Die vorliegende Arbeit gliedert sich formal in drei Hauptteile. In Kapitel zwei, der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule werden zunächst die Modelle vorgestellt, welche als Grundlage für das beschriebene Transitionsmodell von Griebel und Niesel dienen. Wie aus dem Modell hervorgeht, hat jedes Kind beim Übergang unterschiedliche Anforderungen zu bewältigen. Da diese individuellen Anforderungen unter anderem die Kooperationsarbeit ausmachen, werden diese mit Blick auf die Temperamentseigenschaften und die Bedeutung der Resilienz dargestellt sowie die Faktoren für die Übergangskompetenz vorgestellt. Das Kapitel schließt mit einer Definition von Schulfähigkeit.
Das zweite Thema, welches im dritten Kapitel beginnt, beschäftigt sich mit dem theoretischen Hintergrund der Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule. Zunächst werden die Ziele der Kooperation (3.1) definiert und anschließend die Voraussetzungen für eine gelingende Kooperation erläutert (3.2). Danach werden die möglichen Anlässe zur Kooperation und Formen vorgestellt; dabei wird nach jenen Formen differenziert, die jeweils die Beteiligung zwischen aller beteiligten Akteure (Fachkräfte, Eltern, Kinder) in den Blick nimmt (3.3). Abschließend werden die
Herausforderungen beschrieben, die die Kooperation erschweren (können) (3.4).
Der empirische Rahmen gliedert sich in vier Kapitel. In Kapitel vier wird das Forschungsvorhaben und die Intension dazu erläutert. Danach werden in Kapitel fünf die Forschungsmethoden vorgestellt. Hierbei wird das problemorientierte Interview nach Witzel als Forschungsmethode näher erläutert. Da das subjektive Empfinden zentral für das Forschungsvorhaben ist, wird in diesem Kapitel auf einen der Grundsätze qualitativer Forschung, die Subjektivität, näher eingegangen sowie der Bezug zum symbolischen Interaktionismus hergestellt. Die Auswahl der Interviewpartner*innen wird begründet (5.1.4) und es erfolgt eine Reflexion des Datenerhebungsprozesses (5.1.5). In Kapitel 5.2 wird die inhaltlich strukturierte Inhaltsanalyse nach Kuckartz als Datenauswertungsmethode vorgestellt. Im sechsten
Kapitel wird das Vorgehen der Analyse vorgestellt und die Ergebnisse anschließend vorgestellt (6.3). Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse ab. Im siebten Kapitel werden die Ergebnisse in Verbindung mit den theoretischen Erkenntnissen und den gesetzlichen Grundlagen zur Kooperation diskutiert.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule
2.1 Transitionsforschung
2.1.1 Das Familien-Transitionsmodell
2.1.2 Der ökopsychologische Ansatz von Bronfenbrenner
2.1.3 Stressansatz nach Lazarus
2.1.4 Die Theorie der kritischen Ereignisse
2.1.5 Transition als Ko-konstruktiver Prozess
2.2 Individuelle Anforderungen
2.2.1 Temperamentseigenschaften
2.2.2 Die Bedeutung der Resilienz bei der Übergangsbewältigung
2.2.3 Übergangskompetenz
2.2.4 Schulfähigkeit als soziale Kompetenz
3. Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule
3.1 Ziele interinstitutioneller Kooperation
3.2 Voraussetzungen für eine gelingende Kooperation
3.3 Anlässe und Formen interinstitutioneller Kooperation
3.3.1 Interaktionen zwischen Erzieher*innen und Lehrkräften
3.3.2 Interaktionen zwischen Fachkräften und Kita- & Grundschulkindern
3.3.3 Interaktionen zwischen Fachkräften und den Eltern
3.4 Herausforderungen und Erschwernisse interinstitutioneller Kooperation
3.4.1 Kindergarten und Grundschule als getrennte Organisationen
3.4.2 Integrität des eigenen Bildungsauftrages
3.4.3 Kommunikationsdefizite
3.4.4 Kooperation als Arbeitsbelastung
4. Intension und Forschungsziel
5. Forschungsmethoden
5.1 Datenerhebungsmethode
5.1.1 Subjektivität und Symbolischer Interaktionismus
5.1.2 Das problemzentrierte Interview als Methode der Datenerhebung
5.1.3 Transkription
5.1.4 Auswahl der Interviewpartner*innen
5.1.5 Reflexion der Datenerhebung
5.2 Datenauswertungsmethode: Die inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse
6. Auswertung der erhobenen Daten
6.1 Soziodemografische Angaben der Befragten
6.2 Entwicklung des Kategoriensystems
6.3 Darstellung der Ergebnisse
6.3.1 Kooperation
6.3.2 Der Übergang aus Sicht der Erzieher*innen
6.3.3 Herausforderungen
6.3.4 Wahrnehmung der Erzieher*innen
6.4 Zusammenfassung der Ergebnisse
7. Diskussion der Ergebnisse
8. Fazit und Ausblick
9. Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Transition als ko-konstruktiver Prozess (Griebel & Niesel 2011, S.116)
Abbildung 2: Transitionskompetenz als Kompetenz des sozialen Systems (Griebel & Niesel 2020, S.130)
Abbildung 3: Mehrebenenmodell (Lingenauber 2008, S.199)
Abbildung 4: Ablaufschema einer inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse (Kuckartz 2016, S.100)
Abbildung 5: Sechs Formen einfacher und komplexer Auswertung bei einer inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse (Kuckartz 2016, S.118)
Tabelle 1: Soziodemografische Angaben der Befragten
Tabelle 2: Induktiv erstelltes Kategoriensystem
Tabelle 3: Haupt- und Kategoriensystem
1. Einleitung
Ausgangslage und Problemstellung
Die ersten Jahre im Elementar- und Primarbereich bilden den Grundstein für den weiteren Bildungsverlauf. „ Beim Bau eines Hauses beginnt man aus gutem Grund mit dem Fundament und nicht mit dem Dach.“ Zurecht steht seit PISA dieses Zitat des ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau im Mittelpunkt der internationalen Bildungsdiskussion. Was in dieser Zeit erlernt oder aber auch versäumt wird, kann somit für den weiteren Bildungserfolg oder -misserfolg entscheidend sein (vgl. Schumacher 2007, S.11). Während der letzten Jahre ist aus diesem Grund der Wechsel vom Elementar- in den Primarbereich und die damit verbundene Relevanz für jedes einzelne Kind immer mehr in den Fokus von bildungspolitischen Debatten geraten. Kindergarten und Grundschule haben sich im bildungshistorischen Kontext nicht nur unterschiedlich, sondern auch unabhängig voneinander entwickelt. Daher wird der Übergang zwischen den beiden Institutionen als unvermeidbare Bruchstelle bezeichnet, welche es im Sinne der Anschlussfähigkeit von Bildungsinhalten und - zielen stärker zu verzahnen gilt (vgl. Graßhoff et al., 2013; KMK 2009, S.2). In den letzten Jahren wurden hierzu zahlreiche Forschungen und Untersuchungen hinsichtlich des Übergangs initiiert und durchgeführt, aus denen Schlüsse für einen gelingenden Übergang und die dafür notwendige Zusammenarbeit beider Institutionen gezogen werden konnten.
Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule gilt in der Forschung als Transition, welche einen wichtigen Entwicklungsabschnitt für das Kind markiert und mit Chancen als auch mit Risiken verbunden ist. Empirische Studien konnten belegen, dass die erfolgreiche Bewältigung einer Transition großen Einfluss auf den Entwicklungsverlauf des Kindes hat (vgl. Griebel & Niesel 2004, S.10).
