Die Hufeisentheorie als Paradigma. Ein Erklärungsmodell zum Scheitern der Weimarer Republik


Bachelorarbeit, 2021

40 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Hinführung zum Forschungsthema

2. Die Hufeisentheorie und die Idee der (extremen) politischen Mitte
2.1 Das Hufeisenmodell
2.2 Die grundlegende Idee der politischen Mitte
2.3 Der (Rechts-)Extremismus der politischen Mitte

3. Politische Konflikte bei der Extremismusbekämpfung

4. Das Problem des Extremismusbegriffs

5. Die Ränder des Extremen in der Hufeisentheorie anhand einer Analyse der Parteien „Alternative für Deutschland“ und „Die Linke“

6. Zwischenbeurteilung

7. Die Idee eines „vereinten Mitteleuropas“ am Beispiel Friedrich Naumanns

8. Parteien am Rand des politischen Spektrums in der Weimarer Republik...
8.1 Extreme Ränder in der Weimarer Republik
8.2 Die KPD in der Weimarer Republik
8.3 Die NSDAP in der Weimarer Republik

9. Das „Scheitern“ von Weimar. Spannungen und Konflikte in den letzten Jahren der Republik
9.1 Das instabile Parteiensystem der Weimarer Republik
9.2 Die Präsidialkabinette als Anfang vom Ende?
9.3 Brüning als Sinnbild eines gescheiterten Reichskanzlers
9.4 KPD und NSDAP - Zwei völlig unterschiedliche extreme Ansätze?
9.5 Das endgültige Scheitern des parlamentarischen Parteiensystems.

10. Kritik an der Extremismustheorie anhand der Weimarer Republik

11. Die Thüringer Landtagswahlen 2020 als mahnendes Beispiel in Bezug auf Wahlen in der Weimarer Republik
11.1 Die Regierungskrise in Thüringen vom 05.02.2020
11.2 Ein Vergleich mit der Weimarer Republik

12. Schlusszusammenfassung und Ausblick

13. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung und Hinführung zum Forschungsthema

„Die Weimarer Republik ist letztlich nicht daran gescheitert, dass zu früh zu viele Nazis, sondern dass zu lange zu wenige Demokraten vorhanden waren“1

Die Einordnung des Extremismus ist in Deutschland ein Problem, welches in den letzten Jahren immer häufiger eine Debatte ausgelöst hat. Hierbei wird Linksextremismus häufig mit Rechtsextremismus gleichgesetzt und von einigen Instanzen als gleichwertig angesehen. Kann man diese zwei Seiten des Extremismus so trivial miteinander vergleichen? Meistens wird nur an der Oberfläche gekratzt und ein wirklich reflektierter Umgang mit den Begriffen findet selten statt.

Die folgende Forschungsarbeit soll sich intensiv mit den Problemen der Extremismustheorie auseinandersetzen. Kernbegriffe dieser Arbeit sind das Hufeisenmodell und die Hufeisentheorie, welche als paradigmatische Darstellung der klassischen Extremismustheorie gezählt werden können.

Wie wichtig ist es sowohl Linksextremismus als auch Rechtsextremismus als gleichermaßen demokratiefeindlich anzusehen? Um dies beantworten zu können, wird diese Forschungsfrage in die Zeit der Weimarer Republik zurückgeführt. Es wurden viele Thesen zum Scheitern dieser ersten parlamentarischen Demokratie Deutschlands aufgestellt. Mathias Brodkorb erklärt den Niedergang der Weimarer Republik mit „eine[r] mangelnden Entschlossenheit ausgerechnet der demokratischen Kräfte, den demokratischen Konsens einer pluralistischen Gesellschaft in den Vordergrund zu stellen und auf dieser Basis miteinander in Wettstreit zu treten.“2 Einen anderen Ansatz wählt der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge, der die These aufstellt, dass die reflexartige Gleichstellung von Kommunismus und Nationalsozialismus das Scheitern in Weimar herbeigeführt hat.3

