507) Freud schreibt dazu 1923: „Während das Ich wesentlich Repräsentant der Außenwelt, der Realität ist, tritt ihm das Über-Ich als Anwalt der Innenwelt, des Es gegenüber.“ (Freud 1975, S. 303)
Genauer erklärt werden die Instanzen in der ´Neuen Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse´. Diese Schrift stammt aus dem Jahr 1933. Dort entwickelt er als erstes die beobachtende, richtende und strafende Instanz. Seine Beobachtungen von Geisteskranken haben ihn dazu gebracht, anzunehmen, dass es etwas geben muss, das das Ich als Objekt nehmen kann, es beurteilen kann. Er glaubt daran, dass diese Instanz eine Abspaltung des Ich ist und gibt ihr den Namen Über-Ich. Das Über-Ich ist auch der Träger des Ichideals an dem das Ich sich misst, das es versucht zu erreichen. Beide Instanzen, das Ich und das Über-Ich, sind unbewusst, das Individuum weiß nichts von ihnen.
Das, was Freud früher mit Unbewusstem umschrieben hat, nennt er ab jetzt das Es. Er spricht vom dunklen, unzugänglichen Teil der Persönlichkeit, von Chaos und Trieben. Es geht ihm um Befriedigung von Triebbedürfnissen nach dem Lustprinzip. Im Es gibt es keine Moral, keine Wertung.
Das Ich hatte Freud schon in früheren Schriften erwähnt, hier spricht er vom Ich als Vertreter der Außenwelt, besonders gegenüber den Trieben, die ansonsten ohne auf sie Rücksicht zu nehmen nach Befriedigung streben würden. Vernunft und Besonnenheit stehen den ungezähmten Leidenschaften gegenüber. Freud zeichnet dazu das Bild eines Reiters, des Ichs, auf seinem Pferd, dem Es. (vgl. Freud 1975, S. 496)
Zusammenfassend gesagt, muss das Ich versuchen, zwischen Außenwelt, Es und Über-Ich zu vermitteln. „Vom Es getrieben, vom Über-Ich eingeengt, von der Realität zurückgestoßen, ringt das Ich um die Bewältigung seiner ökonomischen Aufgabe, die Harmonie unter den Kräften und Einflüssen herzustellen, die auf es wirken“ (Freud 1975, S. 515).
Er bezeichnet das Ich, das Es und das Über-Ich als „drei Reiche, Gebiete, Provinzen, in die wir den Seelenapparat der Person zerlegen“ (Freud 1975, S. 510). Damit ist sein Modell vollständig.
2 Das Über-Ich
Das Über-Ich ist eine psychische Instanz innerhalb des zweiten topischen Modells von Freud. 1933 fügte er sie seinem Modell hinzu. Die anderen beiden Instanzen, das Ich und das Es, hatte er schon 10 Jahre vorher genauer beschrieben.
Über das Über-Ich schreibt Freud: Das Ich wird „auf Schritt und Tritt von dem gestrengen Über-Ich beobachtet, das ihm bestimmte Normen seines Verhaltens vorhält, ohne Rücksicht auf Schwierigkeiten von Seiten des Es und der Außenwelt zu nehmen, und es im Falle der Nichteinhaltung mit den Spannungsgefühlen der Minderwertigkeit und des Schuldbewußtseins bestraft.“ (Freud 1975, S. 515)
Das Über-Ich besteht aus verinnerlichten Normen und Geboten der sozialen Umwelt, insbesondere der Eltern. Es vertritt diese Normen in Form von moralischen Forderungen und idealen Strebungen der Persönlichkeit. (vgl. Brockhaus 1993, S. 538) Freud selbst nennt das Über-Ich einen „Vertreter der ethischen Anforderungen des Menschen“. (Freud 1999, S. 86) An einer anderen Stelle spricht er vom Über-Ich als „Vertretung aller moralischer Beschränkungen, [als] […] Anwalt des Strebens nach Vervollkommnung“ (Freud 1975, S. 505). Das Über-Ich könnte man als Richter, Zensor oder Vorbild bezeichnen. (vgl. Laplanche 1989, S. 540) Laplanche beschreibt das Über-Ich, das Ichideal ausgenommen, als „Instanz, die ein Gesetz verkörpert und verbietet, es zu überschreiten.“ (ebd. S. 541) Sie überwacht Handlungen und Absichten des Ich und beurteilt bzw. zensuriert es. (vgl. Freud 1974, S. 262) Außerdem misst sie das Ich am Maßstab eines Idealbildes. Im Falle von Abweichungen bringt sie das Gewissen ins Spiel. (vgl. Köhler 1993, S. 364)
Der Begriff Über-Ich umfasst also die Verbots- und Idealfunktionen. (vgl. Laplanche 1989, S. 541) Eine Funktion des Über-Ichs ist das Gewissen. (vgl. Freud 1974, S. 262) „Es beruht auf der Spannung zwischen dem Ich und dem Ichideal, ist der Ausdruck der Verurteilung des Ichs durch seine kritische Instanz.“ (Freud 1975, S. 317) Weitere Funktionen sind für Freud die Selbstbeobachtung und die Idealbildung (vgl. Laplanche 1989, S. 540) oder auch die Selbstkritik, die Selbstverurteilung, die Reue, aber auch die Anerkennung. (vgl. Brockhaus 1993 S. 538)
3 Der Ödipuskomplex
„Nach Freud besteht eine Korrelation zwischen der Bildung des Über-Ichs und dem Untergang des Ödipuskomplexes“. (Laplanche 1989, S. 541). Freud weist in seinen Werken immer wieder darauf hin. Er spricht vom „Erbe des Ödipuskomplexes“ (Freud 1975, S. 303), davon, dass die „Neuschöpfung einer überlegenen Instanz im Ich aufs innigste mit dem Schicksal des Ödipuskomplexes verknüpft ist“ (Freud 1975, S. 502). In ´Das Ich und das Es´ hebt Freud folgende Textstelle hervor: „So kann man als allgemeinstes Ergebnis der vom Ödipuskomplex beherrschten Sexualphase einen Niederschlag im Ich annehmen, welcher in der Herstellung dieser beiden, irgendwie miteinander vereinbarten Identifizierungen besteht. Diese Ichveränderung behält ihre Sonderstellung, sie tritt dem anderen Inhalt des Ichs als Ichideal oder Über-Ich entgegen.“ (vgl. Freud 1975, S. 301) Deshalb möchte ich hier den Ödipuskomplex und die Bildung des Über-Ichs kurz schildern.
