Das politische Weltbild von "Querdenken" und Co. Zur Bedeutung von Rechtsextremismus und Verschwörungsideologie im Kontext der Corona-Proteste


Masterarbeit, 2021

119 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG

2 THEORETISCHER RAHMEN
2.1 DIE PROTESTE GEGEN DIE MAßNAHMEN ZUR BEKÄMPFUNG DER CORONA-PANDEMIE
2.2 DIE POLITISCHE RECHTE
2.2.1 Das politische Links-Rechts-Spektrum
2.2.2 Zum Begriff des Extremismus
2.2.3 Rechtsextremismus
2.3 VERSCHWÖRUNGSERZÄHLUNGEN
2.3.1 Zum Begriff der Verschwörungserzählung
2.3.2 Verschwörungserzählungen und Antisemitismus
2.4 ERKENNTNISSTAND:PRÄVALENTE NARRATIVE UND AKTEUR*INNEN AUF DEN PROTESTEN GEGEN DIE CORONA-MAßNAHMEN
2.4.1 Reichsideologie, Rechtsextremismus undNS-Vergleiche
2.4.2 Etablierte Medien
2.4.3 Die WHO, Bill Gates und die NWO
2.4.4 Skepsis gegenüber der Wissenschaft, Schulmedizin und Impfungen
2.4.5 Esoterik, Anthroposophie und Spiritualität
2.4.6 QAnon
2.5 Zwischenfazit und Hypothesenaufstellung

3 METHODIK
3.1 Zum Begriff der empirischen Sozialforschung
3.2 Darstellung des Forschungsvorgehens
3.2.1 Zur Befragungsmethode
3.2.2 Konstruktion und Beschreibung des Datenerhebungsinstruments
3.2.3 Durchführung der Befragung und Beschreibung der Stichprobe

4 ERGEBNISSE
4.1 Deskriptive Ergebnisse
4.1.1 Soziodemografische Merkmale
4.1.2 Politisches Profil
4.1.2.1 Parteipräferenz und Links-Rechts-Selbsteinordnung
4.1.2.2 (Extrem) rechte Einstellungen
4.1.2.3 V erschwörungsmentalität
4.1.2.4 Allgemeine Unzufriedenheit
4.2 Statistische Überprüfung der Hypothesen

5 DISKUSSION UND EINORDNUNG DER ERGEBNISSE
5.1 LiMiTATiONEN
5.2 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse

6 FAZIT

LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

ANHANG
ANHANG 1: FRAGEBoGEN
ANHANG 2: RELiABiLiTÄTSSTATiSTiKEN
Anhang 2.1: Skala zur Messung (extrem) rechter Einstellungen
Anhang 2.2: Skala zur Messung einer Verschwörungsmentalität
Anhang 2.2.1: Skala zur Messung einer Verschwörungsmentalität [mit den items h.) und k.)]
Anhang 2.2.2: Skala zur Messung einer Verschwörungsmentalität [ohne die items h.) und k.)]
Anhang 2.3: Skala zur Messung einer allgemeinen Unzufriedenheit
ANHANG 3: AuSFÜHRLiCHE SoZioDEMoGRAFiSCHE BESCHREiBuNG DER STiCHpRoBE
ANHANG 4: BiVARiATE LiNEARE REGRESSioN ZuR ÜBERpRÜFuNG VoN H3

TABELLENVERZEICHNIS

Tab. 1: Übersicht der Antwortkategorien

Tab. 2: Messung des Merkmals „(extrem) rechte Einstellungen“ auf Item-Ebene

Tab. 3: Messung des Merkmals „Verschwörungsmentalität“ auf Item-Ebene

Tab. 4: Messung des Merkmals „allgemeine Unzufriedenheit“ auf Item-Ebene

Tab. 5: Bivariate lineare Regression zur Überprüfung von H1

Tab. 6: Bivariate lineare Regression zur Überprüfung von H2

Tab. 7: Bivariate lineare Regression mit dem Bootstrapping-Verfahren zur Überprüfung von H3

Tab. 8: Bivariate lineare Regression zur Überprüfung von H4

Tab. 9: Multiple lineare Regression zur Überprüfung von H5

Tab. 10: Multiple lineare Regression zur Überprüfung von H6

Tab. 11: Bivariate lineare Regression zur Überprüfung von H7

Tab. 12: Bivariate lineare Regression zur Überprüfung von H8

Tab. 13: Bivariate lineare Regression zur Überprüfung von H9

Tab. 14: Reliabilitätsstatistik der Skala zur Messung (extrem) rechter Einstellungen

Tab. 15: Reliabilitätsstatistik der Skala zur Messung einer Verschwörungsmentalität [mit den Items h.) und k.)]

Tab. 16: Reliabilitätsstatistik der Skala zur Messung einer Verschwörungsmentalität [ohne die Items h.) und k.)]

Tab. 17: Reliabilitätsstatistik der Skala zur Messung einer allgemeinen Unzufriedenheit

Tab. 18: Ausführliche soziodemografische Beschreibung der Stichprobe

Tab. 19: Bivariate lineare Regression zur Überprüfung von H3

1 Einleitung

Die Corona-Pandemie ging weltweit bislang mit Beschneidungen der individuellen Freiheiten sowiemitteils massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens einher. In Deutschland hat sich hinsichtlich der Frage einer angemessenen Handhabung der Pandemie eine in Teilen hitzig geführte öffentliche Debatte um die von der Politik verhängten Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 (nachfolgend „Coronavirus“ genannt) entfacht. Insgesamt stoßen die Maßnahmen, welche etwadas Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, Kon­taktbeschränkungen und die Einschränkung bestimmter wirtschaftlicher Tätigkeiten vorsehen, auf eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz (Forschungsgruppe Wahlen 2021), eine Minderheit der Bevölkerung äußert jedoch lautstark ihren ausgeprägten Unmut über die mit den Maßnah­men verbundenen Regeln und Einschränkungen. Insofern zeichnet sich eine neue Konfliktlinie entlang verschiedener politischer und gesellschaftlicher Akteur*innen ab.

Eine zentrale Rolle nimmt in diesem Kontext neben kleineren Zusammenschlüssen die sich selbst als Initiativebezeichnende Gruppierung „Querdenken“ ein. In erster Linie fungiert sie als Interessensgemeinschaft und organisiert einschlägige Demonstrationen (Reichart et al. 2020). Zu den bislang größten Protestveranstaltungen dieser Artzählen neben den Demonstra- tionenin Berlin am 1.und 29. August 2020 auch die Großdemonstration in Leipzig am 7. No­vember 2020 mit geschätzt bis zu 45.000 Teilnehmenden (vgl. Dambeck 2020; Kaul/Pittelkow 2020; Khamis/Rohrmeier 2020; Stach/Hartmann 2020).

Die Proteste wurden von einem breiten Medienecho begleitet, wobei im Rahmen der Bericht­erstattungen wiederholt von einer „Unterwanderung“ der Bewegung durch Rechtsextreme bzw. über eine in Teilen rechte bis rechtsextreme Ausrichtung der Protestveranstaltungen berichtet wurde (vgl. u. a. Betschka 2020; Das Erste 2020). Dies begründet sich vor allem durch die fehlende Distanzierung seitens „Querdenken“ von offen rechtsextrem auftretenden Akteur*in- nen und Einzelpersonen auf den Protestveranstaltungen. Hinzu kommt, dass eine Reihe rechts­populistischer bzw. rechtsextremer Parteien und Bewegungen, darunter die AfD, die NPD und der III. Weg, gezielt zur Teilnahme an den Demonstrationen aufgerufen haben (Virchow/Häus- ler 2020: 36).

Neben diesen Indizien fürdie Verbreitung von rechtsextremem Gedankengut auf den Protesten sticht mitunter in Form entsprechender Transparente, Printmaterialien und Redebeiträge der augenscheinlich prävalente Stellenwert von Verschwörungserzählungen im Kontext der Pro­teste hervor. Entsprechende Erzählungen habenim Zuge der Corona-Pandemie ohnehin einen bedeutsamen gesellschaftlichen Zulauf erfahren (vgl. Amadeu Antonio Stiftung 2020: 24).

Zudem lassen sich in diesem Zuge die Entstehung und Verbreitung neuer Verschwörungser­zählungen feststellen, welche sich inhaltlich auf die Pandemie beziehen und beispielsweise die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einer systematisch zu ihrem eigenen Vorteil motivierten Handhabung der Corona-Pandemie zulasten der Bevölkerung bezichtigen und/oder ihr unter­stellen, die Pandemie zur Durchsetzung eigennütziger Interessen vorsätzlich herbeigeführt zu haben (vgl. u. a. Nachtwey et al. 2020: 12f.; Virchow/Häusler 2020: 26f.).

Aufseiten der Medien wird jedoch auch von einer Diffusität der Bewegung, die sich mitunter aus „Impfgegnern, Esoterikern, Corona-Leugnern und auch besorgten Bürgern“ (Das Erste 2020) zusammensetzt, berichtet. In Anbetracht der relativen Neuartigkeit der Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie (nachfolgend auch „Corona-Proteste“ genannt), dem damit einhergehend dünnen Forschungsstand sowie den überwiegend lediglich journalistischen Indizien, die auf die Präsenz bestimmter Narrative, Einstellungen und Ak- teur*innen auf den Protestveranstaltungen hindeuten, zeigt sich die Notwendigkeit nach empi­risch belastbaren Erkenntnissen, um die Demonstrationen von „Querdenken“ und Co. hinsicht­lich ihrer politischen Ausrichtung und Zusammensetzung einordnen zu können.

Aus den benannten Umständen ergibt sich neben der Zielsetzung einer allgemeinen Annähe­rung an den Forschungsgegenstand die leitende Forschungsfrage dieser Arbeit nach der Bedeu­tung von Rechtsextremismus und Verschwörungsideologie im Kontext der Corona-Proteste. Ein besonderer Fokus soll hierbeidarauf liegen, in welchen Aspekten die Demonstrationen An­knüpfungspunkte für entsprechende Akteur*innen bieten und welche Gefahrenpotenziale hin­sichtlich einer möglichen Radikalisierung der Proteste in etwaigen Überschneidungen und Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen vorherrschenden Narrativen liegen.

Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage erfolgt zunächst eine Vorstellung der Protestbewe­gung rund um „Querdenken“ und Co. in Bezug auf wesentliche inhaltliche Forderungen und augenscheinliche Merkmale. Anschließend wird sich mit den zentralen Begrifflichkeiten in Be­zug auf den rechten Teil des politischen Spektrums sowie auf Verschwörungserzählungen aus­einandergesetzt, bevor die Corona-Proteste auf Grundlage bisher vorliegender Erkenntnisse hinsichtlich etwaiger dahingehender Charakteristiken und damit zusammenhängenden, präva­lenten Narrativen und Akteur*innen untersucht werden. Den Abschluss des theoretischen Teils der Arbeit stellt auf dieser Grundlage die Formulierung von Forschungshypothesen dar.

Anknüpfend daran erfolgt die Vorstellung der Methodik und der Datenerhebung, welche im Rahmen dieser Arbeit eine quantitative Befragung von Teilnehmenden der „Querdenken“- Großdemonstration am 7. November 2020 in Leipzig darstellt. Anschließend werden auf Grundlage der erhobenen Daten deskriptive Ergebnisse in Bezug auf soziodemografische und politische Merkmale dargestellt, bevor die aufgestellten Hypothesen mittels statistischer 2

Verfahren überprüft werden. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse werden in der anschließen­den Diskussion thematisch eingeordnet sowie im Hinblick auf die Forschungsfrage analysiert und interpretiert, bevor ein abschließendes Resümee gezogen wird.

2 Theoretischer Rahmen

2.1 Die Proteste gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie

Die Corona-Pandemie und die zu ihrer Eindämmung getroffenen Maßnahmen (nachfolgend auch „Corona-Maßnahmen“ genannt) zogen in Deutschland ab März 2020 weitreichende Ein­schränkungen in Bezug auf das öffentliche Leben sowie auf das ökonomische und kulturelle Geschehen mit sich, was sich mitunter in folgenschweren Konsequenzen in Bezug auf die wirt­schaftliche Existenz einer Vielzahl von Unternehmen, Einkommenseinbußen für wesentliche Teile der Bevölkerung sowie Grundrechtseinschränkungen niederschlug und Anlass für ein zu­weilen reges Protestgeschehen in deutschen Städten bot.

Dieses hat sich mittlerweile zu einer hauptsächlich durch die Initiative „Querdenken“, aber auch durch verschiedene andere Akteur*innen organisierten Bewegung entwickelt, die etwa unter den Bezeichnungen „Corona-Rebellen“ oder „Freiheitsbewegung“ ihre Veranstaltungen abhal­ten (Virchow/Häusler 2020: 3). „Querdenken“ wurde in Stuttgart gegründet und hat mittler­weile lokale Ableger im ganzen Bundesgebiet, welche die entsprechende Telefonvorwahl des jeweiligen Ortes im Namen tragen (etwa 711 für Stuttgart, 341 für Leipzig, etc.).

Im April 2020 trat die Initiative in Stuttgart erstmals in die Öffentlichkeit. Der Gründer der Bewegung, der IT-Unternehmer Michael Ballweg, meldete die erste Kundgebung mit etwa 50 Teilnehmenden an (Khamis/Rohrmeier 2020).Die Initiative ist nach eigenen Angaben explizit überparteilich ausgerichtet, betont den hohen Stellenwert der Meinungsfreiheit und positioniert sich inhaltlich unter Berufung auf das Grundgesetz gegen die durch die Corona-Maßnahmen bedingten Regeln und Einschränkungen (Virchow/Häusler 2020: 13).

Die Proteste sind inhaltlich von der wesentlichen, wissenschaftlich nicht haltbaren Behauptung geleitet (vgl. Robert Koch-Institut 2021), dass vom Coronavirus keine oder lediglich eine ge­ringe gesundheitliche Gefahr ausgehe. Deshalb seien die von der Politik getroffenen Maßnah­men unverhältnismäßig oder wirkungslos. Eine augenscheinliche Vielzahl der Anhänger*innen argumentiert, bei den getroffenen Maßnahmen handele es sich von staatlicher Seite aus um einen Vorwand, nach welchem unter dem Deckmantel der Bekämpfung der Corona-Pandemie diverse fragwürdige rechtliche Verordnungen implementiert würden. Der verschwörungserzählerische Charakter dieses Paradigmas ist evident und fügt sich in das ge- samtheitliche Bild der Proteste, welches in diesem Kontext einen hohen Stellenwert vonVer- schwörungsideologien nahelegt. Hierfür sprechen mitunter einschlägige Demonstrationsschil­der, Printmaterialien und Redebeiträge, in denen Prämissensowohlklassischerals auchneuar- tiger Verschwörungserzählungen aufgegriffen und verbreitet werden (Virchow/Häusler 2020: 25ff.).

Die Bewegung steht sowohl wegen der Leugnung der von COVID-19 ausgehenden gesund­heitlichen Gefahren als auch in Anbetracht der Anwesenheit offen rechter bzw. rechtsextremer Einzelpersonen und Gruppierungen auf von „Querdenken“ organisierten Veranstaltungen in der Kritik. Diese äußert sichneben der Verwendung entsprechender Symbolik auch ineiner auf journalistischer Seite oftmals als unzureichend bewertete Distanzierung der Bewegung von ent­sprechend auftretenden, rechtsextremen Protestteilnehmenden. Als Beispiel ist der Bühnenauf­tritt von „Querdenken“-Initiator*innen mit dem wegen Volksverhetzung verurteilten Holo­caustleugner Nikolai Nerling im Rahmen der Demonstration in Berlin am 29.August2020zu nennen (Das Erste 2020; Virchow/Häusler 2020: 13).

Die Bewegung ist somit offen für beinahe alle politischen Deutungsmöglichkeiten der Pande­mie und spricht sich „nur in seltenen Ausnahmefällen für einen konsequenten Ausschluss ext­rem rechter Positionen beziehungsweise Personen“ aus (Virchow/Häusler 2020: 37). Dies ent­spricht zudem der Selbstdarstellung von Teilnehmenden der Veranstaltungen (nachfolgend auch „Corona-Kritiker*innen“ genannt); es wird vielfach betont, „dass man sich von ,allen Ext- remen‘ abgrenze, weder ,links noch rechts‘ sei und darüber hinaus für Demokratie und Freiheit eintrete“ (ebd.: 12).Auf ihrer offiziellen Internetseite schreibt die Initiative in diesem Zusam­menhang, ohne auf konkrete Vorkommnisse einzugehen, lediglich Folgendes: „Rechtsextre­mes, linksextremes, faschistisches, menschenverachtendes Gedankengut hat in unserer Bewe­gung keinen Platz. Gleiches gilt für jede Art von Gewalt“ (Querdenken 711 2021).

„Querdenken“ bzw. Teile der Bewegung werdenmittlerweile sowohl vom Bundesamt für Ver­fassungsschutz (Götschenberg 2021) als auch vom Landesverfassungsschutz Baden-Württem- bergbeobachtet, da sie „sowohl personelle als auch ideologische Überschneidungen zu bereits bekannten Extremisten aus dem Milieu der ,Reichsbürger‘ und ,Selbstverwalter‘ sowie aus dem Rechtsextremismus“ aufweise und gezielt „extremistische, verschwörungsideologische undan- tisemitische Inhalte mit einer legitimen Kritik an den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie“ vermische (Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg 2020)und den Staat auf diese Weise „in sicherheitsgefährdenderArt und Weise“ delegitimiere (Götschenberg 2021). Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz wird aufseiten von „Querdenken“ als Versuch der Regierung angesehen, „friedliche Demonstranten 4 einzuschüchtern und über diese Nachricht zu spalten - nachdem bisher alle klassischen Spal­tungsversuche durch üble Nachrede gescheitert sind“ (Querdenken 711 2020).

Das ansonsten sehr heterogen erscheinende Spektrum der auf einschlägigen Veranstaltungen vertretenen Corona-Kritiker*innen umfasst neben Einzelpersonen mit Regenbogen- und „Peace“-Fahnen mitunter impfskeptische Organisationen wie „Eltern stehen auf“ und „Ärzte für Aufklärung“, kapitalismuskritische Zusammenschlüsse wie der „Verein demokratischer Widerstand“, im Zuge der Pandemie entstandene Kleinparteien wie „Widerstand 2020“ bzw. „WiR2020“ sowie Vertreter*innen rechtspopulistischer bzw. rechtsextremer Parteien und Or­ganisationen wie der Identitären Bewegung, der NPD und den Parteien „Die Rechte“ und „Der III. Weg“ sowie einige Bundestagsabgeordnete der AfD (Deutschlandfunk 2020; Lauer 2021; Virchow/Häusler 2020:15ff.). Letztere schloss sich nach anfänglicher Unterstützung der Maß­nahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie mit der Kampagne „Deutschland gegen den Corona-Wahnsinn“ der verschwörungsideologisch geprägten Erzählung der Pandemie-Leug­nung an. Die NPD erschien auf der Großdemonstration in Berlin am 29.August 2020 mit einem eigenen Lautsprecherwagen und kostenlosen Exemplaren ihres Parteimagazins „Deutsche Stimme“ (Virchow/Häusler 2020: 20).

Eine Einordnung der Bewegung im politischen Spektrum gestaltet sich angesichts der augen­scheinlichen Heterogenität der Bewegung auf dieser Grundlage insgesamt schwierig, doch der Umstand, dass mitunter extrem rechte Organisationen und Parteien gezielt zur Teilnahme an Veranstaltungen rund um die Corona-Maßnahmen aufrufen und vor Ort die Möglichkeit erhal­ten, potenzielle Anhänger*innen zu mobilisieren, deutet zumindest auf eine gewisse Offenheit der Bewegung gegenüber den benannten Akteur*innen und Gruppierungen hin.

2.2 Die politische Rechte

2.2.1 Das politische Links-Rechts-Spektrum

Die Einteilung politischer Einstellungen in „linke“ und „rechte“ Lager entstammt der Sitzord­nung der französischen Nationalversammlung in der Zeit nach der Französischen Revolution. Diese folgte einem gewissen Muster: Rechts des Präsidentenbefanden sich Abgeordnete j ener Parteien, die sich für den Erhalt der alten politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse aussprachen. Entsprechend waren links des Präsidenten Abgeordnete jener Parteien positioniert, welche die Überwindung dieser Verhältnisse und eine dahingehende Umstrukturierung anstrebten (Thu- rich 2011: 103). Dieses Schema ist für viele Parlamente auch heute noch gestaltungsgebend (Rucht 2016: 15).

Grundlegendes Unterscheidungsmerkmal dieser beiden politischen Lager stellt die Vertretung bestimmter Werte dar. Zu linken Werten werden gemeinhin Gleichheit, Gerechtigkeit, mensch- licheNähe, Formlosigkeit („Du“), Spontanität, das Internationale und Kosmopolitische gezählt. Bei der Betonung von Unterschieden, Autorität, menschlicher Distanz, geregelten Umgangs­formen („Sie“), Disziplin, Planung und Nationalbewusstsein handelt es sich hingegen um rechte Werte. Diese Zuschreibungen sind jedoch nicht als absolut zu verstehen und können teilweise als überholt betrachtet werden (ebd.: 16).

Im wirtschaftlichen Kontext vertreten Linke insbesondere Forderungen nach staatlicher Pla­nung und öffentlicher Kontrolle zum Zwecke der Solidarität mit sozioökonomisch schwachen gesellschaftlichen Gruppen, wohingegen Rechte prinzipiell wirtschaftliche Freiheit befürwor­ten und sich gegen staatliche Eingriffe positionieren (Thurich 2011: 103).

Insgesamt lässt sich hieraus die jeweilige Positionierung gegenüber dem zentralen Aspekt der Egalität festhalten. Bobbio (1994: 78) sieht den Hauptunterschied zwischen den beiden Lagern darin, dass Linke „eher dem, was sie gleich statt ungleich macht“ Bedeutung beimessen, wäh­rend Rechte das Gegenteil betonen.

Diese nach wie vor gängige Einteilung der politischen Lager kann dahingehend kritisiert wer­den, dass sie aufgrund ihrer Eindimensionalität der eigentlichen Komplexität des politischen Meinungsspektrums nicht gerecht werden kann (vgl. Pfahl-Traughber 2019: 22). Exemplarisch hierfür kann hier der von Ronald Inglehart (1971) geprägte Begriff des „Wertewandels“ ange­führt werden. Durch diesen kanndas Links-Rechts-Modell um postmaterialistische Wertevor­stellungen ergänzt werden, die sich außerhalb des Korsetts eines eindimensionalen Modells be­finden. Darüber hinaus zeugen historische Begriffe wie etwa jener der „Querfront“ aus der Zeit der Weimarer Republik sowie historisch gewachsene Spannungsverhältnisse zwischen sozialen Großgruppen (cleavages) abseits der Links-Rechts-Spaltungslinie (Zentrum vs. Peripherie, Kir­che vs. Staat, Stadt vs. Land, Arbeit vs. Kapital, siehe hierzu Lipset/Rokkan 1967: 14, 47) von einer möglichen Unzulänglichkeit des Links-Rechts-Modells (Rucht 2016: 14f.). Ohnehin han­delt es sich bei den Begriffen „links“ und „rechts“ um „abstrakte Kategorien und Symbole, die der Simplifizierung komplexer Sachverhalte mit dem Ziel einer einfacheren Kommunikation und inhaltlichen Zuordnung“ dienen (Pfahl-Traughber 2013: 44).

2.2.2 Zum Begriff des Extremismus

Der Extremismus-Begriff leitet sich etymologisch aus dem lateinischen extremus ab, welches sich mit „der Äußerste“ übersetzen lässt. Dies spiegelt sich in der Bedeutung des Begriffs wider; beim Extremismus handelt es sich um ein Phänomen, welches sich in einem abhängigen Verhältnis zu etwas Bestimmtem befindet. Der Extremismus beschreibt demnach „die äußerste Abweichung oder den äußersten Gegensatz von einem anderen Prinzip oder Standpunkt“ (Pfahl-Traughber 2019: 15).

In der heutigen Bedeutung sind Letztere im politischen Sinne auf Handlungen, Organisationen und Denkweisen zu übertragen, welche unabhängig von ihren ideologischen Zielsetzungen ei­nem existierenden politischen System fundamental ablehnend gegenüberstehen. Auf dieser Grundlage kann Demokratie und Extremismus als „antithetisches Begriffspaar“ verstanden werden (vgl. ebd.: 17). Nach dieser Begriffsdefinition ist esalsomöglich, unter diesem Begriff in ihrer Ausrichtung grundlegend verschiedene Phänomene wie etwa den Linksextremismus, Rechtsextremismus, Islamismus oder den Ökoterrorismus zu fassen, wobei der gemeinsame Nenner in diesem Kontext die angesprochene Ablehnung der bestehenden politischen und ge­sellschaftlichen Verhältnisse darstellt (Virchow 2017: 14).

Im Umkehrschluss wird somit in demokratischen Gesellschaften nicht von Extremismus ge­sprochen, wenn bei entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen eine Konformität mit den grundlegenden Prinzipien und Normen eines politischen Systems vorliegt. Hierbei handelt es sich um die „Negativ-Definition“ von Extremismus, da der Fokus nicht daraufliegt, worum es sich bei Extremismus handelt, sondern worum es sich bei Extremismus nicht handelt (Pfahl- Traughber 2019: 17).

Analog dazu sind die verschiedenen extremistischen Strömungen durch einige andere formale Merkmale gekennzeichnet („Positiv-Definition“ von Extremismus). Hierzu zählen etwa „of­fensive und defensive Absolutheitsansprüche, Dogmatismus, Utopismus bzw. kategorischer Utopie-Verzicht, Freund-Feind-Stereotype, Verschwörungstheorien, Fanatismus und Aktivis- mus“ (Pfahl-Traughber 2013: 33). Weiterhin eint ein kollektivistisches Gesellschaftsbildsowie der Wunsch nach einer politischen Homogenität zwischen Regierenden und Regierten unab­hängig von der jeweiligen ideologischen Orientierung alle extremistischen Strömungen (Pfahl- Traughber 2019: 35).

Aus den genannten Punkten lässt sich insgesamt eine gewisse Exklusivität in Bezug auf den Anspruch, die Wahrheit zu kennen, der Wunsch nach politischer Homogenität der Gesellschaft sowie ein bestimmter Dualismus zwischen „guten“ und „bösen“ gesellschaftlichen Gruppen herauslesen.

In der Wissenschaft stehen die genannten Extremismusdefinitionen immer wieder in der Kritik, welche sich inhaltlich in drei Hauptargumentationsstränge gliedern lässt;der erste äußert Kritik an der schlagwortartigen Instrumentalisierung des Extremismusbegriffs als „politischerKampf- begriff“, welcher diejenigen diffamieren soll, die als Gefahr für die Grundstabilität einer Ge­sellschaftsordnung angesehen werden. Hierdurch wirddem Ausdruck eine politisch motivierte Komponente zugeschrieben. Damit einher geht der Vorwurf einer Fixierung auf demokratische Werte sowie einer gewissen normativ-essentialistischen Deutungshoheit darüber, worin die verbindlichen Normen eines politischen Systems zu bestehen haben.

Angesichts der fehlenden Trennschärfe zwischen den verschiedenen Formen des Extremismus besteht der zweite Kritikpunkt in einer inadäquaten Vermengung vonim ideologischen Kern fundamental unterschiedlichen politisch-gesellschaftlichen Strömungen, deren Diskrepanz sich etwa an dem Umstand, dass Erzfeinde wie Faschist*innen und Kommunist*innen aus diesem Blickwinkel gewissermaßen „am selben Strang“ zögen, verdeutlicht (Pfahl-Traughber 2019: 19f.). Diese oftmals auch grafisch, etwa in Form eines Hufeisens (vgl. Meyer 2020), umgesetzte Sichtweise impliziert, die jeweiligen Extreme seien in ihrer Position randlagig gegenüber der demokratischen Mitte, welche in der Extremismustheorie die Funktion eines Ortes der Unan­tastbarkeit von Demokratie und Menschenrechten fungiert,klar abgrenzbar. Empirisch betrach­tet finden sich allerdings antidemokratische, antisemitische und rassistische politische Einstel­lungen auch in wesentlichen Teilen der „gesellschaftlichen Mitte“ wieder (Virchow 2017: 15; vgl. auch Decker et al. 2020a).Zudem werden durch diese Sichtweise die Gefahren von Links­und Rechtsextremismus gleichgesetzt und auchhier zeugen etwa die Art der von den jeweiligen Lagern verübten Gewalttaten von einer dem „Hufeisen“ widersprechenden gesellschaftlichen Realität (vgl. z. B. von Marschall 2020).

Drittens wurde immer wieder die analytische Kurzsichtigkeit des Extremismusbegriffs kriti­siert, da komplexe Ursachen und sich untereinander beeinflussendegesellschaftliche Konstel­lationen nicht hinreichend beleuchtet würden. Der Fokus des Begriffs sei demnach zwar im­stande, gesellschaftlich-politische Sachverhalte zu typologisieren, nicht jedoch, deren Zustan­dekommen nachvollziehbar zu machen (Pfahl-Traughber 2019: 19f.).

Insgesamt kann deshalb resümiert werden, dass der Extremismusbegriff zwar dazu geeignet ist, die kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen verschiedenen Strömungen darzulegen, seine Er­klärungskraft für tiefergehende Analysen abernur in Kombination mit anderen Konzepten von Nutzen ist.Im Folgenden wird daherdas Phänomen des Rechtsextremismus näher beleuchtet.

2.2.3 Rechtsextremismus

Unter dem Begriff des „Rechtsextremismus“ werden politische Strömungen zusammengefasst, deren ideologische Ausrichtung sich im Denken und Handeln vorwiegend aus nationalistischen, chauvinistischen, faschistischen, fremdenfeindlichen und/oder antisemitischen Elementen zu­sammensetzt (Jaschke 2006). Seit den 1970er-Jahren löste er zunehmend den zuvor üblicher­weise verwendeten Begriff des „Rechtsradikalismus“ ab und diente in der Folgezeit seitens der Innenministerien mitunter zur Differenzierung „zwischen einem verfassungswidrigen (Rechts­extremismus) und einem noch verfassungsgemäßen politischen Auftreten (Rechtsradikalis­mus)“ (Virchow 2017: 14). Dies sowie die Verbindung der in den vorangegangenen Unterka­piteln ausgeführten Überlegungen implizieren für den Begriff des „Rechtsextremismus“ somit eine „aktiv-kämpferische“ Ablehnung grundlegender Axiome der freiheitlich-demokratischen Grundordnung wie beispielsweise gegenüber dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit (Jaschke 2006).

Zentrales inhaltliches Merkmal des Rechtsextremismus ist jedoch in allen Aspekten die Prä­misse der Ungleichheit zwischen verschiedenen Menschen bzw. Menschengruppen, wobei die entsprechende Abstufung hierbei insbesondere nach ethnischen Merkmalen erfolgt und auf die­ser Grundlage eine Diskriminierung und Ausgrenzung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen gerechtfertigt wird (Virchow 2017: 17).

In der Wissenschaft herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass sich Begriff des „Rechtsextre­mismus“ aus einem Einstellungsmuster (vgl. ebd.), verschiedenen Dimensionen (vgl. Decker et al. 2020a: 32) oder auch Grundprinzipien (vgl. Jaschke 2006) konstituiert. Pfahl-Traughber (2019: 29ff.) gliedert den Rechtsextremismus in diesem Kontext inhaltlich in verschiedene Ide­ologieelemente, welche im Folgenden exemplarisch vorgestellt werden.

Als erstes Ideologieelement führt der Autor die Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit an, welche im Rechtsextremismus in Form von Herabwürdigung Angehöriger anderer Ethnien eine höhere Bedeutung erfährt als die Menschenrechte, auf denen moderne Demokratien und offene Gesellschaften aufgebaut sind. In Verbindung mit einer nationalpatriotischen Einstellung im Sinne eines absoluten Nationenverständnisses wird hier häufig auch von „Chauvinismus“ ge­sprochen. Wird aus der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe allgemein eine Wertigkeit abgeleitet, ist auchvon dem auf dem biologisch nicht haltbaren Konstrukt der „Rasse“ basie­renden „Rassismus“ die Rede.

Die unterstellte oder reale Abweichung anderer von der eigenen ethnischen, religiösen oder sozialen Identität in Verbindung mit einer damit einhergehenden Herabwürdigung, die aus der Feststellung dieser Unterschiede bzw. dieser vermeintlichen Unterschiede resultiert, stellt als eine dem Rechtsextremismus inhärente Prämisse der Ungleichwertigkeit in diesem Zusammen­hang das zweite Ideologieelement dar.Zu betonen ist hierbei explizit die Abgrenzung zwischen Ungleichwertigkeit und Ungleichheit, da die reine Feststellung einer aus individuellen oder gruppenspezifischen Unterschieden resultierenden Ungleichheit ohne eine damit verbundene Ablehnung bzw. Benachteiligung nicht als rechtsextremes Einstellungselement verstanden wer­den kann.

Beispiele für entsprechende Einstellungen sind hingegen mitunter Fremdenfeindlichkeit, Anti­semitismus und Sozialdarwinismus, wobei sich Letztererwegen der Bedeutsamkeit des Stärke­kults innerhalb der rechtsextremistischen Ideologie etwa in der Abwertung von Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen äußert(Pfahl-Traughber 2019: 30ff.)

In den letzten Jahren ist innerhalb der rechtsextremen Szene eine - bei genauerer Betrachtung jedoch nur scheinbaren - Distanzierung vom Vorwurf des „Rassismus“ zu beobachten, der mit der Verbreitung des Konzepts des „Ethnopluralismus“ einhergeht. Demnach würden fremde Völker und Kulturen nicht abgewertet, sondern lediglich deren Vermischung kritisiert (vgl. Sarwoko 2019). Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine weniger direkt klingendeUm- formulierung von Parolen wie etwa „Ausländer raus“ oder „Deutschland den Deutschen“, wel­che inhaltlich dieselbe Botschaft vermitteln (Pfahl-Traughber 2019: 32f.).

