Sind Christen die besseren Menschen? Kann ein Christ Dienst an der Waffe tun, ohne
sein Seelenheil aufs Spiel zu setzen, und darf er darauf verzichten, den Müll zu
sortieren? Letztlich sollte heute hinter all solchen Fragen die eine Frage stehen: Ist das
Christentum in der Lage, die Welt zu verbessern? Oder anders formuliert: Bietet der
christliche Glaube spezifisch christliche Ansatzpunkte, auf gegenwärtige Problemlagen
zu reagieren?
Frage: Warum lassen Sie Ihr Kind am evangelischen Religionsunterricht
teilnehmen?
Antwort: Weil mein Kind eine ethisch-moralische Grundbildung erhalten soll.
Wir sind nicht so – wie soll ich sagen? – fromm oder kirchlich, aber
„Liebe deinen Nächsten!“ ist doch eine gute Sache.
So oder so ähnlich würde wohl eine Vielzahl von Eltern einer säkularisierten
Gesellschaft antworten, die trotz ablehnender Haltung den Kirchen gegenüber fest
davon ausgehen, dass das, was die Christen der Weltgemeinschaft heute noch zu bieten
haben, ein vorbildliches ethisches Grundverständnis sei. Hier können junge Menschen
auch heute noch lernen, wie das gesellschaftliche Leben nach sozialen Maßstäben
funktionieren kann.
„In Fragen der Gentechnik, der medizinischen Ethik, aber auch der Sozialpolitik und
Erziehung wird die Stellungnahme der wissenschaftlichen Theologie von vielen …
Instanzen gesucht und gehört.“
Diesem Faktum entgegen stellen vorwurfsvolle Nichtchristen oder auch ehrliche
Exemplare aus den eigenen Reihen konträrer Weise resignierend fest, dass es in unserer
Kultur „kaum einen Unterschied [mache], ob ein Mensch an Gott glaubt oder nicht. Im
einen wie im anderen Fall kümmert er sich nicht viel darum“.
Inhaltsverzeichnis
0 Fragehorizont
1 Das Wesen der Ethik
1.1 Von Tabus und dem Willen der Götter
1.2 Der Gott JHWH und das Volk Israel
1.3 Die Ethik der Vernunft
1.4 Jesuanische Ethik der Eschatologie
2 Das Wesen der Sünde
2.1 LXX und zwischentestamentlicher Befund
2.2 Zeitenwende, Jesus und die frühe Jesusüberlieferung
2.3 Sünde als ethischer Begriff – Ein Fazit
3 „Der neue Mensch“ – Sind Christen die besseren Menschen?
3.1 Befreit zum Glauben – Freiheit bei Luther
3.1.1 Sünde als Abhängigkeit
3.1.2 Ethische Konsequenz – Erlösung als Möglichkeit
3.2 Befreit zum Handeln – Welt als Möglichkeit und Wirklichkeit bei Jüngel
3.2.1 Sünde als Streben nach Freiheit
3.2.2 Ethische Konsequenz – Das Geschenk der Verhältnismäßigkeit
4 Fachdidaktischer Impuls zum Thema „Christliche Ethik“ in der Sek. I
5 Fazit
6 Literatur- und Quellenverzeichnis
0 Fragehorizont
Sind Christen die besseren Menschen? Kann ein Christ Dienst an der Waffe tun, ohne sein Seelenheil aufs Spiel zu setzen, und darf er darauf verzichten, den Müll zu sortieren? Letztlich sollte heute hinter all solchen Fragen die eine Frage stehen: Ist das Christentum in der Lage, die Welt zu verbessern? Oder anders formuliert: Bietet der christliche Glaube spezifisch christliche Ansatzpunkte, auf gegenwärtige Problemlagen zu reagieren?
Frage: Warum lassen Sie Ihr Kind am evangelischen Religionsunterricht teilnehmen?
Antwort: Weil mein Kind eine ethisch-moralische Grundbildung erhalten soll. Wir sind nicht so – wie soll ich sagen? – fromm oder kirchlich, aber „Liebe deinen Nächsten!“ ist doch eine gute Sache.
So oder so ähnlich würde wohl eine Vielzahl von Eltern einer säkularisierten Gesellschaft antworten, die trotz ablehnender Haltung den Kirchen gegenüber fest davon ausgehen, dass das, was die Christen der Weltgemeinschaft heute noch zu bieten haben, ein vorbildliches ethisches Grundverständnis sei. Hier können junge Menschen auch heute noch lernen, wie das gesellschaftliche Leben nach sozialen Maßstäben funktionieren kann.