In diesem Kontext seien Transitionen nach Griebel & Niesel definiert als: „Lebensereignisse, die Bewältigung von Diskontinuitäten auf mehreren Ebenen erfordern, Prozesse beschleunigen, intensiviertes Lernen anregen und als bedeutsame biografische Erfahrung von Wandel in der Identitätsentwicklung wahrgenommen werden“ (Griebel & Niesel 2011, S.37f.).
Aus der langjährigen Erforschung der Übergänge und den damit einhergehenden biografischen Wandlungsprozessen ergaben sich zahlreiche Theorien aus unterschiedlichen Disziplinen wie der Anthropologie, Soziologie und Psychologie die Wurzeln für die heutige Forschung. Der in der vorliegenden Arbeit fokussierte Übergang hat überwiegend entwicklungspsychologische Wurzeln.
Für den Übergang von Kindergarten zur Grundschule haben Griebel und Niesel einen bedeutenden Beitrag zur Forschung geleistet und aufgrund der vorangegangenen Theorien ein Modell entwickelt, welches den Schwerpunkt legt auf die „Bewältigung von Veränderungen beim Eintritt in und Übergang zwischen Bildungseinrichtungen als einen Übergang, der vom Kind und den Eltern bewältigt wird“ (Griebel & Niesel 2011, S. 116).
Griebel und Niesel beschreiben den Übergang als „ko-konstruktiven Prozess“ zwischen Kindern, Eltern und Fachkräften. Niesel unterteilt dabei mit Hilfe des Modells die Personen, welche am Übergang beteiligt sind, in zwei Gruppen: Die bewältigenden und moderierenden Akteur*innen (Niesel 2004, S.90ff).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Transition als ko-konstruktiver Prozess (Griebel & Niesel 2011, S.116)
Mithilfe des Transitionsmodells nach Griebel und Niesel (2011, S.116ff; Griebel &
Niesel 2004, S.120ff) wird deutlich, welche Akteur*innen im Prozess des Übergangs beteiligt sind, welche Aufgaben den jeweiligen Akteur*innen zugesprochen werden und welches Ziel die Transition verfolgt. Als bewältigenden Akteur*innen stehen auf der linken Seite des Modells die Kinder mit deren Eltern. Diese müssen sich aktiv mit dem Übergang auseinandersetzen und werden im Laufe des Prozesses mit Veränderungen konfrontiert, die sie individuell bewältigen müssen. Auf der rechten Seite stehen die moderierenden Akteur*innen, also die Erzieher*innen, Lehrkräfte und weitere pädagogische Fachkräfte. Sie erleben während des Übergangs keine für sie bedeutsamen Veränderungen, da sich ihre Identität nicht verändert. Sie moderieren lediglich den Übergang, nehmen eine unterstützende Rolle ein und übernehmen die pädagogische Verantwortung (Griebel & Niesel 2011, S.120ff).
An dieser Stelle kann es auf der moderierenden Seite zu Problemen kommen, da die pädagogische Verantwortung der Erzieher*innen und Lehrkräfte auf unterschiedlichen Bildungsaufträgen beruht, sich während des Übergangsprozesses jedoch zwangsläufig überlagern und es somit eines fachlichen Austausches und einer pädagogischen Abstimmung bedürfte (ebd., S.122). Aus diesem Grund wäre folglich eine Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule unumgänglich.
1996 startete erstmalig das Projekt „Schulanfang auf neuen Wegen“, bei welchem neue Kooperationswege erprobt und der Kontakt zwischen den beteiligten Fachkräften intensiviert wurde (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, o.S.). Die derzeit gültige Verwaltungsvorschrift (2019) des Kultusministeriums über die Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule beschreibt neben den Grundlagen und Zielen, wie die Kooperation ausgestaltet werden sollte und unterscheidet zwischen einrichtungsbezogener und kindbezogener Zusammenarbeit. Es werden konkrete Kooperationsformen genannt sowie die Entwicklung von pädagogischen Angeboten beschrieben, die zum Ziel haben, den Entwicklungsstand des Kindes in Zusammenarbeit einzuschätzen. Der Kooperationslehrkraft steht hierfür ein Bogen zur Verfügung, welchen sie während des pädagogischen Angebotes ausfüllen sollte. Als letzten Punkt der kooperativen Zusammenarbeit wird die Einbeziehung der Eltern genannt, welchen ein Beratungsgespräch auf Grundlage der Beobachtungen angeboten werden sollte (vgl. VwV 2019, S.1-9).
Doch obwohl in der Pädagogik die Bedeutung eines reibungslosen Übergangs und somit auch einer funktionierenden Kooperation immer präsenter wurde, sind von Einrichtung zu Einrichtung immer noch große Unterschiede hinsichtlich der gestalteten Kooperation zu beobachten. Im aktuellen Forschungsstand wird berichtet, dass die Zusammenarbeit noch lange nicht den Standard erreicht hat, der nach der Fachliteratur wünschenswert wäre (vgl. Faust 2011, S.42).
Obwohl ein gesetzlicher Rahmen vorliegt, obliegt die Ausgestaltung der Kooperation den beteiligten Fachkräften und hängt somit viel mit dem subjektiven Ermessen und Empfinden zusammen. Aus diesem Grund liegt der Verdacht nahe, dass die Kooperation in den verschiedenen Einrichtungen unterschiedlich gestaltet wird.
Ziel der Arbeit
Mit der Intension die Kooperation aus Lehrerseite besser gestalten zu können wird in dieser Forschungsarbeit dem subjektiven Empfinden der Erzieher*innen nachgegangen. Insbesondere wird in der Fragestellung behandelt, ob zwischen den Einrichtungen tatsächlich Unterschiede in der Ausgestaltung der Kooperation bestehen oder ob Unterschiede in der Zufriedenheit lediglich auf dem subjektiven Empfinden der Erzieher*innen basieren.
Ziel der Forschungsarbeit ist es, einen Einblick über die Zufriedenheit der Erzieher*innen zu erlangen und herauszufinden, was aus Sicht der Erzieher*innen mögliche Ursachen für Herausforderungen darstellt und was in Zukunft verbessert werden könnte.
Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit gliedert sich formal in 3 Hauptteile. Der theoretische Rahmen setzt sich aus zwei Themen zusammen, die in den ersten beiden Kapiteln der Arbeit vorgestellt werden. In Kapitel zwei, der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule werden zunächst die Modelle vorgestellt, welche als Grundlage für das beschriebene Transitionsmodell von Griebel und Niesel (2.1) dienen. Wie aus dem Modell hervorgeht, hat jedes Kind beim Übergang unterschiedliche Anforderungen zu bewältigen. Da diese individuellen Anforderungen unter anderem die Kooperationsarbeit ausmachen, werden diese in Kapitel 2.2 mit Blick auf die Temperamentseigenschaften und die Bedeutung der Resilienz dargestellt sowie die Faktoren für die Übergangskompetenz vorgestellt. Das Kapitel schließt mit einer Definition von Schulfähigkeit.