Als drittes Ideologieelement führt der Autor das Eintreten für den politischen Autoritarismus an. Gemeint ist hiermit der politische Wille nach einer starken Gewichtung der Macht des Staa­tes über die Gesellschaft (statt umgekehrt), was das Anstreben einer autoritären oder totalitären diktatorischen Regierungsform impliziert. Diese Auffassung resultiert aus einer Kritik an ge­sellschaftlichen Problemlagen, für welche individual- und gruppeninduzierte Interessen in Kombination mit einem zu hohen Maß an individueller Freiheit sowie einem zu schwachen Staat verantwortlich gemacht werden.

Diese Ablehnung eines gesellschaftlichen Pluralismus, in welchem die Meinungsvielfalt und gesellschaftliche Diversität eine Bedingung demokratischer Grundsätze darstellt, geht mit einer identitären und homogenen Konzeption der Gesellschaft einher, wobei es sich um das vierte Ideologieelement des Rechtsextremismus handelt (ebd.: 34f.). In diesem Kontext werden ge­wissen Merkmalen ethnischer, politischer, religiöser oder sozialer Art eine übersteigerte Be­deutung beigemessen, welche sich aus der Annahme einer von der individuellen Freiheit aus­gehenden potenziellen Gefährdung für Staat und Gesellschaft begründet. Im Umkehrschluss erfährt der Kollektivismus gegenüber dem Individualismus eine übermäßige Gewichtung. Deutlich wird hierbei das rechtsextreme Ideal einer ethnisch homogenen Gesellschaft, wodurch sich mitunter die Hervorhebung vermeintlich krimineller Menschen mit Migrationshintergrund durch Rechtsextreme erklären lässt; das erklärte Ziel der gesellschaftlichen Homogenität erfolgt nämlich in Verbindung mit der Ausgrenzung und Diskriminierung bestimmter gesellschaftli­cher Gruppen(ebd.).

Die Kernaspekte der aufgeführten vier Ideologieelemente finden sich auch in von anderen Au- tor*innen verfassten Definitionen von Rechtsextremismus wiederund lassen sich mit den Be­griffen des „völkischen Nationalismus“ und der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ (siehe hierzu Virchow 2017: 18) verbinden, weshalb die vorgestellten Ideologieelemente um 10 weitere Aspekte ergänzt werden können. Beispielhaft hierfür ist etwa der Aspekt der Verharm­losung des historischen Nationalsozialismus, die sich in einer Betonung der „Vorzüge“ dieser Zeit sowie in Zweifeln an den durch das nationalsozialistische Deutschland verübten Verbre­chen bzw. Skepsis gegenüber deren tatsächlichem Ausmaß äußert (vgl. u. a. Decker et al. 2013: 197ff.;Virchow 2017: 17; Zick/Küpper 2017: 90).Als zentrales Merkmal der rechtsextremis­tischen Ideologie istin diesem Zusammenhang noch einmal der alle Ideologieelemente verbin­dende Aspekt der Ungleichwertigkeit zwischen Menschen bzw. Menschengruppen hervorzu­heben, welche in Form von feindseligen Einstellungen und/oder Handlungen gegenüber be­stimmten Bevölkerungsgruppen ihren Ausdruck findet.

Je nach Intensität derjeweiligen Ausprägung rechtsextremistischer Gesinnung wird in der Wis­senschaft auch zwischen einem gemäßigten und orthodoxen Rechtsextremismus unterschieden, wobei die Grenzen zwischen dem Rechtsextremismus und anderen politischen Strömungen am rechten Rand des politischen Spektrums verschwimmen können.

Zu erwähnen ist in diesem Kontext etwa der Rechtskonservativismus, dessen ideologische Aus­richtung insbesondere im Bestreben nach einem starken Nationalstaat zulasten von Supranati­onalisierungsprozessen und gesellschaftlicher Diversität Parallelen zum Rechtsextremismus aufweist (vgl. Stöss 2019: 6f.).Auch der Rechtspopulismus weist eine Reihe von Gemeinsam­keiten zum Rechtsextremismus auf, wobei insbesondere das in „gut“ und „böse“ unterteilende manichäische Realitätsbild hervorzuheben ist.In Europa besetzt er „den Raum zwischen dem bürgerlichen Mainstream und dem Rechtsextremismus“, mit Letzterem ist er jedoch nicht gleichzusetzen (Priester 2017: 533).

Rechtsextreme Einstellungen sind innerhalb der Bundesrepublik Deutschland (BRD) teils weit verbreitet, insgesamt jedoch rückläufig. Dennoch lässt sich eine zunehmende Polarisierung feststellen, wobei rechtsextrem eingestellte Personen zu einer zunehmenden Radikalisierung neigen. In diesem Kontext kann„nicht nur Ausländerfeindlichkeit, sondern auch Chauvinismus als »Einstiegsdroge« in den Rechtsextremismus“ fungieren (Decker et al. 2020a: 80). Ein ge­schlossenes rechtsextremes Weltbild lässt sich bei 4,3 % der Bevölkerung ausmachen (ebd.: 51), wobei insbesondere diffus rechtsextreme Mentalitäten und vereinzelte Einstellungen teils eine höhere Verbreitung erfahren (Pfahl-Traughber 2019: 320).

2.3 Verschwörungserzählungen

2.3.1 Zum Begriff der Verschwörungserzählung

Der meist negativ konnotierte Begriff der „Verschwörungserzählung“ ist in der wissenschaftlichen Literatur nicht allgemeingültig und einheitlich definiert. Dies ergibt sich aus der 11 Schwierigkeit der klaren Abgrenzung zwischen einer begründeten kritischen Grundhaltung ge­genüber verschiedenen Akteur*innen, Mutmaßungen um womöglich geheime Informationen sowie einer auf kontrafaktischen Annahmen beruhenden Erzählung. Grundsätzlich ist hiermit jedoch die „Erklärung bestimmter Teile von Realität durch das Zustandekommen bzw. dasWir- ken einer Verschwörung“ gemeint (Seidler 2016: 27ff.). Letztere bezeichnet hierbei eine von zwei oder mehr Akteur*innen im Rahmen eines geheimen Plans durchgeführte Handlung, de­ren gesetzwidriges oder moralisch ungerechtfertigtes Ziel nur durch Machtmissbrauch oder Rechtsbruch erreichbar ist und somit negative Konsequenzen mit sich zieht (Douglas et al. 2019: 4).

Karl Popper definierte den Begriff der Verschwörungserzählung als Narration, die „behauptet, daß die Erklärung eines sozialen Phänomens in dem Nachweis besteht, daß gewisse Menschen oder Gruppen an dem Eintreten dieses Ereignisses interessiert waren und daß sie konspiriert haben, um es herbeizuführen. Ihre Interessen sind verborgen und müssen erst enthüllt werden“ (Popper 1992: 112).

Die Verwendung dieser Prämisse in Verbindung mit dem Begriff der „Verschwörungstheorie“ ist im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs umstritten, da die Verwendung dieses Ter­minus eine Annahme auf Grundlage wissenschaftlicher Fakten impliziert, welche in diesem Kontext lediglich in den seltensten Fällen gegeben ist (Ehl 2020). Aus diesem Grund ist dies­bezüglich auch häufig von „Verschwörungsideologie“, „Verschwörungsglaube“, „Verschwö­rungserzählung“ oder „Verschwörungsmythos“ die Rede, wobei in diesem Rahmen den jewei­ligen Termini gewisse Nuancierungen der genauen Begriffsbedeutung inhärent sind(vgl. Seid- ler 2016: 31).In diesem Zuge wird im weiteren VerlaufderArbeit vorwiegend der Begriff der „Verschwörungserzählung“ im Sinne der obig ausgeführten Definition benutzt.

Obwohl sich insgesamt ein gewisser Dissens bezüglich der genauen Auslegung des Begriffs konstatieren lässt, können einige Kerncharakteristika von Verschwörungserzählungen ausge­macht werden. Kennzeichnend für eine Verschwörungserzählung ist ihre Zusammensetzung aus gesellschaftlich generell anerkannten sowie unbelegten Aussagen (Montag 2016: 3). Ge­wissermaßen kann auch „von einem sichtbaren und einem unsichtbaren, ,geheimen‘ Plot“ die Rede sein, „wobei der unsichtbare Plot erst im sichtbaren Plot beziehungsweise dessen ,Defek- ten‘ lesbar wird“ (Seidler 2016: 40). Demzufolge werden anhand vermeintlicher Beweise „of­fizielle“ Narrative und deren Rahmen (frame) infrage gestellt. Zentral ist hierbei der Glaube daran, dass die Welt durch heimliche Pläne und Übereinkünfte charakterisiert ist.

Darüber hinaus besitzen Verschwörungserzählungen spezifische Funktionen, welche zur Erfül­lung bestimmter individueller Bedürfnisse dienen. Hervorzuheben ist in diesem Kontext vor allen Dingen der Aspekt der Komplexitätsreduktion, also das Heranziehen einfacher 12

Erklärungsmuster für komplexe gesellschaftspolitische Sachverhalte. Aus den entsprechenden Mustern lassen sich Freund- und Feindbilder ableiten, welche durch das damit einhergehende Hervorrufen emotionaler Reaktionen wiederum eine für das Individuum oder für eine Gruppe von Individuen identitätsstiftende Funktion erfüllen („appellativ-affektive Funktion“).

Zudem erlauben es Verschwörungserzählungen, Ungewissheiten in einen logisch konsistent er­scheinenden Kontext einzuordnen und im Rahmen einer Kontingenzbewältigung zu interpre­tieren - sie erklären also Ereignisse und vermitteln Bedeutsamkeit, wobei davon abweichende Erklärungsmuster kategorisch abgelehnt werden („absoluter Wahrheitsanspruch“).

Verschwörungserzählungen können darüber hinaus gezielt dazu dienen, die Legitimität und Glaubwürdigkeit bestimmter Individuen oder Personengruppen infrage zu stellen, welche als mächtig und böswillig wahrgenommen werden („Propaganda- und Denunziationsfunktion“, Baier/Manzoni 2020: 84; Montag 2016: 3).

Beispiele für populäre Verschwörungserzählungen sind neben der historisch bedeutsamen Dolchstoßlegende (vgl. Freeman/Bentall 2017: 595) unter anderem jene, die etwa von der Mondlandung 1969, von den Terrorangriffen vom 11. September 2001, von sogenannten „Chemtrails“ oder von „Reptiloiden“, als Menschen getarnte Lebewesen, handeln (Frietsch/Kaufmann 2020). Je nach Erzählung wird die damit einhergehende vermutete Ver­schwörung bestimmten Individuen oder Gruppen von Individuen zugeschrieben. Beispiels­weise erfüllen im Falle der Terrorangriffe vom 11. September 2001 diese Funktion die US- Regierung unter Präsident Bush, die Regierung Saudi-Arabiens, Unternehmen, die Finanzin­dustrie und das Judentum (Douglas et al. 2019: 4). Weiterhin können derartige Erzählungen als Beispiele herangezogen werden, welche die Glaubwürdigkeit des wissenschaftlichen Konsens infrage stellen, etwa indem der anthropogene Klimawandel oder die Wirksamkeit von Impfun­gen angezweifelt wird (Weigmann 2018: 4).

Verschwörungserzählungen sind inhaltlich nicht per definitionem unkorrekt; historisch betrach­tet sind Verschwörungen tatsächlich aufgetreten, was etwa anhand der Ermordung von Julius Caesar (Eder 2021: 113) oder der Watergate-Affäre (vgl. Berg 1992) exemplifiziert werden kann. Weiterhin können Verschwörungserzählungen dazu beitragen, mögliche Ungereimthei­ten offizieller Erklärungen aufzuzeigen und Regierungen dazu bewegen, transparent mit der Bevölkerung kommunizieren (Swami/Coles 2010: 564). Somit wird zwar mit dem Begriff der „Verschwörungserzählung“ ihre Existenzberechtigung sowie die Plausibilität der mit ihr ver­bundenen Annahmen nicht grundsätzlich abgesprochen, wie weiter oben angemerkt ist der Ter­minus dennoch eher kritisch konnotiert. Wer als Verschwörungsgläubige*r tituliert wird, nimmt die Bezeichnung deshalb prinzipiell als diffamierend wahr (Eder 2021: 113; Seidler 2016: 29f.).

Neigen Menschen dazu, Verschwörungserzählungen Glauben zu schenken, ist in der empiri­schen Einstellungsforschung von einer Verschwörungsmentalität die Rede. Beschrieben wer­den kann dieseauchals „generalized distrust against those in power“ (Lamberty/Imhoff 2018: 27) oder als „kohärente Weltsicht, die die Ursache hinter den Dingen in den Geschicken ein­zelner kleiner Gruppen sucht, seien es Jüd*innen, Geheimdienste, Freimaurer oder Konzerne“ (Imhoff 2020: 79). Damit geht ebenfalls einher, dass der individuelle Glaube an gewisse Ver­schwörungserzählungen die Zustimmung zu anderen einschlägigen Erzählungen begünstigt, selbst wenn diese ein anderes Phänomen beleuchtenund sich teilweise widersprechen (conspi­racy belief bzw. conspiracy mindset, Douglas et al. 2019: 4f.; Imhoff 2020: 78f.).

Gesellschaftlich sind Verschwörungserzählungen zu relevanten Anteilen verbreitet; so glaubten etwa im Jahr 2013 noch 60 % der US-Amerikaner*innen, dass die CIA für den Mord an John F. Kennedy verantwortlich sei (Enders/Smallpage 2018: 301)und in Großbritannien sind 11% der Bevölkerung davon überzeugt, dass die US-Regierung wesentlich am Zustandekommen der Terrorangriffe vom 11. September 2001 beteiligt war. Insgesamt wurde im Rahmen einer re­präsentativen Umfrage festgestellt, dass ganze 55 % der US-Bevölkerung an mindestens eine Verschwörungserzählung glauben (Drochon 2018: 339f.).

In Deutschland neigen 30 %der Bevölkerung dazu, die These einer Weltverschwörung zu glau­ben, an welcher vornehmlich Wirtschaftsunternehmen, Banken, „das Finanzkapital“, russische, israelische und US-amerikanische Geheimdienste sowie „reiche Menschen“ oder „reiche Fa­milien“ beteiligt seien und 38,4 % der in Deutschland lebenden Personen lässt sich eine Ver­schwörungsmentalität attestieren (Decker et al. 2020b: 201; Roose 2020: 4, 21f.).

Die als Feindbilder wahrgenommenen Individuen oder Menschengruppen sind durch Ver­schwörungserzählungen in den vergangenen Jahren teils einer realen Gefahr ausgesetzt gewe­sen. So spielte der Glaube an Verschwörungserzählungen eine maßgebliche Rolle dabei, Men­schen zur Verübung von Anschlägen anzustiften. Als Beispiele sind hierbei die Attentate in Norwegen 2011, im neuseeländischen Christchurch 2019, in Halle 2019 und in Hanau 2020 zu nennen (Roose 2020: 8).

Auch wenn eine Verschwörungsmentalität Menschen mitnichten automatisch zu Mörder*innen werden lässt, legen empirische Studien nahe, dass diese im Zusammenhang mit extremisti­schem Verhalten und politisch extremen Einstellungen stehen (Douglas et al. 2019: 20; Krou- wel et al. 2017). Dies lässt sich mit gewissen Überschneidungen zwischen Verschwörungser­zählungen und extremistischen Weltanschauungen begründen, die sich mitunter in „Schwarz­Weiß-Denken, Freund-Feind-Schemata, Einfachheit der Erklärungsmuster und Intoleranz“ so­wie in Ähnlichkeiten in Bezug auf individuelle psychologische Dispositionen äußern (Baier/Manzoni 2020: 84). Zudem schlägt sich diesin individuellen Verhaltensmustern nieder, 14 nach denen eine Verschwörungsmentalität Alltagskriminalität und Gewaltakzeptanz begünstigt (Jolley et al. 2019: 545f.), oftmals mit Ressentiments gegenüber gesellschaftlichen Gruppen einhergeht (Imhoff/Bruder 2014: 33; Swami 2012) sowie eine höhere Bereitschaft, sich für ei­nen politischen Wandel einzusetzen (Baier/Manzoni 2020: 84) und eine Neigung zu alternati­ven Heilmethodenbzw. eine kritische Haltung gegenüber konventionellen ärztlichen Methoden wie Impfungen und Antibiotika befördert(Lamberty/Imhoff 2018: 25ff.; Weigmann 2018: 4). Für das Zustandekommen einer individuell ausgeprägten Verschwörungsmentalität gibt es eine Reihe von Gründen. In Ergänzung zur angesprochenen psychologischen Disposition hat eine von Goertzel (1994: 741) durchgeführte, nicht-repräsentative Studie nahegelegt, dass der Glaube an eine Verschwörungserzählung als Teil eines monologischen psychologischen Sys­tems zu verstehen ist, welches aus sich gegenseitig bestätigenden Ideen bzw. Annahmen besteht und somit das eigene Weltbild festigt.In diesem Zusammenhang kannder confirmation bias erwähnt werden, der eine Tendenz zur individuellen Aufnahme jener Informationen beschreibt, welche die bereits vorhandenen eigenen Einstellungen stützt (siehe dazu ausführlich Dreger 2012: 9ff.).Es wurde außerdem nachgewiesen, dass Menschen nicht nur zur Filterung von In­formationen neigen, sondern auch zur Interpretation durch die Brille ihrer eigenen politischen Prädispositionen; somit ist es wahrscheinlich, dass Personen mit verschiedenen politischen Weltanschauungen dieselben Informationen auf eine andere Art und Weise interpretieren (Douglas et al. 2019: 12).

Darüber hinaus spielen in diesem Zusammenhang epistemische Motive eine entscheidende Rolle. Verschwörungserzählungen liefern umfassende, in sich konsistente und schlüssige Er­klärungen, die es Menschen ermöglicht, ihre Überzeugungen angesichts ansonsten unsicherer und widersprüchlicher Situationen zu bewahren(ebd.: 7).Dieser Umstand wird von dem Be­fund gestützt, dass Individuen in von Unsicherheit geprägten Situationen eher dazu neigen, Verschwörungserzählungen Glauben zu schenken (van Prooijen/Jostmann 2013: 113).

Hinzu kommt, dass die Ausprägung der damit verbundenen Verschwörungsmentalität stärker zu sein scheint, wenn Menschen Muster in zufällig zustande gekommenen Phänomenen zu er­kennen glauben. Personen, die Muster und Sinn in ihrer Umwelt suchen, wie beispielsweise Anhänger*innen paranormaler oder übernatürlicher Ereignisse, neigen demnach überproporti­onal häufig zur Zustimmung zu Verschwörungserzählungen. Anfällig hierfür sind darüber hin­ausMenschen, die ihre kognitiven Fähigkeiten überschätzen.

Speziell, wenn es keine eindeutigen offiziellen Erklärungen zu bestimmten Phänomenen gibt, ist eine Verschwörungsmentalität durch ein besonders ausgeprägtes Bedürfnis nach cognitive closure, also dem psychologischen Wunsch nach klaren, nicht widersprüchlichen Antworten auf Fragen, geprägt.

Aus diesen Punkten lässt sich schlussfolgern, dass Verschwörungserzählungen insbesondere jene Individuen anzusprechen scheinen, die nach Wahrheit bzw. Sinn suchen, aber aus ver­schiedenen Gründen hierfür keine rationalen Mittel heranziehen (Douglas et al. 2019: 7f.).

Neben diesen epistemischen Motiven für den Glaube an Verschwörungserzählungen gibt es eine Reihe existenzieller Motive, die eine individuell ausgeprägte Verschwörungsmentalität be­günstigen. Bei Personen, die sich existenziell bedroht fühlen, stellen Verschwörungserzählun­gen durch ihre Ablehnung offizieller Narrative eine Möglichkeit dar, durch alternative und ver­meintlich bessere Erklärungen ein Gefühl von Kontrolle zurückzuerlangen und sich gegen wahrgenommene Gefährdungen der grundlegenden, bestimmenden gesellschaftlichen Werte durch soziale Wandlungsprozesse zu beschwichtigen (system idenitity threat, Federico et al. 2018:927).

Im Einklang damit stehen empirische Befunde, nach denen Menschen insbesondere bei Gefüh­len von Machtlosigkeit und Existenzängsten zu einer Verschwörungsmentalität neigen. Ange­sichts eines Gefühls von Kontrollverlust istder Gedanke tröstlich, dass die Verantwortlichkeit hierfür nicht bei sich selbst zu suchen ist, sondern im „System“, von dem in Kollaboration mit dunklen Mächten Schikane ausgehe (Herrmann 2018). Umgekehrt scheint die Stärkung des in­dividuellen Gefühls der Kontrolle zu einer Verminderung einer entsprechenden Anfälligkeit beizutragen. Der Verschwörungsglaube ist zudem oftmals an ein Gefühl der Entfremdung ge­genüber dem politischen System, insbesondere nach politischen Skandalen, an den Glauben einer Verschlechterung der gesamtwirtschaftlichen Lage sowie an das Befinden einer unzu­reichenden gesellschaftlichen Integration gekoppelt, welche mit Verhaltensabweichungen in Bezug auf gesellschaftliche Normen einhergeht („Anomie“, siehe dazu Mestrovic/Brown 1985: 94; Douglas et al. 2019: 8ff.).

In Bezug auf soziale Motive trägt der Wille nach einer positiven individuellen Selbstdarstellung durch die Betonung der eigenen Einzigartigkeit in einem mitunter narzisstischen Ausmaß zu einer Verschwörungsmentalität bei. Durch diese bewusste Abgrenzung von einem Großteil der restlichen, als „schlafend“ wahrgenommenen Bevölkerung besteht für Individuen die Möglich­keit, sich im Gegensatz dazu als „erwacht“ zu profilieren und die Masse „aufzuwecken“. An­gesichts der Kenntnis vermeintlich exklusiver Informationen fühlt sich der*die Verschwö­rungsgläubige gegenüber der restlichen Bevölkerung einen Schritt voraus und kann durch den Glauben, „die Wahrheit“ zu wissen, sein Selbstbewusstsein steigern (Lantian et al. 2017; Schließler et al. 2020: 295).

Eine weitere Rolle spielt das Zugehörigkeitsgefühl zu einer sozialen Großgruppe, deren Iden­tität sich beispielsweise aus derjeweiligen Nationalität, Weltanschauung oder Religion stiftet. In diesem Kontext stehen Verschwörungserzählungen im Zusammenhang mit einer Art der 16

Identifikation, welche durch Verunglimpfung von Außengruppen das eigene Gruppenbild auf­wertet und durch die Annahme bestärkt wird, die eigene Gruppe würde durchdie Außengruppe benachteiligt (outgroup conspiracies). Insbesondere im Kontext der Globalisierung können Verschwörungserzählungen dazu dienen, die benachteiligte Position der eigenen Gruppe zu rechtfertigen. Dies trifftaußerdemin besonderem Maße auf Gruppen mit sozial marginalisier­tem Status zu, welche häufiger als andere dazu neigen, die von ihnen erfahrenen Benachteili­gung mit einer Verschwörung anderer Gruppen zu erklären (Douglas et al. 2019: 9).Hierbei sei jedoch angemerkt, dass diese Einstellung angesichts historischer Diskriminierung und Stigma­tisierung prinzipiell nicht irrational ist.

Zudem scheint es, als seien politisch konservativ eingestellte Personen anfälliger für Verschwö­rungserzählungen als liberal eingestellte Personen. Prinzipiell zieht sich eine solche Anfällig­keit aber durch alle politischen Lager, wobei Menschen mit einer rechtsextremen Gesinnung eher als Linksextreme dazu neigen, Verschwörungserzählungen Glauben zu schenken (ebd.: 11).

Im Extremismuskontext erfüllen Verschwörungserzählungen ferner eine die Gruppe zusam­menschweißende undeine die dahingehende Radikalisierung begünstigende Rolle (radicalizing multiplier,Barlett/Miller 2010: 3f.).

Der Antisemitismus stellt im Rahmen der Feindbildkonstruktion vieler Verschwörungserzäh­lungen einen mehr oder weniger offenkundigen, dennoch zentralen Aspekt dar.Im Folgenden soll deshalb die besondere Rolle des Antisemitismus im Kontext von Verschwörungserzählun­gen beleuchtet werden.

2.3.2 Verschwörungserzählungen und Antisemitismus

Verschwörungserzählungen weisen in vielerlei Hinsicht Überschneidungen mit antisemitischen Deutungsmustern auf. Ausgehend von den im vorherigen Kapitel beschriebenen Eigenschaften ist hier insbesondere das ihnen zugrunde liegende manichäische Weltbild zu nennen, „demzu­folge man sich erwehren muss gegen die Unterwanderung durch eine übermächtige Verschwö­rung - von Jüd*innen, Kulturmarxist*innen u. Ä.“ (Imhoff 2020).

Hierbei werden die Differenzen zum Rassismus deutlich, von denen sich der Antisemitismus in einigen Punkten klar unterscheidet. Auch wenn sich beide Phänomene unter dem Begriff der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ zusammenfassen lassen, verbindet ein rassisti­sches Vorurteil die Angehörigen einer ethnischen Gruppe mit Attributen wie Primitivität, Ani- malität oder intellektueller Unterlegenheit gegenüber der eigenen Gruppe, während der Antise­mitismus in Abgrenzung dazu das Feindbild mit einer Mischung aus Abscheu und Ehrfurcht als raffiniert, mächtig und auf mysteriöse Weise abstrakt charakterisiert. Letzterer fungiert da­her als Teil eines Weltbildes mit allumfassendem Erklärungsanspruch, in welchem sich ge­heime Mächte verschworen haben. Komplexe politisch-gesellschaftliche Phänomene werden so auf eine einzelne, übermächtige Gruppe, die „im Hintergrund die Fäden zieht“, projiziert (Salzborn 2020).Einer Verschwörungsmentalität ist daher ein Mechanismus inhärent, welcher nach Horkheimer und Adorno (1947: 182) qua definitionem als Projektionsfläche „der Juden [bedarf]“ - ob es sich beim offen erklärten Feindbild letztendlich tatsächlich um Jüdinnen*Ju- den handelt, ist hierbei zweitrangig.

Gewissermaßen wohnt dem Antisemitismus eine vermeintlich heroische Komponente inne, da er mit einer Auflehnung gegenüber den als übermächtig wahrgenommenen Obrigkeiten einher­geht. In modernen, globalisierten und damit enorm verflochtenen Gesellschaften wird das als abstrakt Wahrgenommene, wie etwa der Wert bestimmter Waren oder allgemein die Finanz­welt, innerhalb der antisemitischen Denkweise auf manichäische Art und Weise mit dem Jüdi­schen verbunden (Salzborn 2020).Der Antisemitismus basiert somit auf dem „Gerücht über die Juden“ (Adorno 1951: 200).„[.] l'antisémite a sa conscience pour lui : il est criminel pour le bon motif” (Sartre 1946: 62) -der Antisemit hat sein Gewissen auf seiner Seite: er ist Verbre­cher aus guter Absicht.

Jean-Paul Sartre beleuchtet in diesem Kontext den Aspekt der Angst als Wurzel des Hasses, wobei die Angst im Kern jedoch aus der Furcht vor der Erkenntnis besteht, dass die Welt schlecht sei.Wäre dem nicht so, müsse man das eigene Schicksal ja selbst in die Hand nehmen -da seiesdeutlich einfacher, „die Juden“ zu beschuldigen. DieseKomplexitätsreduktion führe letztendlich zur Konstruktion eines „Sündenbocks“. Deshalb, so Sartre, sehe der*die Antise- mit*in im Jüdischen das Grundübel der Welt (ebd.: 50), während das tatsächliche Verhalten von Jüdinnen*Juden unerheblich für die antisemitische Weltanschauung sei. „Si le juif n'existait pas, l'antisémite l'inventerait“ (ebd.: 15) - gäbe es den Juden nicht, der Antisemit würde ihn erfinden.

In den 1930er-Jahren entwickelte sich der Antisemitismus zum ideologisch tragenden Grund­pfeiler der nationalsozialistischen Politik und führteschließlichzu einem im Holocaust gipfeln­den Zivilisationsbruch. Aus der Feststellung, dass sich auch nach dem Ende des Zweiten Welt­krieges trotz der darauffolgenden politisch-gesellschaftlichen Diskreditierung des Antisemitis­mus viele Deutsche noch immer antisemitisch äußerten, entwickelte sich der Begriff des „Se­kundärantisemitismus“, welcher auch als „Post-Holocaust-Antisemitismus“ bekannt ist (Imhoff 2020: 73).

Dieser lässt sich nach Adorno (1975) mit der Theorie der Schuldabwehr begründen, nach wel­cher ein Großteil der Deutschen eine latente Mitschuld für die Verbrechen des 18

Nationalsozialismus verspürt, welche jedoch von den meisten nicht ausgesprochen, sondern abgestritten werde(ebd.: 149).Die Schuldabwehr erfolge demnach auf verschiedene Art und Weise, mitunter durch die Beschuldigung des Auslands(Versailler Vertrag, Vorwurf des Nicht­eingreifens gegen Hitler), durch Darstellung Deutschlands als Opfer („Bombenholocaust“), durch die Relativierung antisemitischer Verbrechen („Zahl der Ermordeten übertrieben“) sowie durch die Forderung nach einem Schlussstrich („staatlich verordneter Schuldkult“, Bergmann 2006;Imhoff 2020: 74; vgl. Häusler 2017: 157). Demnach stehen sekundär antisemitische Aus­sagen „im Dienste der Schuldabwehr“ (Rommelspacher 1995: 36f.) und beziehensichauf die Nachkriegszeit (z. B. „Die Juden sollten aufhören, sich ständig darüber zu beschweren, was ihnen in Nazi-Deutschland widerfahren ist“), primäreantisemitische Aussagen bedienen hin­gegen „klassische“ Stereotype (z. B. „Juden sorgen mit ihren Ideen immer für Unfrieden“, Im­hoff 2020: 74) und umfassen „alle diskriminierenden Meinungen und Handlungen im Sinne von Ausgrenzung, einschließlich der Verfolgung bis hin zur Ermordung von Jüdinnen und Ju­den“ (Rommelspacher 1995: 36f.).

Die empirische Sozialforschung hat gezeigt, dass die Zustimmung von Personen, die sekundär antisemitischen Aussagen beipflichten, fast perfekt mit einer Zustimmung derselben Personen zu primär antisemitischen Aussagen korreliert: „Diejenigen, die sich sekundär antisemitisch äußern, sind dieselben, die auch einen herkömmlichen Antisemitismus vertreten“ (Imhoff 2020: 75).Dieses Ergebnis zeigt jedoch auch, dass Antisemitismus als eindeutiges Konzept verstan­den werden muss- die Annahme klar voneinander abgrenzbarer, unterschiedlicher Formen des Antisemitismus ist empirisch somit nicht haltbar. Am ehesten verfügen alle Spielarten über mehrere geschichtlich gewachsene Schichten, „wobei die älteren Vorurteilsschichten in der nächsten Phase nicht ,vergessen‘, sondern nur von neuen überlagert wurden“ (Bergmann 2006). In diesem Sinne gibt es neben dem Sekundärantisemitismusmitunterzwar auch den „israelba­sierten“ und „separatistischen“ Antisemitismus, die alle jedoch „bei Lichte betrachtet [...] einen gemeinsamen Kern [haben]: Jüd*innen werden als mächtig und einflussreich (bis hin zur Hal­luzination eines weltumspannenden Einflusses einer jüdischen Lobby) imaginiert“ (Imhoff 2020: 77).

Es handelt sich somit um ein Weltbild, was an die „Protokolle der Weisen von Zion“ angelehnt ist - ein einflussreicher, im christlichen Antijudaismus verwurzelter Verschwörungsmythos, nach welchem Vertreter*innen des „internationalen Judentums“ sich im Geheimen zu einer „jüdischen Weltverschwörung“ konspiriert haben, die zum Zwecke der Machterlangung Wirt­schaft, Finanzen, Medien und Kultur kontrolliert (Benz 2017).

Eine andere mögliche Erklärung der Schuldabwehr könnte zudem der psychologische Ansatz der ingroup defense liefern, nach welchem ein positives Verständnis der eigenen Nation 19 gewahrt werden soll oderaberder mögliche Umstand, dass sich von der Zeit des Nationalsozi­alismus (nachfolgend auch NS-Zeit genannt) geprägte antisemitische Denkmuster hartnäckig und generationenübergreifend halten anstatt sich „über Nacht“ aufzulösen (Imhoff 2020: 77). Viele Verschwörungserzählungen folgen in ihrer Struktur einem antisemitischen Deutungs­muster, unabhängig von ihrer konkreten Ausformulierung. Eine Reihe empirischer Untersu­chungen hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass sowohl eine individuell ausgeprägte Verschwörungsmentalität mit negativen Stereotypen gegenüber als einflussreich wahrgenom­menen Gruppen korreliert als auch personalisierende Kapitalismuskritik und Antisemitismus (ebd.: 78). Antisemitismus und Verschwörungserzählungen sind eng miteinander verknüpft, ist der Antisemitismus in der Gegenwart doch „immer konspirativ aufgeladen“ (Butter 2020). Statt des gesellschaftlich geächteten primären Antisemitismus, welcher sich pauschal gegen „die Ju­den“ richtet, äußert sich Antisemitismus heute vermehrt in seiner sekundären Ausdrucksform, also in Form von Anspielungen und Codes bzw. auf indirekte, chiffrierte Art und Weise, welche sich häufig auch in Verschwörungserzählungen wiederfindet (ebd.).

Als Beispiele können die Meinung eines vergleichsweise reichweitenstarken deutschen Ver­schwörungsideologen genannt werden, beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron handele es sich um eine „Marionette der Rothschilds“ (Schrang 2017) oder etwa auch die For­mulierung eines „finanzsystemgesteuerten EU-Kraken“ durch die für die Verbreitung von Ver­schwörungserzählungen bekannte frühere Tagesschausprecherin Eva Herman in Bezug auf die „Flüchtlingskrise“ (Herman 2015).

