Wesen und Funktion expliziter Bilanzierungshilfen


Seminararbeit, 2007

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis

A. Einleitung

B. Wesen expliziter Bilanzierungshilfen im deutschen Handelsrecht
I. Adressatenkreis
II. Aufwendungen zur Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebes..2 1. Aktivierung
2. Umfang der Aktivierung
3. Ausweis und Erläuterung
4. Gleichzeitige Steuerrückstellung
5. Gewinnausschüttungsbeschränkung
6. Abschreibung
III. Aktive latente Steuern
1. Aktivierung
2. Umfang der Aktivierung
3. Ausweis und Erläuterung
4. Gewinnausschüttungsbeschränkung
5. Auflösung
IV. Zwischenergebnis

C. Funktionen expliziter Bilanzierungshilfen
I. Finanzpolitik
II. Insolvenzrechtliche Überschuldung
III. Pflichten der Unternehmensführung
IV. Buchmäßige Überschuldung
V. Periodengerechte Erfolgsermittlung

D. Bedeutung expliziter Bilanzierungshilfen in der Unternehmenspraxis

E. Kritische Würdigung

[ANHANG] Die Bilanzierungshilfe des § 269 HGB im Praxisbeispiel

Literaturverzeichnis

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einleitung

Unternehmen bedienen sich der Bilanzpolitik, um die Rechtsfolgen des Jahresab- schlusses und das Verhalten der Bilanzadressaten in ihrem Sinne zu beeinflussen. Sie sind beispielsweise daran interessiert bestimmte Besteuerungs- oder Ausschüttungs- folgen in Abhängigkeit von den Jahresabschlußzahlen hervorzurufen oder zu ver- meiden. Sie werden sich auch darum bemühen, die Erwartungen der Bilanzadressa- ten – Kreditgeber, Investoren, Eigentümer, Fiskus – bestmöglich zu erfüllen. Die Bilanzanalyse geht den umgekehrten Weg, indem sie durch sachkundige Bearbeitung der Daten die verzerrenden bilanzpolitischen Effekte beseitigt, um ein tatsächliches, vergleichbares Bild der wirtschaftlichen Unternehmenslage zu erhalten.1

Bilanzpolitik und Bilanzanalyse befinden sich somit in einem Interessenkonflikt und insbesondere für den Gesetzgeber stellt sich eine Frage: Soll er den Unternehmen eine Reihe von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten an die Hand geben, die es ihnen erlauben, eine kreative und umfangreiche Bilanzpolitik zu betreiben? Oder täte er besser daran, durch einen Abbau dieser Wahlrechte die Transparenz und Ver- gleichbarkeit der Jahresabschlüsse zu erhöhen?

Im Rahmen dieser Arbeit soll versucht werden, auf die oben aufgeworfene Frage eine Antwort zu finden. Die Betrachtung muß sich dabei auf das Instrument der „ex- pliziten Bilanzierungshilfen“ beschränken. In Kapitel B soll untersucht werden, was eine Bilanzierungshilfe charakterisiert. In Kapitel C wird dargestellt, welche Funk- tionen sie innerhalb der Bilanzpolitik erfüllen kann. Das Kapitel D widmet sich schließlich der Frage, ob Bilanzierungshilfen tatsächlich größere Bedeutung in der Unternehmenspraxis haben. Abschließend erfolgt eine kurze, kritische Würdigung der Bilanzierungshilfen.

Im Anhang soll ein kleines Beispiel die bis dahin gemachten theoretischen Ausfüh- rungen verdeutlichen. Anhand von Auszügen aus dem Jahresabschluß 2002 der XY-Aktiengesellschaft wird die Inanspruchnahme einer Bilanzierungshilfe in der Praxis demonstriert.2

B. Wesen expliziter Bilanzierungshilfen im deutschen Handelsrecht

Der Gesetzgeber hat nur drei Vorschriften explizit als Bilanzierungshilfen ausgestal- tet: Es bestehen Aktivierungswahlrechte für die Ingangsetzungs- und Erweiterungs- aufwendungen des Geschäftsbetriebes (§ 269 HGB), für die aktiven latenten Steuern (§ 274 Abs. 2 HGB) sowie für die Aufwendungen bei der Währungsumstellung auf den Euro (Art. 44 EGHGB).3

