Seit den Ergebnissen „der PISA-Studie der OECD“ (Ammermüller & Dohmen 2004: 7) wird
die Qualität von Bildung erneut kritisch betrachtet. Neben der qualitativen Sichtweise von
Bildung wird auch die „ökonomische Bedeutung von Bildung“ (Ammermüller & Dohmen
2004: 7) immer stärker diskutiert. Ausgangspunkt dieser Diskussion ist die Grundthese der
Humankapitaltheorie, wonach sich die Produktivität eines Arbeiters dann erhöht, wenn Investitionen
in das Humankapital z.B. durch Ausbildung vorgenommen werden (vgl. Sesselmeier
& Blauermel 1998: 66). Eine höhere Produktivität führt im Regelfall zu steigendem Einkommen,
was sowohl „für die Person“ (Ammermüller & Dohmen 2004: 8) selbst, aber auch für
die gesamte „Gesellschaft“ (Ammermüller & Dohmen 2004: 9) von Vorteil ist.
Mit dem Konzept der Bildungsrenditen wurde nun ein Konzept geschaffen, mit dem der ökonomische
Wert von Bildung geschätzt werden kann. Durch diese Schätzungen wird ein direkter
Vergleich von Investitionen und Erträgen ermöglicht. Aus diesem Vergleich kann dann
eine Entscheidung resultieren, ob sich eine weitere Schulausbildung für einen Akteur lohnt
oder ob ein Eintritt in die berufliche Ausbildung sinnvoller ist. Eine zweite Möglichkeit zur
Nutzung dieser Schätzung reicht bis hin zu einem internationalen Vergleich der Bildungserträge.
Durch die Berechnung von Bildungsrenditen in verschiedenen Ländern kann direkt
verglichen werden, in welchem Land höhere Erträge und in welchem Land geringere Erträge
bei gleicher Schulbildung zu erwarten sind. Besonders im Hinblick auf unsere „sich globalisierenden
Welt“ (Ammermüller & Dohmen 2004: 7) ist dies entscheidend wichtig, um dem
internationalen Wettbewerb standzuhalten.
Ziel dieser Arbeit ist es, die Berechnung der Bildungsrenditen zu erläutern, kurz auf internationale
Bildungserträge einzugehen um dann schließlich die deutschen Bildungserträgen detaillierter
zu betrachten. Im folgenden zweiten Kapitel dieser Arbeit wird zunächst eine Methode
zur Schätzung von Bildungsrenditen dargestellt. Diese wurde von Becker (1964) und Mincer
(1974) auf Grundlage der Humankapitaltheorie entwickelt. Im dritten Kapitel wird dann mithilfe
einer Studie von Lorenz und Wagner (1993) zur Bildungsökonomie auf internationale
Bildungserträge eingegangen. Im vierten Kapitel werden deutsche Bildungserträge dargestellt,
die durch eine Analyse von Daten der allgemeinen Bevölkerungsumfrage (ALLBUS) berechnet
und diskutiert werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Berechnung von Bildungsrenditen
2.1 Das Schooling Model
2.2 Post-School Investments
2.3 Probleme des Konzeptes
3. Bildungsrenditen im internationalen Vergleich
4. Bildungsrenditen in Deutschland
4.1 Praktische Berechnung der Bildungsrenditen
4.2 Analyse von ALLBUS-Daten
4.3 Diskussion
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Seit den Ergebnissen „der PISA-Studie der OECD“ (Ammermüller & Dohmen 2004: 7) wird die Qualität von Bildung erneut kritisch betrachtet. Neben der qualitativen Sichtweise von Bildung wird auch die „ökonomische Bedeutung von Bildung“ (Ammermüller & Dohmen 2004: 7) immer stärker diskutiert. Ausgangspunkt dieser Diskussion ist die Grundthese der Humankapitaltheorie, wonach sich die Produktivität eines Arbeiters dann erhöht, wenn Inves- titionen in das Humankapital z.B. durch Ausbildung vorgenommen werden (vgl. Sesselmeier & Blauermel 1998: 66). Eine höhere Produktivität führt im Regelfall zu steigendem Einkom- men, was sowohl „für die Person“ (Ammermüller & Dohmen 2004: 8) selbst, aber auch für die gesamte „Gesellschaft“ (Ammermüller & Dohmen 2004: 9) von Vorteil ist.
Mit dem Konzept der Bildungsrenditen wurde nun ein Konzept geschaffen, mit dem der öko- nomische Wert von Bildung geschätzt werden kann. Durch diese Schätzungen wird ein direk- ter Vergleich von Investitionen und Erträgen ermöglicht. Aus diesem Vergleich kann dann eine Entscheidung resultieren, ob sich eine weitere Schulausbildung für einen Akteur lohnt oder ob ein Eintritt in die berufliche Ausbildung sinnvoller ist. Eine zweite Möglichkeit zur Nutzung dieser Schätzung reicht bis hin zu einem internationalen Vergleich der Bildungser- träge. Durch die Berechnung von Bildungsrenditen in verschiedenen Ländern kann direkt verglichen werden, in welchem Land höhere Erträge und in welchem Land geringere Erträge bei gleicher Schulbildung zu erwarten sind. Besonders im Hinblick auf unsere „sich globali- sierenden Welt“ (Ammermüller & Dohmen 2004: 7) ist dies entscheidend wichtig, um dem internationalen Wettbewerb standzuhalten.
Ziel dieser Arbeit ist es, die Berechnung der Bildungsrenditen zu erläutern, kurz auf internati- onale Bildungserträge einzugehen um dann schließlich die deutschen Bildungserträgen detail- lierter zu betrachten. Im folgenden zweiten Kapitel dieser Arbeit wird zunächst eine Methode zur Schätzung von Bildungsrenditen dargestellt. Diese wurde von Becker (1964) und Mincer (1974) auf Grundlage der Humankapitaltheorie entwickelt. Im dritten Kapitel wird dann mit- hilfe einer Studie von Lorenz und Wagner (1993) zur Bildungsökonomie auf internationale Bildungserträge eingegangen. Im vierten Kapitel werden deutsche Bildungserträge dargestellt, die durch eine Analyse von Daten der allgemeinen Bevölkerungsumfrage (ALLBUS) berech- net und diskutiert werden.[1]
2. Die Berechnung von Bildungsrenditen
Um den ökonomischen Ertrag von Bildung zu schätzen müssen theoretische Modelle aufge- stellt werden. In diesem Kapitel wird das Konzept von Mincer und Becker zur Berechnung von Bildungsrenditen dargestellt. Das „Schooling Model“ (Mincer 1974: 9) stellt die Grund- annahme der Humankapitaltheorie mathematisch dar. Diese mathematische Darstellung wird im ersten Unterkapitel hergeleitet und erläutert.
Im zweiten Teil wird dieses Konzept um „Post-School-Investments“ (Mincer 1974: 11), also um außerschulische Ausbildung, z.B. berufsbezogene Fortbildungen, erweitert. Diese Erwei- terung wird im zweiten Unterkapitel näher dargestellt.
Im dritten Teil werden kurz die Probleme des bildungsökonomischen Konzeptes dargestellt und Grenzen der Aussagekraft angesprochen, welche Mincer in seinen Ausführungen be- schreibt.
2.1 Das Schooling-Modell
Das „Schooling Model“ (Mincer 1974: 9) ist ein mathematisches Modell zur Interpretation der Humankapitaltheorie. Die Grundannahme der Humankapitaltheorie besagt, dass je höher der Grad der Schulbildung einer Person ist, desto höher die Produktivität, also der Verdienst, dieser Person ist. Mincer unterstellt, dass eine längere Schulzeit gleichzeitig die Verminde- rung der Verdienstzeit zur Folge hat und stellt die folgende Gleichung zur Berechnung einer „discount rate“ (Mincer 1974: 9) auf:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vs steht dabei für ein Grundeinkommen, welches für den Zeitpunkt der Schulbeginns unter- stellt wird; Ys repräsentiert das Einkommen mit s Jahren an Schulbildung; e ist die Basis des natürlichen Logarithmus; r ist die zu berechnende Variable der Bildungsrendite und t, als zu integrierender Faktor, steht für die Länge der Verdienstzeit. In dieser Formel wird von s (An- zahl der Jahre an Schulbildung) bis n (Länge der Lebensarbeitszeit plus Länge der Schulzeit) integriert, d.h. nur die Verdienstzeit wird betrachtet.
Mincer stellt nun diese Formel erneut auf für den Fall einer unterschiedlichen Länge an Schulbildung. Dabei unterstellt er s-d Jahre an Schulbildung, wobei d die Differenz der Aus- bildungsjahre repräsentiert:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Setzt man nun die Vs und Vs-d in ein Verhältnis k,: Vs = Vs-d so erhält man
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mincer beschreibt drei Beobachtungen aus dem Verhältnis: „ ks,s-d is (1) lager than unity, (2) a positive function of r, (3) as negative function of n “ (Mincer 1974: 10). Da das Verhältnis weitestgehend konstant ist, kann die Unterscheidung nach s und n aufgehoben werden. Min- cer definiert deswegen „ n as the fixed span of earning life“ (Mincer 1974: 11). Verändert man die Formeln Vs und Vs-d mit n, so erhält man:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bildet man nun erneut das Verhältnis von Ys und Ys-d, so erhält man
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mincer definiert nun „ [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] (...) and logarithms the formula“ (Mincer 1974: 11). Er kommt zur Gleichung ln [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Sie beschreibt „the basic conclusion that percentage increments in earnings are strictly proportional to the absolute differences in the time spent at school, with the rate of return as the coefficient of proportionality.“ (Mincer 1974: 11).
Die Formel ln Ys = ln Y 0 + rs beschreibt also eine lineare Abhängigkeit von absolvierten Schul- jahren und Einkommen. Dies entspricht der Grundannahme der Humankapitaltheorie und ermöglicht nun eine Berechnung des Ausmaßes des Zugewinns pro zusätzlich absolviertem Jahr an Schulbildung.
2.2 Post-School Investments
Das im vorigen Kapitel dargestellte Konzept beschreibt Mincer als „the most primitive form of a human capital earnings function“ (Mincer 1974: 11). Um auch die nachschulische Fort- bildung in das Konzept zu integrieren, betrachtet Mincer „earning profiles“ (Mincer 1974: 11), durch welche die Verdienstunterschiede während des Arbeitslebens dargestellt werden sollen.
Mincer stellt die Formel [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] auf und beschreibt damit die „net earnings Yj “ (Mincer 1974: 12) einer Person als Differenz von gezahltem Verdienst Ej abzüglich von Opportuni- tätskosten Cj für die Investition für die Erweiterung seiner Fähigkeiten (Mincer 1974: 12). Für Mincer ist das „schooling model (...) a spezial case” (Mincer 1974: 12) dieser Formel, in dem die Opportunitätskosten gleich den Bildungserträgen ist (vgl. Mincer 1974: 12).
Für die Praxis bedeutet dies, dass ein möglichst früher Übergang „from learning to earning activities“ (Mincer 1974: 13) erwartet wird, weil erstens der spätere Eintritt ins Berufsleben eine Verringerung der Lebensarbeitszeit und damit die Verringerung des Lebensverdienstes zur Folge hat, zweitens weil der Aufschub des Eintritts eine Verringerung des Nettogewinnes zur Folge hat und drittens weil Zeit wertvoller wird, je länger man sich in der Schulbildung befindet (Vgl. Mincer 1974: 13f).
Es kommt die Frage auf, ob das Humankapital deswegen nicht gebündelt vermittelt werden sollte, um einen möglichst schnellen Übergang ins Berufsleben zu ermöglichen. Diese Frage kann durch eine Studie von Ben-Poarth beantwortet werden. „Two major conclusions can be drawn“ (Mincer 1974: 15):
1. Je höher der Grenznutzen und je geringer die Grenzkosten, desto größer sind die Hu- mankapitalinvestitionen. Je höher der Grenznutzen, desto geringer die Verlustrate, die Rate der Wertminderung und die Lebensarbeitszeit. Je höher die Lernfähigkeit eines Individuums, desto geringer die Grenzkosten.
2. Durch die in (1) gemachten Aussagen, wird deutlich, dass die Investitionen in eine Person mit abgeschlossener Schulausbildung effizienter sind, als die Investition in Personen ohne ein gewisses Maß an Schulbildung (vgl. Mincer 1974: 16).
Ein beispielhafter Vergleich von zwei Verdienstprofilen mit unterschiedlichen Bildungsstän- den zeigt, dass im gleichen Zeitraum die Person mit dem niedrigeren Bildungsstand mehr investieren muss als die höher gebildete Person, um auf ein gleiches Lohnniveau zu kommen.
2.3 Probleme des Konzeptes
Mit der ökonomischen Sicht, die Mincer durch sein Konzept ausdrückt, kann das individuelle Verhalten von Personen bezüglich ihrer Lebensgestaltung oder Arbeitgebern im Hinblick auf ihre Personalplanung nur teilweise erklärt werden. Obwohl es aus ökonomischer Sicht am günstigsten ist, junge Personen einzustellen, wird trotz der Zunahme der Häufigkeit von Krankheiten und anderen Problemen, die mit der Alterung von Menschen einhergehen, auf das Praxiswissen und die Geschicklichkeit von älteren Akteuren gesetzt. Dieses Verhalten geht nur indirekt mit in die Berechnung der Bildungserträge ein. In früheren Studien wurden diese individuellen Faktoren mit der fixen Variable d in die Rechnung einbezogen. Mittler- weile wird diese Variable individuell berechnet, z.B. durch Erkenntnisse der Entwicklungs- psychologie, wonach die Phase der Alterungserscheinungen erst bei Personen ab 50 zu beach- ten ist (vgl. Mincer 1974: 22).
Ein weiteres Problem ist, dass die Arbeitsstundenzahlen eher variiert als der Lohn, den ein Akteur für seine Arbeit bekommt. Diese Tatsache ist nicht in die Theorie integriert (vgl. Min- cer 1974: 23).
Trotz dieser Schwächen des Konzeptes bietet die vorgestellte Methode zur Berechnung von Bildungsrenditen eine Möglichkeit, den Wert von Bildung bzw. Bildungserträge angemessen zu schätzen. Aus diesem Grund wird das im ersten Unterkapitel vorgestellte Konzept als Grundlage für die Berechnungen im dritten Teil dieser Arbeit verwendet.
3. Bildungsrenditen im internationalen Vergleich
Nachdem im letzten Kapitel die Methode zur Schätzung von Bildungserträgen dargestellt wurde, werden in diesem Kapitel Bildungsrenditen im internationalen Vergleich anhand einer Studie von Lorenz & Wagner (1993) dargestellt. Auch in dieser Studie werden die Bildungs- erträge mithilfe der Gleichung von Mincer berechnet.
Lorenz & Wagner (1993) berechnen in ihren Studien Ertragsraten des Humankapitals, in dem sie Daten aus Bevölkerungsumfragen zur Hilfe nehmen und auf eine abgewandelte Formel von Mincer beziehen. Dabei werden sowohl Ertragsraten von „schooling“ (Lorenz & Wagner 1993: 62) als auch von „experience“ (Lorenz & Wagner 1993: 62) berechnet[2].
Die Stichprobe wurde beschränkt auf „male full time employees“ (Lorenz & Wagner 1993: 62), da die Ertragsraten für Frauen nur bedingt berechnet werden können, weil diese z.B. durch Familienplanung einen verschobenen Lebenslauf haben (vgl. Lorenz & Wagner 1993: 62).
Als ein erstes Ergebnis der Studie kann festgehalten werden, „that (...) all variables show the expected impact on earnings“ (Lorenz & Wagner 1993: 63). Lediglich die Ergebnisse aus Italien sind nicht signifikant (vgl. Lorenz & Wagner 1993: 63). Die Tatsache, dass die Ergeb- nisse ebenso in sozialistischen Ländern plausibel sind, sieht Willis „[as] a great success story“ (Willis 1986: 526).
Ein weiterer Schluss, der aus den Ergebnissen folgt und die Humankapitaltheorie unterstützt ist, dass Investitionen in das Humankapital am Höchsten zu Beginn der Berufskarriere sind und im weiteren Verlauf der Karriere abnehmen (vgl. Lorenz & Wagner 1993: 63).
Aufgrund der negativen Ausprägung der Variable Erfahrung sind höhere Zahlen bei der Län- ge der Schulausbildung zu beobachten. Trotzdem darf nicht außer acht gelassen werden, dass eine längere Schulzeit einhergeht mit einer geringeren Zeit an Erfahrung und sich somit nicht nur die lohnsteigernden Auswirkungen einer längeren Schulbildung sondern auch die lohn- senkenden Auswirkungen von fehlender Erfahrung auf das Gehalt eines Akteurs auswirken. Ein Akteur mit geringerer Schulbildung wird z.B. im Vergleich mit einem gleichaltrigen Ak- teur mit höherer Schulbildung ein geringeres Anfangsgehalt gezahlt bekommen.
Die Autoren ziehen aus den Ergebnissen die folgenden drei Schlüsse:
„ 1.The mean rate of return to schooling computed from data sets for twelve countries from 1979 to 1986 is 5,2 percent. Its standard deviation is 1,7.
2. Age-Earnings-Profiles look extremely similar between countries and over time.
3. Implications of human capital theory turn out to be true even for non capitalist coun- tries. In socialist countries the rate of return seems to be a bit below the rate of return in capitalist countries.” (Lorenz & Wagner 1993: 68)
[...]
[1] Die Grundzüge des Kapitels sind entnommen aus: Mincer 1974: Schooling, Experience, and Earnings. New York: National Bureau of Economic Research
[2] Die Dauer der Schulzeit wurde dabei aus Erhebungsdaten gewonnen. Die Berechnung der Jahre „experience“ wurde durch die folgende Formel verwendet: Experience = Alter – Schuldauer – 6 Jahre
- Arbeit zitieren
- David Peters (Autor:in), 2005, Deutsche Bildungsrenditen im internationalen Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117790