Anfangs hat das Kind beiden Elternteilen eine ähnliche Beziehung. Sobald aber der Ödipuskomplex seinen Anfang nimmt, verstärken sich die sexuellen Wünsche des Jungen gegenüber der Mutter. Der Vater wird zum Rivalen, er steht den Wünschen des Kindes im Wege. Dadurch entsteht wiederum der Wunsch, den Vater zu beseitigen, ihn zu ersetzen. Diese Situation nennt Freud den einfachen, positiven Ödipuskomplex. (vgl. Freud 1975, S. 299)
Freud spricht aber auch vom negativen Ödipuskomplex. Gleichzeitig zu der Feindseligkeit gegen den einen und Liebe gegen den anderen Elternteil geschieht auch das genaue Gegenteil. Der Junge hat zärtliche Gefühle zum Vater und feindselige gegen die Mutter. (vgl. Freud 1975, S. 301)
„Beim Untergang des Ödipuskomplexes werden die vier in ihm enthaltenen Strebungen sich derart zusammenlegen, daß aus ihnen eine Vater- und eine Mutteridentifizierung hervorgeht, die Vateridentifizierung wird das Mutterobjekt des positiven Komplexes festhalten und gleichzeitig das Vaterobjekt des umgekehrten Komplexes ersetzen; Analoges wird für die Mutteridentifizierung gelten.“ (Freud 1975, S. 301)
Aus Angst vor einer Kastration ist der Junge gezwungen, seine Neigungen aufzugeben, sie zu verdrängen und sich mit dem Vater zu identifizieren. Bei dieser Identifikation werden Normen und Werte der Eltern verinnerlicht, das Über-Ich wird gebildet. Der Junge übernimmt die Männlichkeit des Vaters. (vgl. Brockhaus 1991, S. 98) Allerdings ist in selteneren Fällen auch eine Identifizierung mit der Mutter möglich. (vgl. Freud 1975, S. 300) Nach dieser Verdrängung gilt der Ödipuskomplex als überwunden. (vgl. Brockhaus 1991, S. 98)
Beim Mädchen ist das Ganze ein wenig komplizierter. Prinzipiell verläuft der Vorgang genauso, nur mit dem Vater als Liebesobjekt, es gibt aber einige Unterschiede. Denn auch für das Mädchen ist die Mutter das erste Liebesobjekt. Bevor ein Ödipuskomplex stattfinden kann, muss ein Objektwechsel erfolgen. Auch bemerkt das Mädchen das Fehlen des Penis, es macht die Mutter dafür verantwortlich und wendet sich zum Vater hin. Nun erst beginnt der Ödipuskomplex. (vgl. Köhler 1993, S. 13) Während beim Jungen die Ödipussituation durch den Kastrationskomplex zu Ende geht, wird sie beim Mädchen erst dadurch eingeleitet: „Mit dem Wegfall der Kastrationsangst entfällt das Hauptmotiv, das den Knaben gedrängt hatte, den Ödipuskomplex zu überwinden. Das Mädchen bleibt in ihm unbestimmt lange, baut ihn nur spät und dann unvollkommen ab.“ (Freud 1975, S. 560) Dieser Unterschied macht sich für Freud auch in der Ausbildung des Über-Ichs bemerkbar. Seiner Meinung nach kann das Über-Ich des Mädchens dadurch nicht dieselbe Stärke und Unabhängigkeit erreichen wie das des Jungen. (vgl. Freud 1975, S. 560)
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- Arbeit zitieren
- Sigrid Lang (Autor:in), 2006, Das Über-Ich bei Sigmund Freud, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116970
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