Die Hyperinflation in Argentinien 1989 / 1990


Hausarbeit, 2007

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung.

2. Theorie der Inflation und Hyperinflation
2.1 Monetäre Inflationstheorien
2.1.1 Die Inflationsursache in den monetären Inflationstheorien
2.1.2 Ursache und Wirkmechanismus von Hyperinflationen
2.1.3 Antiinflationspolitik gemäß der monetären Inflationstheorien
2.2 Realwirtschaftliche Inflationstheorien

3. Ursachen der Hyperinflation im wirtschaftshistorischen Kontext

4. Empirie: Die Untersuchung der argentinischen Hyperinflation von

Stiefl

5. Fazit

Literatur

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Zusammenhang zwischen Seignorage und Geldmengenwachstum

Abb. 2: Auslandsverschuldung und Inflation

1. Einleitung

Nach Jahren der immer stärker zunehmenden Hochinflation kam es 1989 und 1990 in Argentinien zur Hyperinflation mit jährlichen Inflationsraten von 3079,51 und 2314 %.2 Inflation ist „ein anhaltender Prozess von Preiserhöhungen für wichtige Güter- gruppen, durch die das Preisniveau dauerhaft ansteigt“.3 Sie wird mithilfe der Infla- tionsrate, also der Veränderung des Preisniveaus gegenüber der Vorperiode, gemes- sen.4 Während bei sehr geringen Inflationsraten (1 - 2 %) nicht von Inflation ge- sprochen wird5, gelten 2-3stellige jährliche Inflationsraten, die sich noch unterhalb der Hyperinflation bewegen, als Hochinflation. Von Hyperinflation wird i.d.R. bei monatlichen Inflationsraten ab 50 % gesprochen.6 Zwar sind ÖkonomInnen sich einig, dass Hyperinflationen eine destruktive Wirkung auf betroffene Volkswirtschaft- en haben7, doch besteht Uneinigkeit über die Ursachen und damit auch über geeig- nete Gegenmaßnahmen. Während im heute vorherrschenden monetaristisch-neo- klassischen Paradigma ausschließlich das Geldmengenwachstum für Inflation und Hyperinflationen verantwortlich gemacht wird, gelten im Strukturalismus und Neo- strukturalismus realwirtschaftliche Ursachen als primäre Inflationsursachen.8 Da die Hyperinflation 1989/90 in Argentinien typisch für Hyperinflationen in (lateinamerikani- schen) Entwicklungsländern ist, beschäftige ich mich in dieser Hausarbeit beispiel- haft mit ihr, um die Ursachen von Hyperinflationen in Entwicklungsländern zu ver- stehen. Meine Hypothese ist - mit Stiefl -, dass im Falle Argentiniens sowohl die monetaristische als auch die (neo)strukturalistische Ursachenerklärung zu kurz greift: Zwar ist die primäre Ursache die starke Ausweitung des Geldmengenwachstums, hinzu tritt aber verstärkend eine realwirtschaftliche Ursache, die so genannte Beharrungsinflation durch Indexierung (s. 2.2). Um dies zu zeigen, werde ich in Abschnitt 2. einen Einblick in die relevanten Inflationstheorien geben und in Abschnitt 3. den Weg Argentiniens in die Hyperinflation im (wirtschafts-)historischen Kontext schildern. Unter 4. werde ich die empirische Untersuchung Stiefls aus dem Jahr 1993 vorstellen, in der mithilfe der Ökonometrie die Ursachen der argentinischen Hyperinflation untersucht werden. Schließlich werde ich unter 5. ein Fazit ziehen.

2. Theorie der Inflation und Hyperinflation

Inflationstheorien lassen sich in solche, die von monet ä ren Inflationsursachen aus- gehen, und solche, die von realen Inflationsursachen ausgehen, unterteilen. Die monetären Inflationstheorien sind meist eher dem neoklassisch-monetaristischen Paradigma zuzurechnen, während die realwirtschaftlichen häufig ein keynesiani- sches Makromodell als Referenzsystem verwenden9. Im Folgenden werden Aspekte der Inflationstheorien dargestellt, die zum Verständnis der Ursachen der argentini- schen Hyperinflation und der empirischen Untersuchung Stiefls notwenig sind.

2.1 Monetäre Inflationstheorien

2.1.1 Die Inflationsursache in den monetären Inflationstheorien

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts hat die Neoklassik Inflation mithilfe der „einfachen Quantitätstheorie des Geldes“ erklärt. Die der Theorie zugrunde liegende „Quantitätsgleichung“ lautet:

(1) M * V = P * Yr

Dabei ist M die nominale Geldmenge und V (velocity) die Geldumlaufgeschwindig- keit. Sie gibt an, wie häufig eine Geldeinheit durchschnittlich in einer Periode benutzt wird, um Gütertransaktionen zu finanzieren. P ist das Preisniveau und Yr das reale Volkseinkommen.10 Die Quantitätsgleichung ist eine Identitätsgleichung, das heißt sie ist ex post immer erfüllt. Zur Theorie wird sie erst, „wenn zwischen beiden Seiten ein Abhängigkeitsverhältnis formuliert wird“, in dem Sinne, dass M die unabhängige und das P die abhängige Variable ist, die aber von V und Yr nicht beeinflusst wird.11 Dabei geht die einfache Quantitätstheorie von folgenden Postulaten aus:

- Es herrscht Vollbeschäftigung und Vollauslastung aller Produktionskapazitäten, dadurch ist Yr determiniert, von der Geldmenge M wird es nicht beeinflusst.
- Die Geldmenge M wird exogen von der Zentralbank gesetzt, sie kann die Geld- menge voll kontrollieren.
- Geld wird nur zu Transaktionszwecken gehalten, V wird durch die Zahlungssitten und Gewohnheiten der Wirtschaftssubjekte determiniert und ist konstant.