Das zweite Thema, welches im dritten Kapitel beginnt, beschäftigt sich mit dem theoretischen Hintergrund der Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule. Zunächst werden die Ziele der Kooperation (3.1) definiert und anschließend die Voraussetzungen für eine gelingende Kooperation erläutert (3.2). Danach werden die möglichen Anlässe zur Kooperation und Formen vorgestellt; dabei wird nach jenen Formen differenziert, die jeweils die Beteiligung zwischen aller beteiligten Akteure (Fachkräfte, Eltern, Kinder) in den Blick nimmt (3.3). Abschließend werden die Herausforderungen beschrieben, die die Kooperation erschweren (können) (3.4).
Der empirische Rahmen gliedert sich in vier Kapitel. In Kapitel vier wird das Forschungsvorhaben und die Intension dazu erläutert. Danach werden in Kapitel fünf die Forschungsmethoden vorgestellt. Hierbei wird das problemorientierte Interview nach Witzel als Forschungsmethode näher erläutert. Da das subjektive Empfinden zentral für das Forschungsvorhaben ist, wird in diesem Kapitel auf einen der Grundsätze qualitativer Forschung, die Subjektivität, näher eingegangen sowie der Bezug zum symbolischen Interaktionismus hergestellt. Die Auswahl der Interviewpartner*innen wird begründet (5.1.4) und es erfolgt eine Reflexion des Datenerhebungsprozesses (5.1.5). In Kapitel 5.2 wird die inhaltlich strukturierte Inhaltsanalyse nach Kuckartz als Datenauswertungsmethode vorgestellt. Im sechsten Kapitel wird das Vorgehen der Analyse vorgestellt und die Ergebnisse anschließend vorgestellt (6.3). Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse ab. Im siebten Kapitel werden die Ergebnisse in Verbindung mit den theoretischen Erkenntnissen und den gesetzlichen Grundlagen zur Kooperation diskutiert. Abschließend folgt im achten Kapitel das Fazit.
2. Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit dem Übergang von Kindergarten in die Grundschule. Das Ziel ist es einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand hinsichtlich der Transitionen vom Elementar- in den Primarbereich zu erhalten. Dazu werden zunächst die theoretischen Grundlagen, auf welchen das bereits vorgestellte Transitionsmodell fußt, dargestellt. Anschließend wird das Transitionsmodell zusammenfassend mit Bezug auf die handlungsleitenden Schwerpunkte vorgestellt. In diesem Zuge werden auch die Entwicklungsaufgaben vorgestellt, die jedes Kind individuell zu bewältigen hat.
Wie jedes Kind und jeder Mensch eine Transition meistert, kann nicht vorhergesagt werden. Praktische Erfahrungen mit Menschen in Übergängen zeigen, dass manche Menschen sich deutlich schneller an neue Situationen anpassen als andere. Insofern sollten Transitionen weniger standardisiert, sondern auf individueller Ebene betrachtet werden (Griebel 2011, S. 43). Aus diesem Grund wird in diesem Kapitel auch auf die mit einem Übergang verbundenen Anpassungsprobleme des Individuums eingegangen. Deutlich gemacht wird dies durch die zum einen genetische Faktoren wie die Temperamentseigenschaften, andererseits durch die Umwelt beeinflussbare Kompetenzen, wie die Resilienz, welche maßgeblich für die daraus resultierende Übergangskompetenz ist.
2.1 Transitionsforschung
Auf Basis von Forschungsergebnissen und unter Auseinandersetzung mit verschiedenen theoretischen Ansätzen entwickelten Griebel und Niesel ein Transitionsmodell, welches dem familienpsychologischen Bereich zuzuordnen ist und speziell den Übergang zwischen Kindergarten und Grundschule beschreibt. Grundsätzlich fußt das Modell auf dem Familien-Transitions-Modell von Cowan (1991), welches entworfen wurde, um Übergänge in der Familienentwicklung zu untersuchen. Ebenso sind drei andere Ansätze mit in das Transitionsmodell eingeflossen, dazu zählen der ökosystematische Ansatz von Bronfenbrenner, die Erkenntnisse der Stressforschung nach Lazarus und die Theorie kritischer Lebensereignisse nach Filipp (Griebel & Niesel 2011, S.35f). Um das Modell in seinem Grundgedanken besser begreifen zu können, werden die vier Theorien im Folgenden kurz vorgestellt.
2.1.1 Das Familien-Transitionsmodell
Das von Philip Cowan 1991 entwickelte Modell beschreibt Transitionen als Aufgabe aller Familienmitglieder und werden nach Cowan auf der individuellen als auch familialen Ebene als Veränderungsphasen verstanden (vgl. Fthenakis, 1999, S. 43). Cowan ist der Ansicht, dass die Entwicklung sowohl von Kindern als auch von Erwachsenen mit Veränderungen auf den Ebenen der Identität, der Beziehungen und der Gemeinschaft einhergeht (vgl. Griebel & Niesel 2011, S.29). Er unterscheidet dabei zwischen der interpersonalen und der intrapersonalen Sicht des Einzelnen. Beide Sichtweisen erfahren während des Übergangs Veränderungen. Für die Entwicklung der Identität ist besonders die intrapersonale Sicht von Bedeutung, da sich die psychologische Eigensicht sowie das Bild von der Welt im Laufe der Transition ändert. Während des Übergangs steht der Einzelne ebenfalls vor der Aufgabe, neue Kompetenzen zu entwickeln und starke Emotionen zu regulieren. Mit der interpersonalen Sicht beschreibt Cowan die Veränderungen, die von außen sichtbar sind (vgl. Cowan 1991, S.13ff).
Während des Transitionsprozesses können alte Rollen und alte Verhaltensweisen, erweitert, aufgegeben oder durch neue ersetzt werden. Dies betrifft allerdings nicht nur die Betroffenen, sondern sämtliche Familienmitglieder (Griebel & Niesel 2011, S.29). Während des Übergangs kommt es in der Regel zu einer Phase des Ungleichgewichts, die mit emotionaler Verunsicherung und einem Dissonanz Erleben einhergeht. Um ein inneres Gleichgewicht wieder herstellen zu können, muss der Einzelne vielfältige Bewältigungsstrategien entwickeln. In diesem Zusammenhang betont Cowan die Bedeutung von Risiko- und Schutzfaktoren und die verfügbaren Ressourcen als maßgeblich, um den Übergang erfolgreich bewältigen zu können (vgl. Beelmann 2006, S.21; Cowan 1991, S.21).
2.1.2 Der ökopsychologische Ansatz von Bronfenbrenner
Urie Bronfenbrenner (1981) vertritt als ökologisch orientierter Entwicklungspsychologe die Ansicht, dass ein Zusammenhang zwischen der Umwelt und dem Prozess menschlicher Entwicklung besteht.