Hierbei nehmen sowohl die jüdische Bankiersfamilie als auch die Metapher der weltumspan­nenden Tentakel eines Kraken, insbesondere im Kontext des Finanzwesens, die Rolle eines Platzhalters für das Judentum ein und sind somit klar antisemitisch konnotiert. Nichtsdestotrotz ist nicht „jede Bezeichnung für die Gruppe der vermeintlichen Verschwörer ein kodierter Ver­weis auf die Juden“ (Butter 2020). Es gibt diesbezüglich also gewisse Grauzonen, in welchen auf Grundlage der Semantik nicht klar erkennbar ist, ob tatsächlich „die Juden“ oder andere Gruppen gemeint sind. Dies erfolgt jedoch oftmals durchaus mit Absichtund entspringt einem taktischen Kalkülbzw. seitens der Verbreiter*innen einschlägiger Erzählungen „einer strategi­schen Offenheit[.], die es den Rezipient*innen potenziell ermöglicht, das Behauptete antise­mitisch aufzuladen“, auch um „sowohl diejenigen anzusprechen, die immer die Juden für die Schuldigen halten, als auch diejenigen, die das gerade nicht tun“ (ebd.).

Trotz der genannten Unklarheiten kann der Zusammenhang zwischen Antisemitismus und Ver­schwörungserzählungen abschließend wie folgt resümiert werden: „Verschwörungsmythen kommen selten ohne Antisemitismus aus -und umgekehrt“ (JFDA 2020: 3).

Auf dieser Grundlage wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit zwischen explizitem Antisemi­tismus, welcher unter der offenen Nennung „der Juden“ klassische Stereotypen bedient, und chiffriertem Antisemitismus unterschieden, der zwar durch die gleichen Denkmuster gekenn­zeichnet ist, im Vergleichjedocheher von Umwegkommunikation, Metaphern und Umschrei­bungen geprägt ist.

2.4 Erkenntnisstand: Prävalente Narrative und Akteur*innen auf den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen

DieCorona-Pandemie und diedamit einhergehenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens gingen mit der Entstehung einer Reihe von Verschwörungserzählungen bzw. mit einem Zulauf zu solchen einher (vgl. Amadeu Antonio Stiftung 2020: 12, 24). Dies lässtsich am erheblichen Umfang beobachten, in welchem Verschwörungserzählungen ihren Ausdruck in Reden und Moderationen, einschlägigen Printmaterialien sowie Transparenten und Pappschildern im Rah­mender Corona-Proteste finden (Virchow/Häusler 2020: 25).In diesem Kontext sind sich bei- nahealleverwendeten Narrationendarüber einig, dass globale Eliten oder mächtige Einzelper­sonen „aus dem Schatten die Geschicke der Welt lenken“ (Eder 2021: 115). Auch wenn die einzelnen Verschwörungserzählungen sich inhaltlich teilweise widersprechen, stehen sie im Rahmen der Proteste scheinbar nicht in Konkurrenz zueinander. In diesem „Konglomerat aus Narrativen“ werden diese Widersprüche „einfach integriert, mögliche Dissonanzen wegerklärt oder einfach ausgehalten“ (ebd.).

In den folgenden Unterkapiteln sollen einige der regelmäßig wiederkehrenden Verschwörungs­erzählungen sowie Protestakteur*innen, bei welchen hauptsächlich durch journalistische In­halte und vereinzelte wissenschaftliche Publikationen eine gewisse Nähe zu diesen vermutet werden kann,im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie vorgestellt werden. Ferner sollen Indizien beleuchtet werden, die auf Grundlage der in Unterkapitel 2.2 dargestellten Begrifflich- keiten eine Präsenz rechter bzw. rechtsextremer Narrative auf den Protesten vermuten lassen.

Die nachfolgenden Unterkapitel dienen somit dazu, eine Brücke zwischen den zuvor vorge­stellten theoretischen Konzepten und dem Erkenntnisstand in Bezug auf die im Kontext der Corona-Proteste verbreiteten Verschwörungserzählungen bzw. auf mutmaßlich zentrale rechts­extreme Protestakteur*innen zu schlagen. In Anbetracht der relativen Neuartigkeit der Proteste ist hierbei aufgrund der damit verbundenen dünnen wissenschaftlichen empirischen For­schungslage und der angesprochenen Heranziehung journalistischer Verweise auf öffentlich wahrgenommene Narrative und Protestakteur*innen in dieser Arbeit bewusst von einem Er­kenntnisstand, nicht von einem Forschungsstand die Rede.

Die zum Zeitpunkt der Anfertigung dieser Arbeit einzige veröffentliche empirische Studie, wel­che sich mit den Corona-Kritiker*innen auseinandersetzt, ist die von einer Forscher*innen- gruppe (Nachtwey et al. 2020)der Universität Basel veröffentlichte nicht-repräsentative Studie „Politische Soziologie der Corona-Proteste“. Ziel der Studie stellte die Analyse der „Motiva­tion, Werte und Überzeugungen der Teilnehmer:innen an Kundgebungen, Aktionen und De­monstrationen, die sich gegen die coronabedingten Massnahmen richten“ dar (ebd.: 2).Hierbei wurde quantitativ und qualitativ geforscht, wobei im quantitativen Rahmen eine Online-Befra­gung unter Mitgliedern in offenen Gruppen des Messengerdienstes Telegram, „die direkt mit der politischen Szene der Corona-Kritiker:innen im Zusammenhang [stehen]“ (ebd.: 3), durch­geführt wurde. Die Studie wird in den folgenden Unterkapiteln neben den erwähnten journalis­tischen Quellen und wissenschaftlichen Publikationen als Indiz für eine mögliche Präsenz rechtsextremer Protestakteur*innen und Verschwörungserzählungen auf einschlägigen Protest­veranstaltungen herangezogen, auf denen sich im Anschluss die Forschungshypothesen im Kontext dieser Arbeit aufbauen.

Die Studie von Nachtwey et al. (2020) unterscheidet sich von dieser Arbeit insbesondere hin­sichtlich einiger methodischer und inhaltlicher Aspekte.1 In Anbetracht ihrer Nichtrepräsenta­tivität soll diese Arbeit somit zum bislang dünnen sozialwissenschaftlichen Forschungsstand in Bezug auf die Corona-Proteste beitragen. Angesichts dessensowie des Umstands, dass die Stu­die erst nach der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Datenerhebung veröffentlicht wurde, ist sie hierbei lediglich als Ergänzung zu demim späteren Verlauf der Arbeit folgenden empi- rischenErkenntnisgewinnzu verstehen und stellt daher nicht die Grundlage zur Beantwortung der dieser Arbeit zugrunde liegenden Forschungsfrage dar.

2.4.1 Reichsideologie, Rechtsextremismus und NS-Vergleiche

Durch das mediale und gesellschaftliche Echo infolge des „Sturms“ auf das Reichstagsgebäude im Rahmen einer Großdemonstration gegen die Corona-Politik der Bundesregierung in Berlin am 29. August 2020 entfachte sich angesichts der dort vielfach sichtbaren Reichsflaggen eine öffentliche Debatte rund um die Frage, welche Rolle Rechtsextreme und die Reichsideologie im Zusammenhang mit einschlägigen Versammlungen und Demonstrationen einnehmen (siehe hierzu Fürstenau 2020). Die immer wieder auffallende Präsenz von Reichsflaggen und in der entsprechenden Farbgebung gestalteten „Accessoires“ bei einschlägigen Veranstaltungen las­sen die Anwesenheit der politischen Szene der Reichsideolog*innen vermuten.

Die Reichsideologie konstituiert sich im Wesentlichen aus der Haltung, dass es sich bei der BRD nicht um einen legitimen bzw. souveränen Staat handelt, weshalb diese sowie alle ihr zugehörigen Institutionen und Repräsentant*innen abgelehnt werden. Weiterhin wird mittels Verschwörungserzählungen angenommen, Deutschland sei im Geheimen noch immer von den Alliierten besetzt und nicht ein Staat, sondern eine privatrechtliche Vereinigung (GmbH). Zu­dem fordern sie die Aneignung von Staatsgebieten außerhalb der aktuellen Grenzen der BRD im gebietsrevisionistischen Sinne.

Die Anhänger*innenschaft der Reichsideologie ist in ihrer Zusammensetzung überaus hetero­gen, lässt sich jedoch in vier Submilieus unterteilen, wobei die Grenzen allerdings fließend sind. Neben offen Rechtsextremen, welche größtenteils die Wiederherstellung des „Dritten Reichs“ oder des Deutschen Reichs anstreben, gehen Reichsbürger*innen vom Fortbestehen eines „Deutschen Reiches“ auf Grundlage der von ihnen als im Gegensatz zur Existenz der BRD legitim erachteten Verfassung aus der Zeit des Kaiserreichs, der Weimarer Republik oder des Nationalsozialismus aus. Selbstverwalter*innen und Souveränist*innen rufen auf dieser Grund­lage eigene Staaten aus bzw. wollen die vermeintlich fehlende deutsche Souveränität wieder­herstellen.

Alle Strömungen eint die Ansicht, die BRD sei kein legitimer, souveräner Staat und handele nicht im Interesse der Bevölkerung, sondern der vermeintlichen Besatzungsmacht. Nach Auf­fassung der Reichsideolog*innen sind hierfür kleine, mächtige Eliten verantwortlich, die mal als „das globale Finanzkapital“, mal als „Banker von der Ostküste“ und mal als „die Roth­schilds“ betitelt werden, wobei es sich angesichts des deckungsgleichen Narrativs der „jüdi­schen Weltverschwörung“ um bewusst oder unbewusst verwendete Codes für die mutmaßlich gemeinten Jüdinnen*Juden handelt.

Die Anhänger*innenschaft der Reichsideologie zählte im Jahr 2018 18.000 Personen im ge­samten Bundesgebiet, wobei hiervon 950 Personen der rechtsextremen Szene zugerechnet wer­den (Amadeu Antonio Stiftung 2019: 7f.).

Die angesprochenen Reichskriegsflaggen, die von einigen auf Versammlungen und Demonst­rationen gegen die Corona-Maßnahmen geschwenkt werden, finden zudem insbesondere als Ersatz für die verbotene Reichskriegsflagge des NS-Regimes durch Rechtsextreme Verwen­dung und wird auch von staatlicher Seite als Symbol nationalsozialistischer Gesinnung ange­sehen (Rafael 2016).

Dennoch halten über die Hälfte der im Rahmen der zu Beginn des Unterkapitels 2.4 vorgestell­ten Baseler Studie Befragten „die Aufregung um schwarz-weiß-rote Fahnen bei Protesten gegen die Corona-Maßnahmen“ für übertrieben und 30,5 % teilten die Ansicht, die BRD sei kein sou­veräner Staat (Nachtwey et al. 2020: 30f.). In Bezug auf rechtsextreme Einstellungen lehnte die 23 überwiegende Mehrheit die primäre bzw. explizit antisemitisch formulierte Aussage ab, der Einfluss von Jüdinnen*Juden auf die Politik sei auch heute noch zu groß und einer Verharmlo­sung des Holocausts standen 76,1 % kritisch gegenüber (ebd.: 32f.). Eine feindliche Gesinnung gegenüber Ausländerinnen vertraten 11,4 % der Befragten (ebd.: 31). Das Gros der Befragten steht offen rechtsextremen Aussagen somit tendenziell ablehnend gegenüber, was dafür spricht, dass ein großer Teil der befragten Kritikerinnen der Corona-Maßnahmen sich nicht als poli­tisch rechts wahrnimmt.

In der Berichterstattung über die Proteste gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID- 19 erscheinen nichtsdestotrotz regelmäßig Meldungen über seitens der Corona-Kritiker*innen getätigte Vergleiche zur Zeit des Nationalsozialismus, die zumeist darauf abzielen, die Existenz demokratischer Strukturen und Institutionen in der BRD infrage zu stellen bzw. diese mit dem politischen System des „Dritten Reichs“ gleichzusetzen.

Als wohl prominentester Fall ist hier eine „Querdenken“-Rednerin anzuführen, die sich „Jana aus Kassel“ nennt und ihr Engagement gegen die Beschränkungen in der Corona-Pandemie mit dem Kampf gegen den Nationalsozialismus der in NS-Zeit politisch verfolgten und ermordeten Widerstandskämpferin Sophie Scholl verglich (Hüffer 2020). Weiterhin sind im Rahmen der benannten Demonstrationen und Veranstaltungen vielfach Aufnäher, Fahnen, Banner und Transparente zu sehen, deren Symbolik auf die Zeit des Nationalsozialismus anspielt.

Als Beispiel ist hier in Anlehnung an den „Judenstern“, der nach den Rassegesetzen der NS- Zeit zur Ausgrenzung von Jüdinnen*Juden verwendet wurde, ein gelber Davidstern mit der Aufschrift „ungeimpft“, zu nennen. Die vermeintliche Analogie zur Verfolgung der Jüdin- nen*Juden in der NS-Zeit besteht in befürchteten Einschränkungen der individuellen Freiheits­rechte für diejenigen ohne „Immunitätsausweis“ bzw. umgekehrt in der „Privilegierung“ von gegen das Coronavirus geimpften Personen (Lauer 2021; Rafael 2020).

Andere sehen sich und ihre persönliche Freiheit durch die coronabedingten Einschränkungen in ähnlichem Maße wie die zur NS-Zeit verfolgte und ermordete Jüdin Anne Frank gefährdet (vgl. SWR 2020) oder vergleichen die neue Fassung des Infektionsschutzgesetzes der Bundes­regierung, welches die Beschränkung von Grundrechten in bestimmten epidemischen Lagen ermöglicht, mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933, durch welches Adolf Hitler die gesetzge­bende Gewalt de facto alleine übertragen wurde (vgl. Hille 2020).

Diese teils diskursprägende Rhetorik innerhalb der politischen Szene der Corona-Kritiker*in- nen äußert sich auch in Ausdrücken wie „Gesundheitsdiktatur“ (vgl. Hille 2020) oder „Totale Hygiene“ (vgl. Lauer 2021). Wie in Unterkapitel 2.2.3 ausgeführt wurde, äußern sich in der Relativierung der in der NS-Zeit verübten Verbrechen klar rechtsextremistische Ideologiebe­standteile (vgl. u. a. Decker et al. 2013: 197ff.; Virchow 2017: 17; Zick/Küpper 2017: 90).

Dass das derzeitige politische System der BRD auf den Corona-Protesten oftmals mit einer Diktatur gleichgesetzt wird, zeigte sich auch am Beispiel der Vereinnahmung der Friedlichen Revolution von 1989 im Vorfeld der „Querdenken“-Großdemonstration in Leipzig am 7. No­vember 2020, „kurz nach dem Jahrestag einer der größten Montagsdemonstrationen in der DDR überhaupt vom 6. November 1989“ (Sailer 2020; siehe auch Stach/Hartmann 2020). Der Wunsch nach politischem Umschwung könnte unter Umständen hier zudem mit einer allgemei­nen Verschwörungsmentalität in Verbindung stehen, da diese mit politisch extremen Einstel­lungen korreliert (vgl. Baier/Manzoni 2020: 84).

Anhand der genannten Beispiele wird ein scheinbar zentrales Paradigma der Corona-Kriti- ker*innen deutlich, nach welchem sich die BRD auf dem Weg in eine Diktatur befindet bzw. in vielerlei Hinsicht bereits Merkmale einer solchen aufweist. Die vermeintliche Diktatur müsse demnach überwunden werden, das politische System mit einem anderen ersetzt werden. Die hierfür aufgewendeten Vergleiche mit dem Holocaust, der NS-Zeit allgemein und mit der Deut­schen Demokratischen Republik (DDR) stoßen in der Öffentlichkeit angesichts ihres das Leid der Opfer unter den Gewaltherrschaften relativierenden Charakters weitestgehend auf Empö­rung und Ablehnung (vgl. Hille 2020; NDR 2020; Sailer 2020; SWR 2020). Die dahingehenden Vergleiche dürften von einer gewissen Ignoranz in Bezug auf das Ausmaß der Verbrechen in den benannten Diktaturen schließen lassen.

2.4.2 Etablierte Medien

Insbesondere der öffentlich-rechtliche Rundfunk und andere etablierte Medien sind im Rahmen der Einschränkungen des öffentlichen Lebens rund um die Corona-Pandemie seitens des Pro­testmilieus um „Querdenken“ und Co. das Ziel lautstarker Kritik und Anfeindungen geworden. Hauptsächlich konstituieren diese sich aus dem Vorwurf, die benannten Medien schürten vor­sätzlich oder willfährig Panik in der Bevölkerung und seien daher als Handlanger einer ver­meintlichen, sich zunehmend entwickelnden Diktatur zu betrachten. Dies findet seinen Aus­druck mitunter in der Verdächtigung der Manipulation und „Lügenpresse“-Rufen auf einschlä­gigen Demonstrationen (Lauer 2021; Virchow/Häusler 2020: 29). Das allgemeine den etablier­ten Medien in diesem Zusammenhang entgegengebrachte Misstrauen begründet sich also durch eine angenommene systematische Meinungslenkung, Zensur und eine ihnen zugeschriebene Propagandafunktion im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

Bei den Gegner*innen der coronabedingten Maßnahmen schlägt sich dies auch empirisch nie­der; 77,5 % der von der Universität Basel befragten Personen in diesbezüglich kritisch einge­stellten Telegram-Gruppen stimmten der Aussage zu, dass Medien und Politik „unter einer Decke“ stecken und beinahe alle Befragten unterstellten den etablierten Medien eine gezielte Abwertung und Verzerrung in Bezug auf die Corona-Proteste (Nachtwey et al. 2020: 12, 22). Vieles deutet darauf hin, dass mit der Ablehnung der etablierten Medien eine Zuwendung zu verschwörungsideologischen Inhalten seitens der Corona-Kritiker*innen einhergeht. „Soziale Medien, rechte Alternativmedien und öffentliche Personen spielen für die Verbreitung der Nar­rationen und die Organisation der Straßenproteste [...] eine große Rolle“ (Virchow/Häusler 2020: 37). Dies schlägt sich mitunter in der wachsenden Popularität einschlägiger Verschwö­rungsideologien auf Internetplattformen wie YouTube und dem Messengerdienst Telegram nie­der (vgl. Amadeu Antonio Stiftung 2020: 14ff.). Auf diese Weise wird aus dem niedrigschwel­lig verfügbaren Informationsangebot durch Verschwörungserzählungen bei vielen Protestieren­den möglicherweise „eine allumfassende Weltanschauung, die keine Gegenargumente zulässt [und] sich in den Echokammern der Sozialen Medien nur weiter verstärkt“ (ebd.: 24).

Die Behauptung, die Presse verbreite Lügen im Dienste obskurer Kräfte und führe das Volk auf diese Weise „hinters Licht“, ist nicht neu. In konservativen Milieus verbreitete sich diese Ver­schwörungserzählung schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts als Versuch der Erklärung für die komplexen Auswüchse der mit dieser Zeit verbundenen technisch-gesellschaftlichen Umbrü­che. Statt Hexen oder Dämonen wurden im Zuge der Aufklärungsbewegung nun Journalistin­nen und Buchhändlerinnen, die sich der Erzählung nach mit den Illuminaten und Freimaurern verschworen und auf diese Weise Ereignisse wie die Französische Revolution herbeigeführt hätten, als zentrale Agentinnen des Bösen ausgemacht. Diese Position nahmen zur Zeit der Märzrevolution 1848 zunehmend Angehörige des Judentums als vermeintliche Strippenzie­herinnen einer Presseverschwörung ein, mit welcher die Wertevorstellungen der Deutschen Revolution - Liberalismus, Sozialismus und Demokratie - verbreitet worden seien. Aus der Annahme jüdischer Strippenzieherinnen, die die Presse kontrollieren, entwickelte sich in der Folge der „Lügenpresse“-Begriff, welcher somit bis in die heutige Zeit an ein antisemitisches Narrativ anschließt.

Der Begriff und die dahinterstehende Verschwörungserzählung findet heute seinen Ausdruck in einer an die Gegenwart angepassten Form und wird vor allem in AfD- und Pegida-Kreisen neben den synonym gebrauchten Ausdrücken „Staatsfunk“, „System-Medien“, „gekaufte Jour­nalisten“ und „gleichgeschaltetes journalistisches Establishment“ als politischer Kampfbegriff verwendet (Probst 2018). Auf Pegida-Demonstrationen wurde zur Diffamierung „der Medien“ vereinzelt auch der Begriff „Judenpresse“ verwendet (SZ 2015).

Der Kern des Vorwurfs liegt hier nicht auf Fehlern in der Berichterstattung, die in Zeitungen und anderen Medien natürlicherweise hin und wieder vorkommen, sondern auf einer angenom­menen, von der Politik zu ihrem eigenen Vorteil initiierten systematischen Manipulation der Bevölkerung mittels der Presse (Probst 2018). Das diesem Denkmuster zugrunde liegende Gut- und-Böse-Schema ist hierbei kennzeichnend für die Deutungsmuster einer Verschwörungser­zählung, antisemitische Chiffren sind ebenfalls klar festzustellen. Darüber hinaus äußert sich die dahingehende Ablehnung weiter Teile der Protestteilnehmenden in Drohungen gegenüber etablierter Medieninstitutionen. Als Beispiel ist hier das Aufhängen einer Schaufensterpuppe in Minden zu nennen, die ein mit „Covid-Presse“ beschriftetes Schild um den Hals trug (Virchow/Häusler 2020: 37).

2.4.3 Die WHO, Bill Gates und die NWO

Auf die Frage der Herkunft des Coronavirus wird in einer Reihe von Verschwörungserzählun­gen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowieder Microsoft-Gründer und Multimilliardär Bill Gates bzw. die mit seiner Ehefrau Melinda betriebene Stiftung verantwortlich gemacht. Bill Gates als ein Hauptgeldgeber nutze mit seinen immensen Geldströmendie WHO zu diesem Zwecke als Instrument. Die Corona-Pandemie fungiere lediglich als Mittel, um gesellschaftli­che Spaltung und Angst hervorzurufen und auf diese Weise mit dem Ziel der Errichtung einer Weltregierung politische Maßnahmen schneller implementieren zu können. Die WHO sei be­reits eine Vorstufe zu einer Weltregierung, da sie einzelnen Staaten Vorgaben erteile und den Pandemie-Notstand ausgerufen habe. Bill Gates könne also gewissermaßen als angehender Diktator der Weltbevölkerung angesehen werden (Virchow/Häusler 2020: 26f.).

Besonders extreme Varianten der Verschwörungserzählungen rund um Bill Gates und die WHO postulieren,Bill Gates versuche durch mittels Zwangsimpfungen injizierter Mikrochips undverabreichter Gifte die Weltbevölkerung zu kontrollieren unddiese zur Bekämpfung der Überbevölkerung auf wenige Hunderttausend zu dezimieren (Eder 2021: 111, 113).

Verdächtig habe sich Bill Gates insbesondere dadurch gemacht, dass er bereits im Jahr 2015 vor den Gefahren einer globalen Epidemie gewarnt hat (vgl. Heigl 2020)sowie dadurch, dass die Bill & Melinda Gates Foundation im Jahr 2019 eine Pandemie simuliert hat (Deutsches Ärzteblatt 2020). Deshalb könnte die Stiftung, so die Argumentation, an der Ausbreitung des Coronavirus aus Macht- und Finanzinteressen beteiligt gewesen sein (Virchow/Häusler 2020: 27). Das vom Ehepaar gezeichnete Bild der Profiteur*innen oder gar Verursacher*innen der Pandemie fügt sich somit in das übergreifende Narrativ vieler Verschwörungserzählungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Die Erzählungen um das Gates-Ehepaar und die WHO erfahren ein scheinbar hohes Maß an Zustimmung im politischen Milieu von „Querden­ken“ und Co., obwohl die WHO nicht über Durchgriffsrechte im Fall von Epidemienverfügt und somit auf die Kollaboration der betroffenen Staaten angewiesen ist.Ihr Jahresbudget liegt mit ca. zwei Milliarden Euro nur geringfügig über dem des Genfer Universitätsklinikums (En- gelhardt/Wagner 2020).

Von den im Rahmen der in Unterkapitel 2.4 vorgestellten Baseler Studie befragten Personen stimmten 61,3 % der Aussage zu, die Bill & Melinda Gates Foundation strebe eine weltweite Zwangsimpfung an und 16,2 % waren der Auffassung, dass die Regierung der Bevölkerung zu Überwachungszwecken mittels Impfungen Mikrochips implantieren wolle (Nachtwey et al. 2020:23f.).

Angesichts der Annahmen über eine*n sehr mächtige*n Akteur*in, der*die ein weltumspan­nendes Netzwerk aus Wirtschafts-, Medien- und Politikinstitutionen zum Zwecke der Steige­rung der eigenen Einflussnahme kontrolliert, werden im Rahmen dieser Verschwörungserzäh­lung die Parallelen zum Mythos der jüdischen Weltverschwörung bzw. zu den „Protokollen der Weisen von Zion“ sowie ungeachtet der tatsächlichen Religionszugehörigkeit von Bill Gates die Bedienung des Stereotyps eines reichen, geldgierigen und politisch einflussreichen Juden deutlich. Der antisemitische Charakter dieser Erzählung ist daher als offensichtlich einzustufen. Auf einschlägigen Demonstrationen ist in diesem Zusammenhang auch oft das Kürzel „NWO“ („Neue Weltordnung“) zu sehen - eine hieran anknüpfende Erzählung, welche den Aufbau ei­ner nationenübergreifenden Weltregierung durch Geheimgesellschaften sowie politische und wirtschaftliche Eliten postuliert (Virchow/Häusler 2020: 27).

Entsprechende Thesen und Denkmuster stoßen unter den Befragten in der Studie von Nachtwey et al. (2020) allgemein auf Zuspruch; über die Hälfte der Befragten gehen von der Existenz geheimer Organisationen aus, welche großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben und stimmen der Aussage zu, dass „Politiker und andere Führungspersönlichkeiten [...] nur Mari­onetten der dahinterstehenden Mächte“ sind (ebd.: 20). Dies lässt den Schluss zu, dass eine Verschwörungsmentalität in gegenüber den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pande­mie kritisch eingestellten Kreisen möglicherweise zu beträchtlichen Teilen verbreitet ist.

Die Sorgen vor einer „Zwangsimpfung“ bzw. einer Impfpflicht in Bezug auf das Coronavirus fügt sich augenscheinlich in ein Weltbild, welches Impfungen und schulmedizinischen Metho­den ganz allgemein kritisch gegenübersteht. Dessen Rolle im Kontext der Corona-Proteste wird im folgenden Abschnitt näher beleuchtet.

2.4.4 Skepsis gegenüber der Wissenschaft, Schulmedizin und Impfungen

Im Rahmen der Corona-Proteste hat sich eine hitzige Debatte um das Thema einer möglichen Impfpflicht entfacht. Eine zentrale Rolle nimmt hierbei die Impfung als womöglich einzige effektive Maßnahme zur Überwindung der Pandemie ein, wobei dahingehende Ängste in einer allgemeinen Skepsis gegenüber Impfungen und der Schulmedizin begründet sein dürften. Wie im vorherigen Unterkapitel ausgeführt, stellen im Zuge der Corona-Pandemie Bill Gates und seine Ehefrau Melinda aufgrund des Fokus ihrer Stiftung auf der Entwicklung und Verbreitung von Impfstoffen schon seit einiger Zeit gerade in impfkritischen Milieus ein gewisses Feindbild dar. Ihnen wird „jegliches karitatives Interesse abgesprochen, als Zweck der Stiftung und deren Projekte wird die Gier nach Profit oder Macht unterstellt“ (Eder 2021: 111).

Eine Impfskepsis speist sich vornehmlich aus der anekdotischen Evidenz von Impfschäden in Verbindung mit dem vor allen Dingen in den sozialen Medien verbreiteten dramatisierenden Narrativ einer Verschwörung zwischen Politik und Pharmaindustrie, auf welches sich viele Impfgegner*innen stützen (vgl. CORRECTIV 2021). Als weitere maßgebliche Gründe für die allgemeine Ablehnung von Impfungen werden zumeist die Infragestellung der Effektivität in Bezug auf die Bekämpfung von Krankheiten oder die angenommene gesundheitlich schädliche Wirkung von Impfungen angeführt (Meyer/Reiter 2004: 1182). Zudem können derartige An­sichten auch durch ein allgemeines Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen, Pharmaun­ternehmen bzw. grundsätzlich gegenüber der Schulmedizin im Allgemeinen sowie Unwissen­heit und irreleitende Medienberichte befeuert werden (ebd.: 1185; Witting 2021).

Die Entstehung impfkritischer Milieus lässt sich auf das späte 19. Jahrhundert im Zuge der Impfpflicht zur Bekämpfung der Pocken-Epidemie zurückverfolgen. Die Argumente gegen das Impfen waren damals sowohl mit einer Fokussierung auf durch unsachgemäß durchgeführte Impfungen verursachte Schäden als auch mit einer durch Wissenschaftsfeindlichkeit und Irra­tionalität geprägten Skepsis verbunden (Meyer/Reiter 2004: 1184; Virchow/Häusler 2020: 28). Letztere lässt sich bis in die heutige Zeit beobachten und findet vor allen Dingen in religiös­spirituellen, ideologischen, esoterischen oder „alternativmedizinisch“ orientierten gesellschaft­lichen Milieus Zuspruch (Meyer/Reiter 2004: 1185), die augenscheinlich auch einen wesentli­chen Anteil der Demonstrant*innen bei Protestveranstaltungen wie denen von „Querdenken“ ausmachen (vgl. Virchow/Häusler 2020: 33f.).

Insbesondere aufgrund der guten Vernetzung von Impfgegner*innen in den sozialen Medien entsteht der Eindruck, diese würden einen beträchtlichen gesellschaftlichen Anteil ausmachen - tatsächlich handelt es sich jedoch nur um eine kleine, aber lautstarke Minderheit. Der gesell­schaftliche Anteil von Impfgegner*innen in Deutschland beträgt zwischen 2 und 8 % (Hamber- ger 2020; Jamison et al. 2020). Dennoch wurden Impfgegner*innen jüngst von der WHO zur globalen Gesundheitsgefahr erklärt (Koch 2020: 285).

Aus historischer Sicht waren impffeindliche Einstellungen des Öfteren in ein antisemitisches Weltbild eingebettet. Im Kontext der Impfpflicht zur Bekämpfung der Pocken-Epidemie durch das deutsche Reichsimpfgesetz 1874 (vgl. Meyer/Reiter 2004: 1183) verbreitete sich beispielsweise die Erzählung, die verordnete Zwangsimpfung sei durch jüdische Medizinerin­nen aus kommerziellen Gründen initiiert worden. Diese hätten Politik und Zeitungen zu ihren Gunsten für die Impfpflicht werben lassen. Die Kontrolle und Instrumentalisierung von Politik und Medien zum Zwecke der eigenen Bereicherung durch jüdische Gruppierungen prägt da­mals wie heute eine chiffriert oder explizit antisemitisch konnotierte Verschwörungsmentalität (Virchow/Häusler 2020: 28).

Das Misstrauen gegenüber Impfungen ist oftmals eng verknüpft mit Verschwörungsideologien und einem generellen Misstrauen gegenüber der Wissenschaft und Schulmedizin. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Verschwörungsmentalität positive Einstellungen ge­genüber der Alternativ- und Komplementärmedizin sowie negative Einstellungen gegenüber der Schulmedizin begünstigt (Lamberty/Imhoff 2018: 25). Eine noch unveröffentlichte kanadi­sche Studie der UNESCO hat indes angesichts konstatierter Wechselwirkungen zwischen ver­schiedenen verschwörungsideologisch ausgerichteten Szenen eine „ungewöhnliche Verbrüde­rung“ von Rechtsextremen mit Anhängerinnen der „Alternativmedizin“, Impfgegner*innen sowie sogenannten „Corona-Leugner*innen“ festgestellt. Dies werde durch eine Elitenskepsis als gemeinsamen Nenner sowie durch eine geschickte Platzierung der Verschwörungserzählun­gen im Internet begünstigt, welche den*die Leserin zur Konfrontation mit weiteren Verschwö­rungserzählungen verleitet. Manchmal genügt somit nur ein Mausklick, um von Informationen zu „Alternativmedizin“ oder Impfkritik zu Verschwörungsmythen und rechtsextremen Inhalten zu gelangen (Wolfshagen 2021).

Beispiele für Verschwörungserzählungen, die sich gegen die Wissenschaft allgemein richten, finden sich etwa in der Behauptung, die überwältigende Einigkeit der Klimaforschung in Bezug auf die Existenz des anthropogenen Klimawandels sei auf eine Verschwörung der beteiligten Wissenschaftlerinnen zurückzuführen, die aus reiner Profitgier und/oder politischen Motiven andere Meinungen unterdrücken (Luczak 2020: 16). In Bezug auf die Schulmedizin findet sich ein entsprechendes Beispiel in der Leugnung von HIV als AIDS-Erreger mit der Begründung, Wissenschaftlerinnen verträten den wissenschaftlichen Konsens lediglich zum Zwecke der Erlangung von Prestige, Bewunderung und finanzieller Zuschüsse, wobei der medizinische Konsens als Dogma abgetan wird (Smith/Novella 2007: 1313). Ein weiteres historisches Bei­spiel ist die sogenannte „Ärzteverschwörung“ zu Beginn der 1950er-Jahre, wobei es sich um eine stark antisemitisch konnotierte Desinformationskampagne in der UdSSR handelte, welche eine gesellschaftliche Diskreditierung jüdischer Medizinerinnen mit sich zog (Rosbach 2017). Parallel mit dem aufgezeigten Misstrauen gegenüber der Schulmedizin haben Angebote im Be­reich der sogenannten „Alternativ- und Komplementärmedizin“ einen festen gesellschaftlichen Stellenwert in Deutschland (Dilger/Schnepf 2020: 15). In diesem Kontext sind mit „alternativ“ Richtungen gemeint, welche als inkompatibel mit den methodischen Grundprinzipien der Schulmedizin angesehen werden (Teichfischer/Münstedt 2011: 19). Naturgemäß handelt es sich bei Impfgegner*innen, sofern sie andere Behandlungsansätze verfolgen, demnach zumin­dest in diesem Aspekt um Anhänger*innen alternativer Heilverfahren.

Auch wenn in den genannten Beispielen eindeutig Elemente sowohl explizit als auch chiffriert antisemitischer Denkmuster zu finden sind, sei in diesem Zusammenhang klargestellt, dass impfkritische bzw. -ablehnende Einstellungen nicht automatisch mit derartigen Denkmustern korrespondieren.