Wenn in der Quantitätsgleichung die Geldmenge M erhöht wird, während die Umlauf- geschwindigkeit V und das Volkseinkommen Yr annahmegemäß unverändert blei- ben, führt dies zu einer Erhöhung des Preisniveaus (Δ P), also zu Inflation (die Infla- tionsrate ist identisch mit Δ P in %, P.K.). Grundsätzlich entwickelt sich die Verände- rung des Preisniveaus (Δ P) proportional zu Δ M.12 Die reale Geldmenge M/P bleibt dabei gleich.13 Andere Ursachen für Inflation als die Ausweitung der Geldmenge kann es laut Quantitätstheorie nicht geben. Der Transmissionsmechanismus der gestiegenen Geldmenge auf das Preisniveau ist folgender: Weil die Geldmenge M gestiegen ist, halten die Wirtschaftssubjekte zusätzliches Geld, das sie für zusätz- liche Nachfrage verwenden. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage steigt also, aber da Vollbeschäftigung herrscht und Vollauslastung aller Produktionskapazitäten, kann die Produktion nicht ausgeweitet werden. Daher steigen die Preise um denselben Pro- zentsatz, um den zuvor die Geldmenge M gestiegen ist.14

Die einfache Quantitätstheorie wurde vielfach weiterentwickelt. Ab Ende der 1950er Jahre entstand der Monetarismus I, der auf Friedmans Fortentwicklung der Quanti- tätstheorie zur „Neoquantitätstheorie“ beruht.15 Sie geht von Wachstumsraten aus: Die Zentralbank legt die Wachstumsrate der Geldmenge (gm) fest, auch die Volks- wirtschaft wächst nun, und zwar um ein mittelfristig konstantes „normales Produk- tionswachstum“ (gY). In einer wachsenden Volkswirtschaft muss die nominale Geld- menge proportional zum Volkseinkommen wachsen, denn es werden zusätzliche Güter produziert und die Wirtschaftssubjekte benötigen zusätzliches Geld, um diese kaufen zu können. Übersteigt die Zuwachsrate der nominalen Geldmenge gm die Zuwachsrate des Volkseinkommens gY (gm > gY), entsteht mittelfristig Inflation (π).

(2)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten16

Der Monetarismus I bezog erstmals Erwartungen in seine Theorie ein. Aus ihm entwickelte sich seit Mitte den 70er Jahren der Monetarismus II, der von rationalen Erwartungen ausgeht. Eine extreme Version unterstellt sogar perfect foresight. Mit rationalen Erwartungen ist gemeint, dass die Wirtschaftsubjekte das „relevante Strukturmodell und seine Parameter“ kennen und daher die zukünftige Inflationsrate richtig prognostizieren können. Sie machen keine systematischen Fehler, nur zufällige Fehler sind möglich.17 Dies bedeutet, dass die Inflationserwartungen i.d.R. kurz- und langfristig gleich sind und dass die Umlaufgeschwindigkeit normalerweise konstant ist. Kurz- und langfristig ist die Inflationsrate ausschließlich vom Geldmen- genwachstum abhängig. Es gilt folgender Transmissionsmechanismus: Ist die Geld- mengenwachstumsrate höher als die Rate des normalen Produktionswachstums, führt dies über eine erhöhte Nachfrage zu ersten Preiserhöhungen, löst bei den Arbeitnehmern korrekte Inflationserwartungen aus und führt daher zu entsprechend hohen Nominallohnforderungen. Sie können durchgesetzt werden, weil Voll- beschäftigung herrscht. Durch die Nominallohnerhöhungen erfolgt die vollständige Transmission der zu starken Geldmengenausweitung zu einer entsprechend hohen Inflationsrate. Der Output steigt dabei nicht. Der Monetarismus II lässt keine anderen Inflationsursachen zu als eine zu starke Ausweitung der Geldmenge.18 Darin gleicht er der einfachen Quantitätstheorie (die implizit von „perfect foresight“ ausgeht19 ), so dass eine nähere, formale Erläuterung sich hier erübrigt.

2.1.2 Ursache und Wirkmechanismus von Hyperinflationen

In Hyperinflationen ist ein besonderer Mechanismus wirksam, dessen Ursache das hohe Geldmengenwachstum ist, darüber sind sich Neoklassik, Monetarismus und größtenteils auch Keynesianismus einig. Der Grund für das hohe Geldmengen- wachstum in einer Hyperinflation das große Budgetdefizit, das durch Schocks mit verursacht ist. Dies kann z.B. ein bewaffneter Konflikt sein oder ein wirtschaftlicher Schock. Prinzipiell hat ein Staat zwei Möglichkeiten, ein Budgetdefizit zu finanzieren: Er kann Kredite aufnehmen oder die Regierung kann, wenn die Zentralbank regierungsabhängig ist (P.K.), diese dazu veranlassen, die Geldmenge zu erweitern. In einer Hyperinflation ist der Staat aufgrund der Größe des Budgetdefizits und aufgrund des Schocks nicht mehr in der Lage, das Defizit vollständig über Kredite zu finanzieren, deshalb muss er es ganz oder teilweise monetarisieren. Dazu beschließt die Regierung die Emission von Staatsanleihen und weist die Zentralbank an, diese zu kaufen. Sie kauft die neu herausgegebenen Staatsanleihen mit Geld, dass sie eigens dafür druckt. Dieses Geld erhält der Staat als Kaufpreis für die Staatsanleihen und finanziert damit das Defizit. Die realen Einnahmen, die der Staat mithilfe der Geldschöpfung macht, heißen Seignorage (S). Sie ergibt sich aus der nominalen Geldschöpfung Δ M während eines Monats (während Hyperinflationen wird mit monatlichen Werten gerechnet) dividiert durch das Preisniveau P. Mit M/M erweitert und umgestellt, erhalten wir:

(3) S = Δ M/P = (Δ M/M) * (M/P)