Die klassische Hufeisentheorie, welche in den 1970er Jahren ihren Ursprung hatte, wird heute in der Forschung von vielen Wissenschaftlern wegen der angeblichen Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus kritisiert und abgelehnt. Die Frage, die sich jedoch stellt, ist, ob die reine Ablehnung der Theorie bereits eine Lösung ist, oder ob das Problem nicht vielmehr in dem Missbrauch der Theorie für politische Zwecke liegt. Diese These ist jedoch sehr umstritten und wird in der Forschung auch weitestgehend abgelehnt, da die reine Akzeptanz der Hufeisentheorie auf der einen Seite zwar zunächst nur Links- und Rechtsextremismus gleichsetzt, auf der anderen Seite aber auch die Nähe der bürgerlichen Mitte zu extremistischen Ansätzen leugnet. Es wird somit von der Gefahr abgelenkt, dass sich konservative gesellschaftliche Eliten in Folge von Krisensituationen nach rechts wenden, um ein autoritäres Regime zu errichten, wenn ihre Herrschaft durch linke Politik bedroht scheint.4 Wie leicht Teile der Bevölkerung zu beeinflussen sind, zeigt beispielsweise auch die momentane Corona-Pandemie. Auch Probleme wie Wirtschaftskrisen oder gesellschaftliche Umbruchsituationen lassen die Menschen oft irrational regieren, was zu einer politischen Umorientierung ins rechte Spektrum führen kann.

Ich vermute, dass ein großes Defizit der Forschung darin besteht, das Hufeisenmodell richtig zu klassifizieren. Hierbei stellet sich die Frage, welche Aufgabe ein derartiges Modell überhaupt erfüllen soll. Ein weiteres Problem sehe ich in der genauen Definition eines Extremismus der Mitte. Wie entsteht ein Extremismus in der Mitte der Gesellschaft und welche Konsequenzen hat er für unser demokratisches Zusammenleben? Welche Gefahr geht von einer Verschleierung einer extremen Mitte aus und welche Beobachtungen kann man in der heutigen Demokratie tätigen. Hieraus ergibt sich meine endgültige Forschungsfrage: Inwieweit lassen sich die Idee der Extremismustheorie und die Idee eines Extremismus der politischen Mitte miteinander kombinieren, oder schließen sie sich konsequent gegenseitig aus? Dies alles soll in Bezug mit der Weimarer Republik gesetzt und anhand der damaligen Gegebenheiten mit der heutigen Zeit in Verbindung gesetzt werden. Hier liegt auch mein persönliches Forschungsinteresse, da ich mich mit der Frage beschäftigen will, wie eine so instabile Demokratie, wie sie in Weimar vorzufinden war, überhaupt mit unserer heutigen Demokratie verglichen werden kann. Ist es möglich die Linkspartei und die AfD in Ansätzen mit einer KPD und einer NSDAP in Verbindung zu setzen? Aufgrund vollständig unterschiedlicher Grundvoraussetzungen und einer ganz anderen Zeit gehe ich davon aus, dass solche Vergleiche mit Vorsicht zu behandeln sind. Dennoch werden sich einige Aspekte auch auf die heutige Demokratie anwenden lassen.

Nach kurzer Vorstellung des Hufeisenmodells soll zunächst die politische Mitte definiert werden, um ein besseres Verständnis für die Extremismusforschung bereitzustellen. Im Rahmen der Forschung, in welchem sich dieser empirische Mittebegriff durchgesetzt hat, lassen sich die Verbindungen zwischen den Extremismus befürwortenden Kräften und der breiten Masse der Bevölkerung untersuchen.5 In diesem Zuge kann ein direkter Übergang zu einem Extremismus der Mitte geschehen. Hierbei muss geklärt werden, ob man diesen eigentlich als Rechtsextremismus der Mitte klassifizieren kann.

Grundsätzlich ist Extremismus ein sehr breit gefächerter Begriff. Eine ausführliche Definition und Begriffsentwicklung würden den Umfang dieser Arbeit übersteigen. Dennoch soll kurz erläutert werden, ab wann eine Partei offiziell als extremistisch gilt und darüber hinaus zumindest eine kurze Definition für Extremismus gegeben werden. Im letzten Kapitel des ersten Teils der Forschungsarbeit sollen zwei Randparteien unseres heutigen politischen Systems gegenübergestellt werden, um die zuvor theoretisch erläuterten Ansätze am praktischen Beispiel greifbar zu machen.