In der Studie von Nachtwey et al. (2020) zur politischen Soziologie der Corona-Proteste zeigten sich 90,3 % der Befragten besorgt, dass die Regierung einen Impfzwang und einen Immunitäts­ausweis einführen könnte, obwohl die Einführung eines solchen vonseiten der Regierung kate­gorisch ausgeschlossen wurde (Heckmann 2021). 84,6 % würden sich nicht freiwillig gegen das Coronavirus impfen lassen und 63,7 % der Befragten waren der Ansicht, Alternativmedizin solle mit Schulmedizin gleichgestellt werden (Nachtwey et al. 2020.: 34ff.).

Diese Befunde deuten auf ein hohes Maß an Engagement von Personen aus impfskeptischen und alternativmedizinisch orientierten gesellschaftlichen Milieus bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen hin.

Immer noch vorhanden, aber als deutlich niedriger ausgeprägt ist eine allgemeine Skepsis ge­genüber der Wissenschaft zu klassifizieren. So stuften 37,4 % der Befragten Studien, die einen Klimawandel belegen, als glaubwürdig ein (ebd.: 23).

Insgesamt lässt sich somit ein gewisser Hang zu einer Skepsis gegenüber der Wissenschaft konstatieren, die sich jedoch eher auf die Schulmedizin als auf andere wissenschaftliche Berei­che bezieht.

2.4.5 Esoterik, Anthroposophie und Spiritualität

Neben den vorgestellten Verschwörungserzählungen und einer prävalenten Wissenschaftsskep­sis entsteht aus den Medienberichten über die Corona-Proteste der Eindruck, ein bedeutsamer Teil der Szene komme aus dem esoterischen Milieu (vgl. Das Erste 2020; Brockschmidt 2020). Auch Schließler et al. (2020: 285) stellen fest, dass sich „in den Protesten gegen die Maßnah­men der COVID-19-Pandemie die Kopräsenz von Verschwörungserzählungen und abergläubi­schen bzw. esoterischen Deutungen der Krise“ gut beobachten lassen.

Wegen der Heterogenität in Bezug auf die Auslegungen der Esoterik, welche von Okkultismus über Spiritualität bis hin zur Astrologie reicht, existiert hierzu keine genauere einheitliche De­finition. Im Kontext dieser Arbeit bezeichnet der Begriff „Esoterik“ jedoch ein nach innen gerichtetes geistiges Streben nach Erkenntnis mittels „geheimem“ bzw. „verborgenem“ Wis­sen, welches zum Erreichen einer erfahrbaren, höheren Bewusstseinsebene dienen soll und nur Eingeweihten vorbehalten ist (Möller/Radermacher 2011: 2).

Wiedemann (2017) betont in diesem Zusammenhang neben ihrer hierarchischen und antiuni­versalistischen Ausrichtung die Ablehnung der Differenzierung zwischen Glauben und Wissen seitens der Esoterik, welche auf eine „Überwindung der neuzeitlichen Trennung von religiöser und empirischer Erkenntnis [abzielt] und [...] sich dabei von der Vorstellung leiten [lässt], allen Religionen sei ein wahrer Kern, eine innere erlösende Substanz, gemeinsam, die als verborge­nes (d. h. okkultes) oder unterdrücktes (Heils-)Wissen durch bestimmte Strömungen und von bestimmten Trägergruppen bis in die Gegenwart tradiert worden sei“ (ebd.: 525). Das esoteri­sche Denken impliziert demnach die Existenz einer „natürlichen Ordnung“, nach deren Logik die Gefährdung einer von Unvereinbarkeiten befreiten, harmonischen Gesellschaft angenom­men wird (Virchow/Häusler 2020: 34).

Die beschriebene Fixierung auf Mystik begünstigt nicht zuletzt eine gewisse Nähe zu Ver­schwörungserzählungen. Hinzu kommt, dass sich ältere esoterische Strömungen wie die Theo- und Anthroposophie mitunter aus Elementen zeitgenössischer Rassentheorien konstituieren und diese sich auch in aktuelleren esoterischen Schriften niederschlägt. Darauf aufbauend hat sich eine rechte Spielart der Esoterik etabliert (Wiedemann 2017: 525). Diese speist sich mit­unter daraus, dass viele esoterische Strömungen altes Wissen, alte Ordnungssysteme und die Besinnung auf das „Ursprüngliche“ idealisieren und in den mit der Zeit der Aufklärung verbun­denen Säkularisierungsprozessen eine „Entzauberung und Entspiritualisierung der Welt“ sowie die Entstehung von „Kapitalismus, Individualismus und Universalismus“ (Schließler et al. 2020: 294) begründet sehen. Potenzielle Anknüpfungspunkte für Antisemitismus finden sich in der als abstrakt wahrgenommenen Komplexität moderner Gesellschaften bzw. in einer damit einhergehenden Entfremdung ihr gegenüber, wobei diese auf der Suche nach vermeintlichen Mustern und tieferem Sinn im Kontext antisemitischer Deutungsmuster unmittelbar mit Jüdin- nen*Juden verknüpft wird (vgl. Salzborn 2020).

Als Beispiele für rechte Strömungen der Esoterik sind mitunter die völkisch-nationalistische „Anastasia“-Bewegung (siehe hierzu infoSekta 2016) sowie die Anthroposophie Rudolf Stei­ners zu nennen, welche bisweilen von Rednerinnen auf Versammlungen gegen die Maßnah­men zur Bekämpfung der Corona-Pandemie aufgegriffen wird (Virchow/Häusler 2020: 34).

Trotz der genannten verschwörerischen, völkischen, rassistischen und antisemitischen Ideo­logeme insbesondere innerhalb rechter Strömungen des esoterischen Denkens sollte trotz dieser partiellen Schnittmengen nicht von einer grundsätzlichen Nähe der Esoterik zum Rechtsextre­mismus ausgegangen werden; dies zeigt sich mitunter an der häufigen Selbstwahrnehmung vieler Anhänger*innen der Esoterik als politisch links, weshalb von voreiligen Schlussfolge­rungen in diesem Kontext abgesehen werden sollte (Wiedemann 2017: 525f.).

Nichtsdestotrotz erfreuen sich insbesondere in der jüngeren Vergangenheit Kanäle und Videos auf der Plattform „YouTube“, die esoterische Inhalte mit verschwörungsideologischen und rechtsextremen Narrativen verbinden, einer wachsenden Beliebtheit. Angesichts der in Unter­kapitel 2.4.2 angesprochenen, augenscheinlichen Skepsis gegenüber den etablierten Medien ist die Esoterik im Kontext dieser Arbeit deshalb zu beleuchten, „weil sie dank ihres friedlich­freiheitlichen Rufs ein Publikum außerhalb der Neonaziszene anspricht“, somit „ein wahnsin­nig eleganter Weg [ist], um Menschen an Verschwörungstheorien und rechtsradikales Gedan­kengut heranzuführen, die dafür normalerweise nicht empfänglich sind“ und auf diese Weise „eine Brücke zu schlagen zwischen dem Grundmisstrauen der gesellschaftlichen Mitte und rechtsextremen Positionen“ (Liebentritt 2020). Auf diese Weise könnten die Grenzen zwischen einem achtsamkeits- bzw. gesundheitsbewussten Lebensstil sowie rechtsextremen und antise­mitischen Einstellungen zunehmend verschwimmen (vgl. Wolfshagen 2021). Hierfür spricht im Kontext der Corona-Proteste beispielsweise die „Sichtbarkeit von Symbolen der Friedens­bewegung, wie z. B. die Friedenstaube oder die Peace-Fahne“ auf entsprechenden Veranstal­tungen (Virchow/Häusler 2020: 35), die im Einklang mit dem angesprochenen „friedlich-frei­heitlichen Ruf“ (Liebentritt 2020) der Esoterik stehen.

Unter den befragten Corona-Kritiker*innen im Rahmen der Studie von Nachtwey et al. (2020) stimmten nur 4,8 % der Befragten der Aussage, dass „unsere natürlichen Selbstheilungskräfte“ zur Bekämpfung des Virus ausreichend sind, nicht oder überhaupt nicht zu und lediglich 6,2 % bekundeten keine Zustimmung zur Ansicht, „mehr spirituelles und ganzheitliches Denken würde der Gesellschaft guttun“ (ebd.: 33f.).

Diese Items wurden im Rahmen der Studie zur Messung von anthroposophischem/esoterischem Denken verwendet, das Umfrageergebnis spricht dementsprechend für eine auf einschlägigen Veranstaltungen allgemein hohe Präsenz von Personen, die der Esoterik bzw. der Anthroposo­phie zugeneigt sind, sowie ferner für fließende Übergänge zwischen bestimmten esoterischen Strömungen und einer Ablehnung schulmedizinischer Methoden.

2.4.6 QAnon

Seit Beginn der Proteste rund um die von der Politik verhängten Maßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie erlebt die QAnon-Bewegung in Deutschland einen erheblichen Zuspruch. Auf diesen Demonstrationen sind die typischen Zeichen der Bewegung, wie etwa das Erken­nungsmerkmal „Q“, das Motto der Bewegung (WWG1WGA -Where wegoone, we go all) und Trump-Porträts, omnipräsent. Hinzu kommt, dass die QAnon-Bewegung durch den gemeinsa­men Nenner der Ablehnung des vermeintlichen politischen und medialen Mainstreams sowie die erklärte Bekämpfung „globaler Eliten“ verschiedene Milieus unter sich vereint, die von Impfgegner*innen bis zu gewaltbereiten Neonazis reichen. Auch über den Rahmen der Proteste hinaus hat sich Deutschland mittlerweile zu einem Hotspot der Bewegung außerhalb des eng­lischsprachigen Raums entwickelt (Eisele/Benecke 2020; JFDA 2020: 9). Hierzu beigetragen haben dürfte eine Reihe mehr oder weniger prominenter Persönlichkeiten, welche die Erzäh­lung in die Öffentlichkeit tragen. Als Beispiele sind hier etwa der Sänger Xavier Naidoo, der Koch und Autor Attila Hildmann oder auch, wenngleich gemäßigter, der Rapper Sido zu nen­nen (JFDA 2020: 10; vgl. Schwarzer 2020).

Ein weiteres Indiz für eine zunehmende Verbreitung der Bewegung ist der sprunghafte Anstieg der Abonnent*innen einschlägiger Kanäle auf Internetplattformen wie YouTube und dem Mes- sengerdienst Telegram, der sich zeitgleich zum ersten coronabedingten Lockdown in Deutsch­land beobachten ließ (Amadeu Antonio Stiftung 2020: 14f.). Für QAnon vorteilhaft ist neben der augenscheinlichen Ablehnung der etablierten Medien seitens der Corona-Kritiker*innen (siehe Unterkapitel 2.4.2) zudem gerade in Deutschland die sehr gut ausgebildete Szene an Verschwörungserzählungen und auch Reichsbürger*innen, „an die QAnon gut andocken konnte“ (Eisele/Benecke 2020).

Bei QAnon handelt es sich daher sowohl um eine Verschwörungsideologie als auch um eine Bewegung, jedoch ohne klare Anführer*innen. Stattdessen verbreitet seit 2017 eine unbekannte Person oder Personengruppe, die sich selbst als US-amerikanischer Geheimdienstagent be­zeichnet, der „nicht länger schweigen könne“ (JFDA 2020: 5),auf diversen Internetplattformen unter dem Kürzel „Q“ Thesen, nach denen hochrangige US-Politiker*innen der Demokrati­schen Partei, darunter Barack Obama und Hillary Clinton, sowie anderweitig einflussreiche Persönlichkeiten, wie etwa der Milliardär George Soros, die globale Machtübernahme sowie die allgemeine Unterwerfung der Menschheit anstrebten und bereits Kontrolle über eine Viel­zahl von Regierungen, Banken, Pharmaunternehmen, Medien sowie die katholische Kirche und die Unterhaltungsindustrie erlangt haben (Virchow/Häusler 2020: 25). Demnach wird behaup­tet, es gebe eine geheime Gruppe von Menschen innerhalb der US-Regierung, welche die ei­gentlichen Regierungsentscheidungen im Sinne der „globalen Elite“ trifft (Deep State) sowie einen heimlichen Plan mit dem Ziel, Donald Trump zu stürzen. Trump versuche jedoch, die Machenschaften dieser Menschen zu durchkreuzen, weshalb er als „Held und Kämpfer für die Wahrheit verehrt“ wird (JFDA: 5).

Darüber hinaus kursierte2016das unter der Bezeichnung „Pizzagate“ mit dem Ziel der Schwä­chung von Donald Trumps Konkurrentin verbreitete Gerücht, die damalige Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, betreibe gemeinsam mit einigen ihr im Wahlkampf nahestehenden Personen einen Kinderpornografie-Ring im Keller einer Piz­zeria in Washington, D. C. (JFDA 2020: 4). Dass in der Pizzeria weder Kinder gefangen gehal­ten wurden noch diese über einen Keller verfügt, tat der Popularität der Verschwörungserzäh­lung keinen Abbruch, ebenso wenig der Umstand, dass Donald Trump nicht mehr das Amt des US-Präsidenten innehat. Die Behauptungen konzentrieren sich nun auf die vermeintlichen Ma­chenschaften einer „Kinderblut trinkende[n] satanische[n] Elite“ (Amadeu Antonio Stiftung 2020: 6), die generell im Handel mit Kindern involviert sei und durch ihre Folterung sowie sexuelle Misshandlung das Stoffwechselprodukt Adrenochrom gewinnen würden, aus welchem sich angeblich Heilmittel und Verjüngungskuren entwickeln. Hiermit soll erklärt werden, wa­rum einflussreichen Personen ihr Alter oftmals nicht anzusehen ist (Cramer/Ming 2020; JFDA 2020: 7).

Anhänger*innen der QAnon-Bewegung sehen sich im „ultimative[n] Kampf von Gut gegen Böse, an dessen Ende die Elite vor Gericht gestellt und schließlich hingerichtet werden soll“ (Amadeu Antonio Stiftung 2020: 9) - ein Aufruf, der die vermeintliche moralische Dringlich­keit unterstreicht und zu entsprechendem Handeln drängt und ein Zeuge des „stark apokalyp­tisch geprägte[n] Denken der QAnon-Anhänger:innen“ (JFDA 2020: 6).

Der Kern der Verschwörungserzählung knüpft an historisch gewachsene Vorurteile antijudais­tischer Natur an. Eine hiervon ist die als „Ritualmordlegende“ bekannte, aus dem Mittelalter stammende Erzählung, nach welcher Jüdinnen*Juden aus dem Trinken von Blut christlich ge­taufter Kinder Vitalität schöpften. Bei der QAnon-Verschwörungserzählung handelt es sich in diesem Aspekt also offensichtlich um eine Ableitung aus der Ritualmordlegende.

Die Fokussierung auf das vorgebliche Kindeswohl wurde in der jüngeren Vergangenheit des Öfteren von rechtsextremen Akteur*innen genutzt, um sonst für extremistische Ideologie wenig anfällige Milieus für sich zu gewinnen. Ein Beispiel für diese Taktik ist etwa das Engagement der NPD gegen Kindesmissbrauch (vgl. u. a. Hartl 2011; Rafael 2009).

In Kombination mitden oben angesprochenen Elementen eines Weltbilds, in welchem dunkle Mächte durch die Kontrolle aller öffentlichen Güter Macht erlangen und missbrauchen, lassen sich auch eindeutige Parallelen zum klassischen Verschwörungsmythos der „Protokolle der Weisen von Zion“ ziehen (JFDA 2020: 7f.). Neben sektenartigen Zügen sindzudem eindeutige Elemente eines „Erlösungs-Antisemitismus“ festzustellen, welcher auf die Beseitigung des ab­soluten „Bösen“ abzielt. Hierbei handelt es sich auch um einen zentralen ideologischen Aspekt des eliminatorischen Antisemitismus in der Zeit des Nationalsozialismus (ebd.: 6, 8).

Bei QAnon handelt es sich längst nicht mehr um ein Randphänomen des Internets; die in der Verschwörungserzählung verbreiteten Narrative wurden in den vergangenen Jahren von Attentätern vielfach rezitiert. Als Beispiele können in diesem Zusammenhang die Ermordung eines mutmaßlichen Mafioso in New York 2019, den der Täter als Teil des Deep State erkannt haben will, sowie das Attentat von Hanau 2020 genannt werden, in welchem der Täter sich auf angebliche satanistische Pädophilieringe im Untergrund bezog (Amadeu Antonio Stiftung 2020: 17).

Mögliche Gründe für den augenscheinlich hohen Stellenwert der QAnon-Verschwörungsideo- logie im Kontext der Corona-Proteste könnten angesichts des Umstands, dass eine Verschwö­rungsmentalität niedrigschwellige Anknüpfungspunkte für neue Verschwörungserzählungen bietet (vgl. Douglas et al. 2019: 5; Imhoff 2020: 78f.)zum einen eine unter den Protestierenden möglicherweise weit verbreitete Verschwörungsmentalität darstellen (vgl. Nachtwey et al. 2020: 53),zum anderen stellt der Schutz der Kinder für die Anhänger*innen der Erzählungein zentrales Anliegen dar, was sich an einschlägigen Hashtags auf Social-Media-Plattformen so­wie auf Demonstrationsplakaten zeigt (Amadeu Antonio Stiftung 2020: 21; Virchow/Häusler 2020: 25). Dieser „Kinderschutzaspekt“ hat zu einem erhöhten Engagement von Frauen in der Bewegung sowie allgemein zu einem nach außen hin in dieser Hinsicht harmlos wirkenden Auftreten von QAnon geführt (Kelly 2020).

Es könnte gemutmaßt werden, dass rechtsextreme Akteurinnen die Versammlungen und De­monstrationen von Querdenken & Co. gezielt nutzen, um mit der QAnon-Verschwörungser- zählung gesellschaftliche Gruppen für rechtsextremes Gedankengut zu gewinnen, die für sol­ches ansonsten nicht anfällig sind. Das dahingehende Anknüpfungspotenzial äußert sich bei­spielsweise im Befund, dass im Rahmen der Studie von Nachtwey et al. (2020: 18) nahezu alle Befragten die Meinung bekundet haben, dass das verpflichtende Tragen eines Mund-Nasen­Schutzes zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 „Kindesmissbrauch“ sei und Kin­der durch die Corona-Maßnahmen unzumutbaren Belastungen ausgesetzt würden.

Es kann somit festgehalten werden, dass die QAnon prägende Verschwörungsideologie sowie ihre zunehmende Verbreitung insbesondere im Rahmen der Corona-Proteste ein enormes im­manentes Gefahrenpotenzial bieten.

2.5 Zwischenfazit und Hypothesenaufstellung

In den vorangegangenen Unterkapiteln wurden sowohl verschiedene, im politischen Spektrum rechts zu verordnende gesellschaftliche Strömungen beleuchtet als auch das Phänomen der Ver­schwörungserzählungen, deren allgemeine Verbindung zum Antisemitismus sowie deren Rolle im Rahmen der Corona-Proteste vorgestellt.

Hinsichtlich der Fragestellung dieser Arbeit lässt sich in Bezug auf die Bedeutung von Ver­schwörungserzählungen sowie von rechtsextremem Gedankengut innerhalb der politischen Szene der Bewegung um „Querdenken“ und Co. auf Grundlage der bisherigen Ausführungen dieser Arbeit festhalten, dass sich rechtsextremes Gedankengut neben offen rechtsextrem auf­tretenden Protestakteur*innen auch wegen der augenscheinlichen Relevanz von Verschwö­rungserzählungen im Zuge der Corona-Proteste vor allen Dingen in den ihnen oftmals inhären­ten chiffriert antisemitischen Denk- und Argumentationsmustern äußern. Die Vermutung nach Überschneidungen, Wechselwirkungen und damit nach gegenseitigen Anknüpfungspunkten zwischen rechtsextremen und verschwörungsideologischen Inhalten ist somit naheliegend. Diese sind sowohl im Kontext von Verschwörungserzählungen mit als auch ohne Bezug zur Corona-Pandemie (Letztere werden im Folgenden auch als „klassische Verschwörungserzäh­lungen“ bezeichnet) zu beobachten. Gemeinsamer Nenner der Verschwörungsmythen rund um die WHO und Bill Gates, um „die Wissenschaft“ und Impfungen, „die Medien“, um die Sou­veränität der BRD sowie insbesondere um QAnon ist die Prämisse einer weltumspannenden Verschwörung anhaftend, die sich vorwiegend auf eine vermeintlich von obskuren Mächten gelenkte Politik-, Finanz- und Medienlandschaft bezieht. Das Narrativ des „klassischen“ Ver­schwörungsmythos der „Protokolle der Weisen von Zion“ und somit uralte antisemitische Ste­reotype werden auf diese Weise aufgegriffen und in zeitgenössischer Form neu verpackt.

Auf Grundlage der bisherigen Ausführungen kann daher angenommen werden, dass einem coronabezogenen Verschwörungsglaube eine vorliegende Verschwörungsmentalität voraus­geht. Hierfür spricht ferner der Umstand, dass im Rahmen einer vorliegenden Verschwörungs­mentalität der Glaube an eine Verschwörungserzählung auch die Zustimmung zu anderen ein­schlägigen Erzählungen begünstigt (vgl. Douglas et al. 2019: 5; Imhoff 2020: 78f.). In Bezug auf die Corona-Kritiker*innen lässt sich dies an folgender Hypothese exemplifizieren:

H1: Der Glaube an eine klassische Verschwörungserzählung kann den Glauben an Verschwörungserzählungen, die sich auf die Corona-Pandemie beziehen, begünstigen.

Eine Vielzahl von Verschwörungsmythen ist mit antisemitischen Chiffren gespickt, wobei die ihnen inhärente Projektionsfunktion unabhängig vom tatsächlich erklärten Feindbild nach A­dorno (1947: 182) qua definitionem „der Juden [bedarf]“. Auf dieser Grundlage kann angesichts der theoretisch dargelegten Nähe von primärem bzw. explizitem Antisemitismus zu Verschwö­rungserzählungen mit ihren chiffrierten antisemitischen Deutungsmustern vermutet werden, dass sich bei der expliziten Benennung jüdischer Akteur*innen als vermeintlich übermächtige Gruppe, die „im Hintergrund die Fäden zieht“ (Salzborn 2020), ein ähnlicher Zusammenhang beobachten lässt wie im Falle klassischer Verschwörungserzählungen (H1). Vereinfacht ausgedrückt: Was für den chiffrierten Antisemitismus in Bezug auf Verschwörungserzählungen gilt, gilt auch für den expliziten Antisemitismus in Bezug auf Verschwörungserzählungen. H2 geht daher von folgendem Zusammenhang aus:

H2: Die Zustimmung zu einer klassischen, explizit antisemitisch formulierten Verschwörungserzählung kann die Zustimmung zu einer explizit antisemitisch formulierten Verschwörungserzählung mit Bezug zur Corona-Pandemie begünstigen.

Wie in Kapitel 2.3.2 ausgeführt wurde, korreliert die Zustimmung von Personen zu sekundären antisemitischen Aussagen beinahe perfekt mit einer Zustimmung derselben Personen zu pri­mären antisemitischen Aussagen (vgl. Imhoff 2020: 75). Hieran angelehnt erscheint die An­nahme naheliegend, dass diejenigen Corona-Kritiker*innen, welche an Verschwörungserzäh­lungen mit Bezug zur Corona-Pandemie glauben, auch eher allgemein gehaltenen Verschwö­rungserzählungen mit expliziter Benennung des Judentums als vermeintliche „Strippenzie­herinnen“ zustimmen. Um zu überprüfen, ob explizit antisemitisch formulierte Verschwö­rungserzählungen in diesem Sinne an Verschwörungserzählungen mit Bezug zur Corona-Pan­demie „andocken“ können, postuliert H3 folgendes Gefahrenpotenzial:

H3: Die Zustimmung zu einer Verschwörungserzählung mit Bezug zur Corona-Pandemie kann die Zustimmung zu einer klassischen, explizit antisemitisch formulierten Ver­schwörungserzählung begünstigen.

Neben dem augenscheinlich hohen Stellenwert von Verschwörungsideologie im Kontext der Corona-Proteste scheint eine allgemeine Skepsis gegenüber der Wissenschaft, insbesondere ge­genüber der Schulmedizin, eine zentrale Rolle im politischen Milieu von „Querdenken“ und Co. zu spielen, zumal sich diese, wie im bisherigen Verlauf der Arbeit ausgeführt, nicht trenn­scharf von Verschwörungsideologien abgrenzen lässt.

Es ist daher denkbar, dass sich eine derartige Skepsis gegenüber der Schulmedizin bei entspre­chend eingestellten Personen auch in Form einer speziell coronabezogenen Skepsis gegenüber der Schulmedizin wiederfindet, wie es beispielsweise die Verschwörungsmythen rund um die WHO und Bill Gates nahelegen. Hier kommt zudem die „Propaganda- und Denunziationsfunk­tion zur Delegitimierung von Gruppen oder Personen“ (Montag 2016: 3) von Verschwörungs­erzählungen zum Tragen. In Verbindung mit dem empirisch verifizierten Zusammenhang zwi­schen dem Vorliegen einer Verschwörungsmentalität und negativer Einstellungen gegenüber der Schulmedizin (vgl. Lamberty/Imhoff 2018: 25) kann somit ein entsprechender Zusammen­hang für die Corona-Proteste vermutet werden:

H4: Je ausgeprägter eine allgemeine Skepsis gegenüber Impfungenist, desto eher wird die vom Coronavirus ausgehende gesundheitliche Gefahr geleugnet.

Durch die Betonung der Stärke des eigenen Körpers in Bezug auf vermeintlich naturgegebene, zur Krankheitsbekämpfung ausreichende Selbstheilungskräfte lassen sich Parallelen zum „Stär­kekult“ als sozialdarwinistischen Bestandteil der rechtsextremen Ideologieelemente feststellen (vgl. Pfahl-Traughber 2019: 32). Die Sichtweise, die Maßnahmen zur Eindämmung der Pande­mie seien übertrieben, da COVID-19 ohnehin „lediglich“ alte und vorerkrankte Menschen mit einer stark begrenzten verbleibenden Lebenszeit treffe, richtet sich darüber hinaus gegen schwache gesellschaftliche Gruppen und zeugt von einer Ideologie der Ungleichwertigkeit. Die Leugnung der gesundheitlichen Gefahren der Pandemie könnte somit als Anknüpfungspunkt für Ungleichheitsvorstellungen fungieren (vgl. Schließler et al. 2020: 303).

Ferner hat die in Unterkapitel 2.4.4 beschriebene unveröffentlichte kanadische Studie der UNESCO eine „ungewöhnliche Verbrüderung“ von Rechtsextremen mit alternativmedizinisch bzw. impfskeptisch orientierten gesellschaftlichen Milieus sowie mit Verschwörungserzählun­gen konstatiert (vgl. Wolfshagen 2021). Eine damit zu begründende Anschlussfähigkeit einer allgemeinen Wissenschaftsskepsis zu rechtsextremen Ansichten ist angesichts des benannten Stellenwerts von Impfkritik, Verschwörungsmentalität und Esoterik bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen jedenfalls denkbar. Ob sich diese „Verbrüderung“ tatsächlich bei ein­schlägigen Veranstaltungen beobachten lässt, ist anhand von Hypothese 5 zu überprüfen:

H5: Wissenschaftsskeptische Ansichten können die Zustimmung zu (extrem) rechten Aussagen begünstigen.

Hinzu kommen neben dem angesprochenen Antisemitismus als Ideologieelement des Rechts­extremismus (vgl. Pfahl-Traughber 2019: 30ff.), dessen Logik entweder in expliziter oder in chiffrierter Form Bestandteil einer Vielzahl von Verschwörungsmythen darstellt, die regelmä­ßig durch Vergleiche getätigten Gleichsetzungen (welche vielerseits als Verhöhnung wahrge­nommen werden; vgl. Hille 2020; NDR 2020; Sailer 2020; SWR 2020) der Opfer der NS-Zeit mit Corona-Kritiker*innen als angeblich hilflose Opfer und Verfolgte der BRD bzw. der „Ge­sundheitsdiktatur“ (vgl. Hille 2020). Wie in Unterkapitel 2.2.3 ausgeführt wurde, zählt die Ver­harmlosung der im Nationalsozialismus verübten Verbrechen zu den zentralen Merkmalen des modernen Rechtsextremismus (vgl. u. a. Decker et al. 2013: 197ff.; Virchow 2017: 17; Zick/Küpper 2017: 90).

Verschwörungserzählungen besitzen mitunter die Funktion der Komplexitätsreduktion für ver­flochtene gesellschaftliche Sachverhalte (siehe Unterkapitel 2.3.1). Der manichäische Charakter des von der Existenz des „guten Volks“ und „den korrupten Eliten“ geprägten Welt­bildes weist klare Parallelen zu den Eigenschaften des Rechtspopulismus auf (vgl. Priester 2017: 534).

Die sowohl dem (Rechts-)extremismus als auch Verschwörungsnarrationen inhärenten Freund­Feind-Stereotype zeigen zudem, dass es in typologischer Hinsicht Überschneidungen zwischen dem Rechtsextremismus und der Bewegung rund um die Corona-Maßnahmen zu geben scheint (vgl. Pfahl-Traughber 2013: 33). Zudem könnte die angesprochene „ungewöhnliche Verbrüde­rung“ von Rechtsextremen und Verschwörungsgläubigen in Verbindung mit der Bedienung antisemitischer Stereotype auf diese Weise im Rahmen der Corona-Proteste eine Anschlussfä­higkeit für rechtes bzw. rechtsextremes Gedankengut bieten.

Auf Grundlage der augenscheinlich zentralen Rolle von Verschwörungserzählungen und damit teilweise einhergehender chiffriert antisemitischer Paradigmen bei den Protesten kann ange­sichts der aufgezeigten, dahingehenden Anschlussfähigkeiten somit ein in Zügen von Rechts­extremismus bzw. Antisemitismus geprägtes Weltbild vieler Corona-Kritiker*innen vermutet werden, womit nicht nur auf eine Unterwanderung der Bewegung durch Rechtsextreme (vgl. u. a. Betschka 2020), sondern tatsächlich auf eine in Teilen extrem rechte Ausrichtung der Proteste geschlossen werden könnte.

Auf Grundlage der ausgeführten Überlegungen postulieren die Hypothesen 6 und 7 folgende Zusammenhänge:

H6: Der Glaube an Verschwörungserzählungen, die sich inhaltlich auf die Corona-Pandemie beziehen, begünstigt die Zustimmung zu (extrem) rechten Aussagen.

H7: Wenn eine Verschwörungsmentalität vorliegt, dann begünstigt das die Zustimmung zu (extrem) rechten Aussagen.

Die ansonsten scheinbar zentrale Rolle von Verschwörungserzählungen im Rahmen der Pro­teste gegen die regierungsseitig verordneten Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pande­mie könnte allgemein mit einigen durch die Maßnahmen ausgelösten psychischen Belastungen zusammenhängen bzw. gewisse psychische Dispositionen in dieser Hinsicht verstärken, insbe­sondere in Verbindung mit den in Kapitel 2.3.1 vorgestellten epistemischen Gründen, die eine Verschwörungsmentalität begünstigen.

Weiterhin könnten in diesem Kontext existenzielle Motive eine bedeutsame Rolle spielen, da die Ablehnung des schulmedizinischen Konsens, dass es sich beim Coronavirus um eine ernst­zunehmende gesundheitliche Gefahr handelt, für viele Menschen eine Möglichkeit darstellen dürfte, durch eine vermeintlich bessere Erklärung der Pandemie ein Gefühl von Kontrolle zu­rückzugewinnen (vgl. Federico et al. 2018: 927).

Verschwörungserzählungen bieten aufgrund der angesprochenen, ihren strukturell innewoh­nenden Komplexitätsreduktion die Möglichkeit, durch scheinbar konsistente und schlüssige Begründungen die eigenen Überzeugungen speziell in von Unsicherheit geprägten Zeiten zu bewahren und ein vermeintliches Muster in politisch-gesellschaftlichen Entwicklungen zu er­kennen, wobei durch den damit einhergehenden absoluten Wahrheitsanspruch abweichende Er­klärungsmuster kategorisch abgelehnt werden (vgl. Douglas et al. 2019: 7f.; Montag 2016: 3; van Prooijen/Jostmann 2013: 113).

Die Corona-Pandemie dürfte bei vielen Menschen eine derartige Zeit der Unsicherheit darstel­len und für das Gefühl eines Kontrollverlustes sorgen, was sich wohl einerseits mit den mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Folgen, die für einen beträchtlichen Anteil der Bevölkerung eine Existenzbedrohung darstellen, und andererseits mit dem abstrakten Charakter eines unsichtba­ren, sich weltweit verbreitenden Virus begründen lässt. Das Bedürfnis nach cognitive closure und damit auch unter Umständen die Verbreitung von Verschwörungserzählungen dürfte des­halb bei vielen besonders ausgeprägt sein, was sich in einem augenscheinlich hohen Stellenwert der vorgestellten Verschwörungserzählungen im Kontext der Proteste gegen die coronabeding- ten Freiheitsbeschneidungen widerspiegelt. Weiterhin könnte das abstrakte Wesen des Corona­virus innerhalb einer von antisemitischen Chiffren geprägten Denkweise mit dem Jüdischen in Verbindung gebracht werden (vgl. Salzborn 2020).

In Unterkapitel 2.3.1 wurde zudem auf eine besondere Anfälligkeit marginalisierter Gruppen für Verschwörungserzählungen hingewiesen (vgl. Douglas et al. 2019: 9). Möglicherweise ließe sich dies an diewissenschaftlich nicht unumstrittene Cultural-Backlash-These koppeln, welche die Angst seitens soziostrukturell abgehängter Modernisierungsverlierer*innen vor „kultureller Überfremdung“ sowie deren Ablehnung gegenüber Globalisierungsprozessen be­schreibt. Diese steht theoretisch aufgrund der subjektiven Wahrnehmung, „den Anschluss ver­loren zu haben“, mit der Zuwendung zu rechtspopulistischen Bewegungen oder Parteien in Verbindung (Pickel/Yendell 2018: 234f.).