„In Fragen der Gentechnik, der medizinischen Ethik, aber auch der Sozialpolitik und Erziehung wird die Stellungnahme der wissenschaftlichen Theologie von vielen … Instanzen gesucht und gehört.“1
Diesem Faktum entgegen stellen vorwurfsvolle Nichtchristen oder auch ehrliche Exemplare aus den eigenen Reihen konträrer Weise resignierend fest, dass es in unserer Kultur „kaum einen Unterschied [mache], ob ein Mensch an Gott glaubt oder nicht. Im einen wie im anderen Fall kümmert er sich nicht viel darum“.2
Wie kann das sein, sind wir doch im paulinischen Sinne (1Kor 12,17) im Leben, das sich unter die Zusage des Kreuzes stellt, eine „neue Kreatur“? Worin unterscheiden sich Christen von ihrem Umfeld, das ebendiese Verheißung des Todes Jesu für sich nicht in Anspruch nehmen kann? Unterscheiden sie sich überhaupt? Ebendies bestreitet Fromm. Doch worin besteht das neue Leben, worin wir laut Paulus durch die Taufe im Glauben an Jesu Tod und Auferstehung wandeln (Röm 6,4), wenn es zumindest nach außen hin nicht zu erkennen ist? Oder ist es bei guten und frommen Christen sehr wohl festzustellen – denn genau das erwartet auch ihr Umfeld von ihnen – und nur bei verweltlichten Landeskirchlern nicht mehr auszumachen?
Der Bezug ist aktuell, wenn auch die Frage so alt ist wie das Christentum: Wie soll bzw. darf ein Christ im Lichte vergebener Sünde leben?
In diesem Zusammenhang ist nach dem Wesen der Ethik (Kap.1) ebenso zu fragen wie nach dem der Sünde sowie nach den Charakteristika der christlichen Sündenlehre (Kap. 2). Dies soll exemplarisch ausgehend vom Sündenverständnis Luthers (Kap. 3.1) und Jüngels (Kap. 3.2) geschehen. Dass gerade die christliche Sündenlehre, wenn man sie als Unterdisziplin christlicher Anthropologie begreift, dem Sündenbegriff zu einer ethischen Dimension verhilft (Kap. 3) und das Handeln der Christen in der Welt nicht nur fordert, sondern aufgrund der Freiheit, die aus dem Gerechtfertigt-Sein in Christus resultiert, notwendigerweise nach sich zieht, soll aufgezeigt werden (Kap. 3.1.2, 3.2.2). Im Anschluss an diese systematischen Überlegungen, finden die Ergebnisse ihren Niederschlag in einem fachdidaktischen Impuls für den evangelischen Religionsunterricht der Sekundarstufe I (Kap. 4). Eben der Stoßrichtung folgend, die das fiktive Fragen und Antworten nach dem Sinn der Teilnahme am Religionsunterricht (s.o.) darzustellen versucht, ist zu erkennen, dass sich aktuell der Religionsunterricht tatsächlich gern darauf beschränkt, das Wesen und Wirken Gottes darauf zu reduzieren, dem Christentum ein Profil zu verschaffen, das den Christen auch heute noch Respekt unter Nichtchristen einbringt.3 Christen sind demnach die, die sich ethisch korrekt verhalten und um die ethischen DOs ´n´ DON´Ts Bescheid wissen. Doch im Sinne Göllner/ Trocholepczy/ Biemers will die hier dargestellte Unterrichtseinheit zum Thema „Christliche Ethik“ SuS (Schülerinnen und Schülern) Gott nicht zu diesem Zwecke funktionalisieren4, sondern eine für SuS nachvollziehbare „Ethik aus dem Glauben [an Sünde und Vergebung] heraus“5 entwerfen, um anschließend mit den SuS die Frage aufzuwerfen, ob und, wenn ja, wie das Christentum in der Lage ist, die Welt zu verbessern, und ggf. eine Antwort darauf zu finden.