Nach einer kurzen Zwischenbeurteilung der erzielten Ergebnisse, wird im Folgenden zunächst die Idee der politischen Mitte nach Friedrich Naumann dargestellt. Hierbei soll eines seiner bekanntesten Werke kurz analysiert und ein erster Vergleich gezogen werden. Im Anschluss soll sich ausführlich mit der Weimarer Republik beschäftigt werden. Hierbei stellt sich vor allem die Frage, ob das aus der Revolution entstandene instabile Parteiensystem von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Hierbei spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle, die in den einzelnen Kapiteln näher beurteilt werden. Zunächst sollen die extremen Ränder und ihre Parteien kurz dargestellt werden, bevor dann das gesamte Parteiensystem näher betrachtet wird.

Die Weltwirtschaftskrise von 1929 verschärfte die Krisensituation um ein Vielfaches. Welche Rolle spielten die Notstandsverordnung der Weimarer Verfassung und die ausgerufenen Präsidialkabinette?

Als letztes großes Kapitel wird ein direkter Vergleich zwischen der ,Skandalwahl‘ in Thüringen in den Jahren 2019/20 und den Wahlen in Weimar gezogen. Am Ende soll eine Zusammenfassung mit endgültiger Beantwortung der Forschungsfragen aus meiner Perspektive stehen und ein Ausblick auf zukünftige Herangehensweisen gegeben werden.

2. Die Hufeisentheorie und die Idee der (extremen) politischen Mitte im Vergleich

2.1 Das Hufeisenmodell

Das Hufeisenmodell stellt ein Paradigma dar, um die Extremismustheorie zu veranschaulichen. Hierbei gibt es jedoch unterschiedliche Varianten. Beim Hufeisenmodell, nach Auffassung von Uwe Backes und Eckhard Jesse, nähern sich die extreme Linke und die extreme Rechte einander an, berühren sich aber nicht. Das Hufeisenmodell wird häufig dafür kritisiert, Links und Rechts auf eine Stufe zu stellen. Backes führt die Entstehung des Hufeisenmodells auf die konservative Revolution in der Weimarer Republik zurück. Die Analyse dieser historischen Herangehensweise wird einen großen Teil dieser Arbeit ausmachen. Fayes modifizierte das Hufeisenmodell, indem er den extremen Enden je einen Kreis hinzufügte, damit die abweichenden Einstellungen einfacher zu erfassen sind. Das Ringmodell nach Pooles basiert auf einer Auffassung, dass Rechts- und Linksextremismus ineinander übergehen.6

Bei näherer Betrachtung beider Hufeisenmodelle liegt die Vermutung nahe, dass ein extremer Standpunkt und die Intensität der Empfindung miteinander korrelieren. Hierbei lässt sich eine Hypothese aufstellen, die einer Fieberkurve gleicht. Hierbei kann man die Demokratietheorie von Giovanni Sartori heranziehen. „Je extremer der Standpunkt einer Person sei, desto intensiver sei ihrer Empfindung und umso höher sei die kognitive Blindheit, die auch ,Schwarz-Weiß-Denken‘ genannt wird.“7 Man kann die Enden der Hufeisen auch mit einem starken politischen Engagement koppeln. Hier ergibt sich jedoch eine Diskrepanz, da moderne Demokratietheorien die Partizipation, bzw. das Engagement positiv in den Mittelpunkt rücken. Sartori beschreibt, dass die Intensität einer Sache tendenziell dem Extremismus entspricht. Es handle sich um eine sehr starke, sehr bestimmte und sehr selbstsichere Stellungnahme in einer Welt, die nur zwei Stellungen kenne, die ganz weiße und die ganz schwarze. Für Sartori ist Intensität, starker Affekt und starke Leidenschaft der ungeeignetste Boden für Sachkunde. Der intensive Teilnehmer könne weder als richtig informiert noch als erkenntnissuchend gelten.8 Wenn nun noch einmal das Augenmerk auf das Anbringen von Kreisen an den jeweiligen Hufeisenden gelegt wird, kann man besonders am linken Rand einen tieferen Sinn erkennen. Der Linksextremismus ist ein Überbegriff für verschiedene linke Strömungen, die sich untereinander jedoch häufig unterscheiden und ausschließen.9