Das Gefühl, das eigene Leben nicht in der Hand zu haben, begünstigt darüber hinausallgemein eine Verschwörungsmentalität und die Befürwortung einer autoritären Diktatur, „sorgt sie doch für übersichtliche Verhältnisse“ (Decker et al. 2018b: 153).Das Eintreten für den politischen Autoritarismus und eine daraus folgende diktatorische Staatskonzeption lässt sich eindeutig als Ideologieelement des Rechtsextremismus identifizieren (vgl. Pfahl-Traughber 2019: 33f.).

Im Kontext der Corona-Proteste kann aus diesen Faktoren zusammengenommen eine allge­meine Unzufriedenheit der Protestierenden abgeleitet werden, welche sich möglicherweise aus im Rahmen der Corona-Pandemie zugenommenen finanziellen Unsicherheiten und einem Missmut in Bezug auf die eigene Lebenssituation speist und sich angesichts der augenschein­lich als verschworen klassifizierten Machtakteur*innen gegen alles richtet, was als etabliert wahrgenommen wird. Hierzu dürften vor allen Dingen Internationale Organisationen wie die WHO, das politische System der BRD und seine Institutionen sowie die öffentlich-rechtlichen bzw. etablierten Medien zählen. Möglicherweise handelt es sich hierbei um die Gründe für die augenscheinliche Verbreitung rechtsextremer und von Verschwörungsideologie geprägter Nar­rative im Kontext der Corona-Proteste.

Auf Grundlage dieser Ausführungen leiten sich in Verbindung mit den in Unterkapitel 2.4.5 benannten Überschneidungen zwischen Gefühlen der Entfremdung gegenüber der Moderne, Esoterik, Verschwörungserzählungen und antisemitischen Denkmustern folgende Hypothesen ab:

H8: Eine allgemeine Unzufriedenheit begünstigt die Zustimmung zu (extrem) rechten Aussagen.

H9: Eine allgemeine Unzufriedenheit begünstigt eine Verschwörungsmentalität.

3 Methodik

Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Klärung der Fragen, welchen Stellenwert rechtsextremes Gedankengut und Verschwörungserzählungen im Kontext der Bewegung gegen die Maßnah­men zur Bekämpfung der Corona-Pandemie einnehmen, in welcher Hinsicht die Corona-Pro­teste Anschlussmöglichkeiten für entsprechende Akteurinnen bieten und welche Gefahrenpo­tenziale sich in Bezug auf eine Radikalisierung der Bewegung hieraus bzw. aus dahingehenden Überschneidungen und Wechselwirkungen ableiten. Als Einleitung in den nachfolgenden em­pirischen Teil der Arbeit werden im Folgenden zunächst Ansätze der empirischen Sozialfor­schung nachgezeichnet, um die Vorgehensweise zur Beantwortung der genannten Fragestel­lung methodologisch verorten zu können. Aus Kapazitätsgründen wird dies recht knapp gehal­ten und erhebt keinen Anspruch auf Detailtiefe. Der empirische Erkenntnisgewinn beruht im Rahmen der Arbeit auf dem Datenerhebungsinstrument eines eigens erstellten Fragebogens (siehe Anhang 1), dessen Konstruktion darauffolgend ausführlich erörtert wird. Anschließend folgen eine deskriptive Auseinandersetzung mit der Stichprobe sowie allgemeine Anmerkun­gen zur Durchführung der Datenerhebung und der nachfolgenden Datenauswertung.

3.1 Zum Begriff der empirischen Sozialforschung

Die empirische Sozialforschung befasst sich mit der „Gesamtheit von Methoden, Techniken und Instrumenten zur wissenschaftlich korrekten Durchführung von Untersuchungen des menschlichen Verhaltens und weiterer sozialer Phänomene“ zum Zwecke der „Sammlung von Erkenntnissen über die soziale Realität“ (Häder 2019: 13). Mithilfe der spezifischen Methode, welche in diesem Kontext als Mittel zum Gewinn sozialer Informationen verstanden wird, er­folgt bei der Empirie eine systematische Überprüfung theoretischer Modelle durch Befragun­gen oder Beobachtungen realer Begebenheiten (ebd.: 13ff.).

Daten, also „Informationen, die mithilfe sozialwissenschaftlicher Methoden gewonnen worden sind“ (ebd.: 16), werden in diesem Kontext nach quantitativer und qualitativer Art unterschie­den. Quantitative Daten lassen sich als numerischer Ausdruck empirischer Sachverhalte be­schreiben, bei qualitativen Daten handelt es sich um verbale Beschreibungen von Merkmalen oder Merkmalsausprägungen (Bortz/Döring 2006: 2).

Die quantitative empirische Sozialforschung folgt einer deduktiven Forschungslogik; es sollen Schlüsse „vom Allgemeinen auf das Besondere“ (Tausendpfund 2018: 22) bzw. vom „Abstrak­ten auf das Konkrete“ (Bortz/Döring 2006: 300), also der Ableitung allgemeiner Gesetzmäßig­keiten durch Daten auf Grundlage zuvor theoretisch formulierter Vermutungen über einen be­stimmten Zusammenhang, gezogen werden (ebd.). Es geht somit gewissermaßen um „die Su­che nach Naturgesetzen“ (Häder 2019: 67), die verallgemeinernd behandelt werden können. Das Erkenntnisziel besteht in der Feststellung von Generalisierbarkeiten in Bezug auf Aggre­gate und statistische Zusammenhänge (ebd.).

Für die Operationalisierung einer Forschungsfrage im Rahmen der quantitativen empirischen Sozialforschung existieren verschiedene Vorgehensweisen, die von zählen, urteilen und testen über befragen bis hin zu beobachten und physiologischen Messmethoden reichen (Bortz/Döring 2006: 138), wobei die Befragung die mit Abstand gängigste Methode der Datenerhebung ist. Diese lässt sich neben der groben Kategorisierung in schriftliche und mündliche Befragungen auch in Unterformen wie etwa der Online-, Telefon- oder Paper & Pencil-Befragung untertei­len (ebd.: 236). Die quantitative Arbeit erfolgt in der Regel im Rahmen eines hohen Grads an Standardisierung sowie mit großen Fallzahlen (Häder 2019: 67).

Bei der Datenerhebung wird darüber hinaus zwischen Quer- und Längsschnittstudien unter­schieden. Eine Querschnittstudie untersucht bestimmte Merkmalsausprägungen zu einem ein­zelnen Zeitpunkt, die Längsschnittstudie hingegen sieht mehrere Untersuchungszeitpunkte mit ggf. wechselnden Untersuchungseinheiten vor (ebd.: 119).

Grundlegend für die quantitative empirische Sozialforschung sind jedoch die drei Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität. Als Objektivität ist in diesem Zusammenhang die Nicht­einflussnahme der forschenden Personen auf die Befunde zu verstehen, Reliabilität meint hier­bei die hohe Ausprägung der Messgenauigkeit sowie eine damit einhergehende Reproduzier­barkeit der Messresultate und das Gütekriterium der Validität bezieht sich auf die inhaltliche Gebrauchsfähigkeit der Messinstrumente - also der „Grad der Genauigkeit, mit dem ein Test das misst, was er messen soll“ (ebd.: 109ff.).

Im Falle der qualitativen empirischen Sozialforschung wird im Gegensatz dazu - wenn auch mit Ausnahmen - von einer induktiven Forschungslogik Gebrauch gemacht. Somit wird vom Konkreten auf das Abstrakte geschlossen (ebd.: 67; vgl. Bortz/Döring 2006: 300f.). Weniger als um eine Generalisierbarkeit der Erkenntnisse geht es hierbei vor allen Dingen um eine stark gegenstandsbezogene, unvoreingenommene und tiefgehende Erkundung der den einzelnen Fäl­len zugrundeliegenden Mechanismen, weshalb von kaum standardisierten Methoden Gebrauch gemacht wird und die Fallzahl in der Regel sehr niedrig ist (Häder 2019: 67). Beide Spielarten der empirischen Sozialforschung gehen in Abhängigkeit von der Zielsetzung der Forschungs­frage mit jeweils abzuwägenden Vor- und Nachteilen einher (vgl. Bortz/Döring 2006: 297f.). Messfehler sind nach dem Grundmodell der klassischen Testtheorie, nach welchem sich der Messwert aus dem „wahren Wert“ einer Merkmalsausprägung und dem Messfehler konstituiert, prinzipiell dennoch nicht vollends auszuschließen (ebd.: 12, 196; Tausendpfund 2018: 127).

3.2 Darstellung des Forschungsvorgehens

3.2.1 Zur Befragungsmethode

Zur Beantwortung der dieser Arbeit zugrundeliegenden Fragestellung wurde sich für die Me­thode der quantitativen, schriftlichen Befragung bzw. der Online-Befragung entschieden. Dies lässt sich insbesondere durch die angesprochene Annahme der Heterogenität in Bezug auf die personelle Zusammensetzung der Proteste gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona- Pandemie begründen. Für diese Vorgehensweise spricht ferner die tendenziell allgemein gehal­tene Forschungsfrage, die sich auf die Bewegung als Ganzes, welche im methodischen Kontext als Aggregat zu verstehen ist, und nicht auf teilnehmende Einzelpersonen bezieht. Somit impli­ziert die Forschungsfrage die Zielsetzung einer Generalisierbarkeit der Befunde.

Angesichts der relativen Neuartigkeit des Phänomens der Corona-Proteste und des damit ein­hergehenden dünnen Forschungsstands hätte sich auch für eine qualitative Vorgehensweise ent­schieden werden können, um induktiv auf mögliche Einstellungsmuster und Mechanismen im Kontext der Proteste zu schließen. Jedoch kann der tatsächlich zu erwartende Erkenntnisgewinn zur Beantwortung der Forschungsfrage angesichts der scheinbaren Vielzahl von Motiven der Teilnahme an einschlägigen Protesten und der den qualitativen Methoden inhärenten Prämisse der selektiven (dafür aber tiefgehenden) Deskription individueller Motive und Erfahrungen in­frage gestellt werden.

Im Zuge einer Befragung füllen die Teilnehmenden den Fragebogen schriftlich bzw. online ohne steuernde Eingriffe der forschenden Person aus. Fragebögen eignen sich insbesondere zur Erhebung von Persönlichkeitsmerkmalen, Einstellungen, Verhaltensweisen oder Befinden. In Abgrenzung zu anderen Forschungsmethoden handelt es sich hierbei um ein Datenerhebungs­instrument, welches sich aufgrund seines hohen Standardisierungsgrads und seiner niedrigen Kosten für die Untersuchung einer großen Stichprobe eignet (Bortz/Döring 2006: 252f.; Tau­sendpfund 2018: 239). Diese Art der Erhebung zeichnet sich darüber hinaus gegenüber der mündlichen Befragung dadurch aus, dass die Befragten die Datenerhebung als anonymer wahr­nehmen, was sich insbesondere bei heiklen Themen positiv auf die Ehrlichkeit der Antworten auswirken kann (Bortz/Döring 2006: 237;Porst 2014: 129).

Grundsätzlich können die Fragen in diesem Kontext sowohl in offener als auch in geschlossener Form gestellt werden. Bei offenen Fragen gibt es keine vorgegebenen Antwortmöglichkeiten, im Falle der geschlossenen Fragen sind die Antwortoptionen klar definiert, wobei je nach For­schungsdesign eine oder mehrere Antwortmöglichkeiten erlaubt sein können. Darüber hinaus existieren sowohl die klassische Frageart der halboffenen bzw. der Hybridfrage, wobei diebe- fragte Person neben den vorgebebenen Antwortkategorien im Rahmen einer Restkategorie in eigenen Worten antworten kann, als auch ferner detailliertere Typologisierungen der verschie­denen Fragearten (vgl. Tausendpfund 2018: 248f.;Porst 2014: 53).

Das Datenerhebungsinstrument selbst, in diesem Fall also der Fragebogen, kann aus vorgefer­tigten Aussagen, Aufgaben oder Fragen („Items“) bestehen, die entweder einzeln oder in ihrer Gesamtheit aus anderen wissenschaftlichen Publikationen, die sich mit dem einschlägigen The­mengebiet auseinandergesetzt haben, entnommen wurden. Zur Sicherstellung der Gütekriterien kann dabei die sprachliche Gestaltung an die zu untersuchende Zielgruppe angepasst werden. Alternativ besteht bei Nichtvorliegen eines standardisierten Fragebogens zur Erfassung der im Rahmen der jeweiligen Forschung zu untersuchenden Merkmale die Möglichkeit der Verwen­dung eigens entwickelter Items, wobei zur Beantwortung der Forschungsfrage der zu behan­delnde Gegenstandsbereich durch eine sorgfältige Auswahl der Items und der dazugehörigen Antwortkategorien möglichst erschöpfend erfasst sein sollte (Bortz/Döring 2006: 253).Bei der Formulierung der einzelnen Items sollte neben disjunkten Antwortkategorien auf eine eindeu­tige, einfache Sprache geachtet und Suggestivfragen vermieden werden (Porst 2014:99ff.; Hä- der 2019: 245f.).

In sozialwissenschaftlichen Fragebögen finden zur Erfassung von Meinungen, Einstellungen, Wertorientierungen oder vergleichbaren Positionen oftmals sogenannte „Likert-Skalen“ Ver­wendung. Hierbei handelt es sich um mehrstufige Ordinalskalen, mit deren Hilfe anhand meh­rerer Items („Itembatterie“, vgl. Porst 2014: 79), ein bestimmtes theoretisches Konzept gemes­sen wird (wie beispielsweise Verschwörungsmentalität). Die Befragten werden im Fragebogen dazu aufgefordert, zu bestimmten Aussagen Stellung zu beziehen, indem sie ihren Grad anZu­stimmung bzw. Ablehnung mittels entsprechend vorgegebener, meist fünfstufiger Antwortvor­gaben ausdrücken. Durch die Kodierung jeder Antwortkategorie mit Werten von1 bis 5 können diese als Punktwerte aufgefasst werden, wodurch die Addition der Punktwerte zu einem soge­nannten Summenscore, der von der Anzahl der verwendeten Items abhängig ist, für jede Person ermöglicht wird (Häder 2019: 102). Somit kann bei einem hohen Summenscore auf das Vor­handensein bzw. bei einem niedrigen Summenscore auf das Nichtvorhandensein eines be­stimmten Merkmals bei einer befragten Person geschlossen werden.

Durch die ordinale Skalenart unterliegen die Antwortmöglichkeiten einer Hierarchie. Auch wennbeidieser Skalenart die Abständezwischen den einzelnen Antwortmöglichkeiten im ma- thematisch-abstrahiertenSinne nicht als äquidistant zu verstehen sind, wird der befragten Per­sondie Möglichkeit zur differenzierten Äußerung ihrer Haltung zu den abgefragten Themen gegeben (Porst 2014: 77, 81, 95f.).Aus diesem Grund werden entsprechende Umfrageinstru­mente in der statistischen Praxis oftmals als quasi-intervallskaliert behandelt. Als Vorausset­zung hierfür gilt jedoch das Vorhandensein von mindestens fünf Antwortkategorien, deren Ab­stände voneinander durch semantische und numerische Wertzuteilung seitens der Befragten als gleich groß wahrgenommen werden (Völkl/Korb 2018: 20).1

Die Einhaltung der im vorherigen Unterkapitel beschriebenen Gütekriterien Objektivität, Reli­abilität und Validität sollenim Kontext dieser Arbeiteine Reihe von Maßnahmen sicherstellen. Durch das Verwenden hauptsächlich geschlossener Fragen und eines Fragebogens, der nicht in unmittelbarer Anwesenheit der Interviewer*innen ausgefüllt wird, besteht nur eine geringe Ge­fahr einer mangelhaften Durchführungs- und Auswertungsobjektivität (Tausendpfund 2018: 125f.).Durch eine Anlehnung an die Leipziger Autoritarismus-Studie2 (LAS) in Bezug auf die Interpretation der Antwortkategorien wird zudem versucht, einer Interpretationsobjektivität Rechnung zu tragen.

Das Anwenden derMethode der Testhalbierung, also dem Messen eines Konzepts bzw. Merk­mals anhand mehrerer Indikatoren bzw. Items, soll das Gütekriterium der Reliabilität erfüllen (vgl. Tausendpfund 2018: 125ff.).Bei diesem Gütekriterium ergibt sich jedoch die Schwierig­keit, dass aufgrund des Einsatzes eigens konstruierter Items, die zuvor im Feld nicht angewandt wurden, sowie des Mangels an Daten aus Pretests (siehe hierzu Unterkapitel 3.2.2)eine Über­prüfung der dahingehenden Reliabilität für die betroffenen Indikatoren im Vorfeld der Befra­gung nicht hinreichend möglich war. Im Anschluss an die Datenerhebung und an die Bereini­gung des Datensatz wurdejedoch für jedeszu messende Merkmal unter Einsatz des Reliabili­tätskoeffizienten Cronbachs a ein Reliabilitätstest durchgeführt, welcher die inhaltliche interne Konsistenz zwischen den verschiedenen Items zur Messung einer Merkmalsausprägung ge­währleistensoll.

Das Gütemaß kann Werte zwischen 0 (keine Konsistenz) und 1 (vollständige Konsistenz) an­nehmen. Ein objektiver Grenzwert, ab welchem Cronbachs a zur Messung eines Merkmals ge­nutzt werden „darf“, existiert nicht. In der Forschung wird ein Wert von 0,7 oder höher als akzeptabel angesehen (Schmitt 1996: 351), idealerweise nimmt der Koeffizient aber einen Wert von über0,8 an (Tausendpfund 2018: 129), wobei insbesondere bei kürzeren Skalen mit weni­ger als sechs Items auch Werte ab a = 0,6 verwendet werden können (Riese/Reinhold 2014: 265). Cronbachs a ist insbesondere bei Skalen mit unter 10 Items empfindlich gegenüber der Anzahl von Indikatoren; eine kleinere Itemanzahl führt hier zu einer geringeren Reliabilität und umgekehrt (Bortz/Döring 2006: 199).

Das finale Gütekriterium, die Validität, soll zum einen durch eine hinreichende theoretische Konzeptspezifikation erreicht werden („Inhaltsvalidität“), zum anderen durch den Vergleich der Ergebnisse geeigneter Items mit der Leipziger Autoritarismus-Studie (vgl. Decker et al. 2020a) sowie der Studie zur politischen Soziologie der Corona-Proteste (vgl. Nachtwey et al. 2020)bzw. mit den von ihnen verwendeten, etablierten Messinstrumenten („Kriteriumsvalidi­tät“). Hierzu zählt zudem eine theoretisch sorgfältig begründete Hypothesenformulierung („Konstruktvalidität“, vgl. Tausendpfund 2018: 129f.).

3.2.2 Konstruktion und Beschreibung des Datenerhebungsinstruments

Bei dem im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Datenerhebungsinstrument handelt es sich um einen 41 größtenteils ordinalskalierte, geschlossene Items umfassenden Fragebogen, welche sich zum Teil an erprobten, partiell abgewandelten Befragungsinstrumenten aus der Leipziger Autoritarismus-Studie (vgl. Decker et al. 2020a) anlehnen oder aus diesen zusammengesetzt sind.

Darüber hinaus besteht der Fragebogen angesichts der relativen Neuartigkeit der Corona-Pro­teste aus eigens konzipierten Items, die sich vorwiegend auf die Corona-Pandemie beziehen.

Hinzu kommt die Erfragung personenbezogener Informationen, die sich etwa auf das Alter, den Wohnort, Schulabschluss, Familienstand, Einkommen, Beschäftigungssituation sowie über die Parteipräferenz bzw. einer möglichen Veränderung dieser im Zuge der Corona-Pandemie und auf die Links-Rechts-Selbsteinstufung im politischen Spektrum beziehen, um einen Überblick über die soziodemografische und politische Zusammensetzung der Protestteilnehmenden erhal­ten zu können.

Die Zustimmungswerte zu den auf der LAS beruhenden Items werden im Diskussionsteil dieser Arbeit mit ihrem „Original“ verglichen, um eventuelle Abweichungen bestimmter Einstel­lungsmuster in der untersuchten Stichprobe von der im Rahmen der LAS untersuchten gesamt­gesellschaftlichen Verbreitung bestimmter Einstellungen festzustellen. Bei vereinzelten Items wird zudem ein Vergleich mit einigen Items aus der von Nachtwey et al. (2020) durchgeführten Studie zur Untersuchung der politischen Soziologie der Corona-Proteste vorgenommen. In die­sem Zusammenhang sei angemerkt, dass die Studie erst nach der Datenerhebung im Rahmen dieser Arbeit veröffentlicht wurde, weshalb kein Anspruch darauf liegt, eine grundsätzliche Vergleichbarkeit der verwendeten Items zu erzielen.

Die Fragestellung dieser Arbeit bezieht sich vorwiegend auf die Bedeutung von Verschwö­rungsideologie und Rechtsextremismus innerhalb der politischen Szene der Corona-Kriti- ker*innen. Dementsprechend zielt das Datenerhebungsinstrument allgemein auf die Erfassung einschlägiger Einstellungen bzw. Einstellungsmuster ab, wozu es entsprechender Items bedarf. Unter Beachtung der im vorherigen Unterkapitel beschriebenen Qualitätskriterien in Bezug auf die Konstruktion von Items (vgl. Porst 2014: 99ff.; Häder 2019: 245f.) wurden Aussagen bzw. Fragen in den Fragebogen aufgenommen, bei denen die Befragten anhand der vorgegebenen, fünfstufigen, verbalisierten Antwortkategorien (meist „stimme gar nicht zu“, „stimme eher nicht zu“, „teils/teils“, „stimme eher zu“, „stimme voll zu“) ihren Grad der Zustimmung abstu­fen können.

Durch die Verwendung einer fünfstufigen Likert-Skala wird durch den Skalenmittelpunkt „teils/teils“ der befragten Person die Möglichkeit geboten, sich nicht eindeutig positionieren zu müssen. Porst (2014: 83) macht in diesem Zusammenhang von der Bezeichnung „Fluchtkate­gorie“ Gebrauch und verweist auf die Gefahr, dass das Ankreuzen dieser Antwortkategorie durch Befragte lediglich zu dem Zweck dienen kann, schnell zur nächsten Frage zu gelangen „ohne seine wirkliche Meinung oder auch Meinungslosigkeit zu dieser Frage kundtun zu müs­sen“ (ebd.: 84). Andererseits kann durch die somit fehlende Distanzierung von einer Aussage auch auf eine gewisse Nähe zu ihrem Inhalt geschlossen werden, vor allen Dingen, wenn die befragte Person im Sinne der sozialen Erwünschtheit nicht ihre „wahre“ Nähe zum zu messen­den Merkmal kundtut.

In Anlehnung an den Rechtsextremismus-Fragebogen, welcher in der Leipziger Autoritaris­mus-Studie eingesetzt wird (vgl. Decker et al. 2020a: 34f.), wird je nach Grad der Zustimmung zu einem Item zwischen einer manifesten mid latenten Ausprägung einer Einstellung bzw. eines Merkmals unterschieden. Je nach Formulierung des Items erhält die jeweilige Antwortkategorie einen Skalenwert von 1 bis 5 (bzw. invertiert von 5 bis 1, darauf wird am Ende des Unterkapitels eingegangen), wobei 5 eine hohe Ausprägung des zu messenden Merkmals darstellt, 1 eine niedrige (siehe Tabelle 1). Durch diese Kodierung und die im vorherigen Unterkapitel beschrie­bene, dadurch mögliche Vergabe von Punktwerten für jede Antwortkategorie können die Ska­lenwerte zu einem sogenannten Summenscore für jede Person zusammengerechnet werden, welcher Auskunft über das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein einer bestimmten Eigen­schaft bei einer befragten Person gibt („ungewichteter additiver Index“, vgl. Völkl/Korb 2018: 24; Häder 2019: 102).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Übersicht der Antwortkategorien (eigene Darstellung in Anlehnung an Decker et al. 2020a: 35)

Zur Konstruktion des Fragebogens im Kontext dieser Arbeit wurden sowohl eigens formulierte als auch Items aus der Leipziger Autoritarismus-Studie (Decker et al. 2018a: 105 bzw. Decker et al. 2018b: 123; Decker et al. 2020a; Decker et al. 2020b: 201) eingesetzt, welche die in Ka­pitel 2.2.3 beschriebenen Ideologieelemente des Rechtsextremismus sowie die Merkmale einer Verschwörungsmentalität aufgreifen (siehe Kapitel 2.3.1). Mit Blick auf die bisherigen Über­legungen dieser Arbeit winden folgende, teils leicht modifizierte Items aus der LAS für die Befragung als besonders geeignet erachtet:

a. ) Das oberste Ziel deutscher Politik sollte es sein, Deutschland die Macht mid Geltung zu verschaffen, die ihm zusteht.
b. ) Wir sollten endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl haben.
c. ) Es sollte sich in der deutschen Erinnerungskultur weiterhin viel mit dem Holocaust be fasst und kein Schlussstrich gezogen werden.3
d. ) Deutschland ist durch die vielen ausländischen Mitmenschen in einem gefährlichen Maße überfremdet.
e. ) Bei der Prüfung von Asylanträgen sollte der Staat großzügig sein.4
f. ) Die Politik wird von einer Gruppe geheimer Eliten gesteuert.5 Items a.) und b.) dienen in diesem Kontext der Messung des Merkmals „Chauvinismus“, da die Aussagen nach Decker et al. (2020a: 42) „ein übersteigertes und gegenüber Dritten aggressives Nationalgefühl“ implizieren und somit dem rechtsextremen Ideologieelement der Überbewer­tung ethnischer Zugehörigkeit zuzuordnen sind (vgl. Pfahl-Traughber 2019: 31). Item c.) be­zieht sich auf die Frage nach dem Umgang mit dem Holocaust in der Nachkriegszeit und kann die mögliche Forderung nach einem „Schlussstrich“ seitens der Befragten erfassen, womit eine sekundäre antisemitische Einstellung vorliegen würde (vgl. Bergmann 2006; Imhoff 2020: 74; Rommelspacher 1995: 36f.). Items d.) und e.) werden in der LAS zur Messung der rechtsextre­men Merkmale „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ bzw. „Fremdenfeindlichkeit“ ver­wendet (vgl. Decker et al. 2018a: 112; Decker et al. 2020a: 43; Pfahl-Traughber 2019: 32). Bei Item f.) handelt es sich um ein in ihrer Formulierung abgewandeltes Item aus der LAS, welches dort zur Messung einer Verschwörungsmentalität Verwendung findet (vgl. Decker et al. 2020b: 201). Die eigens formulierten Items i.) und j.) bedienen unter der offenen Benennung jüdischer Ak­teurinnen „klassische“ antisemitische Stereotype und dienen somit der Messung explizit anti­semitischer Einstellungen (vgl. Butter 2020). Angesichts struktureller Überschneidungen kom­men diese Items neben den Items f.) bis h.) sowie k.) bis m.) auch zur Erfassung einer vorlie­genden Verschwörungsmentalität zum Einsatz: g. ) Die Pharmaindustrie hat das Coronavirus in die Welt gesetzt.
h. ) Die Politik- und Finanzelite schlägt gezielt wirtschaftlichen Profit aus der Corona-Pan­demie.
i. ) Im Internet kursiert das Gerücht, dass eine jüdische Gruppierung das Coronavirus in einem israelischen Labor erschaffen hat, um die Wirtschaft lahmzulegen und finanziel­len Profit daraus zu ziehen. Für wie glaubwürdig halten Sie diese Aussage?
j. ) Politiker sind Marionetten der jüdischen Finanzelite.
k. ) Der Klimawandel ist eine ernstzunehmende Bedrohung.
l. ) Das Coronavirus ist eine ernstzunehmende gesundheitliche Gefahr.
m. ) Impfungen richten mehr Schaden an als dass sie nutzen. Item i.) bezieht sich auf ein Gerücht, welches im Rahmen eines „ZDFheute“-Artikels als Bei­spiel für eine kursierende Verschwörungserzählung im Kontext der Corona-Pandemie genannt wurde (vgl. ZDFheute 2020). Das Item ist weniger direkt formuliert als Item j.) und soll durch die Äußerungsform der Umwegkommunikation (siehe hierzu Kiess et al. 2020: 221) eine ex­plizit antisemitische Einstellung messen. Bei den Aussagen k.), l.) und m.) handelt es sich zwar nicht um Verschwörungserzählungen, dennoch könnte aufgrund der ihnen inhärenten Skepsis gegenüber dem wissenschaftlichen Konsens (vgl. Unterkapitel 2.4.4) bei Nichtzustimmung bzw. Zustimmung im Falle von Item m.) durch die Befragten auf ein in Zügen verschwörungsideologisch geprägtes Denken ge­schlossen werden. Den Items f.) bis m.) liegt somit ein von Verschwörungsnarrationen gepräg­tes Deutungsmuster, entweder in Bezug auf die Corona-Pandemie oder allgemein auf gesell­schaftlich-politische Machtverhältnisse, zugrunde. Auch wenn der überwiegende Teil der politischen Szene von Querdenken und Co. offen rechts­extremen Aussagen tendenziell ablehnend gegenüberzustehen scheint (vgl. Nachtwey et al. 2020: 30f.), werden immer wieder Reichsflaggen und ähnliche von der rechtsextremen Szene verwendeten Symbole auf einschlägigen Demonstrationen gesichtet. Insofern ist es von Inte­resse, ob bzw. inwiefern die Befragten sich von rechten Akteurinnen auf den Corona-Protesten distanzieren, wofür folgendes Item in den Fragebogen aufgenommen wird: n. ) Es wäre gut, wenn an Demonstrationen wie denen von „Querdenken“ keine Rechten, Rechtsradikalen oder Rechtsextremisten teilnehmen würden. Darüber hinaus soll mit Blick auf die Cultural-Backlash-These (vgl. Pickel/Yendell 2018: 234f.) die Positionierung der Befragten zur Globalisierung in Bezug auf die BRD erhoben wer­den: o. ) Die Globalisierung bringt für Deutschland mehr Vorteile als Nachteile. Über eine Unzufriedenheit in Bezug auf die individuelle Finanz- und Lebenssituation der Be­fragten könnte des Weiteren die Beantwortung folgender Items Auskunft geben: p. ) Wie hat sich seit dem ersten Corona-Lockdown (März 2020) Ihre finanzielle Situation geändert?
q. ) Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer eigenen wirtschaftlichen Situation?
r. ) Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig, alles in allem, mit Ihrem Leben? In Bezug auf die Funktionsfähigkeit des politischen Systems der BRD sowie auf eine Skepsis gegenüber der deutschen Medienlandschaft können die Befragten eine etwaige dahingehende Unzufriedenheit mittels dieser Items zum Ausdruck bringen: s. ) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer Staat.
t. ) Die wirtschaftlichen Gewinne werden heute in der Bundesrepublik im Großen und Ganzen gerecht verteilt.6
u. ) Wie zufrieden oder unzufrieden sind Sie - alles in allem - mit der Demokratie, so wie sie in Deutschland besteht?
v. ) Das derzeitige politische System in Deutschland sollte abgeschafft und mit einem anderen System ersetzt werden.
w. )Die von der Bundesregierung verhängten Maßnahmen zur Eindämmung der Corona- Pandemie sind richtig und verhältnismäßig.
x. ) Die deutsche Medienlandschaft zeichnet sich insgesamt durch eine objektive und sachliche Berichterstattung aus.

Darüber hinaus umfasst der Fragebogen einige Hybridfragen, die etwa der Erfassung von De­monstrationserfahrung und einer etwaigen Migrationsgeschichte7 der Befragten dienen sollen, sowie zwei offene Fragen, in denen die Befragten ihre Hauptbeweggründe für die Teilnahme an der Veranstaltung schildern und einen Kommentar hinterlassen können. Diese Items sind zur Beantwortung der Hypothesen zwar nicht relevant, durch die zusätzlichen Aufgaben bzw. Fragen soll jedoch sichergestellt werden, dass das zentrale Forschungsinteresse - nämlich die Erfassung von rechtsextremem Gedankengut und Verschwörungsglauben innerhalb der politi­schen Szene der Corona-Kritiker*innen - nicht zu sehr im Mittelpunkt steht und die Befragten sich durch die Vielzahl von Items mit rechtsextremen bzw. von Verschwörungsideologie ge­prägten Inhalt nicht vorverurteilt fühlen. Auf die betreffenden Items wird in der Auswertung und Analyse inhaltlich jedoch nicht weiter eingegangen.

Ferner kommen im Fragebogen sowohl Items zum Einsatz, bei denen ein niedriger Grad an Zustimmung auf ein vorliegendes rechtsextremes Einstellungsmerkmal hindeutet, etwa im Falle von Item c.) („Schlussstrichforderung“), als auch Items, bei denen im Gegensatz dazu ein hoher Grad an Zustimmung auf eine solches Einstellungsmerkmal hindeutet, beispielsweise bei Item d.) (Ansicht, Deutschland sei „überfremdet“). Auf diese Weise soll einer möglichen Zu­stimmungstendenz („Akquieszenz“) der Befragten, welche zu einer systematischen Verzerrung der Ergebnisse führen würde, vorgebeugt werden (siehe hierzu Häder 2019: 228).

Die Reihenfolge der Items im Fragebogen unterscheidet sich zudem von der in diesem Kapitel dargestellten Reihenfolge, um Sukzessionseffekte zu minimieren und einigen dramaturgischen Anforderungen an einen Fragebogen gerecht zu werden (siehe hierzu Porst 2014: 137ff.).

Um die in Unterkapitel 2.5 aufgestellten Hypothesen überprüfen zu können, müssen diejenigen Items, welche die für die Beantwortung der Hypothesen relevanten Merkmale und Einstellun­gen erheben, bestimmt werden. Bis auf die Hypothesen 4, 5 und 8 beziehen sich alle Hypothe­sen auf Verschwörungserzählungen. Demnach kommen hierfür die oben aufgeführten Items f.) bis m.) zum Einsatz, welche von Verschwörungsideologie geprägte Aussagen beinhalten.