Er beschreibt, dass die Interaktionsprozesse „nicht auf einen einzigen Lebensbereich beschränkt sind“, sondern dass alle „Aspekte der Umwelt außerhalb der unmittelbaren Situation um das Subjekt in Betracht gezogen“ werden (Bronfenbrenner 1981, S. 37). Er beschreibt die Umwelt eines heranwachsenden Menschen als eine Schicht von Systemen, die ineinander geschlossen sind. Das Kind befindet sich somit in dem System Familie, welches von Bronfenbrenner als Mikrosystem bezeichnet wird. Die Familie bildet ein Geflecht von Interaktionen und Beziehungen, in dem das Verhalten jedes einzelnen und das der anderen beeinflusst wird (vgl. Griebel 2011, S.40). Das Mikrosystem Familie wiederum steht in seiner Gesamtheit in Wechselwirkung mit dem nächsten System. Als Mesosystem bezeichnet, beinhaltet dieses das Netz verwandtschaftlicher und freundschaftlicher Beziehungen der Familie sowie den freundschaftlichen Kreis des Kindes im gleichen Alter. In diesen zwei System nimmt das Kind aktiv an den Wechselwirkungen teil. Jeder Lebensbereich beeinflusst sich hier gegenseitig. (vgl. Bronfenbrenner 1981, S.41f). Das nächste System wird von Bronfenbrenner als Exosystem bezeichnet. Hierein fallen Lebensbereiche „an denen die sich entwickelnde Person nicht selbst beteiligt ist, in denen aber Ereignisse stattfinden, die beeinflussen was in ihrem Lebensbereich geschieht“ (Bronfenbrenner 1981, S.42). Als Beispiel ist hier die Arbeitswelt der Eltern zu nennen. Eine alle umfassende weitere Systemebene ist das Makrosystem, in welches Familienpolitik, Gesetzgebung und gesellschaftliche Normen fallen. Das Makrosystem beeinflusst in unterschiedlichster Weise die untergeordneten Systeme. Veränderungen, die über die Zeit entstehen, werden als Chronosystem bezeichnet (vgl. Griebel 2011, S.40). Bronfenbrenner beschreibt, dass ökopsychologische Übergänge ein Leben lang vorkommen und einerseits als gemeinsame Folge biologischer Veränderungen angestoßen werden und andererseits der Übergang ein Prozess gegenseitiger Anpassung zwischen dem Individuum und der Umgebung ist (vgl. Bronfenbrenner 1981, S.48).
Nach der ökopsychologischen Theorie wird die Anpassung an eine Institution außerhalb der Familie ebenso als ein ökopsychologischer Übergang definiert, der Veränderungen in der Identität, in Rollen und in Beziehungen mit sich bringt. Griebel und Niesel weisen darauf hin, dass der Ansatz von Bronfenbrenner sich in der internationalen Forschung als äußert fruchtbar erwies. Forscher*Innen betonen diese Perspektive immer wieder und machen deutlich, dass es sich bei dem Übergang um ein System von „Interaktionen zwischen Personen (Eltern, Vorschul- und Schullehrer*innen sowie Kindern), Umgebungen (Zuhause, Schulen und Kindertageseinrichtungen) und politischen Institutionen auf kommunaler und nationaler Ebene“ handele und dass dieses System „sich an der Unterstützung der Entwicklung junger Kinder vor dem Eintritt in das formale Schulsystem zu orientieren“ habe (Griebel & Niesel 2004, S.23).
Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule bedeutet nach Bronfenbrenners Theorie, dass die Mikrosystemebene eine Erweiterung durch das Mikrosystem Grundschule erfährt. Ebenso bedeutet es eine Veränderung für die Mesoebene, da hier Wechselbeziehungen zwischen den Mikrosystemen Familie und Grundschule bestehen. Die genannten Wechselbeziehungen sind beim Transitionsprozess von großer Bedeutung. Somit berücksichtigt der ökopsychologische Ansatz die Forderung nach einer kooperativen Übergangsgestaltung, da auch Bronfenbrenner der Ansicht ist, dass das „entwicklungsfördernde Potenzial eines Lebensbereiches [.] gesteigert wird, wenn die Person den Übergang nicht allein vollzieht, wenn sie also in Begleitung einer anderen Person oder mehrerer anderer Personen [.] [ist] (Bronfenbrenner 1981, S.201f.). Bronfenbrenner spricht sich dafür aus, dass die kooperativen Maßnahmen von den Personen übernommen werden sollen, die einerseits das Leben der Person bislang begleitet haben, andererseits Personen, die über Erfahrungen und einschlägige Informationen verfügen (vgl. Bronfenbrenner 1981, S.201). Konkret bedeutet dies: Die Familie, explizit die Eltern, und das Fachpersonal der abgebenden sowie aufnehmenden pädagogischen Einrichtung.
2.1.3 Stressansatz nach Lazarus
Der Stressansatz spielt für die Transitionsforschung ebenfalls eine große Rolle. Anhand dieses Ansatzes lässt sich ein Rahmen für die Erklärung von Belastungsreaktionen und für Belastungsbedingungen beschreiben. Nach Lazarus, dem Begründer der Stresstheorie, beschreiben Griebel und Niesel fünf Faktoren, die es bei der Bewältigung von Veränderungen zu beachten gilt: (1) Ausmaß der Veränderung, (2) Dauer der Veränderung, (3) ob die Veränderung von den Betroffenen gewünscht oder unerwünscht sind, (4) ob der Betroffene die Veränderung kontrollieren kann und (5) über welche Ressourcen zur Bewältigung der Einzelne verfügt.
Wird einer der Faktoren nicht oder nur bedingt erfüllt, wird die Bewältigung der Veränderung erschwert. Ist die Veränderung beispielsweise von großem Ausmaß und langer Dauer, aber vom Einzelnen nicht erwünscht oder nicht kontrollierbar, wird dies die Bewältigung erschweren. (vgl. Griebel und Niesel 20011, S.28). Reichen die vorhandenen Ressourcen nicht zur Bewältigung, empfindet der Einzelne Überforderung und Stress. Lazarus und Folkman (1987) betonen, dass die Anforderungen ebenso subjektiv gewertet werden können. Demnach ist für die Bewältigung der Veränderung ebenso wichtig, ob der anstehenden Veränderung mit Vorfreude, Lernfreude und Neugier begegnet wird (Lazarus & Folkman 1987 zit. Nach Griebel & Niesel 2004, S.89). Es kann aber auch mit Vermeidungsstrategien oder mit einem Gefühl der Überbelastung reagiert werden. In diesem Bezug werden zwei Ansätze unterschieden: In der Kontinuitätsthese geht man davon aus, dass Übergängen, besonders wenn sie als belastend empfunden werden, mit gewohnten Routinen und Kontinuität positiv entgegengewirkt werden kann. Durch ritualisierte Gewohnheiten kann ein fließender Wechsel geschaffen werden, welcher den Betroffenen hilft den Übergang zu bewältigen (Dollase 2011, S.55). Die Diskontinuitätsthese geht davon aus, dass der Übergang zwar einen Entwicklungsreiz darstellt, der den Betroffenen in seiner Entwicklung weiterbringt; der Übergang an sich aber mehr oder weniger ein mittel- oder langfristiges Anpassungsproblem ist.
Die Stresstheorie ist für die Transitionsforschung insofern von Bedeutung, dass sie die subjektive Wahrnehmung und Bewertung, und die Anforderungen und Belastungen während eines Übergangs aufgreift. Sie beinhaltet die Perspektive des Betroffenen und leitet über zur individuellen Bewältigung.
2.1.4 Die Theorie der kritischen Ereignisse
Mit der Theorie der kritischen Ereignisse sind von Sigrun-Heide Filipp (1995) große Veränderungen im Lebenslauf beschrieben worden, die den Einzelnen in besonderer Weise herausfordern und dem Betroffenen ein hohes Bewältigungspotential abverlangen. Kritische Lebensereignisse bedeuten einen Eingriff in das zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgebaute Passungsgefüge zwischen der einzelnen Person und deren Umwelt. Es kommt zu einem Konflikt zwischen Person und Umwelt, der gelöst werden muss und von der Person entsprechende Anpassungsleistungen fordert (vgl. Filipp 1995, S.23).
