Jean de Mandeville, falls es je eine Person dieses Namens gegeben haben sollte, wurde vermutlich im 14. Jahrhundert in England geboren - er selbst gibt als seinen Geburtsort St. Albans an - und wirkte in Lüttich als Naturforscher, Philosoph, Astrologe und Arzt; je nachdem, welcher realen Person man ihn zuordnet (s. Kap.2). Seine Voyages d‘outre mer oder zu deutsch Reisen wurden 1356 wahrscheinlich ebenfalls in Lüttich verfasst und verbreiteten sich rasch in Westeuropa: So gibt es fast 300 Handschriften, viele Drucke und Übersetzungen ins Lateinische und in viele Volkssprachen. Sie wurden bereits im selben Jahrhundert von Michel Velser und Otto von Diemeringen ins Frühneuhochdeutsche übersetzt. Bei den Reisen handelt es sich um einen fiktiven Reisebericht, eine Zusammenstellung aus anderen fiktiven und realen Reiseberichten, die jedoch so geschickt zusammengesetzt wurden, dass der Betrug nicht gleich auffiel. Mandeville schrieb aus etwa 20 anderen Werken, teilweise wörtlich ab, hauptsächlich jedoch stützte er sich auf zwei Reiseberichte, und zwar auf die Palästinareise Wilhelms von Boldensele und die Asienfahrt Oderichs von Pordenone. Er erwähnt seine Quellen jedoch nicht, sondern stellt sich selbst als den Reisenden dar, der in Form eines Ich-Erzählers von seinen Abenteuern erzählt.
Die Reisen Mandevilles lassen sich in zwei Teile gliedern, die sich an den beiden Hauptquellen orientieren:
1) „Jerusalem“: Der Reisende pilgert ins Heilige Land und beschreibt Wunder und
andersgläubige Völker; Jerusalem ist nur der Ausgangspunkt zum zweiten Teil der Reise
2) „Ostasienreise“: Die Reise geht über das Schwarze Meer, den Vorderen Orient,
Hinterindien bis zum Reich des Großkahns
Er bezieht die Teile aufeinander, indem sie beide auf einen Höhepunkt hin laufen: Im ersten Teil ist dies Jerusalem, im zweiten das Teufelstal und das irdische Paradies; an den Kapitelenden fügt er zur Steigerung die Alphabete der jeweiligen Völker ein, die immer exotischer werden.
Im Mittelalter galten die Reisen als realer Reisebericht und glaubwürdig. Es kamen zwar schon früh Zweifel an einzelnen Passagen auf, die Quellen aber wurden erst gegen Ende des
19. Jahrhunderts unter anderem durch Albert Bovenschen (1888) und George F. Warner (1889) aufgedeckt, die unabhängig voneinander zu fast identischen Ergebnissen kamen. Diese Quellen sollen nun näher betrachtet sowie die literarische Leistung des Autors erläutert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zur Person Mandevilles
- Quellen
- Wilhelm von Boldensele
- Oderich von Pordenone
- Weitere Quellen
- Literarische Leistung
- Zusammenfassung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Jean de Mandevilles „Voyages d'outre mer“, einen fiktiven Reisebericht aus dem 14. Jahrhundert. Die Zielsetzung besteht darin, die Quellen des Werkes zu analysieren und dessen literarische Leistung zu bewerten. Die Arbeit beleuchtet die Frage nach der tatsächlichen Identität Mandevilles und untersucht, wie geschickt er verschiedene Quellen zu einem glaubwürdigen, wenn auch erfundenen, Reisebericht zusammengefügt hat.
- Identität Jean de Mandevilles
- Analyse der Quellen Mandevilles (Wilhelm von Boldensele, Oderich von Pordenone u.a.)
- Literarische Techniken und der Erfolg des Werkes
- Die Rezeption des Werkes im Mittelalter
- Die Konstruktion von Fiktion und Realität im Reisebericht
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt Jean de Mandeville und sein Werk „Voyages d'outre mer“ vor. Sie beschreibt den Kontext der Entstehung des Reiseberichts im 14. Jahrhundert und hebt dessen weite Verbreitung und Übersetzung in verschiedene Sprachen hervor. Besonders wird die fiktive Natur des Berichts betont, der geschickt reale und fiktive Elemente kombiniert, um als authentisch zu erscheinen. Die Einleitung skizziert die Gliederung der Arbeit, die sich auf die Quellenanalyse und die literarische Leistung Mandevilles konzentriert.
Zur Person Mandevilles: Dieses Kapitel befasst sich mit der umstrittenen Frage nach der Identität des Autors. Es präsentiert verschiedene Theorien und Vermutungen, die von der Existenz eines tatsächlichen Jean de Mandeville bis hin zur Annahme eines Pseudonyms oder eines komplett fiktiven Erzählers reichen. Die Diskussion beinhaltet verschiedene Vorschläge zu möglichen realen Personen, die hinter dem Pseudonym stecken könnten, und analysiert den Gebrauch der französischen Sprache im Text im Kontext der damaligen Zeit und der damit angestrebten Leserschaft.