Im Falle der Hypothesen 5 bis 8 wird zudem auf extrem rechte politische Ansichten Bezug genommen, welche durch die Items a.) bis e.) sowie i.), j.) und n.) gemessen werden. Die Hy­pothesen 8 und 9 behandeln die Rolle einer allgemeinen Unzufriedenheit in Bezug auf rechts­extreme Ansichten und eine Verschwörungsmentalität, weshalb die Items o.) bis x.) zur Mes­sung einer solchen Unzufriedenheit eingesetzt werden.

Aus diesem Aufbau lassen sich die drei benannten Kategorien Verschwörungsmentalität, (ext­rem) rechte Einstellungen sowie eine allgemeine Unzufriedenheit als Dimensionen auffassen, die zusammengenommen zur Erklärung des politisches Weltbilds der Corona-Kritiker*innen beitragen sollen.

Die Ergebnisse der Items zur Messung der jeweiligen Dimensionen werden auf dieser Basis unter Ausschluss fehlender Werte zusammengefasst in einer Skala aufgeführt. Auf Grundlage von im Statistikprogramm SPSS durchgeführten Reliabilitätstests wurden die Kategorien „(ext­rem) rechte Einstellungen“ (a = 0,727, vgl. Anhang 2.1), „Verschwörungsmentalität“ (a = 0,724, vgl. Anhang 2.2.2) sowie „allgemeine Unzufriedenheit“ (a = 0,769, vgl. Anhang 2.3) für reliabel erachtet.

Der Reliabilitätstest für die Kategorie „Verschwörungsmentalität“ hat gezeigt, dass die Items h.) („Die Politik- und Finanzelite schlägt gezielt wirtschaftlichen Profit aus der Corona-Pande­mie“) und k.) („Der Klimawandel ist eine ernstzunehmende Bedrohung“) nicht zur Messung des übergeordneten Merkmals „Verschwörungsmentalität“ passen (also zu einer Nichtreliabi­lität führen).8 In der weiteren Analyse werden die Items deshalb zwar noch deskriptiv aufgeführt, jedoch - abweichend von den hier dargestellten Inhalten der Merkmalsdimension - in die in Kapitel 4.2 folgende statistische Überprüfung der Hypothesen, zumindest im Rahmen der benannten Skalen, nicht miteinbezogen. Abgesehen hiervon lässt sich insgesamt anhand der Reliabilitätstests jedoch feststellen, dass die theoretischen Überlegungen dieser Arbeit hinsicht­lich der jeweiligen Kategorien mit den Skalen in mathematischer Hinsicht hinreichend überein­stimmen.

In diesem Zusammenhang sollte angemerkt werden, dass es im Kontext dieser Arbeit in Ab­grenzung zu Decker et al. (2020a: 50ff.) viel mehr um das Aufzeigen allgemein vorhandener rechtsextremer Einstellungen auf den Protestveranstaltungen geht als um die Feststellung des Anteils der Protestteilnehmenden mit einem geschlossen rechtsextremen Weltbild.

Mit Blick auf die chiffriert antisemitischen Denkmuster, welche oftmals mit einer Verschwö­rungsmentalität einhergehen, kann zudem die Frage nach der Trennschärfe zwischen den Merk­malen „(extrem) rechte Einstellungen“ und „Verschwörungsmentalität“ aufgeworfen werden. Auch wenn Antisemitismus zu den zentralen Ideologieelementen des Rechtsextremismus zählt, werden chiffriert antisemitische Einstellungsmuster aufgrund des thematischen Schwerpunkts dieser Arbeit auf deren Rolle im Zusammenhang mit Verschwörungserzählungen im Kontext der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen gesondert von anderen Merkmalen einer rechtsext­remen Gesinnung (wie etwa expliziter Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit oder Chauvinis­mus) betrachtet.

In der wissenschaftlichen Praxis ist es üblich und vorgesehen, im Vorfeld einer Befragung einen oder mehrere Pretests durchzuführen, mitunter um etwaige Verständnisschwierigkeiten in Be­zug auf die Frageformulierung zu erkennen und das Funktionieren des Fragebogendesigns, ide­alerweise unter Feldbedingungen, zu überprüfen (Häder 2019: 412). Aufgrund der epidemiolo­gischen Lage sowie einer recht kurzfristigen finalen Bekanntgabe des Termins und der Details der Demonstration, auf welcher die Befragung durchgeführt werden sollte, ergaben sich in die­ser Hinsicht jedoch Limitationen.

Der Link zum Pretest auf dem Online-Befragungstool „SoSci Survey“, auf dem der Fragebogen programmiert wurde, wurde im Vorfeld der Demonstration an willkürlich ausgewählte Follo- wer*innen der Facebook-Seite „Bewegung Leipzig / Querdenken-341“ versendet, von denen allerdings niemand schriftliche Anmerkungen zu einzelnen Items verfasste. Darüber hinaus wurde der Link zum Pretest jedoch auch an einige Studierende verschickt. Diese äußerten be­züglich des Fragebogens eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen, welche im Anschluss ein­gearbeitet wurden. Trotz dieser suboptimalen Grundlage wurde sich dazu entschieden, die Be­fragung durchzuführen, wobei daraus resultierende etwaige Problematiken in Unterkapitel 5.1 reflektiert werden.

3.2.3 Durchführung der Befragung und Beschreibung der Stichprobe

Im Folgenden wird sich mit der Durchführung der Erhebung des Datenmaterials sowie der Be­schreibung der Stichprobe auseinandergesetzt. Der im vorherigen Unterkapitel beschriebene Fragebogen wurde am 7. November 2020 auf der „Querdenken“-Großdemonstration in Leipzig sowie bei der dazugehörigen Kundgebung am Abend des 6. November 2020 („Vor-Demo in Leipzig zur Großdemo am Samstag“, vgl. Paffenholz 2020) unter Personen verteilt, die auf Nachfrage geäußert haben, an der Großdemonstration am Folgetag teilzunehmen. Darüber hin­aus wurde der Fragebogen im Zeitraum vom 3. bis zum 12. November 2020 an diejenigen Mit­glieder der Telegram-Chatgruppe „Querdenken 341 - Leipzig“ und an diejenigen Follower*in- nen der Facebook-Seite „Bewegung Leipzig / Querdenken-341“, welche in Kommentaren oder Chatnachrichten ihre Teilnahme an der Großdemonstration bekundet haben, in digitaler Form verschickt. Dies erfolgte in Form eines personalisierten Links zum Online-Befragungstool „SoSci Survey“. Durch die Kombination aus Online- und vor-Ort-Rekrutierung der Befragten wurde sich eine insgesamt höhere Zahl von Teilnehmenden an der Befragung erhofft.

Die geschätzte Zahl der Demonstrationsteilnehmenden am 7. November 2020 beläuft sich auf rund 45.000 Personen (Kaul/Pittelkow 2020; Stach/Hartmann 2020), bei der Vor-Demonstra- tion am 6. November 2020 auf etwa 200 Personen (MDR Sachsen 2020), wobei die exakte Anzahl der Teilnehmenden an den beiden Veranstaltungen unklar ist. Hierbei handelt es sich um die Grundgesamtheit (GG) der Befragung. Die aus dem Datenmaterial gewonnenen Er­kenntnisse beziehen sich demnach nur auf die Protestveranstaltungen in Leipzig, wobei in Un­terkapitel 5.2 mögliche Schlüsse auf die Bewegung als Ganze diskutiert werden.

Bei dieser Art der Datenerhebung handelt es sich somit um eine nicht-experimentelle Quer­schnittsbefragung, da die Daten in einem bestimmten zeitlichen Rahmen in Bezug auf ein be­stimmtes Ereignis erhoben wurden und jede teilnehmende Person nur einmal befragt wurde. Die erhobenen Daten sind somit als explorative „Bestandsaufnahme“ zu betrachten.

Der Feldzugang erfolgte bei der Vor-Demonstration am 6. November 2020 durch ein zwei­köpfiges, bei der Großdemonstration am 7. November 2020 durch ein dreiköpfiges Team, wel­ches die Papierfragebögen unter Partizipierenden der Demonstration verteilte.

Hierbei ergab sich angesichts der epidemiologischen Lage die Limitation, dass es dem Befra­gungsteam bei der Großdemonstration nur möglich war, den Fragebogen am äußersten Rand der Protestveranstaltung (hauptsächlich auf dem Leipziger Johannisplatz) anstatt auf dem Au- gustusplatz, auf welchem die Veranstaltung offiziell abgehalten wurde, zu verteilen. In diesem Rahmen wurde die Befragung unter zufällig ausgewählten Personen durchgeführt, die sich nach eigener Aussage auf dem Weg zu oder auf dem Rückweg von der Demonstration befanden.

Angesichts dessen sowie aufgrund des Umstands, dass in der verwendeten Telegram-Gruppe bzw. auf der entsprechenden Facebook-Seite sowie auf der Vor-Demonstration am 6. Novem­ber 2020 bestimmte Teile der Protestierenden möglicherweise in einem anderen Verhältnis als auf der Großdemonstration am 7. November 2020 vertreten waren und die online kontaktierten Teilnehmenden eher systematisch als zufällig ausgewählt wurden, ergeben sich zudem weitere Limitationen hinsichtlich einer möglichen Generalisierbarkeit der Befunde. Hieraus resultie­rende mögliche Konsequenzen werden in Kapitel 5.1 diskutiert.

Nach Ausfüllen des Papierfragebogens durch die Teilnehmenden wurde dieser nicht auf die befragte Person rückverfolgbar in einer blickundurchlässigen Wettbewerbsurne gesammelt. Al­ternativ zur Befragung mittels Papierfragebögen hatten teilnahmewillige Personen die Mög­lichkeit, mittels eines personalisierten QR-Codes online auf SoSci Survey an der Umfrage teil­zunehmen. Von dieser Möglichkeit nahmen auf beiden Veranstaltungen zusammengenommen 16 Befragte Gebrauch, 76 Personen entschieden sich für die Paper & Pencil-Variante. Darüber hinaus bearbeiteten 17 der über Telegram und Facebook kontaktierten Menschen den Fragebo­gen online. Der Fragebogen wurde also insgesamt von 110 Personen bearbeitet. Somit handelt es sich im methodischen Sinne um eine Teilerhebung (vgl. Tausendpfund 2018: 209).

Die Teilnahmebereitschaft der vor Ort angefragten Demonstrationsteilnehmenden war mit ca. 40 % vergleichsweise hoch, unter den via Facebook und Telegram kontaktierten Personen lag diese bei 33,3 %. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die erhobenen Daten in zusammenge­fügter Form ausgewertet, da es sich bei allen Befragten um Personen handelt, die an der De­monstration teilgenommen oder dies zumindest bekundet haben.

4 Ergebnisse

In diesem Kapitel soll mit Blick auf die Forschungsfrage bzw. die Hypothesen dieser Arbeit die Auswertung der erhobenen Daten erfolgen. Zu diesem Zweck wurden die ausgefüllten Papier- und Online-Fragebögen mit SPSS in einen Datensatz übertragen. Im Zuge der Datenaufberei­tung wurden die Variablen mit einer stichwortartigen Bezeichnung versehen, die Antwortkate­gorien unter Beachtung des dem jeweiligen Item zugrundeliegenden Skalenniveaus entspre­chend kodiert und fehlende Werte definiert.

Zunächst werden wesentliche deskriptive Ergebnisse in Bezug auf soziodemografische Merk­male der Befragten sowie auf die in Unterkapitel 3.2.2 diskutierten Merkmale „Verschwörungs­mentalität“, „(extrem) rechte Einstellungen“ sowie „allgemeine Unzufriedenheit“ vorgestellt, die darauffolgend mit der Forschungsfrage und den Hypothesen verknüpft werden. Letztere werden mittels bivariater und multipler Regressionsanalysen überprüft, deren allgemeiner Zweck in Unterkapitel 4.2 kurz erläutert wird.

Bei der Auswertung der Daten hat sich gezeigt, dass viele Befragte den Fragebogen nur teil­weise ausgefüllt und einzelne Items entweder übersprungen oder die Bearbeitung des Fragebo­gens abgebrochen haben. Bei 90,9 % der ausgefüllten Fragebögen wurde mindestens ein Item nicht bearbeitet, auch wenn der Großteil der Befragten den überwiegenden Teil des Fragebo­gens ausgefüllt hat. Auf somit entstandene Schwankungen in Bezug auf die itemspezifische Anzahl der Befragten wird im weiteren Verlauf der Datenauswertung inhaltlich nicht eingegan­gen.

4.1 Deskriptive Ergebnisse

4.1.1 Soziodemografische Merkmale

Innerhalb der Stichprobe ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichen; unter den befragten Per­sonen geben 52,3 % an, weiblich zu sein, der gesamte Rest identifiziert sich als männlich. Die Antwortkategorie „divers“ wurde von keiner teilnehmenden Person ausgewählt.

Bei der Altersverteilung fällt auf, dass knapp die Hälfte der Teilnehmenden zum Befragungs­zeitpunkt nach eigenen Angaben älter als 50 Jahre alt war. Dies liegt über dem bundesdeutschen Medianalter von 45 Jahren (UNdata 2021). Das Alter der jüngsten befragten Person betrug zum Zeitpunkt der Befragung 15 Jahre, die älteste Person war 63 Jahre alt.

Bemerkenswert ist der Umstand, dass die Befragten zum großen Teil erhebliche Anfahrtswege von bis zu 12 Stunden, im Mittel 4 Stunden und 17 Minuten, in Kauf genommen haben und zu einem überwiegenden Teil (75,5 %) aus den ehemaligen westdeutschen Bundesländern (ohne Berlin) angereist sind. Die meisten Befragten geben mit 21,5 % an, in Baden-Württemberg wohnhaft zu sein, gefolgt von Sachsen (16,4 %) und Bayern (14,5 %).

Die Stichprobe weist darüber hinaus eine im bundesdeutschen Vergleich hohe akademische Prägung auf. So geben 42 % der Befragten an, ein Hochschulstudium abgeschlossen zu haben, was deutlich über dem bundesdeutschen Anteil von 18,5 % liegt (vgl. Statistisches Bundesamt 2021a). Ein ähnlicher Überhang lässt sich auch bei der Einkommensverteilung beobachten:

58.1 % der Befragten geben an, über ein höheres Nettoeinkommen als 2000 Euro monatlich zu verfügen. Dementsprechend kann konstatiert werden, dass es sich bei einem Gros der Befragten um Personen mit einem überdurchschnittlichen Einkommen handelt (vgl. Statistisches Bundes­amt 2021b). Für eine ausführlichere soziodemografische Beschreibung der Stichprobe siehe Anhang 3.

4.1.2 Politisches Profil

4.1.2.1 Parteipräferenz und Links-Rechts-Selbsteinordnung

Bei der politischen Zusammensetzung lassen sich in Bezug auf die Parteipräferenz der Befrag­ten einige Auffälligkeiten feststellen (n = 77). Unter allen Parteien ist die AfD mit 11,7 % in­nerhalb der Stichprobe die Partei mit dem höchsten Zuspruch, gefolgt von Bündnis 90/Die Grü­nen (9,1 %), Die Linke (7,8 %), der im Zuge der Kritik an den Corona-Maßnahmen gegründeten Partei „WiR2020“ (5,2 %), der CDU/CSU (2,6 %) und der FDP (1,3 %). Die SPD wird von keiner befragten Person genannt. Neben den sehr seltenen Nennungen der bundesregierenden Parteien CDU/CSU und SPD sticht jedoch vor allen Dingen der Umstand ins Auge, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmenden der Befragung (55,8 %) angeben, keiner politischen Partei nahe zu stehen. Es handelt sich hierbei also möglicherweise um gewohnheitsmäßige Nichtwäh­lerinnen oder um Personen, die ihre bisherige Parteibindung im Zuge der Corona-Pandemie aufgegeben haben.

Um dies zu überprüfen, wurde im Fragebogen anschließend auch explizit danach gefragt (n = 85). Hier geben 41,2 % an, allgemein über keine Parteipräferenz zu verfügen. 32,9 % der Be­fragten bekunden, ihre bisherige Parteibindung im Zuge der Corona-Pandemie aufgegeben zu haben, wovon die Parteien WiR2020 (9,4 %), AfD (4,7 %), dieBasis (4,7 %) sowie die Neue Mitte (1,2 %) profitieren. 8,2 % geben an, trotz vorheriger Parteibindung seit der Corona-Pan­demie keiner Partei mehr nahe zu stehen. Es kann somit festgehalten werden, dass es sich bei den Befragten zu wesentlichen Teilen um Personen handelt, die sich keiner Partei zugehörig fühlen oder die sich von den im Bundestag vertretenen Parteien, mit Ausnahme der AfD, ent­fernt haben.

Im politischen Links-Rechts-Kontinuum (n = 74) verortet sich die Mehrzahl der Befragten in der politischen Mitte (58,1 %) und politisch links der Mitte (29,7 %). Dementsprechend fühlen sich 12,3 % der Befragten dem rechten Teil des politischen Spektrums zugehörig.

Im Folgenden werden die deskriptiven Ergebnisse der entworfenen Skalen und die dazugehö­rigen Items dargestellt, wobei die beiden Items i.) und j.) mit ihren primären bzw. explizit anti­semitischen Implikationen sowohl in der Skala zur Messung (extrem) rechter Einstellungen als auch in der Skala zur Messung einer Verschwörungsmentalität aufgeführt werden.

4.1.2.2 (Extrem) rechte Einstellungen

Tabelle 2 zeigt die Zustimmungswerte zu den einzelnen Items, welche zur Messung rechter bzw. rechtsextremer Einstellungen in den Fragebogen aufgenommen wurden.

Die beiden chauvinistischen Aussagen a.) und b.) werden von den Befragten mit einem unter­schiedlichen Grad an Zustimmung bewertet. Rund drei Viertel der Personen, die das betreffende Item bearbeitet haben (73,8 %), distanzieren sich klar von der Aussage, deutsche Politik solle primär dem Erreichen der Macht und Geltung dienen, „die Deutschland zusteht“. Hingegen sind 79,5 % der Befragten der Ansicht, dass „wir“ endlich wieder Mut zu einem starken Natio­nalgefühl haben sollten (33,7 % latente Zustimmung, 45,8 % manifeste Zustimmung).

Bei der expliziten Benennung des Judentums als Verantwortliche für eine vermeintlich vorsätz­liche Verbreitung des Coronavirus reagieren die teilnehmenden Personen zurückhaltend; 90,8 % stimmen dem betreffenden Item nicht zu. In Bezug auf die allgemeine Rolle jüdischer Ak­teurinnen bei der grundsätzlichen politischen Einflussnahme verschiebt sich dieser Befund jedoch; die manifeste Zustimmung zur Aussage, Politiker seien „Marionetten der jüdischen Fi­nanzelite“, beträgt 14,9 % und weitere 17,6 % der untersuchten Stichprobe distanzieren sich nicht von dieser primären bzw. explizit antisemitischen Aussage. Somit ist diese Ansicht zu deutlichen Anteilen, nämlich zu knapp einem Drittel, unter den Befragten verbreitet.

Als sekundäre antisemitische Einstellung kann eine Nichtzustimmung zu Item c.) interpretiert werden. In Bezug auf den heutigen Umgang Deutschlands mit den in der NS-Zeit verübten Verbrechen spricht sich die überwiegende Mehrheit in latenter (34,8 %) und manifester Form (51,1 %) gegen die Ziehung eines „Schlussstrichs“ und für eine Fortführung des offiziellen Gedenkens an den Holocaust aus.

Mit den Items d.) und e.) sollte erfasst werden, inwieweit sich bei den Befragten fremdenfeind­liche Einstellungstendenzen im Sinne der rechtsextremen Ideologeme wiederfinden. Mehr als die Hälfte der Befragten (55,8 %) sehen Deutschland durch „die vielen ausländischen Mitmen­schen“ in einem „gefährlichen“ Maße überfremdet, wobei 17,4 % diese Ansicht manifest ver­treten.

Knapp die Hälfte der Teilnehmenden der im Zuge dieser Arbeit erhobenen Stichprobe (48,8 %) spricht sich zudem manifest gegen eine „Großzügigkeit“ des Staates bei der Prüfung von Asyl­anträgen aus, weitere 36,6 % haben diesbezüglich latente Bedenken.

71,6 % der Befragten würden es explizit begrüßen, wenn rechte bzw. rechtsextreme Akteurin­nen den Corona-Protesten fernblieben. Somit distanziert sich der überwiegende Teil der Be­fragten auf Nachfrage deutlich von rechtem bzw. rechtsextremen Gedankengut.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2: Messung des Merkmals „(extrem) rechte Einstellungen“ auf Item-Ebene (in %, ohne fehlende Werte). Invertierte Items sind mit einem Steinchen (*) markiert (eigene Darstellung)

Aufgrund des Umstands, dass nicht alle Ideologieelemente eines rechtsextremen Weltbildes mithilfe entsprechender Items abgefragt wurden, kann keine Aussage über die Verbreitung ei­nes geschlossenen rechtsextremen Weltbildes bei den Befragten getroffen werden. In sich konsistente, extrem rechte Einstellungsmuster können dennoch 21,1 % der Befragten attestiert werden.9

4.1.2.3 Verschwörungsmentalität

Die Zustimmung zu Verschwörungserzählungen, die sich auf die Corona-Pandemie beziehen, fällt unter den Befragten sehr hoch aus. 88,5 % der Personen, die den Fragebogen bearbeitet haben, sind manifest davon überzeugt, dass „die Politik- und Finanzelite“ gezielt wirtschaftli­chen Profit aus der Corona-Pandemie zieht. Eine latente Ausprägung der Zustimmung zu dieser Aussage findet sich bei weiteren 5,7 % der Befragten wieder.

Dass die Pharmaindustrie für die Existenz des Coronavirus verantwortlich ist, nimmt 44,6 % der Befragten an (27,7 % manifest, 16,9 % latent). In Bezug auf die Rolle jüdischer Akteurin­nen im Kontext der Corona-Pandemie sowie ihrer grundsätzlichen politischen Einflussnahme wurden die Umfrageergebnisse zu den beiden Items i.) und j.) zur Messung primärer bzw. ex­pliziter antisemitischer Einstellungen bereits in Unterkapitel 4.1.2.2 beschrieben.

Die Annahme „geheimer Eliten“ als steuernde Instanz der Politik wird von der überwältigenden Mehrheit (82,4 %) der Befragten getragen, wobei mehr als die Hälfte (55,3 %) manifest von dieser Ansicht überzeugt ist.

Eine Skepsis gegenüber der Wissenschaft äußert sich insbesondere bei der Beurteilung der ge­sundheitlichen Gefährlichkeit des Coronavirus sowie beim Thema Impfungen. Bei exakt der Hälfte der Befragten kann eine manifeste Leugnung der vom Virus ausgehenden Gefahr kon­statiert werden, bei weiteren 39,5 % ist diese zumindest latent ausgeprägt. Nur 10,5 % stimmen hier mit dem wissenschaftlichen Konsens überein.

Ähnliches lässt sich im Kontext dieser Arbeit in Bezug auf die Einstellung zu Impfungen fest­stellen: Hier bekunden 56,3 % eine manifeste, 29,9 % eine latente Zustimmung zur Aussage, dass die schädliche Wirkung von Impfungen gegenüber deren Nutzen überwiege. Nur 13,7 % der Befragten sind demnach von der Wirksamkeit von Impfungen überzeugt. Die Skepsis ge­genüber der Wissenschaft scheint sich jedoch nur auf medizinische Bereiche, nicht aber auf den Klimawandel zu beziehen; etwas mehr als drei Viertel der Befragten (77,4 %) sehen in der globalen Erwärmung eine manifeste (45,4 %) oder latente Bedrohung (32 %).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 3: Messung des Merkmals „Verschwörungsmentalität“ auf Item-Ebene (in %, ohne fehlende Werte). Inver­tierte Items sind mit einem Steinchen (*) markiert (eigene Darstellung)

Verscliwönmgserzählungen finden somit unter den Befragten einen insgesamt großen Anklang. Eine Verschwörungsmentalität lässt sich bei 47,5 % der Befragten feststellen.10

4.1.2.4 Allgemeine Unzufriedenheit

In Tabelle 4 sind die Befragungsergebnisse zu den Items aufgeführt, die zur Messung einer allgemeinen Unzufriedenheit mit der politisch-gesellschaftlichen und eigenen aktuellen Situa­tion eingesetzt wurden.

Bei der überwältigenden Mehrheit von 87,1 %der Befragten handelt es sich um Personen, die in Bezug auf die Auswirkungen der Globalisierung auf Deutschland als globalisierungskritisch einzuordnen sind. Diese Einstellung kann bei annähernd der Hälfte (47,3 %) als manifest, bei weiteren 39,8 %als latent beschrieben werden.

Das politische System der Bundesrepublik Deutschland stößt in seiner gegenwärtigen Form bei vielen Befragten auf Ablehnung. Nur 10,1 % von ihnen bewerten dieses als Demokratie und lediglich 5,8 % der befragten Personen sind mit der allgemeinen Funktionsweise der Demokra­tie in Deutschland zufrieden.

Beinahe alle im Rahmen dieser Arbeit befragten Personen (97,8 %) sehen die wirtschaftlichen Gewinne in der Bundesrepublik ungerecht verteilt und 85,1 %wünschen sich einen politischen Umsturz. Aus der halboffen gestellten Anschlussfrage, welches politische System sich die Be­fragten wünschen, gibt die überwiegende Mehrheit „Demokratie“ (66,2 %) oder „Demokratie mit Volksentscheid“, „direkte Demokratie“ bzw. „Basisdemokratie“ (23,4 %) als präferiertes politisches System an (nicht in Tabelle 4 enthalten).

Die Unzufriedenheit mit der Politik äußert sich zudem in der Haltung zu den seitens der Regie­rung verhängten Corona-Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, welche aus­nahmslos alle Befragten für falsch und unverhältnismäßig halten.

Auch wenn sich bei mehr als einem Drittel der Personen in der Stichprobe (34,2 %) die eigene finanzielle Situation im Zuge der Corona-Pandemie verschlechtert hat, bekunden nur 11,7 % eine allgemeine Unzufriedenheit mit dieser. Etwas mehr als ein Viertel (27,9 %) der Befragten gibtan, „eher“ oder „sehr unzufrieden“ mit dem eigenen Leben zusein.

Die Ergebnisse deuten darüber hinaus auf einen ausgeprägten Unmut seitens der Befragten ge­genüber der deutschen Medienlandschaft hin. Beinahe alle Befragten (98,9 %) sprechen dieser eine allgemeine Objektivität und Sachlichkeit ab.

Eine allgemeine Unzufriedenheit der Befragten mit den politisch-gesellschaftlichen Verhältnis­sen sowie teils mitder persönlichen Situation lässt sich somitbei insgesamt 92,8 %der teilneh­menden Personen beobachten.11

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 4: Messung des Merkmals „allgemeine Unzufriedenheit“ auf Item-Ebene (in %. ohne fehlende Werte). In­vertierte Items sind mit einem Sternchen (♦) markiert (eigene Darstellung)

4.2 Statistische Überprüfung der Hypothesen

Zur Überprüfung der in Unterkapitel 2.4 aufgestellten Hypothesen wird im Folgenden von Re­gressionsanalysen Gebrauch gemacht. Hierbei handelt es sich um eine populäre statistische Analysemethode, welche auf die Untersuchung von Beziehungen zwischen einer abhängigen mid einer („bivariate Regressionsanalyse“) oder mehreren unabhängigen Variablen („multiple Regressionsanalyse“) abzielt. Sie kann zur Beantwortung von Hypothesen, die einen Zusam­menhang zwischen zwei Variablen vermuten, eingesetzt werden (Backhaus et al. 2018: 58ff). Zur empirischen Prüfung des Vorliegens eines linearen Zusammenhangs zwischen zwei oder mehi’ Variablen bedarf es bestimmter Modellprämissen, auf die im Rahmen dieser Arbeit aus Kapazitätsgründen nicht näher eingegangen wild (siehe hierzu ebd.: 89ff), welche auf Grund­lage entsprechend durchgeführter statistischer Tests jedoch als erfüllt betrachtet werden.

Hl: Der Glaube an eine klassische Verschwörungserzählung kann den Glauben an Verschwörungserzählungen, die sich auf die Corona-Pandemie beziehen, begünstigen.

In Bezug auf die aus der Befragung gewonnenen Daten postuliert die erste Hypothese, dass der Glaube an klassische Verscliwöningserzählimgen den Glauben an Verscliwöningserzählungen, die sich auf die Corona-Pandemie beziehen, fördern kann. Zur Überprüfung der Hypothese wird eine bivariate lineare Regression durchgeführt. Exemplarisch für eine klassische Verschwö- rungserzählung wird hier Item f.) als imabhängige Variable verwendet („Die Politik wird von einer Gruppe geheimer Eliten gesteuert“), als abhängige Variable kommt in diesem Zuge Item g.) zum Einsatz, welches eine Verschwörungserzählung mit Bezug zur Corona-Pandemie dar­stellt („Die Pharmaindustrie hat das Coronavirus in die Welt gesetzt“). Die Ergebnisse können der nachfolgenden Tabelle 5 entnommen werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 5: Bivariate lineare Regression zur Überprüfung von Hl (eigene Darstellung)

Das Regressionsmodell lässt mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von unter 5 % auf einen sig- iiifikanten (*), positiven Zusammenhang zwischen den beiden Variablen schließen. Somit kann Hypothese 1 bestätigt und davon ausgegangen werden, dass klassisch verschwörungsgläubige Personen neuartigen Verschwörungserzählungen, die sich auf die Corona-Pandemie beziehen, auch außerhalb der Stichprobe offen gegenüberstehen können. 6,8 % der Varianz der abhängi­gen Variable können durch den hier exemplifizierten klassischen Verschwörungsglauben auf­geklärt werden. Dies entspricht nach Cohen (1992: 99) einer mittleren Effekt stärke. Mit jeder Erhöhung des Grads der Zustimmung zur klassischen Verschwörungserzählung, die Politik werde von einer Gruppe geheimer Eliten gesteuert, erhöht sich die Zustimmung zur Aussage, die Pharmaindustrie habe das Coronavirus in die Welt gesetzt, um durchschnittlich 0,292 Ska­lenpunkte.

H2: Die Zustimmung zu einer klassischen, explizit antisemitisch formulierten Verschwörungs­erzählung kann die Zustimmung zu einer explizit antisemitisch formulierten Verschwörungs­erzählung mit Bezug zur Corona-Pandemie begünstigen.

Um Hypothese 2 zu überprüfen, wird im Rahmen einer einfachen linearen Regressionsanalyse exemplarisch der Einfluss der Zustimmung zu Item j.), einer klassischen Verschwörungserzäh­lung mit explizit antisemitischen Inhalt („Politiker sind Marionetten der jüdischen Finanzelite“) auf den Grad der Zustimmung zu Item i.) untersucht, einer ebenfalls explizit antisemitischen, jedoch auf die Corona-Pandemie bezogenen Verschwöningserzählung („Im Internet kursiert das Gerücht, dass eine jüdische Gruppierung das Coronavinis in einem israelischen Labor er­schaffen hat, um die Wirtschaft lahmzulegen und finanziellen Profit daraus zu ziehen. Für wie glaubwürdig halten Sie diese Aussage?“). Tabelle 6 zeigt das Ergebnis der Regressionsanalyse.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 6: Bivariate lineare Regression zur Überprüfung von H2 (eigene Darstellung)

Auch hier lässt sich auf Grundlage des Regressionsmodells konstatieren, dass mit einer Irrtums­wahrscheinlichkeit von weniger als 5 % ein signifikanter, positiver Zusammenhang zwischen den beiden Variablen vorliegt, der nicht durch Zufall zustande gekommen ist und daher auch in der Grundgesamtheit vorliegen dürfte. Hypothese 2 kann demnach bestätigt werden. Die Varianzaufklärung der abhängigen Variable beträgt 7,9 %, nach Cohen (1992: 99) handelt es sich somit um einen mittelstarken Effekt. Mit jeder Erhöhung des Grads der Zustimmung zur genannten klassischen, explizit antisemitischen Verschwörungserzählung steigt die Zustim­mung zur angeführten explizit antisemitischen Verschwöningserzählung mit Bezug zur Corona-Pandemie im Schnitt um 0,189 Skalenpunkte.

H3: Die Zustimmung zu einer Verschwörungserzählung mit Bezug zur Corona-Pandemie kann die Zustimmung zu einer klassischen, explizit antisemitisch formulierten Verschwö- rungserzählung begünstigen.

Hypothese 3 postuliert ein Gefahrenpotenzial, welches in einem Zusammenhang zwischen dem Glaube an Verschwönmgserzählungen mit Bezug zui Corona-Pandemie und der Zustimmung zu klassischen, explizit antisemitischen Verschwörungserzählungen liegt. Exemplarisch wurde zu diesem Zweck Item g.) als unabhängige Variable („Die Pharmaindustrie hat das Coronavirus in die Welt gesetzt“) und Item j.) als abhängige Variable fest gelegt („Politiker sind Marionetten der j üdischen F inanzelite“):12

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 7: Bivariate lineare Regression mit dem Bootstrapping-Verfahren zur Überprüfung von H3 (eigene Darstel­lung)

Aus dem statistischen Modell kann abgeleitet werden, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen den beiden Variablen vorliegt. Auch wenn ein positiver Zusammenhang innerhalb der Stichprobe beobachtbar ist, kann mit einer Wahrscheinlichkeit von über 5 % nicht hinreichend ausgeschlossen werden, dass es sich hierbei um ein zufällig entstandenes Muster handelt. Auf dieser Grundlage kann Hypothese 3 deshalb nicht bestätigt werden.

H4: Je ausgeprägter eine allgemeine Skepsis gegenüber Impfungen ist, desto eher wird die von Coronavirus ausgehende gesundheitliche Gefahr geleugnet.

