Die Gerechtigkeit bei Aristoteles


Seminararbeit, 2000

12 Seiten, Note: 1,0

Hans Kalt (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorbemerkung

2. Der Aristotelische Gerechtigkeitsbegriff
2. 1. Universale Gerechtigkeit
2. 2. Partikulare Gerechtigkeit
2. 2. 1. Distributive Gerechtigkeit
2. 2. 2. Kommutative Gerechtigkeit
2. 3. Billigkeit

3. Das Gerechte in der Polis
3. 1. Gerechtigkeit und Gesetz
3. 2. Distributive Gerechtigkeit in verschiedenen Verfassungen

4. Kritische Betrachtung
4. 1. Problematik der Gesetzesgerechtigkeit
4. 2. Gesetzestreue und die Definition von Tugendhaftigkeit

5. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

Primärtexte:

Sekundärliteratur:

1. Vorbemerkung

Ziel der vorliegenden Arbeit soll es sein, den Aristotelischen Gerechtigkeitsbegiff und dessen Anwendung auf die Polis zu analysieren und eventuell problematische Punkte in Aristoteles Überlegungen aufzuzeigen; Textgrundlage bilden die „Nikomachische Ethik“ und die „Politik“.

Zu diesem Zweck werde ich zuerst Aristoteles’ Konzept von der Gerechtigkeit, wie in Buch V der „Nikomachischen Ethik“ dargelegt, darstellen ( Kapitel 1 ). Anschließend will ich „das Gerechte“ in der Polis anhand einiger Textstellen- auch aus der Aristotelischen „Politik“- zum Zusammenhang von Gesetz und Gerechtigkeit ( 3. 1. ) und an der Realisierung der distributiven Gerechtigkeit in den Verfassungen ( 3. 2. ) versuchen zu erfassen. In einem vierten Kapitel folgt die Skizzierung des Problems der Gleichsetzung der allgemeinen und der gesetzlichen Gerechtigkeit, wobei indirekte, vielleicht erläuternde, Äußerungen von Aristoteles in der „ Politik“ und der „Nikomachischen Ethik“, hinzugezogen werden. Den Schluss bildet eine resumierende Schlussbemerkung ( Kapitel 5 ).

Die Zitatangaben in Klammern folgen der üblichen Zitierweise von Aristoteles-Texten, die sich nach der Berliner Akademie- Ausgabe von 1831 richtet.

2. Der Aristotelische Gerechtigkeitsbegriff

Gemäß der üblichen Methode seiner Untersuchungen, geht Aristoteles auch bei der Gerechtigkeit von allgemein akzeptierten Annahmen aus, die er als Ausgangspunkt verwendet. So beginnt auch die Abhandlung über die Gerechtigkeit mit einer allgemeinen Charakterisierung der Gerechtigkeit als

„jene Grundhaltung [ ... ], von der her die Menschen die Fähigkeit haben, gerechte Handlungen zu vollziehen, von der aus sie ( de facto ) gerecht handeln und ein festes Verlangen nach dem Gerechten haben.“ ( Nikomachische Ethik, 1129a ). Aristoteles unterscheidet nun mehrere Arten der Gerechtigkeit, die im Folgenden dargestellt sind:

2. 1. Universale Gerechtigkeit

Grundsätzlich differenziert Aristoteles zwischen der universalen oder legalen Gerechtigkeit[1], denn „es gilt offenbar [ derjenige ] als gerecht, ( A ) wer [ das ] Gesetz [ ... ] achtet“ (Nikomachische Ethik, 1129b ), und der partikularen Gerechtigkeit, die die „ Achtung vor der Gleichheit [ der Bürger ]“ ( NE, 1129b ) betrifft. Die universale Gerechtigkeit soll nun zuerst behandelt werden.

Voraussetzung für die Gleichsetzung von „ gerecht“ und „ gesetzlich“ ist die Vorstellung, das „alles Gesetzliche [ ... ] im weitesten Sinn etwas Gerechtes [ ist ].“ ( NE, 1129b ), und weiterhin, dass die Gesetze Regeln für alle Lebensbereiche aufstellen ( NE, ebenda ). Eine gewisse Relativierung erfährt diese Gleichsetzung durch die Anerkennung der Verfassungspluralität in der Realität, die mit dem Satz „Ihr Ziel [ der Gesetze ] ist der gemeinsame Vorteil für das gesamte Volk oder nur für die Adelsgeschlechter oder nur für die Gruppe, die ausschlaggebend ist entweder gemäß ihrer persönlichen Trefflichkeit oder sonst einem ähnlichen Maßstab.“ ( NE, ebenda )[2] angedeutet ist.

Aristoteles wertet die gesetzliche Gerechtigkeit als „Trefflichkeit in vollkommener Ausprägung“ ( NE, ebenda ) und als oberste Charaktertugend, denn sie sei die „ethische Werthaftigkeit“ in ihrem ganzen Umfang, allerdings mit dem definitorischen Zusatz der Bezogenheit auf den Mitbürger, wohingegen die „ persönliche Grundhaltung ohne weitere Bestimmung aufgefasst, „ethische Werthaftigkeit““ ( NE, 1130a ) heißt. In ihrem „Wesen“ seien die „ethische Werthaftigkeit“ und „ diese Form der Gerechtigkeit“ jedoch identisch (NE, 1130a ).[3]

Die zweite Art der Gerechtigkeit ist nun diejenige, „insofern sie eine Teilerscheinung der ethischen Trefflichkeit ist.“ ( NE, 1130a ), die so genannte partikulare Gerechtigkeit.

2. 2. Partikulare Gerechtigkeit

Diese „Teilerscheinung“ der universalen Gerechtigkeit bezieht sich auf die Gleichheit der Bürger und zwar in Bezug auf den Besitz äußerer Güter wie Geld oder auch öffentliche Ämter. Entscheidendes Kriterium dieser Einzeltugend ist das „ Mehr- haben- wollen“ bezüglich äußerer Güter ( „ Pleonexie“[4]), wobei auch hier, wie bei den anderen ethischen Tugenden, eine bestimmte Mitte angestrebt werden soll, da, „ das Gerechte ein Mittleres und [somit ein] Gleiches“ ( NE, 1131a ) darstellt. Diese Mitte gilt es nun in den beiden Grundformen der partikularen Gerechtigkeit, der distributiven und der kommutativen Gerechtigkeit, zu finden.

2. 2. 1. Distributive Gerechtigkeit

Diese Form der Gerechtigkeit hat die Verteilung öffentlicher Güter zum Gegenstand. Als gerecht gilt eine Verteilung nach der geometrischen Proportionalität, d.h., nach einem gewissen Maßstab („nach einer bestimmten Angemessenheit“, NE 1131a ), der ein Verhältnis zwischen den Personen anzeigt, die etwas zugeteilt bekommen. Grundsatz ist hier: „das Proportionale ist ein Mittleres und das Gerechte ein Proportionales.“ ( NE, 1131b ). Der Maßstab, nach dem die Verteilung erfolgt, ist in den verschiedenen Verfassungen jedoch ein verschiedener.[5] Der gerechteste Maßstab sei jedoch die Tugendhaftigkeit.[6]

[...]


[1] Die Benennungen der verschiedenen Gerechtigkeiten folgen den lateinischen Bezeichnungen der Schulphilosophie, geprägt von Thomas v. Aquin. ( siehe dazu auch: Ottfried Höffe: Aristoteles. München 1996. S. 227f.).

[2] Die im Text nun folgende Erläuterung der Gleichsetzung hängt mit der Aristotelischen Vorstellung vom „ gerechten Gesetz“( siehe 3. 1. ) zusammen, dessen Wesen in Kapitel 3. 1. aufgezeigt wird.

[3] Was hier unter „ Identität ihrem Wesen nach“ zu verstehen ist, ob nämlich nur in Bezug auf die Handlung, oder auch auf die Grundhaltung Identität besteht, werde ich in Kapitel 4. 2. kritisch untersuchen.

[4] Begriff übernommen aus Günther Bien: Gerechtigkeit bei Aristoteles. In: Ottfried Höffe ( Hg. ): Nikomachische Ethik. Berlin 1995.S.146.

[5] siehe Abschnitt 3. 2.

[6] siehe „ Politik“, III.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Die Gerechtigkeit bei Aristoteles
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Proseminar: Der Mensch als politisches Lebewesen. Ethik und Politik bei Aristoteles
Note
1,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
12
Katalognummer
V117460
ISBN (eBook)
9783640195503
ISBN (Buch)
9783640195602
Dateigröße
391 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gerechtigkeit, Aristoteles, Proseminar, Mensch, Lebewesen, Ethik, Politik, Aristoteles, Nikomachische Ethik, zoon politikon, Politische Theorie, Tugendlehre, Interpretation, Staat, Polis
Arbeit zitieren
Hans Kalt (Autor:in), 2000, Die Gerechtigkeit bei Aristoteles, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117460

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