2.2 Die grundlegende Idee der politischen Mitte

Für die Extremismusforschung ist der Mittebegriff ein wichtiger Schwerpunkt. Die Forschung sieht hier zwei verschiedene Traditionslinien, die die Mitte auf vollkommen unterschiedliche und sogar paradigmatische Weise nutzen. Die eine Seite idealisiert den Begriff der Mitte, während die andere Seite eine soziologische Begriffsbestimmung wählt, die sich in eine „beinahe ontisch-dämonisierende Seite und eine analysierende Seite der Mitte“ aufteilen lässt.10

Der Begriff der Mitte wird häufig mit Wörtern wie Zentrum oder Knotenpunkt verbunden, in der Politik steht er symbolisch für die Vermittlung oder den Kompromiss. Die Extremismusforschung entwickelte je nach ihrer Traditionslinie einen eigenen Mittebegriff. Auf der einen Linie findet sich ein Idealbegriff von Mitte, der sich weitestgehend mit etwas Gutem beschreiben lässt und auf den Physiker Parmenides zurückzuführen ist. Wenn man den Mittebegriff verfassungspolitisch betrachtet, wird er als Ideal genutzt. Die zweite Traditionslinie entstammt der Soziologie. Hier lässt sich die Mitte nicht als Idealpunkt bestimmen, sondern ist vielmehr eine schlichte Verortung, die sich wirtschaftlich als Mittelstand oder sozio-ökonomisch als Mittelschicht charakterisieren lässt und somit kein Ideal damit verbindet. Diese Auffassung findet man bei Befürwortern eines Extremismus der Mitte wie beispielsweise Wolfgang Wippermann, auf dessen Theorie ich im Folgenden noch genauer eingehen werde. Laut der Auffassung dieser Befürworter kann die Mitte extremistisch sein, da sie keinen Idealpunkt darstellt, sondern nur mit der breiten Masse der Bevölkerung umschrieben werden kann.11

Die Mitte ist in einer freiheitlichen Staats- und Gesellschaftsordnung eine umkämpfte Gruppe, die praktische Politik nutzt jede Gelegenheit, um sie für sich zu gewinnen und behauptet für sie aktiv zu sein. Sie stellt die breite Masse der Bevölkerung dar. Um die Mitte zu charakterisieren, reicht es nicht simple Zuschreibungen zu machen, es wird vielmehr von einer diversen Mitte ausgegangen, dessen Teile für eine Demokratie und Freiheit plädieren, sich jedoch auch von Extremisten überzeugen lassen können.12

2.3 Der (Rechts-)Extremismus der politischen Mitte

Der Extremismus der Mitte ist ein Phänomen, welches in der Forschung bereits kontrovers diskutiert wurde und mit Vorsicht zu beurteilen ist. Für einen Teil der Wissenschaft gilt die politische Mitte als eigentlicher Hort des Rechtsextremismus.13 Der bekannteste Vertreter der Theorie vom Extremismus der Mitte ist der amerikanische Soziologe Seymour Lipset.

Wenn man den Extremismusbegriff derart entgrenzt, muss ein Fokus daraufgelegt werden, ob Parteien, gesellschaftliche Kräfte und Bürger die wesentlichen Elemente des demokratischen Verfassungsstaates bejahen. Laut Eckard Jesse könne man mit Recht behaupten, dass linke Tendenzen in der Mitte die Demokratie delegitimieren, weil sie die Grenze zu linksextremistischen Spielarten überschreiten.14