Die Überprüfung von Hypothese 4 soll Aufschluss darüber geben, ob sich allgemeine Zweifel gegenüber der Schulmedizin in Form einer Impfskepsis auf eine Skepsis gegenüber dem medi­zinischen Konsens, dass von einer ernstzunehmenden gesiuidheitlichen Gefahr des Coronavirus auszugehen ist, übertragen lässt. Zu diesem Zweck winde eine bivariate lineare Regressions­analyse durchgefiihrt, wobei Item 1.) als abhängige Variable („Das Coronavirus ist eine emst­zunehmende gesundheitliche Gefahr“) und Item m.) als unabhängige Variable („Impfungen richten mehr Schaden an als dass sie nutzen“) definiert wurden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 8: Bivariate lineare Regression zur Überprüfung von H4 (eigene Darstellung)

Hypothese 4 kann mit einer hrtumswahrscheinlichkeit von weniger als 0,1 % bestätigt werden. Der Einfluss einer allgemeinen Impfskepsis auf die Leugnung der gesundheitlichen Gefährlich­keit des Coronavirus ist höchst signifikant (***) und gilt somit auch für die Gnindgesamtheit. Eine graduelle Zunahme der Impfskepsis um einen Skalenpunkt führt zu einer durchschnittli­chen Zunahme der Leugnung der gesundheitlichen Gefahr des Coronavirus um 0,425 Skalen- pimkte. 20,7 % der Varianz der abhängigen Variable lässt sich durch die Impfskepsis als imab- hängige Variable erklären, wobei es sich nach Cohen (1992: 99) um einen starken Effekt han­delt.

Auf Grundlage des festgestellten positiven Zusammenhangs und der daraus abzuleitenden be­deutsamen Rolle der Wissenschaftsskepsis als gemeinsamen Nenner der verwendeten Variab­len wird nachfolgend eine multiple lineare Regression zur Überprüfung von H5 durchgefiihrt.

H5: Wissenschaftsskeptische Ansichten können die Zustimmung zu (extrem) rechten Aussagen begünstigen.

Die Hypothese geht von einem Zusammenhang zwischen wissenschaftsskeptischen Aussagen mid der Zustimmung zu rechtsextremen Ansichten aus. Als unabhängige Variablen wurden die Items k.) („Der Klimawandel ist eine emstzunehmende Bedrohung“), 1.) („Das Coronavirus ist eine einstzunehmende gesundheitliehe Gefahr“) imd in.) („Impfungen richten mehr Schaden an als dass sie nutzen“) ausgewählt, wobei es sich um Items handelt, die wissenschaftsskeptische Ansichten messen. Als abhängige Variable fungiert in diesem Fall die in Unterkapitel 4.1.2.2 vorgestellte Skala, welche auf Grundlage der Aufsummierung der in ihr enthaltenen Items die Ausprägung (extrem) rechter Einstellungen misst. Da sich die Skala ausschließlich aus aufsum­mierten, quasi-intervallskalierten Variablen zusammensetzt, erfüllt sie analog zu den einzelnen Items des Fragebogens die notwendigen Kriterien, um in einer linearen Regressionsanalyse verwendet werden zu können (vgl. Völkl/Korb 2018: 20). Tabelle 9 zeigt das Resultat der zur Überprüfung der Hypothese durchgeführten multiplen Regressionsanalyse.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 9: Multiple lineare Regression zur Überprüfung von H5 (eigene Darstellung)

Durch das vorliegende Regressionsmodell kann Hypothese 5 mit einer Irrtumswahrscheinlich­keit von unter 0,1 % bestätigt werden, womit die Voraussetzung für eine Generalisierbarkeit des Ergebnisses erfüllt ist. Das Modell insgesamt ist statistisch höchst signifikant und zeigt, dass 27,8 % der Varianz der abhängigen Variable durch die veiwendeten unabhängigen Vari­ablen erklärt werden kann, was nach Cohen (1992: 99) einem starken Effekt entspricht.

Weiterhin höchst signifikant ist hierbei der Einfluss der individuellen Einstellung dazu, ob es sich beim Klimawandel um eine emstzunehmende Bedrohung handelt. Dies stellt die unabhän­gige Variable mit dem gr ößten Einfluss auf die abhängige Variable dar. Mit einer Irrtumswahr- scheinlichkeit von unter 0,1 % kaim davon ausgegangen werden, dass es sich um einen nicht durch Zufall entstandenen positiven Zusammenhang zwischen dieser Ansichtund der Zustim­mung zu rechtsextremen Aussagen handelt, welche auf der 40-stufigen Rechtsextremismus­Skala mitjeder graduellen Erhöhung der Leugnung der vom Klimawandel ausgehenden Gefahr und bei Konstanthaltung der anderen unabhängigen Variablen um durchschnittlich jeweils 1,682 Skalenpunkte zunimmt. Somit kann dieser Zusammenhang auch in der Grundgesamtheit angenommen werden.

Das Regressionsmodell lässt zudem aufeine positiven, signifikanten Zusammenhang zwischen einer Leugnung der vom Coronavirus ausgehenden gesundheitlichen Gefahr und der Zustim­mung zu extrem rechten Aussagen, bei Konstanthaltung der anderen unabhängigen Variablen im Schnitt um 1,886 Skalenpunkte pro gradueller Erhöhung der Infragestellung der gesundheit­licher Gefahr des Coronavirus, schließen. Die Irrtumswahrscheinlichkeit beträgt unter 5 %, wo­mit dieser Zusammenhang auch außerhalb der Stichprobe auftreten dürfte. Innerhalb der Stich­probe begünstigt eine allgemeine Impfskepsis zwar das Vertreten rechtsextremer Ansichten, es kann jedoch nicht hinreichend ausgeschlossen werden, dass es sich hierbei um ein zufällig ent­standenes Muster handelt.

H6: Der Glaube an Verschwörungserzählungen, die sich inhaltlich auf die Corona-Pandemie beziehen, begünstigt die Zustimmung zu (extrem) rechten Aussagen.

In Hypothese 6 wird eine Anschlussfähigkeit zwischen coronabezogenen Verschwörungser­zählungen und rechtsextremem Gedankengut postuliert. Als unabhängige Variablen kommen die Items g.) („Die Pharmaindustrie hat das Coronavirus in die Welt gesetzt“) und h.) („Die Politik- und Finanzelite schlägt gezielt wirtschaftlichen Profit aus der Corona-Pandemie“) zum Einsatz, welche die Zustimmung zu Verschwörungserzählungen mit Bezug zur Corona-Pande- mie messen. Aufgrund der analog zur vorherigen Regressionsanalyse hier verwendeten Skala zur Messung rechtsextremer Einstellungsmuster als abhängige Variable wird hier Item i.) („Im Internet kursiert das Gerücht, dass eine jüdische Gruppierung das Coronavirus in einem israe­lischen Labor erschaffen hat, um die Wirtschaft lahmzulegen und finanziellen Profit daraus zu ziehen. Für wie glaubwürdig halten Sie diese Aussage?“) nichtin die Liste unabhängiger Vari­ablen aufgenommen, da sie, auch wenn sie die Zustimmung zu einer Verschwörungserzählung mit Bezug zur Corona-Pandemie misst, bereits Bestandteil der genannten Skalaund somit der abhängigen Variable ist. Tabelle 10zeigt das Ergebnis der multiplen linearen Regression.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 10: Multiple lineare Regression zur Überprüfung von H6 (eigene Darstellung)

Aus der Tabelle lässt sich entnehmen, dass es sich um ein statistisches Modell handelt, welches nicht gegen den Zufall abgesichert werden kann. Es kann kein statistisch signifikanter Zusam­menhang zwischen einem coronabezogenen Verschwönuigsglauben und der Zustimmung zu (extrem) rechten Aussagen festgestellt werden, weshalb Hypothese 6 als falsifiziert zu betrach­ten ist. Dies lässt jedoch offen, ob sich eine Verschwönmgsmentalität allgemein auf den Grad der Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen auswirkt. Von diesem Zusammenhang geht Hy­pothese 7 aus:

H7: Wenn eine Verschwörungsmentalität vorliegt, dann begünstigt das die Zustimmung zu (extrem) rechten Ansichten.

Im Rahmen einer bivariaten linearen Regressionsanalyse winden zur Überprüfung der Hypo­these die benannte Skala zur Messung rechtsextremer Einstellimgsinuster als abhängige Vari­able festgelegt, als unabhängige Variable findet eine abgewandelte Variante der in Unterkapitel 4.1.2.3 beschriebenen Skala zur Messung einer Verschwönmgsmentalität Verwendung. Diese besteht aus 5 Items, die im Gegensatz zur vorgestellten Skala zur Messung einer Verschwö­nmgsmentalität jedoch keine primären bzw. explizit antisemitisch formulierten Verschwö- nmgserzähhmgen beinhaltet. Diese finden sich bereits in der Skala zur Messung rechtsextremer Einstelhmgsmuster wieder. Damit die Items nicht sowohl in der unabhängigen als auch in der abhängigen Variable auftauchen, wurden sie zur Überprüfung von H7 aus der Skala zur Mes­sung einer Verschwönmgsmentalität entfernt. Item h.) wurde im Gegenzug wieder in die Skala aufgenommen („Die Politik- und Finanzelite schlägt gezielt wirtschaftlichen Profit aus der Corona-Pandemie“). Somit beträgt Cronbachs a = 0,693. Da die Skala weniger als sechs Items beinhaltet, wird ein Weil von Cronbachs a > 0,6 als ausreichend reliabel betrachtet (vgl. Riese/Reinliold 2014: 265).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 11: Bivariate lineare Regression zur Überprüfung von H7 (eigene Darstellung)

Mit einer hrtumswahrscheinlichkeit von imter 1 % kann Hypothese 7 bestätigt werden. Eine Verschwönmgsmentalität begünstigt mit jeder graduell höheren Ausprägung die Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen um durchschnittlich 0,547 Skalenpunkte. Der positive, hoch sig­nifikante (**) Zusammenhang lässt sich somit auf die Grundgesamtheit übertragen. 17 % der Varianz der abhängigen Variable kann durch eine Verschwönmgsmentalität erklärt werden, wobei es sich nach Cohen (1992: 99) um einen starken Effekt handelt.

H8: Eine allgemeine Unzufriedenheit begünstigt die Zustimmung zu (extrem) rechten Aussagen.

Hypothese 8 bezieht sich auf eine allgemeine Unzufriedenheit und eine damit einhergehende Begünstigung der Zustimmung zu (extrem) rechten Aussagen. Dementsprechend wurde die in Unterkapitel 4.1.2.4 vorgestellte Skala zur Messung einer allgemeinen Unzufriedenheit als un­abhängige Variable verwendet, als abhängige Variable kommt die Skala zur Messung rechts­extremer Einstellungsmuster zum Einsatz.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 12: Bivariate lineare Regression zur Überprüfung von H8 (eigene Darstellung)

Aus Tabelle 12 lässt sich ablesen, dass ein positiver, signifikanter Zusammenhang zwischen einer bekundeten allgemeinen Unzufriedenheit und der Zustimmung zu (extrem) rechten Aussagen bestellt, weshalb H8 bestätigt werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, fälschlicher­weise aiizunehmen, dass dieser Zusammenhang nicht für die Grundgesamtheit gilt, beträgt mi­ter 5 %. Mit jeder graduellen Zunahme der benannten Unzufriedenheit steigt die Ausprägung einer Verschwörungsmentalität im Schnitt um 0,348 Skalenpunkte. 11 % der Varianz der ab­hängigen Variable kann durch die veiwendete unabhängige Variable erklärt werden, was nach Cohen (1992: 99) einem mittleren bis starken Effekt entspricht.

H9: Eine allgemeine Unzufriedenheit begünstigt eine Versclrwörungsmentalität.

Der letzte in dieser Arbeit vermutete Zusammenhang bezieht sich auf eine unter den Teilneh­menden der Demonstration gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie am 7. November 2020 in Leipzig augenscheinlich verbreitete Verschwörungsmentalität, welche sich möglicherweise durch eine allgemeine Unzufriedenheit erklären lässt. Entsprechend wurde die Skala zur Messung dieser als unabhängige Variable und die Skala zur Messung einer Ver­schwörungsmentalität (in ihrer ursprünglichen Form) als abhängige Variable definiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 13: Bivariate lineare Regression zur Überprüfung von H9 (eigene Darstellung)

Hypothese 9 kann ebenfalls bestätigt werden. Der positive Zusammenhang zwischen einer all­gemeinen Unzufriedenheit und einer Verschwörungsmentalität ist höchst signifikant, mit einer Inlumswahrscheinlichkeit von weniger als 0,1 % nicht auf Zufall zurückzufuhren und somit für die Grundgesamtheit generalisierbar. Wenn die Ausprägung der Unzufriedenheit um eine Ska- leneinheit steigt, begünstigt das eine Verschwöningsmentalität um durchschnittlich 0,424 Ska­lenpunkte. 22 % der Varianz der abhängigen Variable kann durch eine allgemeine Unzufrie­denheit erklärt werden, es handelt sich somit um einen starken Effekt (vgl. Cohen 1992: 99).

5 Diskussion und Einordnung der Ergebnisse

5.1 Limitationen

Bevor die vorgestellten Befunde mit Blick auf die dieser Arbeit zugrunde liegende Forschungs­frage diskutiert und eingeordnet werden, soll an dieser Stelle zunächst über die Limitationen in Bezug auf die Aussagekraft der Ergebnisse der durchgeführten Befragung reflektiert werden. Diese konstituieren sich zum einen aus der gewählten quantitativen Vorgehensweise, zum an­deren aus einer begrenzten Verfügbarkeit von Ressourcen. Das von der quantitativen For­schungslogik angestrebte Ziel der Generalisierbarkeit der Befunde erfolgt zulasten einer tiefge­henden Analyse der den einzelnen untersuchten Fällen inhärenten Mechanismen, die letztend­lich zu der Ausprägung eines entsprechenden Merkmals führen. Hierfür wäre eine qualitative Vorgehensweise sachdienlich gewesen, gegen die sich im Rahmen dieser Arbeit jedoch ausden in Kapitel 3.2.1 erläuterten Gründen entschieden wurde.

Weitere Limitationen ergeben sich aus einer Reihe von Gegebenheiten, durch welche die Durchführung der Befragung an Grenzen gekoppelt war. Die in Unterkapitel 3.2.2 näher be­schriebenen Umstände der begrenzten Möglichkeit der Durchführung eines Pretests könnten den hohen Anteil der Befragten erklären, die den Fragebogen nicht vollständig bearbeitet ha­ben. Andererseits finden sich insbesondere bei „heiklen“ Items ähnlich hohe Werte im Rahmen anderer Befragungen (z. B. Nachtwey et al. 2020: 52f.). Hierfür könnten somit auch andere Gründe verantwortlich sein. Zudem hätten ausführlichere Pretests ggf. reliablere Skalen zur Messung der einzelnen Merkmale und damit eine verlässlichere Beurteilung der Erkenntnisse sicherstellen können, wobei dieim Rahmen dieser Arbeit verwendeten Skalen noch als akzep­tabel zu bewerten sind.

Aufgrund der sich damit sowie der wegen limitierter Ressourcen und der durch die in Unterka­pitel 3.2.3 beschriebene, mitder epidemiologischen Lage verbundenen begrenzten Möglichkeit des Feldzugangs zu begründenden, für quantitative Befragungsverhältnisse recht geringen Fall­zahl muss an dieser Stelle auf eine möglicherweise limitierte Aussagekraft des Datensatzes ver­wiesen werden.

Diese ist ferner damit zu begründen, dass durch die Durchführung der Datenerhebung unter drei verschiedenen Rahmenbedingungen eine Über- oder Unterrepräsentation bestimmter Teile der Protestierenden vorliegen dürfte sowie durch die Verteilung der Fragebögen am äußersten Rand der Großdemonstration hierbei wohl der tendenziell gemäßigte Teil der Protestierenden an der Befragung teilgenommen hat, was zu einem gewissen Bias führen dürfte.

Darüber hinaus ist auf Grundlage der bisherigen Ausführungen dieser Arbeit anzunehmen, dass weitreichende Teile der politischen Szene der Corona-Kritiker*innen wissenschaftlichen und öffentlichen Institutionen gegenüber misstrauisch eingestellt sind und deshalb möglicherweise die Teilnahme an der Befragung systematisch abgelehnt haben. Somit könnte in der Grundge­samtheit die „tatsächliche“ Skepsis gegenüber diesen Institutionen ausgeprägter sein als in der Stichprobe.

Zudem dürfte trotz des Vorzugs der als anonymer befundenen Datenerhebung seitens der schriftlichen gegenüber der mündlichen Befragung (vgl. Bortz/Döring 2006: 237) sowie der darüber hinaus den Teilnehmenden zugesicherten Anonymität ferner das Problem der der Be­fragungsmethode inhärenten sozialen Erwünschtheit vorliegen (vgl. Tausendpfund 2018: 245). Auf gesellschaftlich umstrittene Meinungen bzw. „heikle“ Items könnte somit zurückhaltend oder unehrlich geantwortet worden sein.

Dem schließt sich die weitere Einschränkung ein, dass ausschließlich Teilnehmende der beiden Protestveranstaltungen in Leipzig befragt wurden. Mit Schlüssen auf entsprechende Veranstal­tungen an anderen Orten sowie auf die untersuchte politische Szene im Allgemeinen sollte des­halb zurückhaltend verfahren werden.

Aus den genannten Umständen folgt daher eine gewisse Diskrepanz zum Idealvorgehen im Kontext einer quantitativen Datenerhebung, weshalb die nachfolgenden Schlussfolgerungen aus den erhobenen Daten als explorative Ergebnisse verstanden werden sollen und somit kein Anspruch auf eine allgemeine Repräsentativität erhoben werden kann. Vor diesem Hintergrund können die Daten nichtsdestotrotz dazu dienen, sich dem Forschungsgegenstand allgemein an­zunähern und vorliegende Einstellungsmuster zu ermitteln, welche im Folgenden mit Blick auf die Forschungsfrage analysiert und interpretiert werden. Bei Items, die inhaltlich hinreichende Überschneidungen mit den in der Leipziger Autoritarismus-Studie (Decker et al. 2020a) sowie den in der Studie zur politischen Soziologie der Corona-Proteste von Nachtwey et al. (2020) verwendeten Items aufweisen bzw. mit diesen deckungsgleich sind, wird darüber hinaus zum Zwecke der gesellschaftlichen Verortung der Corona-Proteste ein Vergleich der jeweiligen Zu­stimmungswerte erfolgen.

5.2 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse

Ausgehend von den dargestellten soziodemografischen Merkmalen handelt es sich mit einem Medianalter von 50 Jahren um eine in ihrer Zusammensetzung vergleichsweise alte politische Bewegung mit einem ausgeglichenem Geschlechterverhältnis. Zudem lässt sich eine vorwiegend akademisch geprägte und in sozioökonomischer Hinsicht der oberen Mittelschicht zuzuordnende Protestgemeinschaft konstatieren.

Als Gemeinschaft ist diese auch durchaus zu betrachten; die von den Protestierenden in Kauf genommenen langen Anfahrtswege aus beinahe dem gesamten Bundesgebiet, insbesondere aus Süddeutschland, lassen auf eine hohe persönliche Relevanz des Protestanliegens bei den Teil­nehmenden schließen. Dies lässt darüber hinaus die Interpretation zu, dass sich die Großde­monstration als Ereignis von hoher Bedeutsamkeit für eine insgesamt über die BRD verstreute, aber dennoch eingeschworene Bewegung einstufen lässt. Aus diesem Grundsolltendie gewon­nenen Erkenntnisse nicht als Leipziger Spezifikum gewertet werden, denn auf anderen ein­schlägigen Protestveranstaltungen bzw. innerhalb der politischen Szeneum „Querdenken“ und Co.im Allgemeinen dürften sich somit ähnliche Verteilungen und Einstellungsmuster wieder­finden. Es bedarf jedoch weiterer empirischer Forschung, um in diesem Kontext ein klares Ur- teilfällenzu können.

In Bezug auf das politische Profil der Demonstrierenden fällt zunächst der sehr hohe Anteil an Personen auf, die sich keiner Partei zugehörig fühlen oder ihre Parteibindung im Zuge der Corona-Pandemie aufgegeben haben. Insbesondere die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD finden extrem niedrige bis gar keine Zustimmung. Der Umstand, dass sich diese Menschen zu großen Teilen in keiner politischen Partei repräsentiert sehen, spricht für ein ausgesproche­nes Gefühl der Entfremdung und Entfernung gegenüber dem politischen System und seinen Institutionen.

Diese äußert sich in einer stark ausgeprägten Unzufriedenheit; die politischen Strukturen in Deutschland werden weitestgehend als undemokratisch und ungerecht empfunden, weshalb sich das Gros der Befragten einen politischen Umsturz wünscht. Dass dieser Umsturz präferiert zu einer Demokratie führen soll, spricht weiterhin für die Wahrnehmung der aktuellen politi­schen Verhältnisse als undemokratisch und eine damit verbundene Unzufriedenheit.

In der Studie von Nachtwey et al. (2020: 38) äußert ebenfalls ein sehr geringer Anteil der Be­fragten (7,5 %) eine dahingehende Zufriedenheit.13 Diese Werte liegen deutlich unter denen in der restlichen Bevölkerung der BRD, in welcher 58,9 %eine Zufriedenheit mit der Demokratie, wie sie in Deutschland funktioniert, bekunden (Pickel et al. 2020: 98).

Dieser Befund unterstreicht das in Unterkapitel 2.4.1angesprochene scheinbar zentrale Narra­tiv der Corona-Kritiker*innen, nach welchem die BRD hinsichtlich verschiedener Aspekte Merkmale einer autoritären Diktatur aufweist bzw. sich zunehmend zu einer solchen entwickelt.

Das Gefühl der Entfremdung gegenüber öffentlichen Institutionen dürfte sich auch aus einem in den Protesten weit verbreiteten Misstrauen gegenüber der deutschen Medienlandschaft spei­sen, welcher seitens der Protestierenden eine allgemeine Voreingenommenheit und Unsach­lichkeit attestiertwird.

Ausden benannten Gründen sollten die vorliegenden Befunde als eine Unzufriedenheit inter­pretiert werden, die sichgrundlegend gegen staatliche und öffentliche Institutionen richtet und nicht gegen einzelne Aspekte des politischen Systems oder politische Maßnahmen.

Diese scheint im Zusammenhang mit der Verbreitung von Verschwörungserzählungen zu ste­hen, da die Protestierenden bei einer geäußerten diesbezüglichen Unzufriedenheit dazu neigen, entsprechenden NarrationenGlauben zu schenken.

Eine Verschwörungsmentalität ist mit 47,5 % unter den Protestteilnehmenden jedenfalls ver­breiteter als im Rest der in der BRD lebenden Bevölkerung, bei welcher dieser Wert bei 38,4 % liegt (Decker et al. 2020b: 201).14 Seitens der Demonstrationsteilnehmenden wird eine Reihe von Verschwörungen angenommen, die sich insbesondere auf „geheime“, nicht näher spezifi­zierte Mächte beziehen, die vermeintlich „im Hintergrund“ agieren und politischen Akteur*in- nen Handlungsvorgaben erteilen. Hierbei treten im gesamtgesellschaftlichen Vergleich teils deutlich höhere Zustimmungswerte zu einzelnen Verschwörungserzählungen zutage.

Nahezu alle Befragten (94,2 %) sind etwa der Meinung, „die Politik- und Finanzelite“ ziehe auf gezielte Weise wirtschaftlichen Profit aus der Corona-Pandemie. Im Zuge der Untersuchung der politischen Soziologie der Corona-Proteste geben in der Studie von Nachtwey et al. (2020: 16) prozentual beinahe genauso viele Befragte an (94 %), dass Banken und Konzerne „die gro­ßen Profiteure der Corona-Krise“ sein werden.15

Zudem wird die Annahme „geheimer Eliten“ als steuernde Instanz der Politik von 82,4 % der befragten Demonstrationsteilnehmenden getragen. Im Rahmen der Studie von Nachtwey et al. (2020) kam ein inhaltlich beinahe identisches Fragebogen-Item zum Einsatz, welches der Leipziger Autoritarismus-Studie entnommen wurde. Dieses postuliert, dass es geheime Orga­nisationen gibt, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben. Die Zustimmungs­werte sind hier mit 83 % (60,3 % manifest, 22,7 % latent) annähernd deckungsgleich (ebd.: 21).15 Im Rahmen der LAS distanzieren sich indes 43,8 % der Befragten von dieser Aussage (Decker et al. 2020b: 201), womit diese Verschwörungserzählung in der Stichprobe einen im Vergleich mit der restlichen Bevölkerung der BRD überproportional hohen Zuspruch erfährt.16

Erwartungsgemäß neigen allgemein verschwörungsgläubige Personen zum Glaube an Ver­schwörungserzählungen mit inhaltlichem Bezug zur Corona-Pandemie. Dies gilt sowohl für explizit antisemitisch formulierte Verschwörungserzählungen als auch für solche, die nicht of­fen „die Juden“ als vermeintliche Strippenzieher*innen benennen. Dieser Zusammenhang lässt darauf schließen, dass zwischen Verschwörungsnarrationen mit oder ohne Bezug zur Corona- Pandemie, wahrscheinlich aufgrund ähnlicher Argumentationsmuster, fließende Übergänge be­stehen. Auf dieser Grundlage lassen sich angesichts einer gesamtgesellschaftlich weit verbrei­teten Verschwörungsmentalität (vgl. ebd.) ferner niedrigschwellige Anknüpfungspunkte für wesentliche Teile der in Deutschland lebenden Menschen ausmachen.17

Insbesondere die angesprochene, unter den Corona-Kritiker*innen zu großen Teilen verbreitete Skepsis gegenüber etablierten „Mainstream“-Medien wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und auflagenstarken Tageszeitungen deutet auf eine mögliche Affinität der Protestierenden zur Informationsbeschaffung mittels „Alternativmedien“ hin. Ausgehend von diesem in Unterka­pitel 2.4.2 angesprochenen, leicht zugänglichen Informationsangebot (vgl. Amadeu Antonio Stiftung 2020: 24) darf der mögliche Schluss zugelassen werden, dass die Ablehnung der etab­lierten Medien bzw. die Zuwendung zu „alternativen“ Informationskanälen zur Erklärung des hohen Stellenwerts von Verschwörungsideologie auf den Demonstrationen beitragen kann. Weitere Gründe für das hohe Maß an Bedeutung von Verschwörungsideologie im Kontext der Corona-Proteste liegen wahrscheinlich in den epistemischen Motiven einer Verschwörungs­mentalität (vgl. Douglas et al. 2019: 7)sowie imUmstand, dass die Corona-Pandemie für viele Menschen eine von Unsicherheit geprägte Zeit darstellt. In dieser können Verschwörungser­zählungen eine strukturschaffende Funktion einnehmen, indem sie einfache Erklärungen für komplexeSachverhalte bieten und somit den abstrakten Charakter einer Pandemie fassbar ma­chen. Diese Erklärung kann durch den empirisch nachgewiesenen Umstand gestützt werden, dass ein allgemeiner Verschwörungsglaube ohnehin oftmals an ein Gefühl der Entfremdung gegenüber dem politischen System, an eine subjektiv wahrgenommene Verschlechterung der gesamtwirtschaftlichen Situation und an das Befinden einer unzureichenden gesellschaftlichen Integration gekoppelt ist (vgl. Douglas et al. 2019: 8ff.; Mestrovic/Brown 1985: 94). Auf Letz­tere könnte auf Grundlage der angesprochenen fundamentalen Unzufriedenheit und Ablehnung des politischen Systems sowie der „Medien“ seitens der Corona-Kritiker*innen geschlossen werden.18

Darüber hinaus entspricht diese Überzeugung dem einer Verschwörungsmentalität inhärenten „generalized distrust against those in power“ (Lamberty/Imhoff 2018: 27) bzw. denen gegen­über, die als mächtig wahrgenommen werden. Dies wiederum deutet auf ein manichäisches Weltbild eines Großteils der Protestteilnehmenden hin, welches sich in Verschwörungserzäh­lungen und antisemitischen Deutungsmustern wiederfindet (vgl. Imhoff 2020).

In Verbindung mit dem Schutz der Kinder als ein vorgeblich zentrales Anliegen der QAnon- Anhänger*innen (vgl. Virchow/Häusler 2020: 25) sowie dem gemeinhin „friedlich-freiheitli­chen Ruf“ der Esoterik (vgl. Liebentritt 2020) in Form von vorliegenden Einstellungen, die auf ein anthroposophisch geprägtes Denken bei vielen Protestteilnehmenden hindeuten, bieten die Demonstrationen ferner niedrigschwellige und neuartige Anknüpfungspunkte für gesellschaft­liche Gruppen, die ansonsten nur wenige Bezugspunkte zu von Verschwörungsideologie ge­prägten Denkmustern aufweisen.

Auch wenn somit vieles für diese Erklärung spricht, bedarf es zur finalen analytischen Klärung der Frage, ob es sich hierbei um die tatsächlichen Gründefür den hohen Stellenwert von Ver­schwörungserzählungen im Kontext der Proteste handelt, jedoch weiterer Forschung.

In Bezug auf die Corona-Pandemie wird Akteur*innen aus Politik, Wirtschaft und Medizin jedenfalls eine systematisch eigennützig motivierte Vorgehensweise in Bezug auf die Handha­bung der Corona-Pandemie zulasten dergemeinen Bevölkerung unterstellt und weite Teile der Protestierenden gehen gar von einer Verbreitung des Coronavirus durch „die Pharmaindustrie“ aus.

Ein dieser Ansicht inhärentes Misstrauen gegenüber der Schulmedizin äußert sichdarüber hin­aus in einer weit verbreiteten allgemeinen Impfskepsis sowie in einer Leugnung der vom Coronavirus ausgehenden gesundheitlichen Gefahren. Lediglich 10,5 %der Befragten gestehen dem Virus eine derartige Gefährlichkeit zu, wobei es sich um einen höheren prozentualen An­teil handelt als bei einem vergleichbaren Item der Studie von Nachtwey et al. („Das Corona­Virus ist nicht gefährlicher als eine schwere Grippe“, ebd.: 20), bei welchem nur 5,8 % der Befragten dem wissenschaftlichen Konsens zustimmen.15

Zudem hängen diese beiden Einstellungen stark miteinander zusammen: Impfskeptisch einge­stellte Personen neigen eindeutig dazu, dem Coronavirus keine gesundheitliche Gefährlichkeit zuzugestehen. Die auf den Protesten verbreitete Ablehnung der Schulmedizin fungiert somit gewissermaßen als Bindeglied zwischen einer allgemeinen Impfskepsis und der Leugnung der vom Coronavirus ausgehenden gesundheitlichen Gefahren.

Unter Bezugnahme auf eine „ungewöhnliche Verbrüderung“ dieses Milieus mit Rechtsextre­men sowie auf mögliche Parallelen dieser Einstellung zu sozialdarwinistischen Ungleichheits­vorstellungen können auf Grundlage der erhobenen Daten allerdings nur bedingt Anknüpfungs­punkte zwischen einer Skepsis gegenüber der Schulmedizin und rechtsextremen Ansichten konstatiert werden; eslässtsich kein generalisierbarer Einfluss einer allgemeinen Impfskepsis auf das Vertreten derartiger Ansichten feststellen.

Dies könnte mit der politisch eher grün-alternativen gesellschaftlichen Verwurzelung anthro­posophisch-impfkritischer Milieus (vgl. Höhne 2019) erklärt werden, aufgrund derer sich viele Corona-Kritiker*innen möglicherweise nicht als rechts bzw. rechtsextrem einordnen und dem­entsprechend offensichtlich rechtsextremen Aussagen gegenüber eine vergleichsweise geringe Zustimmung bekunden.

Interessant ist in diesem Kontext, dass der größte Teil der Befragten in Baden-Württemberg wohnhaft ist. Neben dem Umstand, dass sich die Wurzeln der „Querdenken“-Bewegung eben­falls dort verorten lassen, ist in diesem Bundesland die allgemeine Impfquote im bundesweiten Vergleich am niedrigsten und eine dahingehende Impfskepsis sehr weit verbreitet (Höhne 2019; Virchow/Häusler 2020: 34).

Indes handelt es sich bei der Leugnung des anthropogenen Klimawandels um ein wissenschafts­skeptisches Narrativ, welches auf den Protesten mit der Zustimmung zu rechten bzw. rechts­extremen Aussagen korrespondiert. Dies steht im Einklang mit dem Umstand, dass die Leug­nung der vom anthropogenen Klimawandel ausgehenden Gefahren insbesondere in rechtspo­pulistischen Bewegungen und Parteien wie der AfD Verbreitung findet (vgl. Schaller/Carius 2019: 36).

Im Vergleich zu Aussagen, diesich auf die Schulmedizin beziehen, wirdden globalen Bedro­hungen durch den Klimawandel und damit dem wissenschaftlichen Konsens eine deutlich hö­here Glaubwürdigkeit zugesprochen (77,4 %). Zu einem ähnlichen Befund kommen auch Nachtwey et al. (2020: 23), wobei 84,9 % der Befragten (49,4 % manifest, 35,4 % latent) von einer Richtigkeit wissenschaftlicher Studien zum Klimawandel ausgehen.15

Dahingehende Überschneidungen zwischen den sonst ideologisch eher gegensätzlichen Par­teien AfD und Bündnis 90/Die Grünen in Bezug auf wissenschaftsskeptische Ansichten fun­gieren in diesem Kontext möglicherweise als gemeinsamer Nenner und äußern sich in der Prä­senz von Anhänger*innen beider Parteien auf den Protesten.

Die Skepsis gegenüber der Schulmedizin, jedoch nicht gegenüber der Wissenschaft im Allge­meinen könnte womöglich zur Erklärung der vergleichsweise guten Zugänglichkeit der Teil­nehmenden im Rahmen der Befragung beitragen. Angesichts der angesprochenen akademi­schen Prägung der Bewegung ist es zudem als bemerkenswert einzustufen, dass der Abschluss eines wissenschaftlichen Hochschulstudiums scheinbar nicht immunisierend auf eine Impfskepsis wirkt. Andererseits könnte dies erneut ein Indiz für die Präsenz grün-alternativ verwurzelter gesellschaftlicher Milieus sein; die Wähler*innenschaft von Bündnis 90/Die Grü­nen verfügt im gesellschaftlichen Vergleich ebenfalls tendenziell über eine formal hohe Bil­dung (Stifel 2018: 176ff.). Aus den erhobenen Daten lassen sich die genauen Gründe hierfür jedoch nicht sicher herauslesen, weshalb es auch hier weiterer empirisch belastbarer Analysen bedarf.

Zusammengenommen sprechen diese Aspekte jedoch für eine hohe Präsenz traditionell impf­skeptischer und „alternativmedizinisch“ orientierter gesellschaftlicher Milieus auf den Protest­veranstaltungen.

Der hohe Stellenwert von Zweifeln an der Schulmedizin unddie davon ausgehenden fließenden Grenzen zu Verschwörungserzählungen bei den einschlägigen Demonstrationen bieten nied­rigschwellige Anknüpfungspunkte für weitere Verschwörungsmythen. Neben den angespro­chenen, ohnehin fließenden Übergängen zwischen Verschwörungserzählungen unterschiedli­chen Inhalts zeigt sich das hieraus resultierende Gefahrenpotenzial zumindest innerhalb der Stichprobe dahingehend, dass diese Anknüpfungspunkte auch für explizitantisemitischartiku­lierte Verschwörungserzählungen gelten. Aus diesem Grund kann bereits der Glaube an nicht explizit antisemitisch artikulierte Erzählungen in dieser Hinsicht unter Umständen als „Sprung­brett“ für eine offen antisemitische Weltsichtfungieren.In Anbetracht der angesprochenen Li­mitationen der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Befragung ist dieser Befund jedoch lediglich als Indiz zu werten, weshalb die zukünftige einschlägige Forschung ein Augenmerk darauf legen sollte, ob es sich hierbei tatsächlich nur um einen zufällig zustande gekommenen Zusammenhang handeltund entsprechende Implikationen ableiten.

Die Befragung hat jedenfalls gezeigt, dass der Glaube an explizit antisemitisch formulierte Ver­schwörungserzählungen zwar insgesamt geringer ist als an Aussagen, die lediglich durch ent­sprechende Chiffren gekennzeichnet sind, jedoch ist bei der offenen Benennung „des Juden­tums“ im Sinne einer der Politik gegenüber handlungsweisenden Instanz zu relevanten Teilen seitens der Protestierenden keine Distanzierung gegenüber einer solchen Aussage erkennbar, womit explizit antisemitischen formulierten Stereotypen latent Platz eingeräumt wird. Hinzu kommt, dassknapp ein Drittel der Befragten das entsprechende Item auf dem Fragebogen über­sprungen hat, was mit dem Problem der sozialen Erwünschtheit und einer damit verbundenen Zurückhaltungin Bezug auf die „wahre“, in diesem Falle wohl von antisemitischen Vorurteilen geprägte Meinung einiger Befragten zusammenhängen könnte.

Der Glaube an diesen Mythos begünstigt darüber hinaus den Glauben an eine vorsätzliche, ei­gennützig motivierte Verbreitung des Coronavirus seitens jüdischer Akteur*innen. Hieraus lässt sich ableiten, dass primäre bzw. explizit antisemitischeAnsichten Bestandteil eines indi­viduell konsistenten, explizitantisemitischen Weltbilds darstellen können und der vermeintli­che Einfluss von Jüdinnen*Juden auf diese Weise tatsächlich als Erklärung für verschiedenste gesellschaftlich-politische Phänomene herangezogen wird.

Hierdurch werden Parallelen zum Rechtsextremismus deutlich. Zwar lässt sich auf Grundlage der erhobenen Daten kein generalisierbarer Zusammenhang zwischen dem Glauben an einzelne Verschwörungserzählungen mit Bezug zur Corona-Pandemie und der Zustimmung zu rechts­extremen Ansichten nachweisen, eine allgemeine Verschwörungsmentalität begünstigt diese jedoch stark.An dieser Stelle kann deshalb darauf verwiesen werden, dass im Kontext des po­litischen Extremismus Verschwörungserzählungen die Funktion eines sich radikalisierenden Multiplikators einnehmen können: „They hold extremist groups together and push them in a more extreme and sometimes violent direction“ (Bartlett/Miller 2010: 5), wasdie Gefahr einer Radikalisierung der Bewegung nahelegt. In diesem Zusammenhang könnte etwa eine Replika­tionsstudie Aufschluss darüber geben, ob sichdiese Gefahr tatsächlich bewahrheiten wird. Rechtsextreme Einstellungen sind unter den Protestteilnehmenden bis zu einem gewissen Maße durchaus verbreitet, wobei das diesbezügliche Ausmaß im Vergleich zum gesellschaftlichen Durchschnitt stellenweise als etwas gemäßigter zu beschreiben ist.Dies betrifft etwa fremden­feindliche Einstellungen wie die Ansicht, Deutschland sei in einem als gefährlich wahrgenom­menen Maße „überfremdet“. Während 17,4 %der Befragten diese Ansicht manifest vertreten, beträgt die manifeste Zustimmung der Befragten im Rahmen der LAS 25,6 % (Decker et al. 2020a: 36).Bei beiden Befragungen liegt insgesamt jedoch eine vergleichbare, mindestens la­tente Ausprägung dieser Einstellung bei etwas mehr als der Hälfte (52,8 bzw. 55,8%)der be­fragten Personen vor.

Andererseits stehen mehr als 85%der im Rahmen dieser Arbeit befragten Corona-Kritiker*in- nen einer „Großzügigkeit“ seitens des Staates bei der Prüfung von Asylanträgen kritisch gegen­über, womit diese Einstellung unter den Befragten im Vergleich mit der LAS, in deren Rahmen sich 79,1 % gegen eine derartige „Großzügigkeit“ aussprechen (Decker et al. 2018a: 105), leicht überproportional ausgeprägt ist.

Eine derartige Widersprüchlichkeit im Hinblick auf rechte bis rechtsextreme Einstellungen zeigt sich auch bei der Zustimmung zu den chauvinistischen Aussagen wie etwa jener, dass deutsche Politik primär dem Erreichen der Macht und Geltung dienen solle, „die Deutschland zusteht“ oder der Ansicht, dass „wir“ endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl ha­ben sollten. Von der ersten Aussage distanzieren sich die Befragten zu einem deutlich höheren Maße (73,8 %) als die restliche in Deutschland lebende Bevölkerung, welche diese Ansicht lediglich zu 56 % ablehnt. Im Kontext der zweiten Aussage ist jedoch das Gegenteil der Fall; in der Stichprobe ist der Wunsch nach mehr Mut zu einem starken Nationalgefühl unter den Kritiker*innen der Corona-Maßnahmen mit einer mindestens latenten Zustimmung von 79,5 % um 15,1 Prozentpunkte stärker ausgeprägt als in der restlichen Bundesrepublik (Decker et al. 2020a: 36).

Hinsichtlich der deutschen Erinnerungskultur spricht sich die Mehrheit der Befragten trotz der angesprochenen Toleranz gegenüber explizit antisemitisch formulierten Aussagen sowie der verbreiteten Verschwörungsmentalität, welche mit chiffriert antisemitischen Denkmustern zu­sammenhängt, klar gegen die Ziehung eines „Schlussstrichs“ aus. Im Rest der deutschen Be­völkerung erfährt diese Forderung ein höheres Maß an Zustimmung; 56,1 % der deutschen Be­völkerung wünscht sich explizit und weitere 23,8 % in Zügen, dass sich lieber aktuellen Prob­lemen gewidmet wird als „Ereignissen, die mehr als 70 Jahre vergangen sind“ (Kiess et al. 2020: 226).

In Bezug auf (extrem) rechte Einstellungen bei den Teilnehmenden der Befragung lässt sich auf dieser Grundlage resümieren, dass rechtsextreme Einstellungen vereinzelt höheren, aber auch vereinzelt geringeren Zuspruch als im Rest des Landes finden. Angesichts dieser unein­deutigen und widersprüchlichen Befunde kann daher in diesem Kontext keine eindeutige Ein­ordnung erfolgen. In sich konsistente, rechtsextreme Einstellungsmuster lassen sich allerdings bei mehr als einem Fünftel der Befragten feststellen. Dies sollte jedoch nicht darüber hinweg­täuschen, dass auch vereinzelte Zustimmungsbekundungen zu offen rechtsextremen Ansichten als demokratiegefährdend gewertet werden sollten (vgl. Decker et al. 2020a: 50).

Der Großteil der Befragten stuft sich selbst jedenfalls als politisch in der Mitte bis eher links stehend ein und distanziert sich von rechten bzw. rechtsextremen Akteur*innen und Einzelper­sonen auf den Protestveranstaltungen.

Dies fügt sich mit der dortigen Sichtbarkeit von Peace-Fahnen oderetwa der Friedenstaube in dasmedial vermittelte Bild der Proteste, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen sollte, „dass es auch in der Friedensbewegung nationalistische Interpretationen internationaler Beziehungen und militärischer Konflikte gibt“ (Virchow/Häusler 2020: 35)und eine linke politische Welt­anschauung mitnichten das Vertreten antisemitischer Einstellungen ausschließt (vgl. Kiess et al. 2020: 241f.; Rucht 2016: 16; Uhlig 2020). Zudem steht dies im Kontrast zum Befund von Nachtwey et al. (2020: 30), dass 60,5 % der befragten Corona-Kritiker*innen die „Aufregung um schwarz-weiß-rote Fahnen bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen“ klar für über­trieben halten.15

Unter Umständen könnte in Anbetracht der Heterogenität bzw. der ideologisch uneinheitlichen Ausrichtung der Bewegung und der sie einenden fundamentalen Ablehnung des politischen Systems auch von einer neuartigen Form des Extremismus gesprochen werden, da alle Aspekte der Positiv-Definition von Extremismus erfüllt werden (vgl. Pfahl-Traughber 2013: 33).Ange- sichts der verschiedenen politischen Lagerauf den Protesten lassen sich zumindest klare Paral­lelen zum „Querfront“-Begriff ziehen (vgl. Rucht 2016: 15ff.), wobei etwaige partielle Über­schneidungen zwischen rechten und linken Positionen wie beispielsweise in Bezug auf „das Misstrauen gegenüber dem politischen Establishment [oder] die Befürwortung von direkter De­mokratie“ (ebd.: 17) rechtsextremen Akteur*innen als Anlaufstelle dienen können, um „Terrain zu gewinnen“ (Peter 2020). In Bezug auf die Corona-Proteste lässt sich hieraus erneut ein Ra­dikalisierungspotenzial der Proteste ableiten.

Im Rahmen der Befragung konnte festgestellt werden, dass das Vorliegen rechter bzw. rechts­extremer Einstellungen neben dem maßgeblichen Stellenwert von Verschwörungserzählungen auf den Protesten auch auf die eingangs der Diskussion beschriebene Unzufriedenheit vieler Demonstrierender sowohl mit der politisch-gesellschaftlichen als auch mit der eigenen aktuel­len Situation zurückzuführen ist.

Letzteres könnte auf die Weise interpretiert werden, dass bei einigen Protestteilnehmenden ein Gefühl des „Abgehängtseins“ im Zuge von Globalisierungs- und Modernisierungsprozessen bzw. ein dahingehendes Misstrauen vorliegt. Eine wesentlich höhere Bedeutung dürfte in die­sem Zusammenhang jedoch die Unzufriedenheit mit dem politischen System und ihren dazu­gehörigen Institutionen einnehmen. In Deutschland profitiert auf Parteiebene von einer derarti­gen Unzufriedenheit insbesondere die rechtspopulistische AfD (Köppl-Turyna/Grunewald 2017), was diesen Befund unterstreicht. Nichtsdestotrotz lässt sich auf Grundlage der erhobe­nen Daten feststellen, dass sich eine solche Unzufriedenheit stärker auf den Glauben an Ver­schwörungserzählungen auswirkt als auf die Zustimmung zu rechtsextremen Ansichten.

In Anbetracht der aufgezeigten Relevanz von Verschwörungserzählungen sowie dem Vorliegen einer weit verbreiteten allgemeinen Unzufriedenheit lässt sich festhalten, dass diese beiden Merkmale unter den Demonstrationsteilnehmenden eine wesentlich weitere Verbreitung erfah­ren als rechte bzw. rechtsextreme Ansichten. Somit kann konstatiert werden, dass sich rechts­extreme Ansichten unter den Protestierendenvor allem in antisemitischen Denkmustern imZu- sammenhang mit Verschwörungserzählungen äußern, davon abgesehen jedoch nicht in einer überproportional ausgeprägten Befürwortung von Ansichten, deren Prämissen den Ideologe- men des Rechtsextremismus zuzuordnen sind.Es lässt sich daher resümieren, dass eine Einord­nung der Corona-Proteste als politisch rechts oder gar rechtsextrem zu kurz greift.

An dieser Stelle sollte jedoch noch einmal auf die mangelnde Möglichkeit der Trennschärfe zwischen Verschwörungsmentalität (und damit einhergehenden chiffriert antisemitischen Denkmustern) und rechtsextremen Ansichten aufmerksam gemacht werden. Neben einer ins­gesamt begrenzten repräsentativen Aussagekraft der erhobenen Daten ist zudem noch einmal der eingangs des Kapitels angesprochene Bias und eine mögliche Overcoverage bestimmter Teile der Protestierendenzu erwähnen, wodurch einige radikale und rechtsextremistisch orien­tierte Gruppen in den Befragungsdaten mit hoher Wahrscheinlichkeit unterrepräsentiert sind.

Die Aussagekraft der Forschungsergebnisse kann nichtsdestotrotz sowohl durch die Einstufung von Teilen der Bewegung als Versuch einer verfassungsschutzrelevanten „Delegitimierung des Staates“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (Götschenberg 2021) als auch durch den Umstand gestützt werden, dass die Studie zur politischen Soziologie der Corona-Proteste (Nachtwey et al. 2020) im Rahmen des Forschungsinteresses zu ähnlichen Befunden gekom­men ist.

Die Forscher*innen konstatieren ebenfalls eine ausgeprägte Heterogenität der Protestierenden in Bezug auf ihre politischen Einstellungen und gesellschaftliche Verwurzelung, wobei der hohe Altersdurchschnitt, eine akademische Prägung sowie ein tendenziell gehobener sozioöko­nomischer Status kennzeichnend sind. Auch hier erfahren die Regierungsparteien kaum bedeut­same Zustimmungswerte, was von den Verfasser*innen der Studie ebenfalls als Gefühl der Entfremdung gegenüber dem politischen System gedeutet wird.

Insgesamt wird festgehalten, dass es sich bei den Corona-Protesten um eine Bewegung handelt, „die viele Bezüge und eine hohe Neigung zum verschwörungstheoretischen Denken aufweist“ und „weder ausgesprochen fremden- oder islamfeindlich, in einigen wenigen Bereichen sogar eher anti-autoritär und der Anthroposophie zugeneigt“ ist (ebd.: 53). Deshalb entspreche siein ihrer grundsätzlichen Ausrichtung zwar nicht unbedingt einer rechten Bewegung, jedoch sei sie „nach rechts offen“ und verfüge „über ein beträchtliches immanentes Radikalisierungspoten­zial“ (ebd.: 54). Die Forscher*innen mahnen jedoch vor einer Pathologisierung der Gegner*in- nen der Corona-Maßnahmen und deuten die Gesamtheit ihrer Befunde als „Ausdruck einer fun­damentalen Legitimationskrise der modernen Gesellschaft“, welche sich angesichts einer „ro­mantisch inspirierten Hinwendung zu ganzheitlichen, anthroposophischen Denkweisen, dem Glauben an die natürlichen Selbstheilungskräfte des Körpers, Forderungen nach mehr spiritu­ellem Denken und dem Wunsch, Schulmedizin und alternative Heilmethoden gleichzustellen“ in einer „Entfremdung von der industriell geprägten und durchrationalisierten Hypermoderne“ widerspiegelt (ebd.: 61ff.).

6 Fazit

In dieser Arbeit wurde sich mit der Protestbewegung gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie beschäftigt. Die Bewegung wurde in diesem Zusammenhang zunächst hinsichtlich ihrer zentralen Anliegen und augenscheinlichen Charakteristiken vorgestellt und sich in diesem Zuge auf Grundlage von Indizien hauptsächlich journalistischer Natur mit der Rolle rechtsextremer Akteur*innen und Einzelpersonen auf den Protestveranstaltungen sowie mit einem offenbar prävalenten verschwörungsideologisch geprägten Narrativ der Bewegung befasst. Angesichts dessen lag der Fokus dieser Arbeit auf der Frage, inwiefern die Corona- Proteste von rechtsextremem Gedankengut und Verschwörungserzählungen geprägt sind.

Zur Beantwortung dieser Frage wurde sichim Anschluss auf Grundlage einschlägiger Fachli­teratur mit den wichtigsten Begrifflichkeiten derpolitischen Rechtensowie mit dem Begriff der Verschwörungserzählung auseinandergesetzt. Aufgrund deroftmals von antisemitischen Denk­mustern geprägten Logik derartiger Erzählungen lag der Fokus dabei auf dahingehenden Paral­lelen und Zusammenhängen.

Hierauf folgte eine genauere Betrachtung der Corona-Proteste hinsichtlich der aufgezeigten Ei­genschaften inBezug auf von Verschwörungsideologien geprägte sowie rechte bzw. rechtsext­reme Einstellungsmerkmale, Akteur*innen und Einzelpersonen. Ferner deutete in diesem Kon­text in Bezug auf das politische System der BRD und ihrer dazugehörigen Institutionen vieles auf eine ausgeprägte Unzufriedenheit weiter Teile der Protestierenden hin. Dies lieferte die Grundlage für die Formulierung von Forschungshypothesen, welche hauptsächlich Zusammen­hänge zwischen bestimmten rechtsextremen Einstellungen, einer von Verschwörungsideolo­gien geprägten Geisteshaltung sowie einer allgemeinen Unzufriedenheit postulierten.

Das darauf aufbauende Forschungsvorhaben wurde im Anschluss hinsichtlich der Methodik und der Durchführung der Datenerhebung beschrieben. Hierzu wurde im Rahmen der „Quer- denken“-Großdemonstration in Leipzig am 7. November 2020 sowie auf der dazugehörigen Vorabenddemonstration eine Befragung durchgeführt und im anschließenden Ergebnisteil hin­sichtlich soziodemografischer und der benannten, zur Überprüfung der Hypothesen notwendi­gen politischen Merkmale ausgewertet.

Hierbei ergaben sich zum einen in der quantitativen methodischen Vorgehensweise bzw. in ihrer deduktiven Forschungslogik zu begründende Limitationen in Bezug auf die analytische Tiefeder Motive der Protestteilnehmenden, zum anderen ließen sich diese durch die epidemi­ologische Lage sowie durch eine begrenzte Anzahl von Teilnehmenden begründen, weshalb die vorliegenden Ergebnisse in erster Linie als explorativ betrachtet werden und dazu dienen sollten, sich dem neuartigen Forschungsgegenstand weiter anzunähern.

In diesem Rahmenfielen insbesondere die akademische Prägung, das relativ hohe Einkommen unddas relativ hohe Alter der Befragten auf sowie der Umstand, dass die Protestteilnehmenden für die Demonstration aus der gesamten Bundesrepublik nach Leipzig angereist sind.

In politischer Hinsicht kann der untersuchte Teil der Bewegung als heterogen und in Teilen widersprüchlich in Bezug auf ihre politische Sozialisation bezeichnet werden. Gemeinsam ist den Protestierenden jedoch eine weitestgehende Ablehnung des politischen Systems der BRD, ihrer dazugehörigen (vor allem Regierungs-)Parteien und Institutionen sowie eine damit ver­bundene Entfremdung ihnen gegenüber.

Neben einem damit zu begründenden allgemeinen Gefühl der Unzufriedenheit nehmen Ver­schwörungserzählungen erwartungsgemäß einen wichtigen Stellenwert auf den untersuchten Protestveranstaltungen ein, der im Vergleich zur restlichen in der BRD lebenden Bevölkerung als überdurchschnittlich zu bezeichnen ist, in Bezug auf rechtsextreme Einstellungen lässt sich jedoch angesichts teils widersprüchlicher Befunde keine eindeutige Einordnung vornehmen.

Als Ergänzung zum bislang dünnen Forschungsstand zu den neuartigen Protesten gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie konnte jedoch mittels Regressionsanaly­sen gezeigt werden, dass sich die Gründe für die auf den Protesten verbreitete Verschwörungs­mentalität zu bedeutsamen Teilen in einer allgemeinen Unzufriedenheit mit dem politischen System, den etablierten Medien sowie mit der finanziellen Lage bzw. Lebenssituation vieler Protestteilnehmender verorten lassen. Diese kann ferner, wenn auch in geringerem Maße, das Vorliegen rechtsextremer Einstellungsmuster auf den Demonstrationen erklären.

Neben der augenscheinlichen Präsenz von rechten bis rechtsextremen Akteur*innen und An­sichten auf den Protesten lassen sich beispielsweise mit Blick auf die Parteiidentifikation der Befragten, ihrer Einordnung auf dem politischen Links-Rechts-Spektrum, ihrer Positionierung zur Verteilung der wirtschaftlichen Gewinne in Deutschland sowie ihrer geäußerten Distanzie­rung von rechten bzw. rechtsextremen Akteur*innen und Einzelpersonen auf den Veranstaltun­gen durchaus linke Einstellungselemente ausmachen. Hinzu kommen Indizien für eine Präsenz gesellschaftlicher Milieus, welche auf eine mögliche grün-alternative Verwurzelung von Teilen der Bewegung hindeuten. Als Beispiele lassen sich in diesem Kontext die Neigung zu anthro­posophischem bzw. impfkritischem Denken, die Haltung zum anthropogenen Klimawandel so­wie auch hier die Parteiidentifikation nennen.

Auf eine reine Unterwanderung der Proteste durch Rechtsextreme sollte dennoch nicht ge­schlossen werden, da insbesondere chiffriert antisemitisches Gedankengut, hauptsächlich in Form einer weit verbreiteten Verschwörungsmentalität, milieuübergreifend ein hohes Maß an Akzeptanz erfährt. Diese bietet nicht nur ein hohes Anknüpfungspotenzial für explizit antise­mitisch formulierte Verschwörungsmythen, sondern auch für andere rechtsextreme Inhalte. Hinzu kommt, dass trotz der geäußerten Distanzierung der Protestierenden gegenüber rechts­extremen Akteur*innen auf den Protesten diese weiterhin toleriert werden, was sich etwa in der Anwesenheit von Reichskriegsflaggen und offen rechtsextrem auftretenden Einzelpersonen äu­ßert.

Das Klima der fundamentalen Ablehnung des politischen Systems der BRD auf den Protesten bietet darüber hinaus einen guten Nährboden für Parteien und Organisationen, die dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind. Das Gewinnen neuer Anhänger*innen dürfte sich unter diesen Umständen deutlich einfacher gestalten, die Corona-Proteste ebnen offen rechts­extrem auftretenden Akteur*innen somit gewissermaßen den Weg in die gesellschaftliche Mitte.

Trotz dieser Widersprüchlichkeiten eint die Protestierenden im Kern ein Gefühl der Entfrem­dung und Unzufriedenheit, welches sich aus der grundlegenden Ächtung und Abwendung ge­genüber der gegenwärtigen parlamentarischen Demokratie und ihrer Institutionen, der etablier­ten Medien sowie der Schulmedizin speist. Die ausgeprägte Ablehnung seitens der Protestie­renden gegenüber den verhängten Corona-Maßnahmen komplettiert somit gewissermaßen ein ganzheitliches, dem System als Ganzen gegenüber feindlich eingestelltes Weltbild. Ausgehend hiervon kann die Interpretation zugelassen werden, dass die Protestveranstaltungen in diesem Zusammenhang als Ventil für eine diesbezüglich angestaute Unzufriedenheit fungieren und möglicherweise eine fundamentale Entfremdung und Ablehnunggegenüber den Komplexitäten der neuzeitlichen Moderne und einer als technokratisch wahrgenommenen Gesellschaft sowie den Wunsch nach einer geradezu romantisch motivierten Rückbesinnung auf die Natur zum Ausdruck bringen.

Eine mögliche Diagnose lautet unter Bezugnahme auf die Forschungsfrage nach dem Stellen­wert von Verschwörungserzählungen und rechtsextremem Gedankengut in der Bewegung um „Querdenken“ und Co., dass Letzteres hauptsächlich durch die hohe Verbreitung derartiger Er­zählungen auf den Protesten in vorwiegend latent antisemitischer Form zu einem teils beträcht­lichenAusmaß unter den Protestierenden verbreitet ist.Als Gefahrenpotenziale sind hierbei die fließenden Übergänge und die zahlreichen möglichen Anknüpfungspunkte zwischen einer Skepsis gegenüber der Schulmedizin sowie Verschwörungserzählungen unterschiedlichen In­halts und unterschiedlicher Radikalität in Bezug auf antisemitische Konnotationen zu nennen. Aus diesem Grund lässt sich keine klare Trennung zwischen rechtsextremen Einstellungen und Verschwörungserzählungen mit ihren oftmals antisemitischen Deutungsmustern vornehmen, was wiederum auf eine Offenheit der Bewegung nach rechts sowie aufein hohes Risikopoten­zial hinsichtlich einer dahingehenden Radikalisierung hindeutet.

Eine Klassifizierung der Proteste als genuin rechts oder sogar rechtsextrem wäre allerdings nicht trefflich. Vielmehr gilt es nun seitens der Forschung, aber auch seitens der Politik, der Öffentlichkeit und der medialen Berichterstattung, die Rolle von Verschwörungserzählungen im Kontext der Corona-Proteste und die aufgezeigten, damit verbundenen rechtsextremen Ra- dikalisierungs- und Gefahrenpotenziale im Blick zu behalten.

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Anhang

Anhang 1: Fragebogen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anhang 2: Reliabilitätsstatistiken

Anhang 2.1: Skala zur Messung (extrem) rechter Einstellungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 14: Reliabilitätsstatistik der Skala zur Messung (extrem) rechter Einstellungen (eigene Darstellung)

Anhang 2.2: Skala zur Messung einer Verschwörungsmentalität

Anhang 2.2.1: Skala zur Messung einer Verschwörungsmentalität [mit den Items h.) und k.)]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 15: ReliabilitätsStatistik der Skala zur Messung einer Verschwörungsmentalität [mit den Items h.) und k.), eigene Darstelhmg]

Anhang 2.2.2: Skala zur Messung einer Verschwörungsmentalität [ohne die Items h.) und k.)]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 16: Reliabilitätsstatistik der Skala zur Messung einer Verschwörungsmentalität [ohne die Items h.) und k.), eigene Darstellung]

Anhang 2.3: Skala zur Messung einer allgemeinen Unzufriedenheit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 17: Reliabilitätsstatistik der Skala zur Messung einer allgemeinen Unzufriedenheit (eigene Darstelhmg)

Anhang 3: Ausführliche soziodemografische Beschreibung der Stichprobe

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 18: Ausführliche soziodemografische Beschreibung der Stichprobe (ohne Antwortkategorien, die von keiner befragten Person gewählt wurden und ohne fehlende Werte. Eigene Darstellung)

Anhang 4: Bivariate lineare Regression zur Überprüfung von H3

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 19: Bivariate lineare Regression zur Überprüfung von H3 (eigene Darstellung)

[...]


1 1 z. B. Ziehung einer ausschließlich willkürlichen Stichprobe durch offene Online-Befragungen (convenience sampling), Grundgesamtheit unklar, offenere Forschungsfrage (ebd.: 2ff.). Für die Methodik dieser Arbeit siehe Kapitel 3.

2 Bei den alle zwei Jahre neu erscheinenden Leipziger Autoritarismus-Studien (bis 2016: „Mitte-Studien“) handelt es sich um eine repräsentative Studienreihe zur Erhebung autoritärer und rechtsextremer Einstellungen in Deutsch­land (Decker et al. 2020a: 27).

3 Formulierung des Items in der LAS: „Wir sollten uns lieber- gegenwärtigen Problemen widmen als Ereignissen, die mehr als 70 Jahre vergangen sind“ (Kiess et al. 2020: 226). Item c.) ist inhaltlich sehr ähnlich, benennt mit Blick auf die theoretischen Ausführungen dieser Arbeit jedoch explizit den Holocaust und hebt die „Schlussstrich­forderung“ semantisch hervor.

4 Item e.) wurde in der LAS 2018 (in verneinter Form) verwendet, nicht jedoch in der Ausgabe des Jahres 2020.

5 Formulierung des Items in der LAS: „Es gibt geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Ent­scheidungen haben“ (Decker et al. 2020b: 201). Item f.) ist inhaltlich sehr ähnlich, betont die allgemeine, ver­meintliche Rolle geheimer Eliten in Bezug auf politische Entscheidungen jedoch deutlicher, wodurch der Schluss auf eine etwaige Verschwörungsmentalität erleichtert werden soll.

6 Das Item wurde dem Open Access Repositorium für Messinstrumente der GESIS entnommen und entstammt einer Skala von Mayer et al. (2014), welche die Einstellung zu Leistungen und Funktionen des Wohlfahrts- und Sozialstaats als Indikatoren für gesellschaftliche Wertorientierungen erfasst.

7 „Migrationsgeschichte“ wird hier als das Vorliegen einer national grenzüberschreitenden Wanderungsbewe­gung durch eine Person oder mindestens eines ihrer Elternteile definiert (vgl. Decker et al. 2020a: 31).

8 Dies zeigt sich anhand der Veränderung von Cronbachs a bei Ausschluss der beiden Items aus der Skala (siehe hierzu Anhang 2.2.1).

9 Hierbei handelt es sich um den Anteil der Befragten, die bei Addition der Punktwerte der Antwortkategorien einen Summenscore von 24 oder höher erzielt und somit mindestens eine durchschnittlich mittlere Zustimmung (Skalenwert 3) zu den acht in der Skala verwendeten Items bekundet haben (unter Ausschluss fehlender Werte).

10 Hierbei handelt es sich um den Anteil der Befragten, die bei Addition der Punktwerte der Antwortkategorien einen Summenscore von 18 oder höher erzielt und somit mindestens eine durchschnittlich mittlere Zustimmung (Skalenwert 3) zu den sechs in der Skala verwendeten Items bekundet haben (unter Ausschluss fehlender Werte).

11 Hierbei handelt es sich um den Anteil der Befragten, die bei Addition der Punktwerte der Antwortkategorien einen Summenscore von 30 oder höher erzielt und somit mindestens eine durchschnittlich mittlere Zustimmung (Skalenwert 3) zu den zehn in der Skala verwendeten Items bekundet haben (unter Ausschluss fehlender Werte).

12 Mittels eines Kolmogorov-Smimov-Tests sowie grafischen Outputs wurde hier die Verletzung der Annahme der Normalverteilung der Residuen als notwendige Voraussetzung für die Durchführung einer linearen Regression festgestellt. Zur Überprüfung der Hypothese wurde deshalb die Bootstrapping-Methode (Ziehung von 10.000 Stichproben mit Zurücklegen. BCa-Verfahren) gewählt, um daraus resultierenden mathematischen Verzerrungen vorzubeugen und eine statistische Zuverlässigkeit des Modells zu gewährleisten (vgl. Wright et al. 2011: 253f). Ohne die Verwendung der Bootstrapping-Methode ergibt sich für die bivariate lineare Regression zwar ein statis­tisch signifikanter Zusammenhang, jedoch unterscheidet sich der p-Wert dabei kaum von jenem in Tab. 8 (vgl. Anhang 4). In Anbetracht des Umstands, dass die Signifikanz von der Art des Regressionsverfahrens abhängt, ist diese deshalb als sehr fragil einzustufen und wird daher in dieser Arbeit nicht als statistisch belastbar angesehen.

13 Zur Herstellung einer Vergleichbarkeit wurde bei den Ergebnissen von Nachtwey et al. (2020: 38) die Antwort­kategorie „keine Angabe“ (die im Rahmen dieser Arbeit nicht im Fragebogen verwendet wurde) herausgenommen sowie die Antwortkategorien 7 bis 10 als Demokratiezufriedenheit interpretiert. Auf dieser Grundlage wurden die Zustimmungswerte zu den einzelnen Antwortkategorien neu berechnet.

14 An dieser Stelle sei angemerkt, dass in der LAS zur Messung einer Verschwörungsmentalität teils andere Items verwendet wurden, weshalb einer dahingehenden Vergleichbarkeit Grenzen gesetzt sind.

15 Zur Herstellung einer Vergleichbarkeit wurde bei den Ergebnissen von Nachtwey et al. (2020) die Antwortka­tegorie „keine Angabe“ (die im Rahmen dieser Arbeit nicht im Fragebogen verwendet wurde) herausgenommen und die Zustimmungswerte zu den einzelnen Antwortkategorien neu berechnet. " 114

16 16 Die Anzahl der Selbstständigen ist in dem als Hybridfrage formulierten Item der Antwortkategorie „Sonstiges (bitte angeben)“ entnommen, in welcher Selbstständigkeit von einer Vielzahl der Befragten genannt wurde. Die Antwortkategorie wurde für die Tabelle also nachträglich erstellt.

17 Nach der Befragung wurde festgestellt, dass der Fragebogen in gedruckter Form aufgrund eines Felilers bei diesem Item nicht die Antwortkategorie „1.500 bis unter 2.000 €“ enthält (siehe Anhang 1). In der Online-Version ist die Kategorie jedoch vorhanden. Das Ergebnis köimte hierdurch verzerrt sein.

18 Mit „Ostdeutschland“ ist das Gebiet der ehemaligen DDR gemeint, mit „Westdeutschland“ das der BRD in den Grenzen von 1949-1990 (beide ohne Berlin).

Ende der Leseprobe aus 119 Seiten

Details

Titel
Das politische Weltbild von "Querdenken" und Co. Zur Bedeutung von Rechtsextremismus und Verschwörungsideologie im Kontext der Corona-Proteste
Hochschule
Universität Leipzig
Note
1,7
Autor
Jahr
2021
Seiten
119
Katalognummer
V1174100
ISBN (eBook)
9783346594051
ISBN (Buch)
9783346594068
Sprache
Deutsch
Schlagworte
weltbild, querdenken, bedeutung, rechtsextremismus, verschwörungsideologie, kontext, corona-proteste
Arbeit zitieren
Jan Patrick Balasa (Autor:in), 2021, Das politische Weltbild von "Querdenken" und Co. Zur Bedeutung von Rechtsextremismus und Verschwörungsideologie im Kontext der Corona-Proteste, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1174100

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