Quellen: Dieses Kapitel analysiert die Quellen, auf denen Mandevilles Reisebericht basiert. Es konzentriert sich auf die wichtigsten Quellen, die Reisen Wilhelms von Boldensele und Oderichs von Pordenone, und erläutert, wie Mandeville diese Quellen verwendet und in seinen Text integriert hat. Das Kapitel beleuchtet Mandevilles Methode, seine Quellen nicht zu nennen und stattdessen die Erlebnisse als eigene zu präsentieren. Die Analyse betont die geschickte Konstruktion des Berichts und die Effektivität der Verschmelzung von verschiedenen Quellen.
Literarische Leistung: Dieses Kapitel widmet sich der literarischen Analyse des Werkes. Es untersucht die literarischen Mittel und Techniken, die Mandeville einsetzt, um seinen fiktiven Reisebericht glaubwürdig zu gestalten. Die Analyse beleuchtet die Struktur des Werkes, den Einsatz von Beschreibungen, die Präsentation der exotischen Kulturen und die Wirkung des Ich-Erzählers. Die Kapitelstruktur mit den immer exotischer werdenden Alphabets an den Kapitelenden wird als ein wichtiges Stilmittel betrachtet.
Schlüsselwörter
Jean de Mandeville, Voyages d'outre mer, Reisebericht, Mittelalter, Fiktion, Realität, Quellenanalyse, Wilhelm von Boldensele, Oderich von Pordenone, literarische Leistung, Ich-Erzähler, Pseudonym, Anglo-normannische Sprache.
Jean de Mandevilles „Voyages d'outre mer“: Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert Jean de Mandevilles „Voyages d'outre mer“, einen fiktiven Reisebericht aus dem 14. Jahrhundert. Der Fokus liegt auf der Analyse der Quellen des Werkes und der Bewertung seiner literarischen Leistung. Dabei wird auch die Frage nach der tatsächlichen Identität Mandevilles untersucht.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themenschwerpunkte: die Identität Jean de Mandevilles, die Analyse seiner Quellen (insbesondere Wilhelm von Boldensele und Oderich von Pordenone), die literarischen Techniken und den Erfolg des Werkes, die Rezeption im Mittelalter und die Konstruktion von Fiktion und Realität im Reisebericht.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in Kapitel zu Einleitung, Zur Person Mandevilles, Quellen (mit Unterkapiteln zu Wilhelm von Boldensele, Oderich von Pordenone und weiteren Quellen), Literarische Leistung und Zusammenfassung sowie ein Literaturverzeichnis.
Wie wird die Identität Jean de Mandevilles behandelt?
Das Kapitel „Zur Person Mandevilles“ befasst sich mit der umstrittenen Frage nach der Identität des Autors. Es werden verschiedene Theorien und Vermutungen präsentiert, von der Existenz eines tatsächlichen Jean de Mandeville bis hin zur Annahme eines Pseudonyms oder eines komplett fiktiven Erzählers. Die Diskussion beinhaltet verschiedene Vorschläge zu möglichen realen Personen und analysiert den Sprachgebrauch im Text.
Wie werden die Quellen von Mandeville analysiert?
Das Kapitel „Quellen“ analysiert die Quellen, auf denen Mandevilles Reisebericht basiert, insbesondere die Reisen Wilhelms von Boldensele und Oderichs von Pordenone. Es erläutert, wie Mandeville diese Quellen verwendet und in seinen Text integriert hat, und betont seine Methode, Quellen nicht zu nennen und Erlebnisse als eigene darzustellen.
Wie wird die literarische Leistung des Werkes bewertet?
Das Kapitel „Literarische Leistung“ widmet sich der literarischen Analyse des Werkes. Es untersucht die literarischen Mittel und Techniken, die Mandeville einsetzt, um seinen fiktiven Reisebericht glaubwürdig zu gestalten, einschließlich der Struktur des Werkes, der Beschreibungen, der Präsentation exotischer Kulturen und der Wirkung des Ich-Erzählers. Die Kapitelstruktur mit den immer exotischer werdenden Alphabets an den Kapitelenden wird als ein wichtiges Stilmittel betrachtet.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Jean de Mandeville, Voyages d'outre mer, Reisebericht, Mittelalter, Fiktion, Realität, Quellenanalyse, Wilhelm von Boldensele, Oderich von Pordenone, literarische Leistung, Ich-Erzähler, Pseudonym, Anglo-normannische Sprache.
Wo finde ich mehr Informationen?
Die Arbeit enthält ein ausführliches Literaturverzeichnis mit weiteren Quellen zum Thema.
- Arbeit zitieren
- B.A. Anna Theodorou (Autor:in), 2004, Jean de Mandevilles "Les voyages d'outre mer": Quellen und literarische Leistung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117100