Darüberhinaus existieren noch zwei Aktivierungswahlrechte, die nicht die Namen einer Bilanzierungshilfe tragen. Auch fehlen ihnen Bestimmungen, welche für typi- sche Bilanzierungshilfen charakteristisch sind. Trotzdem wirken sie wie solche. Es ist daher gerechtfertigt, sie als Quasi-Bilanzierungshilfen zu bezeichnen. Im einzel- nen handelt es sich dabei um die mögliche Aktivierung eines Disagio (§ 250 Abs. 3 HGB) sowie eines derivativen Geschäfts- oder Firmenwertes (§ 255 Abs. 4 HGB).4

I. Adressatenkreis

Aufgrund ihrer systematischen Stellung im Gesetz richten sich die beiden expliziten Bilanzierungshilfen in erster Linie an Kapitalgesellschaften, also an eine AG, GmbH oder KGaA. Darüber hinaus stehen diese Aktivierungswahlrechte gemäß § 264 a HGB auch Personengesellschaften zu, bei denen nicht wenigstens eine natürliche Person persönlich und unbeschränkt haftet. Als Beispiel für eine solche Gesellschaft ließe sich die „GmbH & Co KG“ nennen. Die expliziten Bilanzierungshilfen gelten ebenfalls für Genossenschaften (§ 336 Abs. 2 HGB) und für Unternehmen, die dem Publizitätsgesetz unterliegen (§ 5 Abs. 1 S. 2 PublG).5

II. Aufwendungen zur Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebes

Aufwendungen für die Ingangsetzung oder Erweiterung des Geschäftsbetriebs dür- fen, sofern sie nicht bilanzierungsfähig sind, gemäß § 269 HGB als Bilanzierungshil- fe aktiviert werden.

1. Aktivierung

Sofern eine Aktivierung in der Handelsbilanz erfolgt, wird den Aufwendungen in der Gewinn- und Verlustrechnung ein fiktiver Ertrag gegenübergestellt. Bei Anwendung des – in Deutschland traditionellen – Gesamtkostenverfahrens (§ 275 Abs. 2 HGB) erfolgt das unter der Position 3 „Andere aktivierte Eigenleistungen“, bei Wahl des immer stärker vordringenden Umsatzkostenverfahrens (§ 275 Abs. 3 HGB) hingegen unter Position 2 „Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen“. Die Bilanzierungshilfe führt also in dem Geschäftsjahr, in dem sie in Anspruch genommen wird, zu einer Aufwandsneutalisierung und somit zu einem vorläufig verbesserten Jahresergebnis: Der Jahresüberschuß steigt bzw. der Jahres- fehlbetrag sinkt. In den folgenden Geschäftsjahren entsteht durch notwendige Ab- schreibungen allerdings ein gegenläufiger Effekt.6

2. Umfang der Aktivierung

Zu den Aufwendungen für die Ingangsetzung können alle Ausgaben gezählt werden, die für das erstmalige Anlaufen des eigentlichen Geschäftsbetriebes im Produktions-, Verwaltungs- und Vertriebsbereich anfallen. Kosten entstehen beispielsweise in der Produktion durch Testläufe, in der Verwaltung für die Einstellung und Schulung der Mitarbeiter und im Vertrieb für Einführungswerbung oder Marktstudien.7

Aufwendungen für die Unternehmensgründung sowie für die Beschaffung von Ei- genkapital fallen nicht unter das Ansatzwahlrecht des § 269 HGB. Für sie gilt das explizite Bilanzierungsverbot des § 248 Abs. 1 HGB. Ebenfalls nicht aktivierbar sind Forschungsaufwendungen.8

Bei der Abgrenzung der aktivierbaren Erweiterungsaufwendungen von den nicht- aktivierbaren Aufwendungen für den laufenden Geschäftsbetrieb können sich erheb- liche Probleme ergeben. Es ist daher geboten, den Begriff der Erweiterungsausgaben eng auszulegen und an zwei Voraussetzungen zu knüpfen. Eine Aktivierung von Erweiterungsaufwendungen ist demnach nur vertretbar, wenn es sich im Vergleich zum bisherigen Produktionsprogramm um eine wesentliche Erweiterung des Pro- duktions- oder Vertriebspotentials (z.B. Erschließung neuer Märkte, Einführung neu- er Produkte) handelt und die sofortige erfolgswirksame Behandlung der Aufwendun- gen zu einem Gewinnausweis führen würde, der erheblich unter dem bisherigen und sonst möglichen Niveau liegt.9Das kontinuierliche Wachstum eines Unternehmens wird nicht als Erweiterung verstanden.10