Kritische Lebensereignisse gelten als Wendepunkte in der Entwicklung; dabei werden mit dem Begriff „Krise“ nicht nur Risiken gemeint, sondern auch Entwicklungschancen für das persönliche Wachstum. Kritische Lebensereignisse können eine entwicklungsfördernde Herausforderung für die einzelne Person bedeuten. Griebel und Niesel weisen darauf hin, dass es nur zu Risiken kommt, wenn sie „die Bewältigungsressourcen überschreiten und schädigende Wirkungen bedingen können [...].“ (Griebel & Niesel 2004, S.91).
Besonders gefordert werden bei solchen Ereignissen die individuellen Bewältigungskompetenzen, da eine Neuorganisation notwendig wird, die zu Veränderungen innerhalb der Person führt als auch zu Veränderungen in der Umwelt der Person. Die Bewältigung kritischer Lebensereignisse wird auch durch das subjektive Empfinden beeinflusst. Es werden verschiedene Bewältigungsmechanismen aktiviert, wenn man neuen Lebensereignissen als erfreulich, bereichernd, herausfordernd oder eher als belastend und kritisch gegenübersteht (vgl. Griebel & Niesel 2004, S.91). Hier gibt es eine enge Verbindung zur Stresstheorie.
Kritische Lebensereignisse können zwischen biologischen, physikalischen oder sozialen Ereignissen unterschieden werden, ebenso zwischen akut eintretenden oder chronischen Ereignissen. Für die Transitionsforschung im Bildungsbereich ist die Unterscheidung zwischen nichtnormativen und normativen kritischen Lebensereignissen wesentlich. Sind Lebensereignisse aufgrund ihrer biologischen und sozialen Normierung regelhaft und für die Mitglieder eines sozialen Systems vergleichsweise universell vorgegeben, spricht man von „normativen Lebensereignissen.“ (Filipp 1995, S.15), wozu auch der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule zählt. Institutionelle (Kindergarten und Grundschule) sowie außerinstitutionelle Sozialisationsprozesse (Familie) zielen darauf ab, bei den Betroffenen Kompetenzen und Verhaltensweisen zu fördern und zu entwickeln, die die Bewältigung dieser kritischen Lebensereignisse vereinfachen und sie darauf vorzubereiten.
Im Gegensatz zu normativen Lebensereignisse, die jeder im Laufe seines Lebens durchläuft, betreffen nicht normative Lebenskrisen nur einzelne Personen. Hiermit sind Einschnitte im Lebenslauf wie Scheidung der Eltern, Geburt von Geschwisterkindern, Umzug mit verbundenem Schulwechsel gemeint, welche sich als Risiken entwickeln können (vgl. Filipp 1995, S.19).
2.1.5 Transition als Ko-konstruktiver Prozess
Das Transitionsmodell von Griebel und Niesel fasst die vorgestellten Transitionsansätze zusammen und hebt sich dadurch ab, dass es sämtliche Perspektiven integriert. Durch das Familien-Transitions-Modell und den ökopsychologischen Ansatz wird der Übergang des Betroffenen nicht separiert betrachtet sondern in Abhängigkeit mit seiner Umwelt. Dementsprechend spielen einerseits die Einflüsse aus dieser eine große Rolle bei der Transition, andererseits verändert sich auch die Umwelt des Betroffenen. Durch den Ansatz der kritischen Lebensereignisse von Filipp konnte eine Verbindung zu den Aspekten Stress und Bewältigung geschaffen werden. Da das Konzept nach Filipp jedoch nicht auf die Entwicklung der Identität in kritischen Lebensereignissen hinweist, nehmen Griebel und Niesel Aspekte der Stresstheorie mit auf und fokussieren damit auch die Perspektive der Betroffenen (vgl. Griebel & Niesel 2004, S.92). Nach eigener Aussage unterscheidet sich das Transitionsmodell von Griebel und Niesel von den bisherigen Theorien insofern als dass es die „Identität des Einzelnen als erlebter Status, Selbstkonzept und Verortung des Selbst in der eigenen Lebensgeschichte in Verbindung mit Übergängen“ berücksichtigt (Griebel & Niesel 2004, S.93).
Das Modell wurde vielfach empirisch beforscht und wurde im nationalen wie auch internationalen Austausch mit der Praxis diskutiert und ausformuliert. Es fokussiert die „Bewältigung von Veränderungen beim Eintritt in und Übergang zwischen Bildungseinrichtungen“ und bildet eine wichtige Grundlage bei der Kooperation von Kindergarten und Grundschule. Nachfolgend werden die handlungsleitenden Schwerpunkte des Modells für die Praxis skizziert.
Die Berücksichtigung aller Akteure
Wie eingangs kurz beschrieben, wirken nach diesem Modell beim Übergang vom Kindergarten in die Grundschule nicht nur die Kinder mit, sondern auch deren Eltern, Fachkräfte des Kindergartens, Lehrkräfte der Schule und eventuell des Hortes. Des Weiteren können Großeltern, soziale Dienste oder andere Mitglieder des sozialen Netzwerkes mitwirken. Dazu gehören neben den Freunden und Geschwistern der Kinder auch Freunde der Eltern. Der bedeutsame Unterschied liegt allerdings in der Art der Bewältigung. Das Kind und seine Eltern bewältigen den Übergang aktiv; sprich sie werden von Kindergartenkindern und -eltern zu Schulkindern und -eltern. Sämtliche beteiligte Fachkräfte haben den passiven Status, da sie im Sinne des Transitionsmodell keine Veränderung in der Identität vollziehen. Sie moderieren den Übergang aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation und stehen Eltern und Kindern beratend und unterstützend zur Seite. Obgleich der passiven Bewältigung erleben Fachkräfte den Übergang als einen besonders fordernden Abschnitt im Jahresablauf (vgl. Griebel & Niesel 2011, S.117).
Transition als prozesshaftes Geschehen
Der Beginn und das Ende einer Transition ist nicht eindeutig gegeben. Transitionen sind vielmehr als ein Prozess zu verstehen, welcher von jedem Kind individuell lang bewältigt wird. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Entwicklungstempora beginnen lange vor dem ersten Schultag die ersten Vorbereitungen in Familie, Kindergarten und Grundschule. Ebenso hat die Erfahrung gezeigt, dass der Erwerb der Schulfähigkeit und somit das Ende des Übergangs erst in Verbindung mit Schulerfahrungen abgeschlossen werden kann (vgl. Griebel & Niesel 2011, S.118).
Struktur der Entwicklungsaufgaben
Während des Übergangs müssen das Kind und seine Eltern Veränderungen bewältigen, die mehreren Ebenen zuzuordnen sind. Sie lassen sich unterscheiden in die individuelle, interaktionale und kontextuelle Ebene. Dabei handelt es sich um Diskontinuitäten in den Erfahrungen des Einzelnen, die es bewältigen muss. Die Anpassungsleistungen lassen sich als Entwicklungsaufgaben definieren, da die Leistungen in kurzer Zeit erfolgen müssen und die verdichteten Lernprozesse als Entwicklungsstimuli angesehen werden. Mit der Betonung auf Entwicklungsaufgaben wird hier stärker der positiv motivationale Charakter der Herausforderung hervorgehoben als es bei Belastung oder Anforderung der Fall ist (vgl. Griebel & Niesel 2011, S.118f).