1 Das Wesen der Ethik
Die Grundfrage der Ethik ist seit jeher: Was ist der Maßstab für rechtes Verhalten? Das griechische [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] bezeichnet eine Form von Gewöhnung und bedeutet in diesem Sinne Lebensort, Sitte, Brauch oder Charakter und kann im weiteren Sinne damit auch für das gesamte Gefüge von Lebensgewohnheiten stehen. Die Ethik bezeichnet nun die Begründung für ein bestimmtes Ethos. Sie fragt eben jene Frage nach dem zu Grunde liegenden Maßstab für eine Verhaltensnorm, die für sich genommen das Wie des rechten Verhaltens erschließt. Wer nach dem Wie fragt, nimmt in der Regel an, dass eine nachvollziehbare, vernunftgemäße Antwort möglich ist. Ist es nicht logisch, dass auf die Frage nach dem Wie nur ein Indem zu erwarten ist? Dass gerade jesuanische Ethik (also Jesu Maßstab für rechtes Verhalten) die Frage nach der Art und Weise aushebelt und insofern die implizite Annahme von Lehrbarkeit demnach negiert, soll im Folgenden gezeigt werden.
1.1 Von Tabus und dem Willen der Götter
Oberstes Ziel jeder Handlungsmaxime ist die Erhaltung der Lebensmöglichkeiten. Ein gemeinsames Ethos stiftet gemeinsame Identität. Dadurch, dass es bestimmte Verhaltensweisen als gut und andere als schlecht klassifiziert, gewinnt die Gemeinschaft, die die dahinter stehende Ethik für sich akzeptiert, an Profilierung nach außen. Von der Umwelt erfolgt im gleichen Schritt eine Abgrenzung. Gut bzw. recht zu leben, bedeutet demnach die grundlegende Existenz „in Übereinstimmung mit dem Ethos … der sozialen Gemeinschaft“.6 Solange der Einzelne sich dem Ethos der Gemeinschaft fügt, bleibt er integraler Bestandteil des Ganzen.
Archaische Formen der Begründung eines bestimmten Ethos bestehen im Mythos und der Erfahrung göttlicher Offenbarung7, weshalb das Tabu eine grundsätzlich religiöse Verankerung aufweist.8 Im Weltschöpfungsmythos Enuma elisch der Babylonier zeigt sich ein bis dahin ungekannter Zug der Götter: sie nehmen Anteil am menschlichen Geschick, was zu einer Ausprägung des Sündenbewusstseins bis hinein in kultische Handlungen führt. Priester und Propheten haben die Aufgabe, den Willen des Rechtsgottes Schamasch zu verkünden, welcher somit als „Begründer von Ethos und Recht“9 wahrgenommen wird. Im König findet die Gottheit seinen Vertreter für die Aufrechterhaltung und Durchsetzung der gottgewollten Gerechtigkeit auf Erden. So gehört es zu seinen Aufgaben, sozial Schwachen zu ihrem Recht zu verhelfen.10
1.2 Der Gott JHWH und das Volk Israel
Als Stifter von Recht und Gemeinschaft erfährt Israel seinen Gott JHWH. Der Bund, den der Gott mit dieser Gemeinschaft schließt und auf den sich das Kollektiv festlegt11, muss immer als Verhältnis ungleicher Partner aufgefasst werden. Recht ist insofern immer Gottesrecht und beschreibt kollektive Pflichten gegenüber Gott und Mitmenschen.12 In vormonarchischer Zeit werden Ethos und Recht unmittelbar auf JHWH zurückgeführt. Die Sorge für die Schwachen der Gesellschaft ist demnach keineswegs individuell motivierte Solidarität, sondern Erfüllung göttlichen Willens. Soziale Ungerechtigkeit ist dementsprechend nicht einfach nur bedauerlich, sondern gilt als Verstoß gegen als explizit wahrgenommene Weisung JHWHs. In der Schriftprophetie schlägt sich diese Auffassung in der Sozialkritik nieder, welche sich bei Amos mit der Kultkritik verbindet. Seiner Auffassung nach müsse der Kult seine Entsprechung im Alltag finden. Unheilsworte kündigen ein Gericht über die Sünden der Menschen an.13
1.3 Die Ethik der Vernunft
In der griechischen Antike wird die archaische Begründung ethischen Handelns von einem Mythos her durch die Erkenntnis des Allgemeinen abgelöst.