Weitaus besser erforscht ist das rechtsextremistische Einstellungspotenzial. Ein großes Problem der ,Mitte-Studien‘ besteht in der Suggestion, dass die Mitte zu rechtsextremistischen oder gar rassistischen Einstellungen neige. Hierbei wird im gleichen Zuge die soziale sowie die politische Mitte genannt. Hieraus ergibt sich der Tenor, dass die Demokratie weniger vom gesellschaftlichen Rand als von ihrem Zentrum bedroht werde. Als Beispiel wird das Thema Ausländerfeindlichkeit angeführt. Wer Extremismus direkt oder indirekt in die politische Mitte rückt, verwässert den eigentlichen Extremismusbegriff. Diese Denkart steht im deutlichen Gegensatz zum Prinzip der Äquidistanz. Äquidistanz bedeutet übersetzt so viel wie „gleich großer Abstand“. Anhänger der Äquidistanz können mit diesen Ansichten wenig anfangen. Für die Anhänger solcher Texte gelten Antidemokraten als Rechtsextremisten. Dies muss jedoch in Frage gestellt werden, da zwar jeder Rechtsextremist antidemokratisch, jedoch nicht jeder Antidemokrat rechtsextremistisch ist. Durch diese Studien der Leipziger Forschungsgruppe um Elmar Brähler und Oliver Decker wird bei der Suche nach antidemokratischen Einstellungspotentialen die Suche nach Linksextremistischem ausgeblendet.15

Wie man feststellen kann, stellt die Theorie einer extremistischen Mitte einen Kontrast zum Hufeisenmodell dar. Holger Oppenhäuser verdeutlicht in seinem Text die Struktur Lipsets. Dieser verfolgt die These, dass nicht nur speziell die Extremisten an beiden Enden des politischen Spektrums demokratiefeindlich gesinnt sind. Es gebe in der Mitte nicht nur die gemäßigte Gruppe, welche die Demokratie verteidigt. Er klassifiziert extremistische Ideologien und Gruppen auf gleiche Weise wie demokratische Gruppen. Lipset zieht jedoch noch eine zweite Achse hinzu. Für ihn spielt die soziale Schichtung der Bevölkerung in Oben, Mitte und Unten eine entscheidende Rolle. Lipset verbindet die Achsen der sozialen Basis und der politischen Ideologien in seiner Argumentation.16

Die vorliegende Forschungsarbeit zielt nicht darauf ab, die empirische Stichhaltigkeit von Lipsets Argumentation zu beweisen oder zu widerlegen, vielmehr soll hier ein Bezug zur Weimarer Republik gezogen werden. „Die Weimarer Republik ist nicht von links nach rechts, sondern von oben und aus der Mitte zerstört worden.“17 Inwieweit diese These zu stützen ist, wird in den folgenden Kapiteln zur Weimarer Republik genauer analysiert.

3. Politische Konflikte bei der Extremismusbekämpfung

Wie aus den vorangegangenen Kapiteln zu schließen ist, gibt es nicht nur unterschiedliche Forschungsmeinungen bezüglich der Hufeisentheorie und einer extremistischen Mitte. Mathias Brodkorb spricht in seinem Artikel in der Wochenzeitung „Der Freitag“ über die ehemalige Bundesministerin Kristina Schröder (CDU), welche im Zuge ihrer Ernennung ankündigte, die Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus auch auf den Linksextremismus auszuweiten.

Es kommt daher besonders in der aktuellen Politik immer wieder die Frage auf, ob und in welchem Umfang finanzielle Mittel gegen Linksextremismus gestellt werden sollten. Schröder erntete daraufhin Kritik aus allen Lagern und es fielen Worte wie „Realitätsverleugnung“. Brodkorb sieht in der reinen Maßnahme einer demokratischen Regierung, ein Programm gegen Anti-Demokraten auf den Weg zu bringen, keinen Grund, der eine solche Empörung rechtfertigt.18

Die Argumente der Kritiker besagen, dass eine Ausweitung der Programme zu einer Reduzierung des Kampfes gegen Rechtsextremismus führe. Dieses, sowie weitere Argumente, entkräftet Brodkorb: Mittel, die zusätzlich zur Verfügung gestellt werden, würden nichts daran ändern, dass weiterhin über 80 Prozent aller Mittel der Bekämpfung des Rechtsextremismus dienen. Er sieht in unserem System ein Missverständnis über Kern und Konsequenzen der demokratischen Verfassungsordnung und bezieht somit klar Stellung zum Kampf gegen Linksextremismus. Dies unterscheidet ihn beispielsweise von der zuvor beschriebenen Leipziger Forschungsgruppe. Durch bloßes Ablehnen der Extremismustheorie und die Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus schaffe man nicht direkt alle Möglichkeiten des Missbrauchs aus der Welt. Man müsse die verbundenen Motive kritisieren, nicht die Theorie selbst.19