Entwicklungsaufgaben auf der individuellen Ebene umfassen die Veränderung der Identität, das Bewältigen von starken Emotionen wie Vorfreude und Neugier, aber auch Unsicherheit und Angst und den Erwerb von neuen Kompetenzen wie beispielsweise Selbstständigkeit und Kulturtechniken. Die Entwicklungsschritte werden durch neue Verhaltensweisen sichtbar. Auf interaktiver Ebene - der Beziehungsebene - müssen neue Beziehungen zu neuen Mitschüler*innen und zur Lehrkraft eingegangen werden. Die bisher bestehenden Beziehungen müssen neu strukturiert werden oder müssen gar abgebrochen werden. Auch die Beziehungen in der Familie müssen neu strukturiert werden. Die Rolle wandelt sich vom Kindergarten- zum Schulkind und bringt somit auch neue Erwartungen und Sanktionen mit sich. Auf der Ebene der Lebensumwelten müssen zwei Lebensbereiche miteinander verbunden werden: Familie und Schule. Obwohl das Kind und seine Eltern schon zwei Lebensbereiche im Kindergarten koordinieren mussten, bedeutet der Wechsel auf die Schule eine ganz andere Koordinierungsarbeit. Anstelle von Freiwilligkeit und Freispiel treten nun der Stundenplan mit geregelten Zeiten sowie der Lehrplan in den Vordergrund. Das Kind muss sich an die neue Struktur der Schule erstmal anpassen. Wenn während dieser Phase Veränderungen in der Familie auftreten, wie die Geburt eines Geschwisterkindes oder die Trennung der Eltern, wird die Transition zum Schulkind verkompliziert.
Griebel und Niesel betonen in ihrem ko-konstruktivistischen Ansatz, dass nicht nur das Kind die Entwicklungsaufgaben bewältigen muss; auch den Eltern stehen eine Reihe von Entwicklungsaufgaben bevor. Sie werden von Eltern eines Kindergartenkindes zu Eltern eines Schulkindes und verändern somit auch ihre Identität; auch sie müssen neue Beziehungen knüpfen, alte eventuell aufgeben und müssen sich an die neuen Strukturen und Regeln der Schule gewöhnen (vgl. Griebel & Niesel 2011, S.118).
Bei allen Entwicklungsaufgaben spielen die spezifischen Vorerfahrungen und individuellen Entwicklungsbedingungen des einzelnen Kindes eine wesentliche Rolle. Aus diesem Grund wird im folgenden Kapitel auf die individuellen Ressourcen eingegangen, die maßgeblich dafür sind, wie eine Transition (erfolgreich) bewältigt werden kann.
2.2 Individuelle Anforderungen
Die Erfahrung mit Menschen in Übergangssituationen zeigt auf, dass sich die Menschen unterschiedlich an Übergänge anpassen. Manche meistern diese schnell und ohne (sichtbare) Probleme; andere wiederum haben Anpassungsschwierigkeiten. Als Erklärung werden verschiedene Faktoren herangezogen. Eine psychologische Analyse hebt den genetischen Aspekt hervor und vertritt die These, dass Temperamentseigenschaften die Anpassungsleistung beeinflussen (vgl. Dollase 2010, S.35). Während diese Eigenschaften nur bedingt durch die Umwelt und Lernprozesse beeinflusst werden, kann der Mensch eine Reihe von Kompetenzen erwerben, die ihm den Übergang erleichtern. Basiskompetenzen wie z.B. „Selbstvertrauen, Problemlösefähigkeiten, körperliche Gesundheit und die Bewältigung von Stress wie auch allgemeines Wohlbefinden“ (Griebel & Niesel 2004, S.131) werden als grundlegend angesehen, um einen Übergang bewältigen zu können. In diesem Zusammenhang spielt die Resilienz eines Menschen eine ebenso große Rolle. Weil es in der Schule insbesondere um den Erwerb von Wissen geht, ist die Frage nach den sogenannten Vorläuferkompetenzen insofern bedeutsam, als sie helfen, den Übergang zum Schulkind zu meistern. Nachfolgend werden die Temperamentseigenschaften, die Resilienz und damit verbundene Übergangskompetenz näher betrachtet sowie der Begriff Schulfähigkeit.
2.2.1 Temperamentseigenschaften
Obwohl man den genetischen Anteil bei einzelnen Menschen (noch) nicht bestimmen kann, zeigen sich die Temperamentseigenschaften des Menschen unter Umständen schon in dessen Kleinkindalter. Diese Ausprägung wird mit zunehmendem Alter deutlicher. Dollase (2010) beschreibt eine Anpassung des Menschen an die Sozialisationsbedingungen, so dass sie zu seiner „genetischen Ausstattung“ passen. Der Mensch orientiert sich also an seiner „inneren Stimme“ und wählt aufgrund dessen sein Umfeld.
Die genetisch determinierten Eigenschaften werden mittels der modernen Temperamentsforschung ausdifferenziert. Als Ergebnis einer Längsschnittstudie entwickelte sich eine faktorenanalytisch geprägte Temperamentsklassifikation, deren
Dimensionen wie folgt wiedergegeben werden (Zentner 1993, zit. Nach Dollase 2010, S.35):
1. Aktivität - Passivität
2. Regelmäßigkeit biologischer Funktionen - Unregelmäßigkeit
3. Annäherung - Vermeidung (Hemmung)
4. Anpassungsvermögen
5. Sensorische Reizschwelle (hoch - niedrig)
6. Stimmungslage (negative - positive Emotionalität)
7. Aufmerksamkeit/Ausdauer
Besonders die dritte und vierte Dimension lassen sich bei kleinen Kindern beobachten und sind somit an einem Übergang vom Kindergarten in die Grundschule beteiligt. Aus der Stressforschung ist bekannt, dass Menschen mit Anpassungsschwierigkeiten unterschiedliche Strategien entwickeln können. Als sogenannte Sensitizer beschäftigen sie sich besonders intensiv mit dem in der Zukunft liegenden Übergang; die Represser hingegen vermeiden jegliche Beschäftigung mit dem für sie stresserzeugenden Übergang (Dollase 2010, S.36).
Für die am Übergang beteiligten helfenden Akteure, also Eltern und Fachkräfte, bedeutet dies, dass das wahrscheinlichste Verhalten mittels der Temperamentsdimensionen analysiert werden kann und Aufschluss darüber gibt, wie das Kind mit neuen Situationen umgeht. Dementsprechend kann speziell auf die Kinder eingegangen und diese gezielt unterstützt werden. Für solche Kinder, welchen es aufgrund ihres Temperaments schwerfällt, sich an neue Situationen anzupassen, ist eine gute Passung zwischen ihrer sozialen Umwelt und ihrem Umgehen mit der jeweiligen Situation enorm wichtig, damit sie den Übergang gut bewältigen können (vgl. Griebel & Niesel 2011, S.132).
2.2.2 Die Bedeutung der Resilienz bei der Übergangsbewältigung
Während das Temperament zwar genetisch bedingt ist, aber auch durch Umwelteinflüsse bedingt wird, können Kinder eine Kompetenz erwerben, die maßgeblich von den Umwelteinflüssen geprägt wird. Neben diesen zählen ebenso personale Faktoren und Prozessfaktoren eine entscheidende Rolle. Die Rede ist von Resilienz, welche allgemein die Fähigkeit bezeichnet, belastende Situationen erfolgreich zu meistern. Staudinger und Greve (2001) legen Resilienz die Bedeutung zugrunde, die Funktionsfähigkeit trotz vorliegender beeinträchtigender Umstände zu 16 erhalten und die normale Funktionsfähigkeit nach erlittenem Trauma wiederherzustellen (vgl. Staudinger und Greve (2001) zit. nach Kormann 2007, S.38). Die Resilienzforschung hat es sich zum Ziel gemacht, ein besseres Verständnis für die Bedingungen zu erlangen, welche „psychische Gesundheit und Stabilität bei Kindern erhalten und fördern, die sozialen und familiären Risiken und Belastungen ausgesetzt sind“ (Kormann 2007, S.37). Dabei geht es nicht darum, die „Risikokinder“ ausfindig zu machen, sondern Faktoren zu entwickeln, um alle Kinder vor einer ungünstigen Entwicklung zu schützen. Generell lassen sich verschiedene Risiko- als auch Schutzfaktoren ausmachen, welche eine resiliente Entwicklung begünstigen oder gefährden können. Risikofaktoren sollten allerdings komplexer aufgeschlüsselt werden; sie sind nicht allein an einer Situation messbar, sondern hängen von weiteren Risikoprozessen ab. Kormann beschreibt dies mit dem Risikofaktor „elterliche Scheidung“, welcher zwar ein Indikator sein kann, aber nicht maßgeblich für eine Belastung ist. Vielmehr sollten weitere Risikoprozesse in den Blick genommen werden, wie die Disharmonie in der Familie, Konflikte in der Familie oder Unsicherheit der Eltern (vgl. Kormann 2007, S.39).
Weg von einer Defizitorientierung orientiert sich die Resilienzforschung an den Ressourcen und Kompetenzen, die gefördert werden können, um die Resilienz zu stärken. (vgl. Wustmann 2004, S.14). Die Kenntnis über bestimmte schützende Faktoren ist für die Konzipierung von Präventionsmaßnahmen von großer Bedeutung, da sich daraus Ziele ableiten, wie Kinder in (außer-)familiären Einrichtungen gestärkt und unterstützt werden können. Die schützenden Faktoren haben zum Ziel, wichtige Person- und Umweltressourcen zu schaffen, die „die Kinder motivieren, selbst - über die Aktivierung von Selbsthilfekräften - weiterzukommen“ (Niesel et al. 2008, S.17). Diese Faktoren lassen sich in drei Ebenen gliedern: Personale Ressourcen wie Problemlösefähigkeit und ein hohes Selbstwirksamkeitsüberzeugen, Ressourcen innerhalb der Familie und im familialen Umfeld, wie verlässliche und stabile Bezugspersonen, wertschätzendes und unterstützendes Beziehungsverhalten und Ressourcen durch Bildungsinstitutionen wie klare, transparente und konstante Regeln, Fachkräfte als positive Rollenmodelle und positive Verstärkung der Anstrengungsbereitschaft des Kindes (vgl. Niesel et al 2008, S.17f). Wie wichtig die Bindungsqualität für die Stressbewältigung ist, heben Griebel und Niesel (2011) besonders hervor, da „sich die Erfahrung von Bindungssicherheit nachhaltig positiv auf die Entwicklung des Kindes auswirkt“ und die sicherheitsbasierte Explorationslust und Entdeckerfreude begünstigt (Griebel und Niesel 2011, S.133). Forscher konnten belegen, dass Kinder mit einer sicheren Bindung schon vor Schuleintritt eine hohe Lernmotivation entwickeln und der Schule optimistisch gegenüberstehen (vgl. Griebel und Niesel 2011, S.134).
2.2.3 Übergangskompetenz
Neben der Übergangsbewältigungskompetenz, der Resilienz, gibt es noch weitere Faktoren, die einen guten Schulstart beeinflussen können. Als Übergangskompetenz werden notwendige Faktoren und bestimmte Rahmenbedingungen für einen positiven Übergang verstanden. Als maßgeblich werden Kompetenzen wie „Selbstvertrauen, Problemlösefertigkeiten, körperliche Gesundheit und die Bewältigung von Stress wie auch allgemeines Wohlbefinden“ erachtet (Griebel & Niesel 2004, S.131). Griebel und Niesel benennen diese Kompetenzen, in welchen auch Aspekte der Resilienz wiederzufinden sind, als soziale Kompetenzen. Auch kommunikative Kompetenzen sind bei der Übergangsbewältigung von großer Bedeutung, da beim Eintritt in die Schule „vermehrt verbale Information, verbale Instruktion, Wörter und Sprache der Schule verstanden werden [müssen]“ (Griebel & Niesel 2004, S.131).
Die für die Transitionsbewältigung notwendigen Kompetenzen werden von Griebel und Niesel als Basiskompetenzen zusammengefasst und beinhalten neben den eben genannten ebenso die Selbstkompetenzen, kognitive Kompetenzen und Lernkompetenzen. Diese und als auch solche Kompetenzen, die in der Schule weitergeführt werden sollen, sind Bestandteil fester Integration von Bildungs- und Erziehungsplänen. In direktem Zusammenhang mit schulischen Lerninhalten stehen die von Kammermeyer (2001) identifizierten „schulnahen Vorläuferkompetenzen“, welche bereits in Familie und Kindergarten gefördert werden können und in besonderen Maße in der interinstitutionellen Kooperation diskutiert werden. Als schulnahe Kompetenzen werden etwa die phonologische Bewusstheit und mathematisches Vorwissen genannt (vgl. Griebel & Niesel 2020, S.132). In diesem Zusammenhang fällt zwangsläufig auch der Begriff Schulfähigkeit, welcher allerdings im folgenden Kapitel gesondert thematisiert wird, da Schulfähigkeit nicht als Kompetenz, sondern als soziales Konstrukt anzusehen und als Aufgabe aller Beteiligten im Transitionsansatz zu verstehen ist (vgl. Griebel & Niesel 2004, S.131f). Sagen lässt sich aber bereits, dass die Förderung schulnaher Vorläuferkompetenzen nur einen Teil der Anforderungen abdecken kann, die ein künftiges Schulkind im Übergang bewältigen muss; vielmehr ist der Fokus auf alle Basiskompetenzen zu legen.
Wie wichtig die Übergangskompetenz ist, legt Schumacher (2007) offen. Sie schreibt, dass die erfolgreiche Bewältigung des Übergangs vom Kindergarten in die Grundschule maßgeblich für den weiteren Bildungserfolg ist, da die Bewältigung oder eben Nichtbewältigung entscheidend zum Ge- oder Misslingen des Weiteren Bildungs- und Entwicklungsprozesses beiträgt (vgl. Schumacher 2007, S.11). Griebel und Niesel fassen die Erkenntnisse verschiedenster Forscher zusammen und definieren einen erfolgreichen Übergang als das Fehlen größerer Probleme; wobei zusätzlich vorausgesetzt wird, dass die Kinder sich während und nach des Übergangs wohl fühlen. „Von einem erfolgreichen Übergang wird gesprochen, wenn das Kind sich emotional, psychisch, physisch und intellektuell gut in der Schule präsentiert; und das ist dann eher wahrscheinlich, wenn das Kind gut vorbereitet ist“ (Griebel & Niesel 2004, S.130). Diese Tatsache wirft wiederum die Frage auf, ab wann ein Kind gut vorbereitet ist. Da mit einer guten Vorbereitung häufig die Schulfähigkeit in Verbindung gebracht wird, wird im nachfolgenden Kapitel geklärt, welches Verständnis zur Schulfähigkeit vorherrscht und welche Faktoren eine Rolle spielen, damit man von einem schulfähigen Kind sprechen kann.
2.2.4 Schulfähigkeit als soziale Kompetenz
Kaum ein anderer Begriff ist so umstritten diskutiert worden wie der der Schulfähigkeit. Das Konstrukt Schulfähigkeit wurde lange Zeit mit Selektion in Verbindung gebracht. Wer als schulfähig galt wurde eingeschult, wer nicht schulfähig war wurde zurückgestellt. Kammermeyer beschreibt Schulfähigkeit als Konstrukt, dass als „Hürde [die] Kinder von der Schule fernhält“ (Kammermeyer 2001, S.96). Die Vorstellungen zur Schulfähigkeit haben einen großen historischen Wandel vollzogen. In den 50er Jahren ging man noch von der „Schulreife“ aus, wonach ein Kind diese unabhängig von den Einflüssen der Umwelt irgendwann erlangen würde. Nachdem das Schuleintrittsalter aufgrund der Reifungstheorie zweimal heraufgesetzt wurde, wurde diese Vorstellung durch das Modell der „Schulfähigkeit“ ersetzt. Das Modell berücksichtigt die Heterogenität der Kinder bei gleichem Alter und gleichem Förderangebot. Es geht davon aus, dass Kinder je nach Lebensbedingungen und Ausgangslage unterschiedlich auf Anreize, Hilfen und Unterstützungen reagieren und daher zu verschiedenen Zeiten mehr oder weniger schulfähig sind (vgl. Bründel 2005, S.41). Das Verständnis dieses Modells hat sich ebenfalls weiterentwickelt. So schrieb man dem Einfluss der Umwelt und den motivationalen und sozialen Faktoren im weiteren Verlauf eine große Bedeutung zu. Ab den 90er Jahren bezog sich das Verständnis von Schulfähigkeit auf eine ökologisch-systemische Sichtweise, bei welcher die Wechselwirkung zwischen den Anforderungskriterien und den Fähigkeitsmerkmalen des Kindes betont wurde. Abgerückt von der Vorstellung, dass Schulfähigkeit eine Eigenschaft des Kindes sei wurde betont, dass viele Faktoren maßgeblich zur Schulfähigkeit beitragen, welche in Interaktion zwischen Kindergarten, Schule und Familie zu finden sind (vgl. ebd).
Konkret benannt hat Nickel (1995) diese drei Komponenten (Kind, Schule und Ökologie) auf Basis der ökologischen Sozialisationstheorie nach Bronfenbrenner (vgl. dazu Kap. 2.1.2) und hat damit das Verständnis von Schulfähigkeit neu geprägt. Kammermeyer (2000) stützt diese Theorie und gibt weiterhin an, dass Schulfähigkeit, als gemeinsame Aufgabe von Kindergarten, Grundschule und Familie, viele Gespräche zwischen Erzieher*innen, Lehrkräften und Eltern mit sich bringen muss, da die Schulfähigkeit von vielen Faktoren abhängt und keine, wie früher angenommen, eindeutig festgestellte Eigenschaft des Kindes ist (vgl. Kammermeyer 2010, S.1). Sie geht noch einen Schritt weiter und spricht eher von einer „Schulfähigkeitsphilosophie“, welche sich nach den jeweiligen Einrichtungen unterscheiden können (vgl. Griebel & Niesel 2011, S.127).
Wichtig ist aber im Sinne eines gelingenden Übergangs, dass die Kommunikation zwischen den Einrichtungen übereinstimmt. Wenn Kindergarten und Grundschule gleiche Vorstellungen von Schulfähigkeit haben, also der gleichen „Schulfähigkeitsphilosophie“ folgen, kann eine Kooperation im Sinne der Ko- Konstruktion gelingen (vgl. Niesel 2004, S.94).
Griebel & Niesel (2020) setzen den Begriff Schulfähigkeit (vgl. Abb.2) mit der Beschreibung „Bereitschaft für den Übergang zum Schulkind“ gleich (wie maßgeblich die vorhandene Bereitschaft für einen gelingenden Übergang ist, wurde bereits geklärt) und nennen hierzu eine Reihe an Kompetenzen, die die drei Institutionen (Familie, Kindergarten, Grundschule) jeweils mitbringen sollten (vgl. Griebel & Niesel 2020, S.130).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Transitionskompetenz als Kompetenz des sozialen Systems (Griebel & Niesel 2020, S.130)
Im Zuge des Übergangs vom Kindergarten in die Grundschule sollten folglich nicht nur die Kinder und deren Familien in den Blick genommen werden, sondern ebenfalls die Wirkungsbereiche der Erzieher*innen und Lehrkräfte hinterfragt werden. Hier stellt sich die Frage, inwieweit die verschiedenen Rahmenbedingungen im Zuge einer Kooperation eine gemeinsame Gestaltung der Transition gewährleisten können. Auf welche Weise die beiden Institutionen Kindern helfen können, einen reibungslosen Übergang zu bewältigen, wird im nächsten Kapitel aufgegriffen.
3. Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule
Während im Transitionsansatz überwiegend der individualpsychologische Ansatz zum Tragen kommt, welcher die Herausforderungen im Übergangsprozess als individuelles Anpassungsproblem begreift, fokussiert der sozialwissenschaftliche Zugang den Übergang als organisatorisches Anpassungsproblem, bei welchem die Organisationen die eigentliche überforderte Instanz sind. Um die Übergänge der Kinder bestmöglich begleiten und unterstützen zu können, bedarf es organisatorischer und administrativer Entscheidungen, politischer Unterstützungsprozesse und formalisierter Regeln (vgl. Dollase 2010, S. 37). Diese Unterstützungsprozesse sollen in der Verzahnung beider Institutionen verstanden und mit der Kooperation umgesetzt werden. Hense & Buschmeier (2002) definieren Kooperation als eine bewusste, von allen Beteiligten verantwortete, zielgerichtete, gleichwertige und konkurrenzarme Zusammenarbeit. Das Ziel, also der erfolgreiche Übergang, kann nur gemeinsam erreicht werden. Kooperation findet im Kontext konkreter struktureller Bedingungen statt und sollte auf der Sach- und Beziehungsebene immer wieder neu erarbeitet werden (vgl. Hense & Buschmeier 2002, S.9).
Für die Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule sprechen drei wichtige Gründe aus drei unterschiedlichen Perspektiven. Neben der sogenannten Kindzentrierung, also der Orientierung an den Bedürfnissen der Kinder (die Wahrnehmung des Übergangs als großer Entwicklungsschritt, der besonderer Unterstützung bedarf), sind die gesetzlichen und administrativen Vorschriften ein wichtiger Grund zur Kooperation. Im Sozialgesetzbuch (Paragraf 22a SGB VIII) ist die Bemühung zur Kooperation seitens der Kindergärten gesetzlich vorgeschrieben. Da Schulen durch das SGB VIII nicht verpflichtet werden können, sollten entsprechende Verpflichtungen in den Schulgesetzen noch vorgenommen werden. Studien belegen die Wirksamkeit der Aufnahme der Kooperationsverpflichtungen in das Schulgesetz, wie es etwa schon in Brandenburg oder Bayern der Fall ist. In Baden- Württemberg gibt die aktuelle Verwaltungsvorschrift des Kultusministeriums (2019) konkrete Anweisungen vor, wie die Kooperation zu gestalten ist (vgl. VwV 2019, S.19). Als letzten Grund für eine intensive Zusammenarbeit beider Institutionen ist die Verbesserung der (sozialen und familiären) Chancengerechtigkeit zu nennen, welche von Kindertageseinrichtungen durch entsprechende Förderangebote gefordert und schließlich am schulischen Erfolg gemessen werden (vgl. Seckinger 2010, S.201f).
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