Ein Unternehmen muß, wenn es die Bilanzierungshilfe des § 269 HGB in Anspruch nimmt, die Aufwendungen nicht in vollem Umfange aktivieren.11Es hat die Mög- lichkeit, über jeden einzelnen Ingangsetzungs- und Erweiterungsvorgang gesondert zu entscheiden, was ihm zusätzliche Flexibilität verleiht.12

Allerdings hat das Unternehmen, wenn es auf einen Ansatz ganz oder teilweise ver- zichtet, ein Nachholverbot zu beachten. Der nicht in Anspruch genommene Betrag bzw. Restbetrag darf in den nachfolgenden Geschäftsjahren nicht mehr aktiviert wer- den.13

An ein Stetigkeitsgebot ist der Bilanzierende hingegen nicht gebunden. Erstreckt sich beispielsweise ein Erweiterungsprozeß über mehrere Geschäftsjahre, dann können Erweiterungsaufwendungen, die im zweiten Jahr angefallen sind, auch dann ange- setzt werden, wenn vom Aktivierungswahlrecht im ersten Jahr kein Gebrauch ge- macht wurde.14

Teilweise wird die Auffassung vertreten, daß die Bilanzierungshilfe nur in Anspruch genommen dürfe, wenn aufgrund der aktivierten Aufwendungen für die Zukunft mit entsprechenden Erträgen zu rechnen sei.15Eine derartige Voraussetzung wäre jedoch wenig praktikabel, da ein neu aufgenommener oder wesentlich erweiterter Ge- schäftsbetrieb im Zweifel wohl immer optimistisch beurteilt würde. Außerdem ver- hindert die Ausschüttungsbeschränkung eine mißbräuchliche Aktivierung dieser Aufwendungen.16

[...]


1 Vgl. Lachnit (2004), S. 61 f.; Peemöller (2003), S. 1 ff.

2 Der wahre Name und Sitz der betroffenen AG wird hier nicht genannt. Alle anderen Daten sind dem Jahresabschluß originalgetreu entnommen und nicht verändert worden.

3 Letzteres Wahlrecht wird in dieser Arbeit nicht behandelt, da die Währungsumstellung weitgehend abgeschlossen ist. Für Einzelheiten siehe: Hilke (2002), S. 112 f.

4 Vgl. Veit (2002), S. 28; Coenenberg (2005), S. 149 f.

5 Vgl. Hilke (2002), S. 109 u. 115 f.

6 Vgl. Veit (2002), S. 52 u. 90.

7 Vgl. Winkeljohann/Lawall, in: BeckBilKom (2006), § 269 HGB Rn. 2.

8 Vgl. Veit (2002), S. 93.

9 Vgl. Coenenberg (2005), S. 151.

10 Vgl. Veit (2002), S. 94.

11 Vgl. Hilke (2002), S. 110.

12 Vgl. Veit (2002), S. 94 f.

13 Vgl. Winkeljohann/Lawall, in: BeckBilKom (2006), § 269 HGB Rn. 7.

14 Vgl. Commandeur, in: Küting/Weber (2005), § 269 HGB Rn. 53.

15 Vgl. Ditges/Arendt (2005), S. 530; Selchert (1986), S. 980.

16 Vgl. Winkeljohann/Lawall, in: BeckBilKom (2006), § 269 HGB Rn. 8.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Wesen und Funktion expliziter Bilanzierungshilfen
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Institut für Betriebswirtschaftslehre - Lehrstuhl für Rechnungswesen)
Veranstaltung
Seminar zur Bilanzpolitik und Bilanzanalyse
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
21
Katalognummer
V117067
ISBN (eBook)
9783640425464
ISBN (Buch)
9783640425426
Dateigröße
427 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wesen, Funktion, Bilanzierungshilfen, Seminar, Bilanzpolitik, Bilanzanalyse
Arbeit zitieren
Christian Nielsen (Autor:in), 2007, Wesen und Funktion expliziter Bilanzierungshilfen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117067

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