Δ M/M ist die Wachstumsrate der nominalen Geldmenge und M/P die reale Geld- menge. Die Gleichung sagt aus, dass die Seignorage der nominalen Geldmengen- wachstumsrate multipliziert mit der realen Geldmenge entspricht.20 Die Seignorage lässt sich auch als Inflations“steuer“ auffassen, also als Steuer auf Geldhaltung. Die Inflationssteuer ergibt sich als Produkt der Inflationsrate π (dem Steuersatz, der der nominalen Geldmengenwachstumsrate Δ M/M entspricht) und der Realkasse Lr (der Steuerbasis, die der realen Geldmenge M/P entspricht).21 Wenn der Staat die Infla- tionssteuer erhöht, indem er die Geldmenge entsprechend erhöht, kann zum einen die zusätzliche Geldmenge direkt zur Defizitfinanzierung eingesetzt werden, zum anderen führt die Erhöhung der Geldmenge mit zeitlicher Verzögerung zur Geld- entwertung, dadurch sinkt das reale Defizit und die reale Inlandsverschuldung. Wenn der Inflationssteuersatz π aber ein gewisses Maß überschreitet, nimmt die reale Kassenhaltung deutlich ab beziehungsweise die Geldumlaufgeschwindigkeit V steigt. Denn sehr hohe und steigende Inflationsraten führen zu steigenden Kosten für die Kassenhaltung, daher flüchten die Wirtschaftssubjekte immer mehr in Fremdwäh- rung und/oder Sachwerte. Je höher die Inflationsrate dann wird, desto geringer wird die Realkasse, also die Steuerbasis. Wenn die Regierung möchte, dass das Infla- tionssteueraufkommen, also die Seignorage, gleich bleibt, muss sie die Inflations- steuer immer stärker erhöhen - ein Teufelskreislauf. Ist ein bestimmter Extrempunkt überschritten, führt jede weitere Steigerung der Inflationsrate nicht zu mehr Seigno- rage, sondern zu weniger. Dies zeigt die so genannte Laffer-Kurve in Abbildung 1. Auf der Abszisse ist die monatliche Wachstumsrate der nominalen Geldmenge Δ M/M abgetragen, auf der Ordinate die Seignorage Δ M/P. Die Seignorage (die pinkfarbene Kurve) ist links der blauen Hilfslinie eine steigende und rechts der Hilfslinie eine fallende Funktion des nominalen Geldmengenwachstums. Am Punkt A ist das Seignorage-maximierende Geldmengenwachstum erreicht. Wird die Geldmenge darüber hinaus ausgeweitet, sinkt die Seignorage immer mehr. Dieses Stadium wird bei Hyperinflationen erreicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

22 Dies wirft die Frage auf, warum Regierungen sich scheinbar so irrational verhalten und die Geldmenge auch dann noch steigern, wenn eine Steigerung der Seignorage nicht mehr möglich ist, sondern statt dessen jede weitere Steigerung der Geldmenge zu einer Verminderung der Seignorage führt. Die Lösung ist, dass die Reaktion der Wirtschaftssubjekte etwas verzögert erfolgt, so dass sehr kurzfristig fast jede Seignorage generierbar ist.23

2.1.3 Antiinflationspolitik gemäß der monetären Inflationstheorien

Da in den monetären Inflationstheorien nur die zu starke Ausweitung der Geldmenge als Ursache einer Hyperinflation in Frage kommt, richtet sich die empfohlene Anti- inflationspolitik auf diejenigen Faktoren, die zu der zu starken Ausweitung der Geldmenge geführt haben. Die so genannten orthodoxen Stabilisierungsprogramme setzen daher vor allem auf den Abbau des Budgetdefizites. Dies beinhaltet meist zunächst eine Kürzung der Ausgaben und langfristig eine Verbreiterung der Einnah- menbasis. In Argentinien waren Steuern auf Ex- und Importe vor 1990 zeitweilig die wichtigste Einnahmequelle. Damit unterlagen die Steuereinnahmen sehr stark inter- nationalen Preisschwankungen. Diese Praxis muss durch ein funktionierendes Steuersystem ersetzt werden. Damit die oben beschriebene Monetarisierung der Staatsschuld unmöglich wird, wird außerdem empfohlen, die Zentralbank regierungs un abhängig zu machen. Als flankierende Maßnahmen treten Wechsel- kurskorrekturen und die Liberalisierung des Handels hinzu. Der Monetarismus empfiehlt entweder einen völlig flexiblen Wechselkurs oder ein crawling peg.24 Bei einem craw ling peg ist der Wechselkurs fest, doch veränderlich25, eine Abwertung erfolgt dabei stufenweise und erst, wenn die „Differenz zwischen inländischem und ausländischem Preisniveau eine vorher bestimmte Marge überschreitet“.26 In beiden Fällen ist mit einer Abwertung zu rechnen. Ich verstehe den Sinn dieser Maßnahme so, dass damit die Überbewertung der Währung abgebaut werden soll und Handelsbilanzdefizite, die bei festem Wechselkurs zur Erhöhung der Auslandsschuld führen, über den Wechselkurs ausgeglichen werden sollen.

2.2 Realwirtschaftliche Inflationstheorien

Zwar kann auch im Keynesianismus eine zu starke Ausweitung der Geldmenge Inflationsursache sein, vor allem kommen aber realwirtschaftliche Ursachen in Betracht. Die Art der Inflation wird nach der Ursache benannt:

- Nachfragesoginflation: Ursache kann ein exogener Nachfrageanstieg, z.B. durch stark steigende Export-Nachfrage, durch einen sich selbst verstärkenden Investitionsboom oder durch expansive Fiskalpolitik mittels ´deficit spending´ sein. Dabei verschiebt sich die AD-Kurve nach rechts und der Output (Y) steigt.27
- Angebotsdruckinflation: Ursache ist eine Verteuerung des Angebotes, die zu ei- ner Linksverschiebung der AS-Kurve und zu einer Senkung des Outputs führt. Diese Verteuerung kann durch Lohnforderungen starker Gewerkschaften, die über dem Produktivitätsfortschritt liegen, durch Preissteigerungen schwer substi- tuierbarer Importprodukte, höhere Steuern oder Zinsen ausgelöst sein, wobei eine Aufschlagskalkulation unterstellt wird, bei der die Unternehmen höhere Kosten voll auf die Preise überwälzen. Wird Mindestrenditekalkulation unterstellt, kann In- flation aufgrund einer Erhöhung des Gewinnaufschlages, eines langfristig steigen- den Kapitalkoeffizienten oder monopolistischer Preisfestsetzungen entstehen.

Hintergrund einer Angebotsdruckinflation ist meist ein Verteilungskonflikt.28

- Importierte Inflation: Sie wird durch Inflation in anderen Ländern ausgelöst, zu denen Wirtschaftsbeziehungen bestehen.

Da im keynesianischen Paradigma annahmegemäß nicht nur die Zentralbank Geld schöpft, sondern auch die Geschäftsbanken, und da die Umlaufgeschwindigkeit V veränderlich ist, kann Inflation kurzfristig durch ein erhöhtes Geldangebot der Geschäftsbanken und eine höhere Umlaufgeschwindigkeit „finanziert“ werden. Doch bleibt die Inflation längerfristig nur bestehen, wenn sie durch zusätzliche Geldschöp- fung alimentiert wird.29 Neuere realwirtschaftliche Inflationstheorien berücksichtigen sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite sowie deren Wechselwirkung.30 Da bei Hoch- und Hyperinflationen in Entwicklungsländern orthodoxe, vom IWF aus- gerichtete Stabilisierungsprogramme häufig scheiterten, bildete sich ab den 1950er Jahren der Strukturalismus und ab Ende der 1970er Jahre der Neostrukturalismus heraus, beide erklären jüngere Inflationen in halbindustrialisierten Entwicklungslän- dern (auch) mit realwirtschaftlichen Ursachen.

Der Strukturalismus macht strukturelle Besonderheiten für die Inflation in halbindus- trialisierten Entwicklungsländern verantwortlich: Autonome Faktoren (starres Güter- angebot, stark schwankende Exporterlöse, expansive Nachfrageverschiebungen, Devisenmangel) und „´propagation elements´, die einen einmal ausgelösten“ Inflati- onsprozess „verschärfen bzw. verlängern“. Dies können z.B. Verteilungsk ä mpfe zwi- schen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sein, die sich im Laufe der Inflation verschär- fen und eine Lohn-Preisspirale (Form der Angebotsdruckinflation) in Gang setzen. Der ´lateinamerikanische´ Neostrukturalismus, im Folgenden kurz Neostruktura- lismus genannt, macht als primäre Ursache der jüngeren lateinamerikanischen In- flationen den Verteilungskonflikt zwischen verschiedenen sozialen Gruppen aus; theoretisch ist dies aus den Angebotsdruck-Inflationstheorien ableitbar. Dazu kommt als ´propagation element´ das Beharrungsmoment. Dieses wird durch einen Vertei- lungskonflikt ausgelöst und verstärkt (verlängert) die Inflation. Der Verteilungskonflikt besteht darin, dass durch hohe Inflationsraten die Reallöhne stark sinken und dadurch eine Umverteilung von Arbeitnehmern zu Arbeitgebern ihren Lauf nimmt. Die Arbeitnehmer jedoch möchten ihren Anteil am Volkseinkommen verteidigen.31 Ist ihre Interessenvertretung stark genug, kommt es, neben anderen Indexierungen, zu Lohnindexierungen, bei denen die Löhne in kurzen Abständen an die Inflationsrate der Vorperiode angepasst werden. Im Neostrukturalismus sind die indexierten Löhne derjenige Faktor, der die Inflation auf die gesamte Volkswirtschaft verteilt.32 Laut Neostrukturalismus scheiterten orthodoxe Stabilisierungsprogramme oft auch in solchen chronisch hochinflationären lateinamerikanischen Staaten, in denen die In- flation monetären Ursprungs war (außer Bolivien, P.K.), weil das Beharrungselement dominierend war. Die reine neostrukturalistische Antiinflationspolitik (wenn keine monetären Ursachen vorhanden sind, P.K.) setzt auf so genannte heterodoxe Stabili- sierungsprogramme: Sie beginnen mit einem Lohn- und Preisstopp (d.h. Lohn- und Preiserhöhungen werden verboten), im zweiten Schritt soll eine Einkommensricht- linienpolitik den Verteilungskampf befrieden (wenn z.B. Gewerkschaften Nominal- lohnsteigerungen über dem Produktivitätszuwachs fordern, soll der Staat diese „zu einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik anhalten“) und eine vollständige Dein- dexierung aller Verträge erfolgen. Als flankierende Maßnahmen soll der Wechselkurs stabilisiert werden (fester Wechselkurs, eventuell nach einmaliger Abwertung) und u.U. eine neue Währung eingeführt werden (Vernichtung des Geldüberhanges).33

3. Ursachen der Hyperinflation im wirtschaftshistorischen Kontext

Anfang des 20. Jahrhundert war der Agrarexporteur Argentinien noch reicher als Deutschland und Frankreich.34 Doch war das noch nicht industrialisierte Land ab- hängig von Kapital- und Industriegüterimporten.35 Dies wirkte sich während der Welt- wirtschaftskrise 1929, in der der Welthandel praktisch zum Erliegen kam, und im 2. Weltkrieg, in dem die Industrieländer kaum noch Industrieerzeugnisse nach Übersee exportierten, verheerend auf die argentinische Wirtschaft aus.36 Um „die Abhängig- keit des Landes vom Weltmarkt zu verringern“ und so die „makroökonomische Stabi- lität zu sichern“37, ging man ab den 1930er Jahren zur Industrialisierung durch Im- portsubstitution (ISI) über.38 Dabei sollten industrielle Importprodukte sukzessive durch einheimische Produkte ersetzt werden, die entsprechende Industrie wurde mit staatlicher Hilfe aufgebaut. Dazu dienten fiskalische Anreize und subventionierte Kredite sowie Zollbarrieren39 und nichttarifäre Importhemmnisse.40 ´ISI´ hatte bis An- fang der 90er Jahre Bestand. Mitte der 40er Jahre begann die „Ära Perón“, benannt nach Juan Perón, demokratisch gewählter Präsident zwischen 1946 und 1955 sowie 1973 und 1974. Perón implementierte ein neues wirtschaftspolitisches System. Es beinhaltete eine sehr arbeitnehmerfreundliche Arbeits- und Sozialpolitik, zu der der Aufbau eines Wohlfahrtsstaates gehörte, sowie die Schaffung ´peronistischer´ Gewerkschaften und die Implementierung einer staatlichen Lohnpolitik, bei der die peronistischen Gewerkschaften die Löhne direkt mit dem Staat aushandelten.41 Die- se staatliche Lohnpolitik blieb, mit kurzen Unterbrechungen, bis zur Hyperinflation bestehen.42 Darüber hinaus beinhaltete Peróns Wirtschaftspolitik eine Vertiefung der ISI unter Vernachlässigung der Exporte, die Verstaatlichung ganzer Sektoren bzw. die Neugründung von Staatsbetrieben und die Regulierung der Preise.43 Im Zusam- menspiel von Importsubstitution, der Staatlichkeit ganzer Sektoren und der arbeit- nehmerfreundlichen Lohn- und Sozialpolitik entstanden Monopol- und Oligopol- märkte mit Unternehmen, die vielfach nicht wettbewerbsfähig waren und nur durch staatliche Interventionen überleben konnten.44 Dadurch wurde bereits in Peróns erster Regierungszeit das Budget stark belastet, zumal ein funktionierendes Steuer- system, das entsprechende Einnahmen ermöglicht hätte, fehlte. So litt Argentinien seit 1949 unter einem chronischen Budgetdefizit, das Perón in erster Linie durch Geldemission finanzierte, wodurch es bereits in der ersten Hälfte der 50er Jahre zu einer hochinflationären Entwicklung kam. Zwischen 1946 und 1983 wechselten sich in Argentinien demokratisch gewählte altperonistische Regierungen und Militär- regierungen bzw. vom Militär eingesetzte zivile Regierungen wie in einer Pendel- bewegung ab, insgesamt erlebte das Land in dieser Zeit neun Militärputsche. Hinter- grund war ein Verteilungskonflikt zwischen tendenziell peronistisch wählenden ärmeren Schichten und antiperonistischen wohlhabenderen Schichten, die zum Teil eng mit dem Militär verbunden waren. Keine der antiperonistischen Regierungen bis 1990 reformierte das von Perón implementierte wirtschaftspolitische System grund- legend, keine beendete die chronische Hyperkonsumption.45 Stattdessen nahm sie noch zu. Betrachten wir dazu Abbildung 2: Der erste Inflations“peak“ liegt in den Jahren 74 - 76, zur Zeit der letzten altperonistischen Regierung (Präsidentin war Peróns Witwe, die nach dessen Tod rechtmäßig die Regierung übernommen hatte). In dieser Zeit herrschten in Argentinien bürgerkriegsähnliche Zustände46, die hyper- konsumptive altperonistische Wirtschaftspolitik wurde teils durch Geldemission und teils durch Neuverschuldung finanziert. Laut Stiefls Berechnungen überstieg die Infla- tionsrate im Juli 1975 erstmals den Seignorage-maximierenden Wert.47 Das Land befand sich auf dem Weg in die Hyperinflation. Dieser Prozess wurde 1976 durch

Abbildung 2:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quellen: Inflationsrate: IMF (www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2002/01/data/pcpi_c.csv), Auslands- verschuldung: Cecchini/Zicolillo 2002, S. 208, eigene Darstellung, Daten vor 1970 liegen mir nicht vor

einen Militärputsch unterbrochen. Wie unter 2.1.2 erläutert, kann eine Regierung ein Budgetdefizit über Kredite oder (und) über Geldemission finanzieren. Die Inflations- bekämpfung der Militärjunta bestand u.a. darin, einen Teil der Geldemission durch zusätzliche (Auslands-)Verschuldung zu ersetzen. Deshalb verlaufen die beiden Gra- phen für die Auslandsverschuldung und die Inflationsrate ab dem Inflationspeak 1976 nicht mehr parallel oder gleichgerichtet, sondern die Auslandsverschuldung steigt, während die Inflationsrate bis zum Jahr 1981 sinkt (auf 104 %. In der Graphik ist das nicht gut zu erkennen, da 100 % im Vergleich zu 3000 % klein wirken). Wegen der hohen Inflation wurde in dieser Zeit die Indexierung von Verträgen,

besonders Arbeitsverträgen, allgemeine Praxis.48 Dies führte zu der unter 2.2 beschriebenen Beharrungsinflation. Unter der Militärjunta 1976 - 1983 verstärkte sich die Hyperkonsumption des Staates, wozu die immensen Militärausgaben beitrugen, die letztendlich dem Machterhalt dienten. 1982 begann die Militärjunta den Falklandkrieg in der Absicht, von innenpolitischen Problemen (wie der Hochinflation) abzulenken und bei der Bevölkerung via Nationalismus Sympathien zu wecken. Dieser Plan scheiterte49 und führte unter anderem zu einer Kostenexplosion bei den Militärausgaben und einem Rekord-Budgetdefizit von 12 - 14%50, das zum Teil über Auslandskredite finanziert wurde. Die starke Auslands-Neuverschuldung ab 1976 war möglich durch die Petrodollars, die die OPEC-Staaten während der Ölkrise 1973/74 eingenommen hatten: Sie wurden zu niedrigen, flexiblen Zinsen an Entwicklungs- und Schwellenländer verliehen. 1979 kam es in Gestalt der Erhöhung des US- Leitzinses zum hyperinflationsauslösenden externen Schock. Er führte 1982 zur Mexikokrise und zur anschließenden Schuldenkrise der Entwicklungsländer. Zum einen erhöhte sich durch den stark erhöhten US-Leitzins der weltweite Gleich- gewichtszins, damit erhöhten sich die flexiblen Zinsen der Entwicklungsländer und diese hatten Schwierigkeiten, die hohe Zinslast weiterhin zu bedienen.51 Durch die Zahlungsunfähigkeit Mexikos 1982 wurden auch die anderen Schuldnerländer inklusive Argentinien in Mitleidenschaft gezogen worden, da private Gläubiger nun wesentlich zurückhaltender in der Kreditvergabe wurden, was Kredite noch teurer und schwerer zugänglich machte. Zum anderen ließ der gestiegene US-Leitzins die US-amerikanische Inflationsrate im Verhältnis zu den hohen Inflationsraten der Schuldnerländer stark sinken und es wurde ein Abwertungsdruck auf die argentinische Währung erzeugt.52 (Der Wechselkurs des Peso, später Austral, war fest.) In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu Abwertungen der im Allgemeinen eher überbewerteten argentinischen Währung. Die Abwertungen ließen wiederum die Auslandsschulden real wachsen. Die argentinische Regierung erhöhte deshalb die Geldemission, um damit die nötigen Devisen für den Schuldendienst kaufen zu können, was wiederum die Inflationsrate steigen ließ. Auch verteuerten sich durch die Abwertungen die Importe stark, was die Inflation weiter verschlimmerte (Angebotsdruckinflation), denn Argentinien war nach wie vor stark abhängig vom Import industrieller Ausrüstungsgüter und Vorprodukte. Die höhere Inflation führte zu weiterer Abwertung, so entstand ein Teufelskreislauf aus Inflation und Abwertung.53 So sehen wir in Abbildung 2 den Graphen für die Inflationsrate ab 1982 wieder relativ steil ansteigen bis zu einem erneuten Höhepunkt 1985. Gleichzeitig steigt der Graph für die Auslandverschuldung weniger steil an als in den Jahren vor 1982, da ausländische Kredite kaum noch zu bekommen waren. Argentinien wurde in dieser Zeit zum Nettokapitalexporteur.54

Die Militärjunta war nach der Niederlage im Falklandkrieg so unbeliebt, dass die Opposition 1983 freie Wahlen durchsetzen konnte. Diese gewannen erstmals seit der Entstehung des Peronismus nicht die Peronisten, sondern Raul Alfonsín von der UCR (Union Civica Radikal = ´Radikale Bürgerunion´), der bis 1989 Präsident bleiben sollte. Ihm gelang die Redemokratisierung des Landes. Alfonsín trat ein schweres wirtschaftliches Erbe an: 1983 war das BIP nur etwa so hoch wie 1975, die Inflationsrate lag bei 334 %, die Auslandschulden entsprachen mehr als 60 % des BIP und für die Bedienung der Zinsen mussten 69 % der Exporterlöse aufgewendet werden.55 Alfonsín gelang es nicht, das von Perón implementierte, hyperkonsump- tive wirtschaftspolitische System abzuschaffen. Dies verhinderten zum einen die starken Gewerkschaften durch zahllose Streiks einschließlich dreizehn General- streiks, zum anderen die föderalistische 2-Kammer-Struktur der argentinischen Legislative, denn Alfonsín hatte lange Zeit nur die Mehrheit in einer Kammer. Um tief greifende wirtschaftliche Reformen durch zu setzten, hätte er die Mehrheit in beiden Kammern benötigt.56 Unter Alfonsín wurden dennoch mehrere orthodoxe wie hetero- doxe Stabilisierungsprogramme durchgeführt, z.T. mit kurzfristigem Erfolg, so der heterodoxe Austral-Plan 1985 - 1986, erkennbar in Abbildung 2 am Sinken des Graphen für die Inflationsrate in dieser Zeit. Langfristig aber scheiterten alle Stabili- sierungsprogramme. Laut Stiefl ist der Grund für dieses Scheitern, dass keines der durchgeführten Programme alle Ursachen der Inflation zu beseitigen suchte: Ent- weder wurde der Ausgleich des Budgetdefizites vernachlässigt oder die Indexie- rungen langfristig nicht beseitigt - oder beides.57 Trotz dem chronischen Budget- defizit und der Inflationsproblematik nahm die Staatsquote zwischen 1970 und 1988 stark zu58, also auch noch unter Alfonsín. D.h. die auf Hyperkonsumption basierende staatszentrierte Entwicklungspolitik wurde auch unter Alfonsín beibehalten. 1989, im ersten Jahr der Hyperinflation, waren die Staatsbetriebe zu 56 % für das Defizit des öffentlichen Sektors verantwortlich und zugleich für 26 % der Auslandsschulden.59 Während 1980 das Verhältnis von Schulden zum BSP bei 48,4 % gelegen hatte, lag es 1989 bei 119,7 %.60 So mündete das Scheitern von Reformen und Stabilisie- rungsprogrammen in die Hyperinflation, die in der Graphik durch den 3. und höchsten „peak“ des Graphen für die Inflationsrate dargestellt ist. Da Argentinien während dieser Zeit keinen Zugang zum internationalen Kapitalmarkt mehr hatte, mag es zunächst verwundern, dass der Graph für die Auslandsverschuldung dennoch weiter ansteigt. Dies liegt an Krediten von internationalen Organisationen wie dem IWF.61

4. Empirie: Die Untersuchung der argentinischen Hyperinflation von Stiefl

In seiner empirischen Untersuchung von 1993 testet Stiefl die möglichen Ursachen der argentinischen Hyperinflation. Dazu konstruiert er zunächst ein dynamisches 2- Sektoren-Modell. Die beiden Sektoren sind Tradeables (handelbare Güter) und Nontradeables (nichthandelbare Güter). Er modelliert 2 Versionen seines Modells - eine mit rationalen Erwartungen und vorwärtsgerichteter Indexierung wie im Monetarismus II, da dies der vorherrschende Erklärungsansatz ist, und eine mit nicht-rationalen Erwartungen und rückwärtsgerichteter Indexierung (wie im latein- amerikanischen Neostrukturalismus, die anderen realwirtschaftlichen Inflationstheo- rien hält Stiefl nicht für relevant). Nach umfangreichen Vorarbeiten (Umformungen, Schätzungen der Erwartungsgrößen, Einsetzen einer Dummy-Variablen für Cost- Push62 - und Mark-Up63 -Faktoren) formuliert Stiefl seine beiden Inflationsgleichungen. Beide enthalten relevante, zur Diskussion stehende Inflationsursachen aus beiden Paradigmen. Die Version der Inflationsgleichung mit nicht-rationalen Erwartungen und rückwärtsgerichteter Indexierung (wie im Neostrukturalismus) lautet:

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Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

PDt ist die Inflationsrate in der aktuellen Periode. EKt ist die Wachstumsrate der ex- ternen Komponente in der Periode, sie entspricht der Inflationsrate für Tradeables der aktuellen Periode (PTt). Diese ergibt sich aus der Weltinflationsrate der Tradeables zur aktuellen Periode (PTt*) multipliziert mit der Wachstumsrate des Wechselkurses der aktuellen Periode (Et). In der externen Komponente spiegeln sich also externe Schocks/Einflüsse (z.B. Inflation durch verteuerte Importe). Dt ist die Wachstumsrate des staatlichen Defizits in der aktuellen Periode, DUt ist eine Dummyvariable, die das Vorhandensein von Cost-Push und/oder Mark-Up-Faktoren schätzt (s. 2.2, Angebotsdruckinflation), also das Vorhandensein des vom Neostruk- turalismus angenommenen Verteilungskonfliktes, PDt-1 ist die inländische Inflations- rate der Vorperiode, Yvt ist die Wachstumsrate des Vollbeschäftigungseinkommens der aktuellen Periode, β1 − β5 sind die zu schätzenden Koeffizienten. Die kleinste- Quadrate-Schätzung führt zu folgendem Resultat:

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Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Bestimmtheitsmaß R² in Höhe von 0,70 bedeutet, dass 70 % der Varianz von PDt durch die Gleichung erklärt werden, sie ist also insgesamt signifikant. Die Sternchen unter den Koeffizienten geben die Irrtumswahrscheinlichkeit an (* : 10 %, ** : 5 %, *** : 1 %). Nicht alle Koeffizienten sind signifikant, nur β1, β2, und β4. Das heißt:

- Den größten Einfluss auf die (damals) aktuelle Inflationsrate Argentiniens hatte die Inflationsrate der Vorperiode, das entspricht der Trägheitskomponente, der „Beharrungsinflation durch Indexierung“. Stiefl hat zum Vergleich eine Regression geschätzt, die nur das Beharrungsmoment enthält und kommt dabei auf ein R² von 0,6036. Dies illustriert die Bedeutung des Beharrungsmomentes.
- Ebenfalls hoch signifikant ist der Einfluss der externen Komponente auf die Inflationsrate, die Inflationsentwicklung ist also „nicht nur hausgemacht“.
- Sehr signifikant ist der Einfluss der Wachstumsrate des Budgetdefizites auf die In- flationsrate. „Die monetaristische Hypothese kann somit nicht abgelehnt werden.“
- Alle „übrigen möglichen Inflationskomponenten haben keinen signifikanten Ein- fluss auf die ... Inflationsrate“. Stiefl räumt allerdings ein, dass die Ablehnung der Hypothese eines Verteilungskonfliktes eventuell auf die Verwendung der DummyVariablen zurückzuführen sein könnte.
- Das Modell als solches ist jedoch richtig spezifiziert und gut geeignet, die argenti- nische Hyperinflation zu beschreiben, wie die anderen Tests (auf die ich hier nicht näher eingehe, P.K.) beweisen.

Zum Vergleich schätzt Stiefl die Version der Inflationsgleichung mit rationalen Erwar-

tungen und vorwärtsgerichteter Indexierung (Two Stage Least Squares Method). Das Ergebnis ist konsistent mit dem Ergebnis der ersten Regressionsschätzung: Nur zwei der acht möglichen Inflationsauslöser sind signifikant: Hoch signifikant (***) ist die erwartete Wachstumsrate des Budgetdefizites, sehr signifikant (**) der Einfluss der erwarteten exogenen Komponente. Das R²adj liegt mit 0,6579 leicht unterhalb des R² der Inflationsgleichung mit nichtrationalen Erwartungen und rückwärtsgerichteter Indexierung. Die Version mit rationalen Erwartungen erklärt also nur 65 % der Varianz der argentinischen Inflationsrate während der Hyperinflation, während die Version mit ´neostrukturalistischen´ Erwartungen 70 % erklärt.64 Stiefls Untersuchung widerlegt m. E. n. prinzipiell die Hypothese des Monetarismus II, dass es keine andere Inflationsursache als eine zu starke Geldmengenausweitung gibt, denn die neostrukturalistische Hypothese einer Beharrungsinflation kann im Fall Argentiniens nicht abgelehnt werden.

5. Fazit

Die primäre Ursache der argentinischen Hyperinflation war die Ausweitung der Geldmenge, die Resultat des chronischen und sich vergrößernden Budgetdefizits war. Dieses Budgetdefizit sowie die Staatsverschuldung resultierten aus einer entwicklungspolitischen Strategie, die mit dem gegebenen Steuersystem auf Dauer nicht finanzierbar war. Diese entwicklungspolitische Strategie war politisch gesehen das Resultat eines Verteilungskampfes, der zum Teil nicht demokratisch ausgetragen wurde, und aus dem zwischen 1974 und 1976 bürgerkriegsähnliche Zustände resul- tierten sowie häufige Militärputsche und schließlich der Falklandkrieg.

Ebenfalls von zentraler Bedeutung als Inflationsursache war das Beharrungsmoment, das durch die Indexierungspraxis, insbesondere die Lohnindexierungen, zustande kam. Durch die Beharrungsinflation wurde die Inflation zwar nicht ursprünglich ausgelöst, aber stark verschärft. Schließlich sind exogene Faktoren zu nennen: Die Mexiko-Krise 1982 und die nachfolgende Schuldenkrise waren der auslösende Schock, durch den ein Teufelskeislauf aus Abwertungen und Inflation einsetzte.

Die argentinische Hyperinflation hatte also neben den (weithin unumstrittenen) exogenen Faktoren sowohl die zu starke Geldmengenausweitung als auch das Beharrungsmoment als Ursache.

Literatur:

Bücher:

- Arentzen, Ute (Hrsg.): Gabler Wirtschaftslexikon. 14. Auflage. Wiesbaden 1997
- Blanchard, Olivier / Illing, Gerhard: Makro ö konomie. 3. Auflage. München 2004
- Cecchini, Daniel / Zicolillo, Jorge: Los Nuevos Conquistadores. El Papel Del

Gobierno Y Las Empresas Espanolas En El Expolio De Argentina. Madrid 2002

- Durnbeck, Theresa C.: Integrierte Ans ä tze der Inflationstheorie und ihr Stellenwert f ü r wirtschaftspolitische Anpassungsprogramme in Schwellenl ä ndern: Das Fallbeispiel Argentinien. (Diss.) Göttingen 1992
- Heine, Michael / Herr, Hansjörg: Volkswirtschaftslehre: eine paradigmen- orientierte Einführung in die Mikro- und Makroökonomie. 2. Auflage. München 2000
- Jarchow, Hans - Joachim: Theorie und Politik des Geldes. 11. Auflage. Göttingen 2003
- Mankiw, Gregory N.: Principles of Economics. International Student Edition. 3rd edition. 200465
- Mirbach, Johan von: Korruption und Privatisierung in Argentinien. Eine Analyse der Wirtschaftsreformen von 1989 bis 1999. (Diss.) Hamburg 2006
- Muno, Wolfgang: Reformpolitik in jungen Demokratien. Vetospieler, Politikblockaden und Reformen in Argentinien, Uruguay und Thailand. (Diss.) Wiesbaden 2005.
- Stiefl, Jürgen: Inflation und Stabilisierung lateinamerikanischer Schwellenl ä nder. Eine makro ö konomische Analyse f ü r Argentinien (1970 - 1991). (Diss.) Münster Hamburg 1993.
- Ströbele, Wolfgang: Inflation. Einführung in Theorie und Politik. 3. Auflage. München 1994
- Ziegler, Bernd: Ö konomische Lehrmeinungen - Ü bersicht und Orientierung, in Ziegler, Bernd (Hrsg.): Leitfaden zum Grundstudium der Volkswirtschaftslehre. Gernsbach 1997, S. 10 - 78

Artikel:

- Bickel, Mattias: Die Argentinien - Krise aus ö konomischer Sicht: Herausforderungen an Finanzsystem und Kapitalmarkt, in Tietje, Christian / Kraft, Gerhard / Sethe, Rolf (Hrsg.): Beiträge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht, Heft 38, Halle 2005, erhältlich unter: http://edoc.bibliothek.unihalle.de/servlets/MCRFileNodeServlet/HALCoRe_derivat e_00000123/Heft38.pdf?hosts=local, letzter Zugriff 24.06.2007
- Foders, Federico: Die ö konomische und wirtschaftspolitische Entwicklung Lateinamerikas nach dem Zweiten Weltkrieg, in Kieler Arbeitspapier Nr. 1066,Institut für Weltwirtschaft (Hrsg.), Kiel 2001, erhältlich unter: http://www.unikiel.de/IfW/pub/kap/2001/kap1066.pdf, letzter Zugriff 24.06.2007
- Jost, Christoph: Argentinien: Umfang und Ursachen der Staatsverschuldung Probleme der Umschuldung, Auslandsinfo 11/2003 der Konrad - Adenauer - Stiftung, erhältlich unter: http://www.kas.de/db_files/dokumente/auslandsinformationen/7_dokument_dok_p df_3573_1.pdf., letzter Zugriff 24.06.2007
- Ströbele, Wolfgang: Inflationstheorie, in Woll, Artur (Hrsg.): Wirtschaftslexikon. 8. Auflage. München 1996, S. 331 - 337
- Tschabold, Heinz: Contagion-Effekte von Finanzsystemkrisen - das Beispiel Argentinien, erhältlich unter: http://66.102.1.104/scholar?hl=de&lr=&q=cache:t7Pg7We6hygJ:www.msc.unisg.c h/org/sbf/web.nsf/bf9b5a227ab50613c1256a8d003f0349/fc94942cd6d0f265c125 6b920036e91e/%24FILE/Contagion- Effekte%2520am%2520Beispiel%2520Argentinien_HEINZ%2520TSCHABOLD_ Endfassung.pdf+Tschabold+Argentinienkrise , letzter Zugriff: 30.06.2007

Homepage:

- IWF: www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2002/01/data/pcpi_c.csv (jährliche Inflationsraten für Argentinien), letzter Zugriff 30.06.2007

[...]


1 die beiden Inflationsraten sind zitiert aus www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2002/01/data/pcpi_c.csv

2 vgl. Durnbeck 1992, S. 5 ff.

3 Ströbele 1994, S. 1

4 für deren Berechnung existieren unterschiedliche Konzepte, siehe ebd., S. 33 ff.

5 vgl. Arentzen et al. 2000, S. 1511

6 vgl. Mankiw 2004, S. 655

7 vgl. Blanchard/Illing 2004, S. 691 f.

8 vgl. Stiefl 1993, S. 23 ff.

9 vgl. Ströbele in: Woll 1996, S. 334, siehe auch Ströbele 1994, S. 42 f. und 91 f.

10 vgl. Jarchow 2003, S. 168 u. Ströbele in Woll 1996, S. 334

11 vgl. Ziegler 1997, S. 25

12 vgl. Ströbele in: Woll 1996, S, 334 und Heine/Herr 2000, S. 255 ff.

13 vgl. Heine/Herr 2000, S. 256

14 vgl. Ströbele in: Woll 1996, S. 334

15 vgl. Stiefl 1993, S. 10

16 vgl. Blanchard/Illing 2004, S. 274

17 Stiefl 1993, S. 11 f., s.a. Jarchow 2003, S. 255 f.

18 vgl Stiefl 1993, S. 13 ff., Ströbele in: Woll 1996, S. 335

19 Stiefl 1993, S. 13

20 vgl. Blanchard/Illing 2004, S. 680 ff.

21 vgl. ebd., S. 689, Jarchow 2003, S. 306 und Stiefl 1993, S. 90, Abkürzungen in Anlehnung an gängige Abkürzungen von mir, P.K.

22 vgl. Blanchard/Illing 2004, S. 687 ff. und Stiefl 1993, S. 90 ff.

23 vgl. Blanchard/Illing 2004, S. 690

24 vgl. Stiefl 1993, S. 33 ff.

25 vgl. Foders 2001, S. 21

26 vgl. Stiefl 1993, S. 36 f.

27 vgl. Ströbele in: Woll 1996, S. 335 f. und ders. 1994, S. 45 - 51 u. 63

28 vgl. ders. in: Woll 1996, S. 335 f. und ders. 1994, S. 51 - 58 u. 64

29 vgl. ders. in: Woll 1996, S. 336 f. und ders. 1994, S. 48

30 vgl. ders. in: Woll 1996, S. 336 und ders. 58 ff.

31 vgl. Stiefl, S. 23 ff.

32 vgl. Durnbeck 1992, S. 46

33 vgl. Stiefl 1993, S. 43 ff.

34 vgl. Tschabold 2002, S. 18

35 vgl. Muno, S. 46 f.

36 vgl. Foders 2001, S. 13 f.

37 vgl. Durnbeck 1993, S. 10

38 vgl. Muno 2005, S. 49

39 vgl. Durnbeck 1993, S. 10

40 vgl. Foders 2001, S. 14 ff.

41 vgl. Muno 2005, S. 50 f.

42 vgl. Durnbeck 1992, S. 12 f.

43 vgl. Muno 2005, S. 53 f.

44 vgl. Foders 2001, S. 14 ff.

45 vgl. Muno 2005, S. 54 ff. und S. 69 ff.

46 vgl. Muno 2005, S. 59

47 vgl. Stiefl 1993, S. 100

48 vgl. Durnbeck 1993, S. 13

49 vgl. Muno 2005, S. 61

50 vgl. Jost 2003, S. 30

51 vgl. Bickel 2005, S. 16

52 wie das geschieht, wird hier nicht erläutert, da es über die Thematik von „Geld & Kredit“ hinausgeht, P.K.

53 vgl. Durnbeck 1993, S. 142 f.

54 vgl. Bickel 2005, S. 16

55 vgl. Muno 2005, S. 61 f.

56 vgl. ebd., S. 64 ff.

57 vgl. Stiefl 1993, S. 51 ff.

58 vgl. Durnbeck, S. 21

59 vgl. Mirbach 2006, S.3

60 vgl. Bickel 2005, S. 16

61 vgl. Muno 2005, S. 64 ff.

62 entspricht Angebotsdruckinflation bei Aufschlagskalkulation (s. 2.2)

63 entspricht Angebotsdruckinflation bei Mindestrenditekalkulation (s. 2.2)

64 vgl. Stiefl 1993, S. 63 ff.

65 Ort nicht angegeben

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Hyperinflation in Argentinien 1989 / 1990
Hochschule
Universität Hamburg  (Department für Wirtschaft und Politik)
Veranstaltung
Geld und Kredit
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
23
Katalognummer
V117624
ISBN (eBook)
9783640198252
Dateigröße
484 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hyperinflation, Argentinien, Geld, Kredit
Arbeit zitieren
Pele Krause (Autor:in), 2007, Die Hyperinflation in Argentinien 1989 / 1990, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117624

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