Der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge nimmt mit seinem Artikel konkret Stellung zu den Aussagen Brodkorbs. Er stellt entgegen der Behauptung Brodkorbs die These auf, dass die Theorie des Extremismus selbst das Problem ist und nicht ihr vermeintlicher Missbrauch. Durch die Extremismustheorie werden Links- und Rechtsextremismus mehr oder weniger gleichgesetzt, jedoch die Nähe der bürgerlichen Mitte zu dessen Ideologie ignoriert.20

[...]


1 Von Weizsäcker, Richard: Bewährung der Solidarität - Zur Rolle der Gewerkschaften in Gesellschaft und Staat*, in: Bundesvorstand des DGB (Hg.): Gewerkschaftliche Monatshefte 6'86, Köln 1986.

2 Brodkorb, Mathias: Das Wuchern der Mitte, in: der Freitag. Die Wochenzeitung, URL: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/das-wuchern-der-mitte, keine Seitenangabe, zuletzt aufgerufen am 09.08.2021, 14:20, im Folgenden zitiert als: Brodkorb: Mitte.

3 Butterwegge, Christoph: Mittlere Irrtümer, in: der Freitag. Die Wochenzeitung. URL: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/mittlere-irrtumer, keine Seitenangabe, zuletzt aufgerufen am 10.08.2021, 17:23, im Folgenden zitiert als: Butterwegge: Irrtümer.

4 Butterwegge: Irrtümer, keine Seitenangabe.

5 Mares, Miroslav, Bötticher Astrid: Extremismus. Theorien - Konzepte - Formen, München 2012, S.10, im Folgenden zitiert als: Bötticher: Extremismus.

6 Bötticher: Extremismus, S.108.

7 Bötticher: Extremismus, S.108.

8 Bötticher: Extremismus, S.109.

9 Bötticher: Extremismus, S.110.

10 Bötticher: Extremismus, S.9.

11 Bötticher: Extremismus, S.9-10.

12 Bötticher: Extremismus, S.10.

13 Jesse, Eckhard: Äquidistanz und Hufeisenmodell einerseits, antifaschistischer Konsens und Ausgrenzung andererseits, in: Backes,Uwe; Gallus, Alexander, Jesse Eckhard, Thieme Tom (Hgg.): Jahrbuch Extremismus & Demokratie (E&D), 1.Auflage u. 32. Jahrgang, Baden-Baden 2020, S.25, im Folgenden zitiert als: Jesse: Äquidistanz.

14 Jesse: Äquidistanz, S.25.

15 Jesse: Äquidistanz, S.25-26.

16 Oppenhäuser, Holger: Das Extremismus-Konzept und die Produktion von politischer Normalität, in: Forum für kritische Rechtsextremismusforschung (Hg.): Ordnung. Macht. Extremismus. Effekte und Alternativen des Extremismus-Modells, 1.Auflage, Wiesbaden 2011, S.50, im Folgenden zitiert als: Oppenhäuser: Extremismus

17 Oppenhäuser: Extremismus, S.51.

18 Brodkorb: Mitte, keine Seitenangabe.

19 Brodkorb: Mitte, keine Seitenangabe.

20 Butterwegge: Irrtümer, ohne Seitenangabe.

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Die Hufeisentheorie als Paradigma. Ein Erklärungsmodell zum Scheitern der Weimarer Republik
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
1,7
Autor
Jahr
2021
Seiten
40
Katalognummer
V1176845
ISBN (eBook)
9783346600783
ISBN (Buch)
9783346600790
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Weimarer Republik, Hufeisentheorie, Paradigma
Arbeit zitieren
Marvin Schumacher (Autor:in), 2021, Die Hufeisentheorie als Paradigma. Ein Erklärungsmodell zum Scheitern der Weimarer Republik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1176845

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Hufeisentheorie als Paradigma. Ein Erklärungsmodell zum Scheitern der Weimarer Republik



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden