Literarische Analyse der Identitätsentwicklung von Kindern während des Holocausts


Hausarbeit, 2021

17 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Hauptteil
Geschichtlicher Hintergrund
Inhaltsangabe von Lauf, Junge, lauf
Inhaltsangabe von Marisha, das Mädchen aus dem Fass. Die Geschichte der Malka Rosenthal
Figurenbeschreibung

Vergleich der Identitätsentwicklungen
Figurenanalyse nach Gansel
Identität nach Erikson
Das Motiv der Namensänderung
Das Motiv vom Verlust der Eltern und der Konfrontation mit dem Tod
Das Motiv der Hunde

Einfluss der Räumlichkeiten auf die Identität
Das Motiv des Waldes
Das Motiv des Bunkers
Das Motiv des Fasses

Die Enden der Romane

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Unter allen Kindern, die plötzlich allein auf der Welt standen, findet sich hier und da ein Kind, das vom Schicksal, so grausam und hart es auch sein mochte, nicht besiegt wurde, weil seine innere Lebenskraft stärker war als alles andere. Wie man weiß, übertrifft manchmal die Realität jede Phantasie. (Orlev 2004, Vorwort)

Mit diesem Vorwort beschreibt Uri Orlev das Schicksal, das Kinder und Jugendliche aufgrund des zweiten Weltkrieges getroffen hat, weil sie wegen ihres jüdischen Glaubens systematisch verfolgt und in Konzentrationslager deportiert wurden. Während der Recherche zur zeitgeschichtlichen Kinder- und Jugendliteratur hat sich die Frage ergeben, welche Auswirkung die Flucht aus polnischen Ghettos auf die Entwicklung jüdischer Kinder hat. Hieraus konkretisierte sich die Fragestellung „Inwiefern unterscheiden sich die Identitätsentwicklungen von Srulik in Lauf, Junge, lauf verfasst von Uri Orlev und von Marisha in Marisha, das Mädchen aus dem Fass. Die Geschichte der Malka Rosenthal geschrieben von Gabriele Hannemann?“

Zum einen ist die Auseinandersetzung mit dem Holocaust relevant, damit diese Geschehnisse nicht in Vergessenheit geraten. Geschichtliche Kinder- und Jugendliteratur bietet die Möglichkeit den zweiten Weltkrieg kindgerecht zu thematisieren. Zum anderen kann die Literatur als Mittel der Aufarbeitung des Nationalsozialismus betrachtet werden (vgl. Lange 2000, 462). Wie an der derzeitigen Situation erkennbar ist, bestehen weiterhin Diskriminierungen und Unterdrückungen gegenüber Minderheiten, wie beispielsweise den Uiguren in China (vgl. Zenz 2019). Dementsprechend ist eine Auseinandersetzung mit geschichtlicher Literatur von hoher Bedeutung, damit sich schrecklichen Ereignisse wie der Holocaust nicht erneut wiederholen. Des Weiteren müssen auch in der heutigen Zeit Menschen, die aufgrund ihrer Religion oder Herkunft verfolgt werden, aus ihren Heimatländern fliehen. Dies trifft besonders hart die Kinder und Jugendlichen, weil sie mitten in ihrer Entwicklung und Kindheit sind. Alle Erfahrungen und alle zu bewältigenden Krisen haben einen Einfluss auf die weitere Identitätsentwicklung (vgl. Erikson 1973, 141).

In der vorliegenden Hausarbeit wird zur Beantwortung der angeführten Fragestellung zunächst der historische Hintergrund zum zweiten Weltkrieg und den Ghettos in Polen dargestellt. Hierbei wird der Fokus auf eines der größten Ghettos in Europa gelegt, dem Warschauer Ghetto (vgl. Löw 2013). Anschließend werden die Inhalte der Bücher Lauf, Junge, lauf von Uri Orlev und Marisha, das Mädchen aus dem Fass. Die Geschichte der Malka Rosenthal von Gabriele Hannemann wiedergegeben, um darauf aufbauend die Figurenentwicklung nach Carsten Gansel anzuwenden. Die Identitätsentwicklung wird mithilfe der Identitätstheorie nach Erik H. Erikson und verschiedenen prägnanten Motiven herausgearbeitet. Des Weiteren werden die Einflüsse der Räumlichkeiten mithilfe der Raumanalyse nach Birgit Haupt, auf die die Kinder während der Flucht treffen, analysiert. Außerdem wird ein kurzer Bezug zu den Romanenden genommen. Die Hausarbeit endet mit einem Fazit.

Hauptteil

Geschichtlicher Hintergrund

Mit der Machtübernahme am 30. Januar 1933 durch Adolf Hitler begann die Nationalsozialistische Partei Deutschlands einflussreicher zu werden (vgl. Echternkamp 2015). Auch in Polen nahm der Antisemitismus stetig zu. Dies hing damit zusammen, dass die polnische Bevölkerung aufgrund der 120-jährigen Fremdherrschaft eine Gefahr in der jüdischen Minderheit sah. Offiziell waren Jüdinnen und Juden seit 1918 gleichberechtigt. Allerdings bestanden zu dieser Zeit weiterhin Diskriminierungen, die sich immer stärker ausprägten (Roth, Löw 2013, 9). Am 1. September 1939 sind die deutschen Soldaten in Polen einmarschiert. Die Gewalt der Wehrmacht gegenüber der jüdischen Bevölkerung in Warschau, die vor dem zweiten Weltkrieg 30 % der Warschauer Bevölkerung ausmachte und somit den größten Anteil in Europa betrug, war enorm. Trotz versuchtem Widerstand gegenüber den Besatzern, musste Polen am 29. September kapitulieren und wurde vollständig eingenommen (vgl. ebd., 13ff.).

Zur Organisation nutzte die Wehrmacht Judenräte, welche meist aus bedeutenden Personen der jüdischen Gemeinde bestanden. Die Jüdinnen und Juden erhofften sich Unterstützung. Jedoch mussten die Judenräte die Befehle der Wehrmacht umsetzen, andernfalls drohte ihnen der Tod. Es folgten die Verpflichtung des Tragens einer Armbinde zur Kennzeichnung der jüdischen Herkunft sowie die ständige Angst zu Zwangsarbeit in Arbeitslagern verpflichtet zu werden (vgl. ebd., 17 ff.). Die Besatzung zielte darauf ab, die jüdische von der polnischen Bevölkerung in Warschau zu isolieren. Hierzu begannen die deutschen Soldaten ab März 1940 unter dem Vorwand der Seuchenbekämpfung den langsamen Prozess der Ghettobildung. Zunächst wurden einzelne Straßen mit Stacheldrähten abgesperrt und später wurde eine Mauer gebaut. Darauffolgend mussten alle Jüdinnen und Juden ihre Wohnungen verlassen und sich in das Ghetto begeben. 380.000 Menschen wurden in dem Ghetto eingeschlossen. Da viele jüdische Menschen in das deutsche Viertel zum Arbeiten mussten, war es nicht einfach die Stadt zu teilen. Das Leben im Ghetto war geprägt von Hunger, Enge und Tod (vgl. ebd., 38 ff.). 1942 begannen die Deportationen in das Konzentrationslager Treblinka, während 60.000 im sogenannten Restghetto zurückblieben. Im August 1943 begann ein Aufstand, welcher von den Besatzern gebrochen wurde. Schlussendlich wurde das Ghetto ausgelöscht (vgl. Löw 2013).

Inhaltsangabe von Lauf, Junge, lauf

Der Jugendroman Lauf, Junge, lauf von Uri Orlev, erschienen im Jahr 2004 im Beltz & Gelbergverlag und übersetzt aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler, handelt von dem Jungen Srulik, der ohne seine Eltern aus dem Warschauer Ghetto flieht. Eine Besonderheit ist, dass der Roman auf den Erfahrungen von Yoram Fridman beruht.

Zu Beginn der Geschichte lebt der achtjährige Srulik mit seiner Familie im Warschauer Ghetto. Jedoch beschließt die Familie in den Heimatort Błonie zu fliehen. Während der Flucht wird die Familie getrennt und Srulik wird in das Ghetto zurückgebracht, wo er sich einer Gruppe von Jungen anschließt, die ebenfalls aus dem Ghetto fliehen möchten. Durch die Hilfe eines Bauers gelingt Srulik die Flucht. Auf der polnischen Seite angekommen schließt er sich ein paar jüdischen Kindern an, die ihm zeigen, wie man allein überleben kann. Abermals wird Srulik von seiner Gruppe getrennt. Srulik versucht bei vielen Menschen Schutz und Arbeit zu suchen, muss allerdings viele Male fliehen. Nach einiger Zeit suchen Soldaten nach ihm, aber Srulik gelingt die Flucht zurück in den Wald. Dort trifft er auf seinen Vater, der ihm weitere Hinweise zum Überleben gibt. Anschließend opfert er sich den Soldaten, sodass Srulik fliehen kann. Später versteckt ihn eine Frau und bringt ihm den katholischen Glauben näher. Jedoch kann er nicht bei ihr bleiben. Er wird von einem Bauern mitgenommen und zu einem Haus der Gestapo gebracht. Dort muss er erneut weglaufen, weil sie ihn als Jude enttarnen. Infolge eines Arbeitsunfalls und der Verweigerung eines Arztes zu helfen, verliert Srulik seinen Arm. Daraufhin lebt er bei der Familie eines Schmieds, wo er auch seine Kommunion hat. Als schließlich der Krieg endet, kontaktieren ihn viele jüdische Menschen, die er zunächst abweist. Anschließend wird er in ein Waisenhaus gebracht, in dem es Frau Rappaport gelingt, Sruliks Erinnerungen an sich, seine Familie und seine jüdische Herkunft zu wecken.

Inhaltsangabe von Marisha, das Mädchen aus dem Fass. Die Geschichte der Malka Rosenthal

Marisha, das Mädchen aus dem Fass. Die Geschichte der Malka Rosenthal von Gabriele Hannemann, erschienen 2015 im Ariella Verlag, handelt von dem Mädchen Marisha, das aus dem Ghetto Stanislawow1 flieht und anschließend eineinhalb Jahre in einem Fass versteckt wird. Die Geschichte beruht auf den Erlebnissen von Malka Rosenthal.

Zunächst wird Marishas Leben im damaligen Polen vor dem Zweiten Weltkrieg geschildert. Ihre Familie ist wohlhabend und sie hat ein gutes Leben. Dies verändert sich 1941 als die Wehrmacht Marishas Wohnort erreicht. Sie beschreibt die Veränderungen, die aufgrund der Besetzung folgten. Eine folgenschwere Konsequenz ist der Umzug in das Ghetto von Stanislawow. Besonders wichtig ist ihrer Mutter, dass Marisha sich die Adresse der Tante in Israel einprägt. Die Familie nimmt ein Mädchen namens Tovale auf, das später ermordet wird. Kurz darauf flieht die Familie mithilfe des ehemaligen Kindermädchens von Marisha. Durch das Opfern der Mutter, können der Vater und Marisha überleben. Aufgrund der Kälte suchen sie nach einem Versteck für Marisha und finden Hilfe bei der Familie Kott. Dort versteckt sie sich im Kuhstall in einem Fass. Eine Stunde am Tag darf sie nach draußen. Eineinhalb Jahre verbringt Marisha in dem Fass. Eines Tages erkrankt sie und die Familie Kott muss sie ins Krankenhaus bringen. Inzwischen ist es nicht mehr gefährlich, weil die russische Armee Polen erreicht hat. Marisha bleibt noch einige Zeit bei der Familie Kott, bis sie zu der Schwester des ehemaligen Kindermädchens gebracht wird. Mit zwölf Jahren reist Marisha zu ihrer Tante nach Israel. Auf der achttägigen Überfahrt werden sie von britischen Schiffen angegriffen und nach Hamburg gebracht. Dort gelangt Marisha in das Flüchtlingslager Pöppendorf. Nach acht Monate bekommt sie einen Brief von ihrer Tante. Ein wenig später fährt sie mit dem Schiff über Frankreich nach Israel und wird von ihrer Tante empfangen. Außerdem erfährt sie, dass ihr Vater ebenfalls überlebt hat. Sie bleibt in Israel und führt dort ein glückliches Leben.

Bei den Büchern Lauf, Junge, lauf und Marisha, das Mädchen aus dem Fass. Die Geschichte der Malka Rosenthal handelt es sich um zeitgeschichtliche Kinder- und Jugendliteratur, weil die jüngere geschichtliche Vergangenheit, der Nationalsozialismus, thematisiert wird.

[...]


1 Zu Zeiten des zweiten Weltkriegs polnisch, heute ukrainisch (vgl. Hannemann 2019, 7)

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Literarische Analyse der Identitätsentwicklung von Kindern während des Holocausts
Veranstaltung
Kinder- und Jugendliteratur
Note
2,7
Autor
Jahr
2021
Seiten
17
Katalognummer
V1176093
ISBN (eBook)
9783346597724
ISBN (Buch)
9783346597731
Sprache
Deutsch
Schlagworte
literarische, analyse, identitätsentwicklung, holocausts
Arbeit zitieren
Katharina Linneweber (Autor:in), 2021, Literarische Analyse der Identitätsentwicklung von Kindern während des Holocausts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1176093

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