„Die Kenntnis des den ethischen Dingen und Verhaltensweisen Gemeinsamen gibt uns ein Kriterium an die Hand, bestimmte Handlungen ethisch zu qualifizieren.14
Diese Einsicht, dass allen ethischen Kategorien etwas gemeinsam sein müsse, zeigt sich auch in den „Was ist…“-Fragen des Sokrates nach der Gerechtigkeit, dem Frommen, dem Tapferen etc., welche sich laut Aristoteles subsumiert unter der Frage nach der Tugend finden. In der Tugend sei somit alles ethisch Gute vereint und tugendhaft sei eben der, der über jene qualifizierende Kenntnis verfüge. Sie ist in sokratischer Sichtweise nicht nur Voraussetzung, sondern identisch mit der Tugend, welche gleichzusetzen ist mit dem Tun des Guten und Richtigen. Wer etwas weiß, der kann es auch. Das griechische [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] trägt immer auch die Bedeutung des Vermögens (im Sinne von Können) in sich. Aus dieser Erkenntnis der Kyniker leitet sich die Entwicklung eines „moralischen Intellektualismus“15 ab. Aristhenes formuliert universal: Tugend ist lehr-, weil wissbar. Damit setzt er sich bewusst von den partikular gültigen Handlungsgesetzen der Polis ab, indem er ausgehend von der Vernunft aller Menschen gleichermaßen argumentiert. Damit schlägt er die notwendige Brücke zur Ethik der Stoa, die Tugend, individuelle Vernunft und allgemeine Vernunft in einer wechselseitigen Abhängigkeit versteht. Freiheit wird insofern als Frei-Sein von allem, als absolute Bedürfnislosigkeit begriffen. Bei Platon spitzt sich diese Vorstellung derart zu, dass er die Welt der Ideen gedanklich vollständig von der Sinnenwelt scheidet.
„Gegenstände der Definition ethischer Eigenschaften müssen [seiner Ansicht nach] vielmehr jenseits der wandelbaren Sinnenwelt angesiedelt werden, ausgezeichnet durch Unveränderlichkeit und Unsichtbarkeit.“16
Da die diesseitige Welt aber der Veränderlichkeit unterworfen ist, zieht Platon die für ihn notwendige Konsequenz. Die Möglichkeit zur Erkenntnis allgemeingültiger Ideen a priori in dieser Welt sei ein Beweis für die Unsterblichkeit der Seele – genauer: für die Präexistenz der Seele außerhalb der unfreien Sinnenwelt. Denn da sich die sokratische Frage nach der Definition moralischer Eigenschaften keinesfalls a posteriori beantworten lasse, müsse die Erkenntnis a priori angenommen werden. Existiert apriorisches Wissen, kann dies nicht der veränderlichen, weil vergänglichen Welt unterworfen sein. Raum und Zeit besitzen für die „Erkenntnis des Allgemeinen“17 keine Gültigkeit. Auch wenn die apriorische Erkenntnis sich über den Inhalt tugendhaften Verhaltens mitzuteilen vermag, ist damit der Frage nach dem Warum noch nicht beantwortet.
„Fordert die Erklärung idealer Vernunfterkenntnis die Präexistenz der Seele, so die der moralischen Verantwortlichkeit ihre Postexistenz.“18
Auf jede Seele warte ein Urteil bzw. eine Entschädigung in der Unterwelt, welche nach dem Verhalten im Diesseits bemessen werde. Demnach ist die Motivation, im vergänglichen Leben nach unvergänglichen Idealen zu streben, die Angst. Die Seele stellt die „Entität zwischen dem Unveränderlichem und dem Veränderlichem“ dar und hat sich jederzeit zwischen dem einem und dem anderen zu entscheiden. Ein Streben in die eine oder andere Richtung ist jedoch nur vorstellbar unter der grundsätzlichen Annahme der „Selbstbestimmtheit der Seele“.19
1.4 Jesuanische Ethik der Eschatologie
Rohls hebt hervor, dass trotz der allgemeinen Unzufriedenheit im jüdischen Volk über den andauernden Zustand der Fremdherrschaft Jesus und seine Anhänger keine politischen Ziele verfolgen.20 Auf der anderen Seite zieht er sich auch nicht als weltflüchtiger Asket zurück. Sein Programm ist eschatologischer Natur. So kann jesuanische Ethik weder als Interimsethik der Apokalyptiker noch als rein weisheitlich geprägt charakterisiert werden.21 Wie Johannes der Täufer verkündigt er das Nahen der Herrschaft Gottes, die durch den Vollzug des Willens Gottes im Himmel und auf der Erde bestimmt ist. Die Überzeugung Jesu, dass Gott sein Reich baut und in Jesu Wirken bereits gegenwärtig ist, führt zu einer Ethisierung seiner eschatologischen Gottesreichsrede. Er sagt damit nicht, dass Menschen, die in ihrem Leben nach dem Willen Gottes fragen, diesen eschatologischen Prozess beschleunigen; sein Ziel ist es, dem Willen Gottes „beim Einzelnen Geltung zu verschaffen“.22 Jesu Botschaft zielt aber nicht auf schieren Individualismus im postmodernen Sinne. Vielmehr stellt er so den Einzelnen in seiner Verantwortung vor Gott. Doch statt Unheilsworten erwartet den Menschen im Angesicht Gottes primär die Zusage der Implementierung seines Reiches auf Erden. Gottes Geschichte mit seiner Schöpfung ist nicht zu Ende. Doch in Konfrontation mit dem sich nahenden Reich Gottes erwartet Jesus Umkehr und ruft von ihm Ausgewählte in die Nachfolge. Im Sinne der dritten Bitte des Vaterunsers („Dein Wille geschehe wie im Himmel so auch auf Erden.“) geschieht im Akt der Buße bereits, dass der Wille Gottes zum Maßstab des persönlichen Lebens wird. Die Erkenntnis, dass Gott sich – in seinem offenbarten Willen – jedem Einzelnen zuwendet, stellt in den Anspruch, seinem Willen im eigenen Leben Ausdruck zu verleihen. In diese Position bringt sich der Mensch jedoch keineswegs selbst und aus eigenem Antrieb, sondern die Positionierung vollzieht sich in der gottgeschenkten Inanspruchnahme dieser Zuwendung Gottes, weshalb die Wie-Frage sich erübrigt. Erst an dieser Stelle erfolgt die ethisch bedeutsame Operationalisierung des Gotteswillens. Wie ist es möglich, den Willen Gottes zu tun? Hier macht Jesus klar, Gottes Liebe zu uns Menschen findet Ausdruck in seinem Willen, der sich im dreifachen Liebesgebot artikuliert.23 Liebe Gott und liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Erst jetzt stellt sich die Frage, wie ich Gott zeigen kann, dass ich ihn liebe. Nach Rohls besteht für Jesus im zweiten Teil des Liebesgebotes die Operationalisierung der Gottesliebe. Ich zeige, dass ich Gott liebe, indem ich seinen Willen zum Maßstab meines Lebens mache und meinen Nächsten liebe wie ich mich selbst (lieben soll).24
[...]
1 M. Heckel, Gesammelte Schriften. Staat – Kirche – Recht – Geschichte. Bd. V. Tübingen 2004, S. 404.
2 E. Fromm, Der moderne Mensch und seine Zukunft. Eine sozialpsychologische Untersuchung. Frankfurt a. M. 1960, S. 158f.)
3 Nicht den Leuten, die aus solchen Beweggründen den Religionsunterricht trotz säkularisierter Lebensweise besuchen (lassen), ist der Vorwurf zu machen. Über jeden, der sich freiwillig dem System Kirche ausliefert, sollte sie sich freuen. Der Tadel gilt vielmehr der Institution Kirche und den sie vertretenden Lehrkräften selbst, die angesichts dieser Nachfrage sich winden und ängstigen, ein klares Profil nach außen zu tragen. Heckel benennt diesen Vorgang sachgemäß als „Selbstsäkularisierung“ (M. Heckel 2004, S. 404).
4 R. Göllner/ B. Trocholepczy/ G. Biemer, Religion in der Schule? Projekte, Programme, Perspektiven. Freiburg 1995, S. 96f.
5 R. Göllner, Vom „ethischen Christentum“ zur Ethik aus dem Glauben. In: Jürgen Rekus (Hg.), Studien – Texte – Entwürfe. Schulfach Ethik. Hildesheim/ Zürich/ New York 1991, S. 32.
6 J. Rohls, Geschichte der Ethik. Tübingen 1999, S. 1.
7 Vgl. ebd., S. 3.
8 Vgl. ebd., S. 10.
9 Ebd., S. 18f.
10 Vgl. ebd., S. 25.
11 Biblisch wahrzunehmen ist dies am Beispiel des Landtages zu Sichem (Jos 24,1-28).
12 Vgl. ebd., S. 24.
13 Vgl. ebd., S. 27.
14 Ebd., S. 46.
15 Ebd., S. 47.
16 Ebd., S. 48.
17 Ebd., S. 52.
18 Ebd., S. 52.
19 Ebd., S. 52f.
20 Vgl. ebd., S. 94.
21 Vgl. ebd., S. 98.
22 Ebd., S. 101.
23 Entgegen der traditionellen Rede vom „Doppelgebot der Liebe“ ist der Hervorhebung, dass es sich eigentlich um ein Dreifachgebot der Liebe handelt, an dieser Stelle der Vorzug zu geben.
24 Vgl. ebd., S. 100.
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