Komplexe Informationen über Websites - Eine Untersuchung zur Erläuterung von Coaching


Magisterarbeit, 2006

162 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung
1.1. Problemstellung
1.2. Zielsetzung
1.3. Aufbau der Arbeit
1.4. Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes

2. Eine aktuelle Bestandsaufnahme zum komplexen Begriff Coaching
2.1. Marktübersicht
2.1.1. Angebotsvielfalt
2.1.2. Coaching-Arten für Führungskräfte
2.1.3. Coaching-Anlässe für Führungskräfte
2.2. Zielgruppe/Adressaten
2.3. Herkunft des Coaching-Begriffs
2.4. Entwicklung von Coaching
2.5. Relevanz von Coaching im Kontext von Personalentwicklungsmaßnahmen
2.6. Wertigkeit von Coaching
2.7. Ungeschütztheit des Coaching-Begriffs
2.7.1. Coaching in der Funktion eines Container-Begriffs
2.7.2. Der Begriff Coaching im Kontext des WWW
2.7.3. Konsequenzen des ungeschützten Coaching-Marktes
2.8. Grenzen von Coaching
2.8.1. Beratung
2.8.2. Training
2.8.3. Supervision
2.8.4. Mentoring
2.8.5. Psychotherapie
2.9. Verständnis von Coaching
2.9.1. Aktuelles Coaching-Verständnis – Eine nationale und internationale Beschreibung von Personalentwicklern
2.9.2. Image von Coaching-Maßnahmen
2.9.3. Das Coaching-Verständnis potentieller Coachees in der mittleren Führungsebene: eine Befragung
2.10. Zusammenfassende Bemerkung

3. Aspekte des Forschungsgegenstandes ’schriftlicher Text’
3.1. Stellenwert von schriftlichen Texten vor dem 20. Jahrhundert
3.2. Der Untersuchungsgegenstand des schriftlichen Textes Mitte des 20. Jahrhunderts
3.3. Untersuchungsgegenstand Text unter dem Fokus Adressatenorientierung
3.3.1. Lesbarkeitsforschung
3.3.1.1. Erläuterung des Forschungsprogramms Lesbarkeit
3.3.1.2. Relevanz für Untersuchungen auf Websites
3.3.2. Forschungsrichtungen der Textverarbeitung
3.3.2.1. Kognitionspsychologische Ansätze zur Textverarbeitung
3.3.2.2. Instruktionspsychologische Ansätze der Textverarbeitung

4. Theoretische Grundlagen des WWW
4.1. Geschichte des WWW (Beck 2006)
4.2. Entwicklung und Stand der Nutzerzahlen des WWW
4.3. Entwicklung und Stand der Anzahl von Websites
4.4. Funktionen des WWW
4.5. Typisierung von Websites

5. Computervermittelte Information im WWW
5.1. Leseverhalten auf Websites
5.2. Problem der Analyse von Texten auf Websites - Quantität

6. Aufnahme von Text im WWW - Aufmerksamkeit, Selektion, Rezeption, Navigation
6.1. Aufmerksamkeit
6.2. Selektion
6.3. Rezeption
6.4. Navigation

7. Textsortenklassifizierung
7.1. Problem der Klassifizierung von Texten
7.1.1. Integrativer Textbegriff
7.1.2. Kommunikationsorientierter Textbegriff
7.1.3. Vokabular der Klassifizierung von Texten
7.1.4. Definition: Textsorte
7.2. Das Organonmodell nach Bühler (1934)
7.3. Die Relevanz des Organonmodell nach Bühler (1934) für Textsortenklassifizierung
7.3.1. Die drei Ebenen in der Erläuterung von Coaching für Manager auf Websites
7.3.2. Textfunktion nach dem Organonmodell (1934) im Bezug auf Erläuterungen von Coaching auf Websites

8. Analytische Untersuchung von Textmerkmalen in den Erläuterungen von Coaching für Führungskräfte zur Bestimmung der Textfunktion
8.1. Auswahl der Websites für Coaching
8.1.1. Auswahlverfahren
8.1.2. Merkmale der Texte
8.1.3. Exkurs: Merkmale einer Erläuterung
8.2. Untersuchung der Textmerkmale
8.2.1. Inhaltliche Textmerkmale
8.2.1.1. Typische Aspekte von Coaching-Erläuterungen
8.2.1.2. Anfangs- und Endposition typischer Aspekte von Coaching im Text
8.2.1.3. Verben
8.2.2. Sprachlich-formale Textmerkmale
8.2.2.1. Indirekte Anrede durch Nennung der Funktion des Rezipienten
8.2.2.2. Personalpronomina
8.2.2.3. Possessivpronomina
8.3. Bestimmung der Textfunktion mit Hilfe der untersuchten Textmerkmale

9. Zusammenfassung und Ausblick

Anhang

Anhang A: Pool der Coaching-Hompages

Anhang B: Die 20 durch Losverfahren ermittelten Homepages

Anhang C: Die Erläuterungstexte zu Coaching der 20 Homepages

Anhang D: Brief von Prof. Eckard König bezüglich typische Aspekte von Coaching

Anhang E: Gesamtübersicht der vorkommenden Verben in den 20 untersuchten Erläu-terungen (nach Bezugssubjekt und alphabetisch geordnet)

Anhang F: Gesamtübersicht der Anzahl der untersuchten Textmerkmale

Dank

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einführung

1.1. Problemstellung

Im Zuge der Globalisierung haben sich neue Kommunikationsmedien aufgetan, welche Menschen weltweit vernetzen. Eines dieser Medien ist das Internet. Speziell das WorldWideWeb (WWW) bietet jedem die Möglichkeit je individuelle Themen und Inhalte in Form einer Website an Mitmenschen weiterzugeben. Aufgrund der Informationsflut im WWW, welche nur schwer eingegrenzt und qualitativ aussortiert werden kann sowie der Undefiniertheit der Zielgruppe, das heißt in der Regel ist jede Website (bis auf jene mit Zugangssperren, die durch Passwörter geschützt sind) jedem mit Internetanschluss zugänglich. Dies stellt für Autoren der Website-Texte eine große Herausforderung dar, die Texte möglichst für jeden verständlich, jedoch für Experten durchaus informativ zu gestalten. Komplexe Informationen müssen so im WWW möglichst objektiv, klar und korrekt erklärt werden. Einen solch komplexen Begriff stellt Coaching dar. Für Coaching gibt es bisher keinen juristischen Beschluss über eine festgelegte Definition, wer Coaching anbieten darf und was Coaching enthält. So gibt es im WWW zahlreiche Websites, welche versuchen eine Definition von Coaching zu liefern. Diese Definitionen unterscheiden sich jedoch sowohl inhaltlich als auch formal aufgrund der Ungeschütztheit des Begriffs Coaching wesentlich. Die Unklarheit dieses komplexen Begriffs stellt daher für Autoren der Websites noch eine größere Herausforderung dar, als die Erstellung von Website-Texten ohnehin schon.

1.2. Zielsetzung

Zielsetzung der Arbeit ist es im ersten Schritt einen Überblick über den derzeitigen Coaching-Markt zu verschaffen und so eine trennscharfe Begriffseingrenzung zu erhalten. Des weiteren sollen wichtige Aspekte des WWWs und seiner aktuellen Situation aufgezeigt werden. Lese-/Rezeptionsverhalten im WWW bietet einen wesentlichen Aspekt der Betrachtungen. Aufgrund der Neuartigkeit des Forschungsgegenstandes werden hierzu Erkenntnisse der Forschungsrichtungen des traditionellen schriftlichen Textes hinzugezogen.

Auf der Basis dieser theoretischen Grundlagen soll mit Hilfe des Organonmodells nach Bühler (1934) die Textfunktion von 20 durch Losverfahren ausgewählten Texten, welche eine Definition von Coaching für Führungskräfte enthalten, bestimmt werden. Hierzu werden bestimmte Textmerkmale analysiert und interpretiert, welche zur Bestimmung der Textfunktion beitragen. Die Bestimmung der Textfunktion der Coaching-Definitionen auf Websites soll Auskunft darüber geben, wie mit komplexen Informationen auf Websites umgegangen wird und wie die zu beschreibenden Sachverhalte definiert werden.

1.3. Aufbau der Arbeit

Das erste Kapitel beinhaltet eine kurze Hinführung zum Thema, indem Problemstellung und Zielsetzung umrissen werden. Im Anschluss daran folgen der Aufbau der Arbeit sowie die Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes.

Im zweiten Kapitel soll ein Überblick über den gegenwärtigen Coaching-Markt geliefert werden, im speziellen Coaching für Führungskräfte. Dadurch kann der komplexe Begriff Coaching inhaltlich eingegrenzt werden.

Das dritte Kapitel vermittelt Grundlagen zum WWW. Die Entwicklung sowie der heutige Stand des WWWs wird diskutiert.

Im vierten Kapitel werden wesentliche Einblicke in den Forschungsgegenstand Text gegeben, um dann im fünften Kapitel speziell auf computervermittelte Informationen im WWW eingehen zu können. In diesem Kapitel werden wichtige Aspekte des Leseverhaltens von Usern im WWW aufgezeigt, welche im sechsten Kapitel durch die Erkenntnisse zu Aufmerksamkeit, Selektion, Rezeption und Navigation erweitert werden.

Das siebte Kapitel erläutert das Thema der Textsortenklassifizierung sowie das Organonmodell nach Bühler (1934), von welchem die Funktionen einer sprachlichen Äußerung - sei es mündlich oder schriftlich - Ausdruck, Appell und Darstellung abgeleitet werden.

Kapitel acht beschreibt die analytische Untersuchung von 20 ausgelosten Coaching-Erläuterungen auf Websites, welche auf inhaltliche sowie sprachlich-formale Textmerkmale hin untersucht werden. Aus diesen Ergebnissen werden die Textfunktionen der Coaching-Erläuterungen abgeleitet.

In Kapitel neun soll eine kurze Zusammenfassung der behandelten Inhalte sowie ein Ausblick gegeben werden.

1.4. Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes

In vorliegender Arbeit bilden den Untersuchungsgegenstand Erläuterungen von Coaching auf Websites. Dies sind Erläuterungen, welche eine Definition, ein Verständnis von Coaching vermitteln sollen. Die Websites werden auf ihre Textualität und unter Ausschluss von sektenähnlichen Inhalten ausgewählt. Der Begriff Coaching bezieht sich ausschließlich auf Coaching für Führungskräfte, das bedeutet, dass Klienten im Coaching Führungskräfte sind. Führungskraft meint somit den Coachee. Coachee, Klient, Kunde, Führungskraft werden synonym verwendet. Zudem bezieht sich Coaching in den Ausführungen stets auf Einzel-Coaching.

2. Eine aktuelle Bestandsaufnahme zum komplexen Begriff Coaching

2.1. Marktübersicht

Coaching ist ein weit gefasster Begriff. Fast tagtäglich begegnet man diesem Wort in den unterschiedlichsten Kontexten. „Coaching hat sich als Sammelbezeichnung für ein manchmal noch näher zu beschreibendes Beratungsangebot auf dem Markt Gehör verschafft.“ so Stefan Kühl (2005, S. 5) in seinen Ausführungen zu seiner Studie “Das Scharlatanerieproblem. Coaching zwischen Qualitätsproblemen und Professionalisierungsbemühungen.“

Coaching ist modern, Coaching ist hip, Coaching ist in und im Grunde herrscht nur wenig Transparenz darüber, was Coaching eigentlich meint. Die folgenden Ausführungen sollen einen Überblick über den aktuellen Coaching-Markt geben.

2.1.1. Angebotsvielfalt

„ ‚Der Markt ist ein Dschungel’, urteilte Christopher Rauen, Initiator der Interessensgemeinschaft (IGC) in Goldenstedt, ein Netzwerk, in dem sich etwa 60 Coaches zusammengetan haben. Tatsächlich tummeln sich zahlreiche schillernde Persönlichkeiten in der Coaching-Szene und die berufliche Herkunft der Coaches könnte verschiedener kaum sein: Psychologen, Soziologen, Erziehungswissenschaftler, Theologen, Wirtschaftspädagogen, Betriebswirtschaftler und viele andere fühlen sich berufen, bevorzugt, im Einzel-, zunehmend aber auch im Gruppen-Coaching Lern- und Entwicklungshilfen anzubieten oder bei der Problemlösung im beruflichen Kontext mitzuwirken.

Wer in der Weiterbildungsszene was auf sich hält, so scheint es, erweitert sein Angebotsspektrum wie selbstverständlich um ein Coaching-Angebot. Inzwischen gibt es Dutzende Aus- und Weiterbildungen sowie eine Vielzahl mehr oder weniger fundierter Ansätze und Methoden. Da überrascht es nicht, dass die Vertreter dieser jungen Profession im Durchschnitt kaum mehr als vier Jahre Berufserfahrung nachweisen können. Das zumindest ergab eine nicht repräsentative Befragung am Rande des Coaching-Kongresses in Wiesbaden.“

[Themenschwerpunkt Personalführung, 1/2004, S. 26]

Sehr schnell wird klar, welch unübersichtlichen Markt die Coaching-Landschaft bietet. Coaching hat in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erfahren. „Startet man im Internet eine Recherche mit dem Suchwort ‚Coaching’, so findet am eine steigende Anzahl von Anbietern und Ausbildungsinstituten.“ (Böning 2004, S. 6) Von Single-Coaching, Diät-Coaching, Höhenangst-Coaching, Cancer-Coaching, SM-Coaching, Eltern-Coaching, Ernährungs-Coaching bis hin zu Astro-Coaching – um nur einige Beispiele zu nennen (Böning / Fritschle 2005) – werden dem recherchierenden Coaching-Laien auf dem Weg zu einem korrekten Begriffsverständnis von Coaching mannigfaltige Coaching-Arten sowie Definitionen geboten. Diese unterschiedlichen Coaching-Arten sind auf eine mangelnde Professionsbildung zurückzuführen (Kühl 2005). Man trifft auf eine immense Artenvielfalt von nicht immer allgemein anerkannten Experten mit fundierten je spezifischen Erkenntnissen, welche sich zum Elitekreis der Coachs zählen. Oftmals handelt es sich hierbei nicht um Coaching-Maßnahmen im eigentlichen Sinne sondern lediglich um umbenannte Angebote, welche früher als Training angeboten wurden. (Kühl 2005)

Die Undurchsichtigkeit des Marktes findet sich auch im WWW wieder. Unzählige Definitionen von Coaching und Darstellungen, teilweise selbst ernannter Coachs, tragen zum Begriffs-Wirr-Warr bei. „Wir betrachten eine schillernde Regenbogenlandschaft, wenn wir versuchen, den Begriff Coaching dingfest zu machen. Man muss sich durchkämpfen, wenn man verstehen will, was darunter zu verstehen ist.“ (Böning / Fritschle 2005, S. 20)

Und der Markt wird weiter steigen und erweist sich als instabil: Böning konstatierte in seiner Studie 2004, dass 84% der Personalmanager bestätigen, dass in den letzten fünf Jahren die Anwendung von Coaching erheblich im unternehmerischen Kontext gestiegen sei und 88% der Personalmanger sowie 84% der befragten Coachs prognostizieren ein weiteres Wachstum der Coaching-Landschaft (Böning 2004). Das lässt sich auch aus den steigenden Nutzungszahlen von Coaching erkennen (siehe Abb. 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Die Nutzung von Coaching im Unternehmen 1989 und 1998

(Böning 2002, nach Böning / Fritschle 2005, S. 106)

Die steigende Relevanz und die Wichtigkeit des Themas Coaching für Führungskräfte bestätigte auch Nicole Bußmann, Chefredakteurin der Zeitschrift managerSeminare:

„Heute ist Coaching – auch als Begriff – aus dem Weiterbildungsbereich nicht mehr wegzudenken. Mehr noch: Coaching ist eines der Top-Themen. Das ergab zumindest unsere Trendanalyse 2003, an der 366 Weiterbildungsanbieter und 98 Unternehmen teilgenommen haben. Konsens bei Anbietern wie Nachfragern: Coaching wird in seiner Bedeutung wachsen.“

[managerSeminare, Heft 75/2004]

Auffällig ist jedoch, dass auf dem Coaching-Markt ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage vorherrscht: Es werden derzeit mehr Coaching-Maßnahmen angeboten als überhaupt angenommen werden können. (Kühl 2005, S. 20)

Die folgenden Ausführungen zum Thema Coaching für Führungskräfte auf Websites beschränken sich auf Coaching-Maßnahmen für Führungskräfte im deutschsprachigen Bereich und lassen alle anderen derzeit auf dem Markt präsenten Coaching-Arten wie Zen-Coaching, Flugangst-Coaching, Diät-Coaching, etc., welche sich nicht im Kontext Management - und der jeweiligen Situation der Führungskraft angepassten Belange - einordnen lassen, außer Acht.

2.1.2. Coaching-Arten für Führungskräfte

Im Bereich des Coachings für Führungskräfte kann man grundsätzlich zwischen zwei Arten unterscheiden: Einzel-Coaching und Gruppen-Coaching bzw. Team-Coaching.[1] Einzel-Coaching beschreibt eine Maßnahme, meist mit persönlichkeitsorientierten Inhalten, an welcher lediglich Coach und Coachee teilnehmen. Gruppen-Coaching hingegen besteht aus mehreren Teilnehmern einer Gruppe, welche meist im Arbeitsalltag kooperieren, und dem Coach. In jüngster Zeit werden, aus finanziellen Gründen, jedoch zunehmend mehrere Personen mit ähnlichen Problemstellungen und Aufgaben in einer Gruppe zusammengefasst und in ein Coaching geführt. Diese Maßnahmen werden ebenso Gruppen-Coaching genannt. Die Abgrenzung zum Begriff Training wird in solchen Fällen schwierig (Kühl 2005, S. 26)

Alle Arten von Coaching können entweder von externen oder firmeninternen Coachs durchgeführt werden. Und schlussendlich kann zudem aufgrund der Beziehung zwischen Coach und Coachee unterschieden werden (Bsp.: Vorgesetzten-Coaching (hierarchische Ordnung: Vorgesetzter coacht Mitarbeiter) und Mentoring (keine hierarchische Beziehung)). (Niermeyer 2000, S. 17; Böning / Fritschle 2005, S. 66)

Spricht man von Coaching, so wird jedoch meist automatisch Einzel-Coaching assoziiert, da dies die am weitest verbreitete Art von Coaching auf dem Markt darstellt (Rauen 2000, S.55).

Die nachfolgenden Betrachtungen zum Thema Coaching beziehen sich ausschließlich auf Coaching für Führungskräfte im deutschsprachigen Raum in Form von Einzel-Coachings. Coaching-Maßnahmen, an welchen mehrere Personen teilnehmen, wie Team- oder Gruppen-Coaching bilden nicht Fokus der Untersuchung.

2.1.3. Coaching-Anlässe für Führungskräfte

Die Art, Dauer, sowie die Methoden des Coachings werden fast immer von den Anlässen bestimmt. Böning konnte laut Aussage der befragten Personalmanger die häufigsten Anlässe in seiner Studie 2004 evaluieren:

- Organisationale Veränderungsprozesse[2]
- Neue Aufgabe / Funktion / Rolle / Position
- Führungskompetenzentwicklung
- Bewältigung / Regelung von Konflikten
- Persönlichkeits- / Potenzialentwicklung
- Aus Analysen / Führungsinstrumenten heraus
- Bearbeitung persönlicher / beruflicher Probleme
- Karriereplanung / Neuorientierung, Weiterentwicklung
- Kommunikation / soziale Kompetenz
- Verbesserung der Zusammenarbeit
- Strategie
- Bedarf nach sozialem Spiegel / Reflexion
- Outplacement

Vor allem Themen mit Fokus Kommunikation nehmen bezüglich Coaching-Maßnahmen

stetig zu. Coaching für Führungskräfte bietet daher für Psycholinguisten, Psychologen und Pädagogen ein breites und interessantes Tätigkeitsfeld. Immer relevanter werden kommunikative sprachliche Fähigkeiten in der beruflichen Karriere und werden inzwischen sogar als Auswahlkriterium angeführt. Vor allem bei Absolventen von technischen Studiengängen, werden kommunikativen Kompetenzen im Studium kaum gefördert und müssen später im beruflichen Umfeld erst ausgebildet werden. Coaching bietet so einen angenehmen Rahmen, um gezielt in einer Face-to-Face-Interaktion auf die Bedürfnisse des Coachees einzugehen und diesen damit in seiner kommunikativen Kompetenz zu fördern.

Es wird deutlich, dass die meisten Anlässe dialogische Interaktion ausschließlich mit Coach und Coachee erfordern, was wiederum erklärt, warum der Großteil der Coaching-Maßnahmen im Einzel-Coaching, einer Face-to-Face-Interaktion zwischen Coach und Coachee stattfindet.

2.2. Zielgruppe/Adressaten

Aufgrund der Ausweitung des Themenbereichs von Coaching-Maßnahmen spricht dieses Personalentwicklungsinstrument einen sehr großen Kundenkreis an. Coachings werden in allen Führungsebenen angeboten. Führungskraft können sich all diejenigen Arbeitnehmer eines Unternehmens nennen, welche Personal- sowie Projektverantwortung innehaben. Während sich Coaching bereits in den 80ern im Top-Management etablieren konnte, so sind nun auch Führungskräfte der anderen Führungsebenen adressiert.

Jedoch kommen Coaching-Maßnahmen immer noch hauptsächlich in den obersten Führungsebenen zum Einsatz. Dies ist neben der Neuartigkeit des Themas für die übrigen Führungsebenen auch auf finanzielle Aspekte zurückzuführen (Kühl 2005): Je höher man in der vertikalen Richtung gelangt, desto weniger Personen befinden sich auf der horizontalen Ebene. Und da Coaching meist für Einzelpersonen eingesetzt wird, ist nachzuvollziehen, dass auf den höheren Ebenen, aufgrund der geringeren Personenzahlen, weniger Coaching-Maßnahmen benötigt werden, als in den darunter liegenden.

Coaching für Führungskräfte auf der mittleren und unteren Ebene wurde unter anderem auch im Rahmen von Trainings eingeführt: Während einer Trainingsmaßnahme kommt es nicht selten vor, dass Teilnehmer den Trainer in einer speziellen, oft persönlichen Angelegenheit um Rat bitten. So sind Beratungssituationen entstanden, welche sich oftmals über die Trainingsmaßnahmen hinaus weiterentwickelten und sich so zu einem Coaching „verwandelten“ (Kühl 2005).

Böning konnte in seiner Coaching-Studie 2004 festhalten, dass es sich hauptsächlich um Einzelpersonen in den unterschiedlichsten Führungsebenen handle, Gruppen-Coaching-Maßnahmen treten hingegen seltener auf. Entgegen Bönings Annahmen stellte sich heraus, dass lediglich in jedem fünften Unternehmen, das Top-Management eine „häufige Zielgruppe“ (Böning / Fritschle 2005, S. 62) darstellt. Zunehmend verstärkt werden Coaching-Maßnahmen hingegen auch bei High-Potentials eingesetzt. Coaching ist hier auf dem Vormarsch und wird auch aufgrund der wachsenden Bedeutung von Coaching bereits an Universitäten (Böning 2004, S. 6) vermehrt eingesetzt und so in den Unternehmen besser angenommen und auch geschätzt.

Das mittlere Management jedoch behält den größten Anteil der Coaching-Maßnahmen (vgl. hierzu auch Abb. 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Anteil der Coachees in den verschiedenen Führungsebenen – eine Stichprobe

(Bachmann / Spahn 2004, nach Böning / Fritschle 2005, S. 63)

Dieser große Anteil kann aufgrund drei wichtiger Aspekte erklärt werden:

1. Größte Lern- und Veränderungsbereitschaft aufgrund der Aufstiegsorientierung des mittleren Managements.
2. Deutliche Diagnose des Entwicklungsbedarfs auf der mittleren Ebenen und Investition in Nachwuchsführungskräften für die erste Ebene.
3. Allgemeine Werteorientierung (bzgl. Authentizität, Konfliktverhalten, Lernen, etc.) bedingt in großem Maße Offenheit sowie Bereitschaft, Persönlichkeit, Verhalten, Emotionen und die eigenen soziale Wirkung zu reflektieren.

(Böning / Fritschle 2005, S. 63)

Die Dominanz des mittleren Managements beeinflusst somit auch die Methoden und Arbeitsweisen der Coachs. Doch genau auf jener Führungsebene besteht Aufklärungsbedarf bezüglich Coaching.

Laut Aussage vieler Personalmanager (Quelle: Ashridge Management Developement Workshop) ist das Verständnis sowie Image von Coaching aufgrund der fehlenden Aufklärung sowie der divergierenden Definitionen nahezu mangelhaft. Dieses Phänomen ist vor allem in der mittleren und unteren Führungsebene zu beobachten, da im Top-Management Coaching bereits seit den 80ern als Hilfe und Privileg gesehen wird und bei High-Potentials (meist Hochschulabsolventen) ein nahezu korrektes und positives Verständnis aufgrund der Ausbildung und der Modernität von Coaching gebildet wurde.

Zielgruppe bzw. Adressaten der Erläuterungen von Coachings auf Websites sind in vorliegender Untersuchung bevorzugt. Führungskräfte der unteren und mittleren Führungsebenen und Inhalte der Maßnahmen beziehen sich somit auch auf deren Belange sowie Situationen.

2.3. Herkunft des Coaching-Begriffs

Der Begriff Coach kommt ursprünglich aus dem Ungarischen und ist seit 1556 der englischen Sprache zugewiesen. Ins Deutsche übersetzt bedeutet Coach Kutsche. In manchen Kontexten wird er auch unter dem Bedeutungszusammenhang der zu lenkenden Person, dem Kutscher, Wagenlenker verstanden. Es handelt sich somit um ein Hilfsmittel, das der reisenden Person, den Weg erleichtern und die Reisezeit verkürzen soll. Waten durch Schmutz und Unrat wird vermieden, Kräfte können aufgespart werden und der Weg zum Ziel wird gewissermaßen aufgewertet, indem man sich auf die essentiellen Dinge auf dem Reiseweg konzentrieren kann. So verhält sich Coaching auch im heutigen Kontext: Ein Weg wird begleitet, erleichtert und beschleunigt. Der Protagonist erhält auf seiner Karriereleiter Unterstützung, um schneller, professioneller und Kräfte sparender ans Ziel zu gelangen.

1848 tritt der Begriff Coach zum ersten Mal im Kontext der personifizierten Unterstützung auf. Coach bezeichnet nun zudem einen privaten Tutor von Universitätsstudenten, welcher jenen mit Ratschlägen und Leitlinien zur Seite steht. Die Begrifflichkeit war jedoch nicht allgemein anerkannt und existierte lediglich in der Umgangssprache der Studentenschaft.

Eine Etablierung erfährt der Begriff Coach 1885 im Bereich des Sports, gleichermaßen in England als auch in den USA. Coachs werden für Spitzensportler, insbesondere vor wichtigen Wettkämpfen eingesetzt, um diese sowohl in ihrer physischen Verfassung - die körperliche Arbeit bestmöglich und individuelle auf den Sportler abzustimmen - als auch die Sportler psychisch zu unterstützen und ihm durch psychologisch fundierte Interventionsmethoden wie Motivationsmethoden, Gesprächen vor Ängsten, etc. zur Seite zu stehen, um so Spitzenleistungen im Sport zu erlangen. Der Coach gibt Anleitungen zur mentalen Vorbereitung, Bewegungsabläufe im Kopf durchzuspielen, „hilft Ängste zu überwinden, Blockaden abzubauen, persönliche Erfolgsstrategien zu entwickeln, Erfolge genießen und Misserfolge zu verkraften.“ (Fischer-Epe 2002, S.17). Hervorzuheben ist hierbei, dass der Trainingsplan individuell auf die jeweilige Persönlichkeit und körperliche Verfassung des Sportlers abgestimmt wurde. Diese Coaching-Methoden findet man noch heute im Einzel-Coaching für Führungskräfte: Der Coach analysiert die gegenwärtige Situation sowie die Verfassung des Coachees und erstellt daraufhin einen Vorgehensplan, an welche Stärken er anknüpfen kann um das komplette Potential der Führungskraft auszuschöpfen und zur Geltung zu bringen.

Grundsätzlich kann festgehalten werden: Der Begriff Coach entstammt dem Bereich des Sports und wird dort auch immer noch verwendet. Doch spricht man von der Tätigkeit des Coachs in Interaktion mit seinem Schützling, so wird Training als Bezeichnung des Lernprozesses verwendet. Coaching als Begriff für die psychologisch beratende Begleitung bezieht sich seit den letzten 20 Jahren vordergründig auf die Zielgruppe der Führungskräfte. Alle anderen Coaching-Varianten, welche nicht innerhalb der Führungskräfteentwicklung anzusiedeln sind und auch von jenen Coachs verwendet werden, „die von seiner konkreten Herkunft und Anwendung kaum Kenntnis haben“ (Böning / Fritschle 2005, S. 25), beweisen welch hohen Stellenwert der Begriff Coaching in der Weiterbildungsszene hat, da Angebote durch die Verwendung der Begrifflichkeit Coaching aufgewertet werden können.

Heute wird Coaching im englischen Sprachgebrauch im allgemeinen Sinn des Unterweisens, Anleitens und Beratens verwendet.

Im deutschsprachigen Raum können drei Anwendungszusammenhänge bei der Verwendung der Begrifflichkeit von Coaching impliziert werden (Fischer-Epe, 2002):

- Eine physische sowie psychische individuelle Betreuung von Spitzensportlern insbesondere vor wichtigen Wettkämpfen
- Eine Bezeichnung für einen an Entwicklung orientierten Führungsstils
- und zugleich im Kontext einer individuellen Beratung von Führungskräften aller Ebenen sowie Verantwortlichen von Teams oder Projekten.

2.4. Entwicklung von Coaching

Wie bereits in Kapitel 2.3 dargestellt, stammt der Coaching-Begriff aus dem Bereich des Sports. Böning & Fritschle stellen diese Entwicklung in “Coaching fürs Business“ (2005) in sieben Entwicklungsphasen dar (siehe Abb. 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Die ersten sechs Entwicklungsphasen des Coachings seit Mitte der 70er-Jahre

Böning / Fritschle 2005, S. 31)

Die sieben Schritte sollen nun im Folgenden kurz aufgezeigt werden.

Coaching im wirtschaftlichen Kontext konnte sich in Amerika erstmals in den 70ern behaupten. Dies war die so genannte Gründerzeit des Einzel-Coachings. Geprägt war dieses Coaching von einem personen- und entwicklungsorientiertem Führungsstil, das heißt die Führungskraft selbst fungierte als Coach, um zielgerichtet und entwicklungsorientiert Mitarbeiter zu führen. Ziel war es, dass sich jeder Mitarbeiter sowohl fachlich als auch persönlich in seinem beruflichen Kontext entwickeln konnte. Externe Coachs waren bereits existent und wurden auch eingesetzt, jedoch dominierten interne Coachs, deren Aufgabe es war, Mitarbeiter zur persönlichen Weiterentwicklung und Steigerung der Leistungsfähigkeit zu motivieren. Anfangs wurde die Methode des Coachings ausschließlich im Vertrieb verwendet, bevor diese Personalentwicklungsmethode auch andere Unternehmensbereiche ereichte (Fischer-Epe 2002).

In der zweiten Phase, Mitte der 80er in den USA, weiteten sich Coaching-Maßnahmen auf die Betreuung von Nachwuchsführungskräften aus. Hierbei handelte es sich wiederum um interne Coachs, Vorgesetzte der Nachwuchsführungskräfte, welche beim Erklimmen der Karriereleiter behilflich waren. Jene Art des Coachings würde man jedoch heute zu Mentoring zählen. Diese Phase war vor allem durch die Globalisierung der unterschiedlichen Märkte geprägt, welche den Führungskräften zusätzliche Qualifikationen und Kompetenzen abverlangte, die optimal durch Coaching abgedeckt werden konnten.

Mitte der 80er, in der dritten Phase nach Böning & Fritschle (2005), bot sich nun für Coaching auch in Deutschland die Möglichkeit sich zu etablieren. „Die 80er-Jahre waren geprägt vom Einzug der Psychologie in Wirtschaft und Gesellschaft.“ (Böning 2002) Doch während sich Coaching-Maßnahmen in den USA hauptsächlich auf die mittlere Führungsebene konzentrierten, so bezeichnete Coaching im deutschen Kontext fast ausschließlich die externe Beratung für Führungskräfte der obersten Ebene. Es handelte sich um ein Elite-Personalentwicklungs-Tool, welches sich um die fachlichen, strategischen und persönlichen Belange der Führungsperson kümmerte. Die meisten sahen in Coaching ein Persönlichkeitsentwicklungsinstrument. In den USA wurde diese Form des Coachings - Coaching von Top-Managern - erst einige Jahre nach der Einführung des Eilite-Coachings in Deutschland entdeckt.

Ende der 80er Jahre bis weit in die 90er, Phase vier, wurde Coaching auf die anderen Führungsebenen ausgeweitet und fand somit vermehrte Anwendung in deutschen Unternehmen. Hauptsächlich wurde Coaching jedoch immer noch in den obersten Ebenen genutzt. Als Böning 1989 in seiner Studie zu Coaching Personalmanager zum Begriff Coaching befragte, konnte jeder zweite nichts mit diesem neuen Wort anfangen. Erst durch eine ausführliche Erklärung seitens der Befragenden wurden klarer, was mit Coaching gemeint war.

Zu Beginn der 90er Jahre startet Coaching - aufgrund seiner Ausweitung auf die verschiedenen Ebenen - sich sowohl vertikal als auch horizontal auszuweiten. Es entstehen unterschiedliche Arten von Coachings, wie Projekt-, Team-, Gruppen-, Fach-Coaching. Durch diese Differenzierung und vor allem Spezialisierung verschiedener Coaching-Fachgebiete, erfährt dieses Personalentwicklungsinsturment einen regelrechten Boom. Coaching wird „zum Ausdruck und Kernbegriff einer allgemeinen und vertieften, psychologisch ausgerichteten Beratungsmethodik“ (Böning / Fritschle 2005, S. 30). Dieses Phänomen siedeln Böning & Fritschle (2005) in der fünften Phase, der Differenzierung an.

Die sechste Phase, Mitte der 90er, der Populismus, zeichnet sich durch die Folgen des Booms und der Ausweitung von Coaching aus. Inzwischen konnte Böning in seiner Studie 1998 eine Zahl von 85% der Befragten verzeichnen, welche mit Coaching-Maßnahmen in ihrem Unternehmen arbeiten (Böning / Fritschle 2005, S. 105). Durch die Vielzahl der unterschiedlichen Coaching-Arten in den verschiedensten Lebensbereichen, wird Coaching zum Container-Begriff, welcher alle Arten des Coachings unter sich versammelt und kann keine klaren Abgrenzungen mehr ziehen. Coaching wird für viele Weiterbildungsanbieter als Garant für Erfolg gesehen: Jegliche Art von Weiterbildung, Training, Fortbildung mit der Hauptzielgruppe zielstrebiger berufstätiger Erwachsener, wird mit dem Etikett Coaching versehen. (vgl. Böning 1994, S. 170; Böning 2005, S. 17-31; Rauen 2003, S. 22-25).

Phase sieben, gegenwärtige Situation, “Vertiefte Professionalisierung“ (Böning / Fritschle 2005, S. 22), ist noch immer sehr geprägt von der Vielzahl der Coaching-Angebote, auch wenn sich kleinere Fortschritte – Stichwort: Survival of the fittest! – erkennen lassen, doch solange der Begriff Coaching gesetzlich nicht geschützt wird, ist eine Ordnung der Landschaft/des Marktes nicht in Sicht. Kennzeichnend für diese Phase sind die Ausweitung von Coaching auf alle Führungsebenen, sowohl in den großen als auch mittelständischen Unternehmen. Innerhalb der Unternehmen strebt man nach einer Strukturierung des gesamten Coaching-Ablaufs – von der Bedarfsmeldung, über Matching bis hin zur Evaluation der Maßnahmen – sowie nach dem Aufbau eines firmeneigenen Coaching-Pools. Zudem sind vermehrt wissenschaftliche Forschungsprojekte zum Thema Coaching zu prognostizieren. Coaching-Ausbildungen, Zertifizierungen versuchen sich zu etablieren sowie die Gründung einiger Verbände (Beispiele: DBVC – Deutscher Bundesverband Coaching e.V., ACC – Austrian Coaching Council, dvct – Deutscher Verband für Coaching und Training e.V., ECA – European Coaching Association e.V.) sollen zu einer Aufklärung und Ordnung der Coaching-Landschaft beitragen, solange es noch keinen juristischen Beschluss zum Schutz des Begriffes Coaching gibt. Auch wenn durch die Gründung von Verbänden die Transparenz auf dem Coaching-Markt erhöht wird, so bleibt das florierende Geschäft mit Coaching für den Laien und auch für den Experten unüberschaubar.

(Böning / Fritschle 2005, S.22 – 31)

2.5. Relevanz von Coaching im Kontext von Personalentwicklungsmaßnahmen

Die Gesellschaft unterliegt einem rasanten Wandel. Neue Technologien, Kommunikationsmedien, etc. unterstützen die voranschreitende Globalisierung und vernetzen Menschen sowie Unternehmen weltweit. Ina Smith, Director Ashridge Consulting, betonte auf dem Ashridge Management Developement Workshop “Die Coaching Arena – Wie Sie die Coaching-Kultur in Ihrem Unternehmen fördern können“ am 4. November 2004 in Düsseldorf: “Conversation is the method of change!“

Der gesellschaftliche Wandel ist aufgrund erhöhter Kommunikationsmöglichkeiten, wie Etablierung des WWW und Email-Funktionen, rasend fortgeschritten. Diesen Wandel spüren auch Unternehmenskulturen. Vor allem in den Führungsebenen macht sich innerhalb der Weiterbildungslandschaft ein Wunsch nach individueller Beratung breit, während sich die Führungsaufgabe in all ihren Facetten zunehmend komplexer gestaltet. Doch wie wird man dieser rasanten Entwicklung gerecht? Ina Smith stellt mit ihrer These fest, dass Wandel durch erhöhte Kommunikativität nur mit Mitteln der Kommunikation bewältigt werden kann, das heißt neue Aufgaben, und damit verbunden, neue Herausforderungen müssen individuell im Gespräch analysiert und Lösungen aufgezeigt werden. Kommunikation wird zum innovativen und wichtigen Werkzeug der modernen Gesellschaft. Diese Form der Kommunikation findet man im Coaching: Ein objektiver Berater kommuniziert mit der Führungskraft und erarbeitet zusammen mit dem Coachee in einer Face-to-Face-Situation neue Möglichkeiten um (Kommunikations-) Prozesse beschleunigen, den gesellschaftlichen Wandel im Unternehmen integrieren zu können, aber auch Themen der Persönlichkeitsentwicklung und Work-Life-Balance in der Führungsrolle gerecht zu werden, fachliche Kompetenzen zu erweitern, etc., um so konkurrenzfähig bleiben zu können, sowohl der einzelne als auch das ganze Unternehmen auf dem Markt.

2.6. Wertigkeit von Coaching

Hinsichtlich des Prinzips von Effektivität und Effizienz der Führungskraft konnte festgestellt werden, dass Coaching als Methode der Personalentwicklung zu einem Klima permanenter Veränderungsbereitschaft mit dem Ziel einer “lernenden Organisation“ beiträgt. Es fördert das Denken und Handeln von Einzelnen und Teams im Sinne einer besseren Leistungsfähigkeit. Teamwork wird unterstützt und die Mitglieder im Team gefordert sowie deren Potentiale optimal ausgeschöpft.

Effektivität ist jedoch auch im ökonomischen Bereich zu erkennen. Coaching ist kosten-, zeit- und ressourcensparend. Rasche Reaktionen innerhalb der Coaching-Maßnahme sind möglich, um auf die jeweils gegenwärtige Situation angemessen reagieren zu können. Somit können Richtungen und Wege schnellstmöglich geändert werden, um dem gegenwärtigen (Unternehmens-) Ziel näher zu kommen. Aufgrund der Face-to-Face-Situation ist eine individuelle Betreuung möglich und Entwicklungschancen werden besser erkannt. Da im Gegensatz zu Traingsmaßnahmen beim Coaching kein Gießkannen-Prinzip vorherrscht, das heißt viele Menschen erhalten von vielen Inhalten einige Informationen (flächendeckende Weiterbildung), kann gezielt am Kern gearbeitet werden - nicht peripherisch - und genau die Themen zum Schwerpunkt gemacht werden, welche für die Zielvereinbarung des Unternehmens in der speziellen gegenwärtigen Situation jeweils relevant sind. Daher kann Coaching dazu beitragen, einen Einfluss auf Leitbilder, Systeme und Regelungen sowie auf die Führungs- und Unternehmenskultur im Sinne der strategischen Zielsetzungen auszuüben. Aufgrund der direkten Durchführung von Coaching vor Ort, können Anknüpfungspunkte in der Praxis mit einbezogen werden und so Lernerfolge sichern. Zudem bietet sie einen direkten Transfer in den Alltag.

Durch die individuelle Betreuung und der je individuellen Zielsetzungen sowie der Methoden, welche exakt auf den Coachee und seine Problemstellung abgestimmt sind, können sowohl Zeit, Kosten als auch weitere Maßnahmen gespart werden. Ein optimales für die jeweils gegenwärtige Situation relevantes und angepasstes Ergebnis ist am Ende der Coaching-Maßnahme zu erwarten.

2.7. Ungeschütztheit des Coaching-Begriffs

2.7.1. Coaching in der Funktion eines Container-Begriffs

Die Vielzahl und Ungeordnetheit der Coaching-Angebote ist auf die Ungeschütztheit des Begriffes zurückzuführen. Es gibt keinen juristischen Beschluss, welcher den Begriff Coaching definiert. Oftmals wird Coaching als Container- oder Catch-All-Begriff klassifiziert. Nahezu jede Form der Beratung wird mit dem Etikett Coaching versehen, um mit der Welle des Fortschritts und der Modernität mitschwimmen zu können und somit das eigene Angebot durch die moderne Begrifflichkeit aufzuwerten. Offensichtlich werden nun viele Personalentwicklungsmaßnahmen, welche vormals als “Training“ oder “Beratung“ angeboten wurden, unter dem Namen Coaching vermarktet, um so bessere “Verkaufszahlen“ zu erreichen. Eine methodische Weiterentwicklung der Branche geht nur langsam voran. Die derzeitige Situation ist von geringem Organisationsgrad, nur wenigen festgesetzten Standards und minder zuverlässigen Qualitäts-Checks seitens der Coachees gekennzeichnet. Auch empirische Forschungen zum Thema Coaching sind nur dünn gesät (Böning / Fritschle 2005, S.21). Zudem gibt es noch keine spezielle allgemein anerkannte Ausbildung dafür, welche Berater als Coachs qualifizieren und den Kreis dieser Berufsgruppe eingrenzen würden. Es gibt zwar bereits Verbände, welche mit Aufnahmeprüfungen die Erlangung einer Mitgliedschaft – in der Hoffnung auf zusätzliche Etablierung des Berufsbildes - erschweren, doch gibt es noch immer kein einheitliches Verständnis über die Begrifflichkeit von Coaching. Kurz gesagt: Es darf sich jeder, welcher eine beratende Tätigkeit ausübt, Coach nennen. So entstehen auch die unzähligen Definitionen von Coaching, da jeder Coach, sein individuelles Coaching-Verständnis präsentieren möchte. Diese individuelle Definition beinhaltet jedoch meist mehr Aspekte der eigenen Tätigkeit, Methoden und Kompetenzen als eine allgemeingültige sachliche Darstellung.

Eine weitere Gefahr für Coachees birgt die unkontrollierte Verbreitung von Sekten durch die Form des Coachings. In der Face-to-Face-Interaktion ist keine überwachende Instanz vor Ort, welche Themen im Coaching objektiv überprüfen kann. So können unseriöse Coachs ihre Inhalte ungehindert an ihre Coachees weitergeben.

Exkurs: Schreibweise

Bezüglich der grammatischen Deklination des Begriffes Coach gibt es aufgrund der Ungeschütztheit des Begriffes keine klaren Regeln. Sowohl “Coachs“ als auch “Coaches“ ist bei der Pluralbildung als korrekt zu erachten. Ersteres ist laut Duden die deutsche Pluralbildung des Begriffes “Coach“ und somit grammatikalisch richtig und anerkannt. “Coaches“ stellt die englischsprachige Pluralbildung des Begriffs dar und ist, sofern man “Coach“ als Anglizismus betrachtet, ebenso korrekt gebildet (siehe Abb. 4).

Coach [koutsch] , der; -[s], -s [engl. coach, eigtl. = Kutsche < frz. coche < dt. Kutsche]: Sportlehrer; Trainer u. Betreuer eines Sportlers od. einer Sportmannschaft;

Quelle: DUDEN - Deutsches Universalwörterbuch

Coach [ko:tsch, engl. koutsch ] der; -[s], -s : Sportlehrer, Trainer u. Betreuer eines Sportlers od. einer Sportmannschaft.

Quelle: DUDEN - Das große Fremdwörterbuch

coa|chen ['ko:tsch ] : einen Sportler od. eine Sportmannschaft betreuen u. trainieren.

Quelle: DUDEN - Das große Fremdwörterbuch

Coa|ching, das; -[s] [engl. coaching]: das Coachen.

Quelle: DUDEN - Deutsches Universalwörterbuch

Coa|ching das; -s : das Coachen, bes. das Betreuen während des Wettkampfs

Quelle: DUDEN - Das große Fremdwörterbuch

Abb. 4: Schreibweise der Begriffe mit Wortstamm “Coach“ nach dem aktuellen Duden

[http://www.coaching-report.de/definition_coaching/schreibweise.htm] (05.11.2005)

Der Genitiv kann auf zwei Arten dargestellt werden: “des Coachs“ (deutschsprachige Grammatikbildung) oder “des Coach“ (englischsprachige Grammatikbildung). Beide Arten sind als korrekt anzusehen, je nach Begriffsperspektive, das heißt dass der Betrachter selbst entscheiden muss, ob er den Begriff Coach als ein deutsches oder englisches Wort klassifiziert. Gleiches gilt auch für die Pluralbildung. [www.rauen.de]

In meinen Ausführungen wähle ich durchgängig die deutschsprachige Regelung des Begriffes.

2.7.2. Der Begriff Coaching im Kontext des WWW

Abgesehen von der Ungeschütztheit des Begriffes Coach, tritt ein weiterer Aspekt hinzu, welcher die Fülle an unterschiedlichen Definitionen im WWW erklären könnte. Aufgrund der Textualität und der damit verbundenen räumlichen und zeitlichen Distanz zwischen Autor und Leser, ist es Letzterem zwar möglich bei Verständnisschwierigkeiten den Text beliebig oft zu lesen sowie sich mit schwierigen Passagen intensiv auseinanderzusetzen, jedoch gibt es keine Möglichkeit Rückfragen an den Autor zu stellen oder Annahmen bestätigen zu lassen (Dürscheid 2004). Weite Interpretationsspielräume können so aufgedeckt werden. Unterschiedliche Interpretationen sowie Fehlinterpretationen des Begriffes Coaching sind somit nicht auszuschließen.

Die einfache Handhabung des Internets bietet jedem User die Möglichkeit, seine eigene Homepage zu generieren. Jedermann hat die Möglichkeit mit nur geringem technischem Know-How sich selbst in der Öffentlichkeit zu vermarkten. Dies lockt Coaching-Anbieter, sowohl die seriösen als auch unseriösen. Im Grunde kann jeder, der sich Coach nennt, sein Verständnis von Coaching an den Mann oder die Frau bringen.

2.7.3. Konsequenzen des ungeschützten Coaching-Marktes

Der Coachee befindet sich folglich in einem Dschungel von Informationen und unterschiedlichsten Anbietern, welche er als Laie und ohne fundiertes Coaching-Verständnis oder Erfahrung mit Coaching-Maßnahmen nur schwer selektieren kann. Ein allgemeines Verständnis von Coaching ist somit wegen der mannigfaltigen und diffusen Erläuterungen nicht gewährleistet. Dies mag auch eine der Ursachen für das schlechte Image, welches Coaching noch immer mit sich trägt, darstellen. Aufgrund der unterschiedlich, teils unseriösen und falsch dargestellten, nur zu Marketing- oder Selbstdarstellungszwecken veröffentlichen Coaching-Definitionen, rufen die Ausführungen beim Laien schnell Assoziationen wie Psychotherapie und Behebung von Mängeln hervor.

2.8. Grenzen von Coaching

Coaching ist in, Coaching boomt. Doch Coaching ist kein Allheilmittel für jegliche Art von Problemen. Coaching stößt schnell an seine Grenzen, welche oft nicht erkannt werden. Diese sind meist bereits bei der Auftragsklärung zu erkennen (Loos 1997, S. 137). In vielen Fällen ist Coaching ein anderes Weiterbildungsinstrument vorzuziehen. Dies ist zum Beispiel notwendig, wenn dem Betroffenen einfache Führungskenntnisse oder Grundlagen in anderen Bereichen fehlen. Hier bieten sich Führungstrainings an. Trainings sind auch dann zu bevorzugen, wenn der Klient Feedback von mehreren Personen für seinen Entwicklungsprozess benötigt oder Themen der Gruppendynamik behandeln möchte. Bei Konflikten wiederum sind Mediationsmaßnahmen vorzuziehen. Auch während der Coaching-Maßnahmen können sich Grenzen aufzeigen. Dies kann zum einen aus persönlichen Gründen geschehen, wenn beispielsweise die Chemie zwischen Coach und Coachee nicht stimmt. In diesem Falle ist dem Coach anzuraten, seinen Coachee an einen besser passenden Kollegen zu übergeben, da nur wenig Chance auf Erfolg in Aussicht gestellt wird.

Grundsätzlich können Grenzen bereits in einem klärenden Vorgespräch über die derzeitige Situation und die Erwartung seitens des Unternehmens und des Klienten geklärt werden. Diese angrenzenden Personalentwicklungsinstrumente, welche bereits in einem Vorgespräch bezüglich der individuellen Person ausgewählt werden sollten, werden im Folgenden im Vergleich zu Coaching erläutert. Anschließend gehe ich auf die Grenzen des Coachings ein, welche innerhalb einer Maßnahme auftreten können. Dies sind persönliche und psychologische Problemstellungen, die in den meisten Fällen nur im Rahmen einer Psychotherapie behandelt werden können. (De Haan / Burger 2005¸Walther 2004)

2.8.1. Beratung

In den meisten Ausführungen zu Coaching wird Beratung als Überbegriff für die Coaching-Maßnahme verwendet. Im Grunde kann dieser Sachverhalt als korrekt betrachtet werden, doch gibt es feine Unterschiede zwischen einem Coaching und einer Beratungsleistung. Beratungen beziehen sich in den meisten Fällen auf fachliche Themen (vgl. Steuerberater, Anwalt, Arzt, etc.) und arbeiten auch mit fachlichen Unterweisungen. Coaching hingegen beinhaltet vielmehr eine Prozessberatung mit einem bestimmten Repertoire an Methoden, das heißt mit der Maßnahme wird ein Prozess begleitet und auf jeweilige Gegebenheiten angemessen mit Hilfe des Coachs reagiert. Die Vorgehensweise im Coaching ist durch reflektierende Verfahren und der Verwendung von psychotherapeutischen Methoden gekennzeichnet. Die Beziehung zwischen Coach und Coachee gewinnt somit an Gewicht, in welcher ein Lösungsansatz gemeinsam erarbeitet wird, während eine Beratung vielmehr auf sachliche Aspekte orientiert ist und die Lösungsschritte in der Regel vom Berater vorgegeben werden. Fachliche Kompetenzen des Coachs werden jedoch mit in das Coaching-Profil mit eingeschlossen, um auch mit seinem Expertenwissen fachliche Ratschläge geben zu können. Eine klare Trennung zwischen Beratung und Coaching ist also nur schwer möglich.

(De Haan / Burger 2005; Rauen 2003)

2.8.2. Training

Ebenso wie Beratung wird Training mit dem Begriff Coaching verwechselt. Diese enge Verbindung ist in vielen Fällen darauf zurückzuführen, dass interne Pools von Trainern nahezu identisch zu Pools von Coachs sind, das heißt mit denselben Personen besetzt sind, da beinahe jeder Trainer inzwischen auch Coaching in seinem Angebotsspektrum vorweisen kann (Kühl 2005). Jedoch gibt es wesentliche Unterschiede zwischen Coaching- und Trainingsmaßnahmen: Beim Training steht das Lernen eines bestimmten Themenfeldes im Mittelpunkt. Ein “Lehrplan“ ist vorgegeben, deren Inhalte die Trainingsteilnehmer am Ende der Maßnahme zu beherrschen haben. Das Individuum rückt hinter den technisch fachlichen Inhalten in den Hintergrund. Durch Übungen und Feedback-Runden sind die Teilnehmer angehalten das Erlernte zu verankern und zu verbessern.

„Ein Seminar liefert neues Wissen, im Training wird neues Wissen auch eingeübt. Coaching hingegen heißt: Lernen vom Coach und Anwenden des Gelernten mit Unterstützung des Coachs direkt und unmittelbar in der Praxis.“ (Lubbers 2003, S. 39)

Der Trainer fungiert als überlegener “Anweisender“. Ähnlich wie bei einer Beratungsmaßnahme steht die Vermittlung der vorgegebenen Inhalte im Vordergrund. Beziehungsaufbau zwischen den Beteiligten findet sich im Coaching wieder, während sich Coach und Coachee auf Augenhöhe befinden. Innerhalb einer Coaching-Maßnahme können zwar Trainingsmodule eingebaut werden, jedoch steht der begleitende Aspekt eines Prozesses im Vordergrund. “Hilfe zur Selbsthilfe“ lautet das Motto. Der Coach befindet sich in der Rolle eines Gesprächspartners und Begleiters.

(De Haan / Burger 2005; Rauen 2003)

2.8.3. Supervision

Hauptzielgruppe der Supervision sind Berater sowie Sozial- und Beziehungsarbeiter. Es handelt sich somit um eine “Beratung für Berater“. Der Berater unterhält externe Unterstützung von einer neutralen Person, welcher als Gesprächspartner fungiert und als Spiegel dient. Inhalte von Supervisionen beziehen sich nicht auf den Aufbau spezifischer Kompetenzen. Von einem Supervisor werden in der Regel keine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse gefordert, während diese bei einem Coach unabdingbar sind.

(De Haan / Burger 2005; Rauen 2003)

2.8.4. Mentoring

Mentoring beinhaltet eine Patenschaft zwischen einer erfahrenen Führungskraft und einem neu im Unternehmen angekommenen jungen Mitarbeiter. Beide befinden sich im selben Unternehmen. Auf dieser Basis können Firmenphilosophien und Unternehmenskulturen durch aktives Vorleben schneller dem neuen Mitarbeiter vermittelt werden und diesen für das Unternehmen zu begeistern sowie zu binden. So ist eine schnelle Integration des neuen Mitarbeiters möglich und Prozesse können beschleunigt werden. Auch Beratung die Karriere betreffend beinhaltet das Mentoring. Im Gegensatz zu einem Coaching befinden sich die Beteiligten in einem Mentoring nicht auf Augenhöhe. Der Mentor ist auf einer hierarchisch höheren Ebene. Zudem herrscht nicht wie in einer Coaching-Maßnahme Neutralität vor, da die Organisationsinteressen den Fokus des Mentoring bilden.

(De Haan / Burger 2005; Rauen 2003)

2.8.5. Psychotherapie

Ferner stößt Coaching an seine Grenzen, wenn Suchterkrankungen wie Alkoholprobleme oder Psychosen beim Klienten zu bemerken sind. (Loos 1997, S. 137; Rückle 1992, S. 43) „Psychische Probleme mit Krankheitswert können und dürfen nicht Gegenstand eines Coachings sein. Sie müssen von einem Psychotherapeuten behandelt werden.“ (Dehner, Ulrich; nach Walther 2004, S. 59) In diesem Falle ist es Aufgabe des Coachs den Klienten an einen passenden Therapeuten zu vermitteln, welcher das anstehende Problem optimal auffangen kann. Auch hier herrscht, wie auch beim Coaching eine geringe Akzeptanz gegenüber Psychotherapien. Hier muss das Verständnis geschult werden.

Dass Coaching jedoch keine Psychotherapie ist, ist bei vielen potentiellen Klienten noch nicht verankert. Personalmanager vieler Unternehmen haben mit Akzeptanzproblemen von Coaching zu kämpfen. An dieser Stelle sollen jedoch die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Psychotherapie und Coaching kurz dargestellt werden, um der Transparenz des Coaching-Begriffes zu verhelfen.

Gemeinsamkeiten

Sowohl Coachs als auch Psychotherapeuten arbeiten mit Methoden und Interventionen auf psychotherapeutischer Basis. Sie analysieren ihre Aufgabe vorab genau. Die Rolle des Beraters beschränkt sich in den meisten Fällen auf die des Zuhörers und des Gesprächspartners. In diesen Gesprächen, sowohl im Coaching als auch in der Psychotherapie, beschäftigen sich beide Parteien mit den Erlebnissen des Klienten und reflektierende Erfahrungen werden eingesetzt. Ziel beider Maßnahmen ist es, eine Beziehung zum Klienten aufzunehmen sowie zu gestalten und auf dieser Basis eine Verhaltenserweiterung bzw. -flexibilisierung hervorzurufen. (Rauen 2003)

Unterschiede

Unterschiede gibt es zwischen Coaching und Psychotherapie weitaus mehr als Gemeinsamkeiten. Dies beginnt bereits bei der Zielgruppe: Während die Psychotherapie keine bestimmte Zielgruppe besitzt und als Ziel eine Heilung von Menschen mit krankhaften Störungen setzt, beschränkt sich Coaching für Führungskräfte in der Regel auf Personen mit Management-Aufgaben und geht von Menschen aus, welche uneingeschränkt handlungsfähig sind und welche ihre beruflichen Aufgaben besser und einfacher meistern möchten. Das Anwendungsgebiet liegt beim Coaching hauptsächlich im Profit-Bereich wohingegen Psychotherapie sich im Non-Profit-Bereich ansiedeln lässt. Schwerpunkt des Coachings ist die berufliche Rolle des Coachees sowie die damit verbundenen Anliegen, welche im Gespräch kaum emotionale Tiefe besitzen. In der Psychotherapie stehen tief gehende private und persönliche (psychische) Probleme mit hoher Emotionalität im Fokus der individuellen Lebensgeschichte, das Hauptthema und Mangel an Selbstmanagementfähigkeiten ist oftmals Grund für eine Psychotherapie. Psychosomatische Krankheiten sind Anlass für Psychotherapien (Rückle 1992, S. 41). Im Coaching müssen Selbstmanagementfähigkeiten des Klienten voll intakt sein, da sich eine Coaching-Maßnahme nicht für die Behebung psychischer Probleme eignet. Dafür müssen Psychotherapien eingesetzt werden. Themen wie “Macht“ und “Hierarchien“ werden eher im Coaching akzeptiert als kritisiert. Psychotherapien gehen vielmehr kritisch mit diesen Themen um. Ein Coach zeichnet sich durch betriebwirtschaftliche Kenntnisse aus, welche beim Psychotherapeuten nicht zwingend erforderlich sind. Die Arbeitsweise des Coachs zeichnet sich durch ein Miteinander mit dem Coachee aus, indem gemeinsam Inhalte und Ablauf des Coachings bestimmt sowie Probleme zielorientiert bearbeitet werden. Der Coach stellt einen Begleiter dar, welcher situationsbedingt Impulse gibt. Ziel ist das Erreichen eines Soll-Zustandes, wobei oftmals auch rein (betriebs-)wirtschaftliche Leistungsziele angestrebt werden. Die Arbeitsweise eines Psychotherapeuten wird bestimmt von ursachenorientierten Analysen des Problems welche als Ziel die Wiederherstellung der psychischen Gesundheit des Klienten haben. Inhalt sowie Ablauf der Therapie werden alleine vom Therapeuten bestimmt, der Klient hat im Gegensatz zum Coaching kaum Mitbestimmungsrecht. Die einzelnen Behandlungsperioden werden von vornherein festgesetzt und in regelmäßigen Abständen durchgeführt. Eine Therapie kann oftmals von langer Dauer sein, über Jahre hinweg, und findet immer am gleichen Ort, in der Praxis des Therapeuten statt, während Coaching eine eher kurz- bis mittelfristige Maßnahme darstellt und sich an unterschiedlichen Orten durchführen lässt, sinnvoll nahe am Arbeitsplatz um schnellen Praxistransfer gewährleisten zu können. (vgl. Rauen 2003, Loos 1997, S. 135 - 143; Rückle 1992, S. 41 - 45)

In diesem direkten Vergleich kann sehr gut festgestellt werden, dass Coaching und Psychotherapien beginnend bei der Zielgruppe, über die Inhalte sowie Arbeitsweise bis hin zu Zielorientierung, Ort und Dauer komplett unterschiedliche Hilfsmittel für Klienten darstellen. Coaching kann sowohl horizontal als auch vertikal stattfinden, das heißt als begleitender Prozess (horizontal) oder als Lernprozess (vertikal). Psychotherapien befinden sich schwerpunktmäßig auf der horizontalen Ebene, es handelt sich um einen Heilungsprozess.

Parallelen zu ziehen liegt aufgrund der Face-to-Face-Interaktion und der personlichkeitsorientierten Themen nahe, jedoch handelt es sich um sehr unterschiedliche Arbeitweisen. (Loos 1997, S. 139)

2.9. Verständnis von Coaching

In den 80ern wurde noch der ein oder andere Personalverantwortliche ohne Vorkenntnisse mit dem neumodischen Begriff Coaching konfrontiert und zum Verständnis Stichworte wie Beratung oder Begleitung von Führungskräften benötigt (Rückle 1992, S. 13). Böning stellte in seiner Coaching-Studie 1989 fest, dass jeder zweite befragte Personlmanager keine konkrete Vorstellung zum Begriff Coaching hatte (Böning / Fritschle 2005, S. 103). Heute haben sich Coaching-Maßnahmen seit Beginn des 20. Jahrhunderts als fester Bestandteil der Weiterbildungsmaßnahmen etabliert.

Betrachtet man nun die unterschiedlichen Coaching-Definitionen von Personalmangern und Coachs so kann, auf die Ungeschütztheit des Begriffs zurückzuführen, kaum Konsens untereinander festgestellt werden. Während Personalmanager ihre Definitionen auf die Entwicklung von Führungskräften, also auf die Themen und Ziele einer Coaching-Maßnahme fokussieren, so sprechen Coachs in ihren Definitionen vordergründig über die Problemlösungsansätze, das heißt ihre Coaching-Methodik und in gewissem Masse ihr eigene Arbeitsweise, welche das individuelle Angebot des jeweiligen Coachs verkörpern (Böning / Fritschle 2005, S. 49). Jedoch kann keine Coaching-Definition als richtig oder falsch, besser oder schlechter gewertet werden, da es keinen juristischen Beschluss über die festen Bestandteile einer Definition und Abgrenzungen innerhalb der Coaching-Disziplin gibt.

Dennoch können nach Böning & Fritschle (2005) aus allen seriös wirkenden Definitionen Gemeinsamkeit erkennbar werden:

„In allen Definitionen wird die zentrale Rolle der zwischenmenschlichen Kommunikation deutlich – ob sie das Verhalten der Führungskräfte ihren Mitarbeitern gegenüber betrifft oder ob sie sich auf die Gestaltung der Interaktion in der Coaching-Beziehung bezieht. Die Qualität des unmittelbaren Verhaltens, ob verbal oder nonverbal, ob bewusst oder unbewusst, bestimmt die Qualität der zu erbringenden Leistung. Sie steuert den Gehalt des menschlichen Erlebens der Beratungsbeziehung im Coaching wie der Führungsleistung der Vorgesetzten im Unternehmen gegenüber ihren Mitarbeitern.“

(Böning / Fritschle 2005, S. 44)

Neben der zentralen Rolle der Kommunikation beinhaltet Coaching vor allem auch Entwicklung, Unterstützung und Rückmelden/Spiegeln (Böning / Fritschle 2005, S. 50).

Jedoch wurden bisher noch keine festen typischen Aspekte, Bestandteile generiert, welche eine Coaching-Definition beinhalten muss, um ein richtiges Verständnis bei potentiellen Klienten gewährleisten zu können.

2.9.1. Aktuelles Coaching-Verständnis – Eine nationale und internationale Beschreibung von Personalentwicklern

Böning evaluierte in seiner Studie 2004 unter anderem auch die Stellung von Coaching im Unternehmen. 46% der Personalmanager gaben hierzu an, dass Coaching in ihrem Unternehmen, trotz steigender Zahlen von Coaching-Maßnahmen, eine geringe Bedeutung einnehme. Böning erklärt dieses Phänomen folgendermaßen:

„Während die erste Frage (die nach der absoluten Entwicklung von Coaching in den letzten fünf Jahren) aus der Innensicht heraus gestellt und auch beantwortet wurde, zeigt die zweite Frage (die nach dem relativen Stellenwert von Coaching im Unternehmen) eine Außensicht der Dinge. Das heißt, dass die inhaltliche und zahlenmäßige Bedeutung von Coaching in den letzten fünf Jahren absolut gesehen sehr stark zugenommen hat. Aber dennoch bleibt seine Bedeutung als systematisches und zahlenmäßig stark einsetzbares Personalentwicklungsinstrument (noch) relativ gering. Unsere Annahme an dieser Stelle ist, dass die Personaler Coaching mit dem systematischen Stellenwert anderer Maßnahmen, wie zum Beispiel Trainings, Seminaren, Mitarbeitergesprächen oder 360-Grad-Feedbacks verglichen haben. Auf diesen beiden Dimensionen (pure Zahl und systematischer Stellenwert in der Personalentwicklung) kann und muss man dann dem Coaching durchaus eine geringere Bedeutung attestieren. Als stark individuell eingesetztes Instrument hat Coaching für die Masse der Mitarbeiter und de HR-Abteilungen verständlicherweise nur einen begrenzten Stellenwert.“ (Böning / Fritschle 2005, S. 110)

Im internationalen Bereich wird Coaching bereits sehr gut von den Coaching-Kunden angenommen und geschätzt, so Ina Smith, Director Ashridge Consulting, und Eunice Aquilina, Organisation Coaching Consultant BBC. Trainings treten in den Hintergrund und Coaching-Maßnahmen werden verstärkt eingesetzt, um individuelle, kostengünstige und schnelle Ziele zu erreichen. Im nationalen Bereich stoßen Coaching-Anbieter jedoch noch auf Unsicherheit seitens der Kunden. So beschreibt während des Workshops die Personalleiterin eines marktführenden Unternehmens[3], dass die Abteilungen der Personalentwicklung intern mit erheblichen Akzeptanzproblemen seitens der Coachees, vor allem in den unteren und mittleren Führungsebenen zu kämpfen hätten. Coaching wird oftmals als Strafe angesehen, nicht als Chance und wird nicht selten in den Unternehmen unter dem Deckmantel Training den Mitarbeitern angeboten. Coaching ruft immer noch, trotz der Etablierung mannigfaltiger Coaching-Methoden, im deutschen Kontext negative Bilder hervor. Das allgemeine Verständnis von Coaching, wird dem einer Definition von Psychotherapie assoziiert (vgl. Kap. 2.8.5) und löst Gedanken aus, wie: „Ich habe Fehler, mir fehlen Kompetenzen, ich muss mich weiterentwickeln, ich habe mich falsch verhalten und deshalb bekomme ich ein Coaching“ bis zu „Ich bin ’krank’, ich muss mich in ’Behandlung’ begeben.“

Diese Grundstimmung konnte sowohl bei einer Untersuchung zum Thema “Bestandsaufnahme der internen Coachinglandschaft“ innerhalb eines süddeutschen Großkonzerns[4], welche ich von Mai bis Juli im Jahre 2004 durchgeführt habe, beobachtet werden, als auch bei einem Erfahrungsaustausch mit Personalentwicklern renommierter Unternehmen beim Ashridge Coaching Workshop in Düsseldorf im November 2004.

2.9.2. Image von Coaching-Maßnahmen

Soft-Skills, vor allem Kommunikationsfähigkeiten, auch in schwierigen Situationen, werden als immer wichtiger für die Kompetenzbildung der Führungskräfte erachtet, so Personalentwickler Markt führender Unternehmen auf dem Ashridge Coaching Workshop. Daher ist die Beschäftigung mit dem Universalbegriff Coaching für Personalverantwortliche im Unternehmen unumgänglich. Doch wegen des unüberschaubaren Marktes und der Uneinheitlichkeit der Definition und Prozesse, auch innerhalb der Betriebe, wirft Coaching und deren Implementierung im Unternehmen noch viele Fragen auf. Auf dem Ashridge Development Workshop zum Thema Coaching wurden die Stimmungslagen der Personalverantwortlichen und dem Stellenwert von Coaching in deutschen Unternehmen kundgetan. Fast durchgängig wurde das schlechte Image von Coaching bestätigt, so dass Maßnahmen unter dem Deckmantel Training verkauft werden müssen, um Akzeptanz bei den Coachees zu erlangen. Das Bewusstsein für Coaching, dessen Vorteile und überhaupt dessen Existenz, sollen im Unternehmen durch zunehmende Kommunikation (Bsp. im firmeninternen Intranet) gestärkt werden. Stichwort: Coaching ist keine Strafe, sondern eine Chance. Zudem stehen die meisten Unternehmen vor einer bevorstehenden Einführung einer Coaching-Strategie, das heißt klare Prozessklärung der Abläufe, Ernennung von Kompetenz-Centern, bei welchen das Thema aufgehängt ist. Und auch Fragen der Erfolgsmessung und Auswahlkriterien für Coachs müssen aufgestellt werden.

Im Grunde kann zusammenfassend festgehalten werden, dass Coaching zwar bereits in den meisten Unternehmen angeboten wird, jedoch noch keine Richtlinien und keine klaren Prozesse erstellt wurden und zunehmend mit der Akzeptanz von Coaching, vor allem in den unteren und mittleren Führungsebenen zu kämpfen ist.[5] Der undurchsichtige Markt und die damit verbundenen Kommunikationsschwierigkeiten von Coaching sowie Aufklärung der Mitarbeiter durch Imagewandel von Coaching, bürden den Personalverantwortlichen eine herausfordernde Aufgabe für die kommenden Jahre auf.

Die Reaktion der potentiellen Coaching-Kandidaten auf Coaching-Maßnahmen in Form von Abweisung sind auf zwei Aspekte zurückzuführen: Zum einen herrscht eine starke Assoziation zur Psychotherapie vor, welche hierzulande negativ konnotiert ist und zum anderen die Ungeschütztheit des Coaching-Begriffs (siehe hierzu auch Kap. 2.7).

Der Themenbereich psychischer Krankheiten wird immer noch in die Reihe der ernstzunehmenden Tabu-Themen in Deutschland eingegliedert. Während in den USA und auch anderen Ländern Psychotherapie als heilsam und positiv assoziiert wird, werden hierzulande derartige Maßnahmen immer noch verpönt und mit negativen bis hin zu spöttischen Assoziationen versehen.

Die Assoziation zu Psychotherapien beim Begriff Coaching ist auf zwei wesentliche Punkte zurückzuführen: Zum einen wählte man in der Frühphase von Coaching hauptsächlich Coachs mit therapeutischem Hintergrund von Personalentwicklern, da man vermutete so die höchsten Quailtätstandards gewährleisten zu können (Kühl 2005, S. 23). So kam die Psychotherapie unmittelbar ins Themenfeld Coaching. Zum anderen wird Coaching, aufgrund der Interaktionssituation, meist mit Persönlichkeitsentwicklungsinhalten, welche ähnlich den Interaktionen in Psychotherapien sind und einen Coach mit psychologischer Ausbildung beinhalten, oftmals mit Psychotherapien gleichgesetzt und somit sinkt aus Furcht vor öffentlichem Aufsehen die Bereitschaft eine personenzentrierte Beratung anzunehmen. (Rückle 1992, S. 41; Kühl 2005, S. 13)

Zudem sind Coaching-Maßnahmen nicht selten Reaktionen auf Defizitbestimmungen, wie jährliche interne Feedbackrunden (Kühl 2005). Dem Mitarbeiter, welchen das Coaching angeraten wird, wird damit vermittelt, dass er die Maßnahme aufgrund seiner Defizite erhält und nicht aus dem Grunde, um Unterstützung zu erhalten. Daher wird Coaching in vielen Fällen negativ assoziiert und nur ungern angenommen.

Ein weiterer Grund für das missliche Verständnis von Coaching ist der unübersichtliche Markt, die damit verbundene Ungeschütztheit des Begriffes und somit die divergierenden Definitionen von Coaching, welche nicht selten missverständlich, subjektiv und dadurch mit Inhalten der Psychoanalyse ausgedrückt werden. Als Laie besteht nur eine geringe Chance sich in jenem “Dschungel“ zurechtzufinden und so eine korrekte sowie objektive Definition von Coaching zu entdecken, um ein konkretes und richtiges Verständnis davon aufbauen zu können. „Der Markt ist schillernd und für Nicht-Insider weitgehend intransparent. Der kleinste gemeinsame Nenner dessen, was die verschiedenen Anwendungen von Coaching beinhaltet, ist die Begleitung von Menschen.“ (Böning 2004, S. 6) Eine allgemein anerkannte und gültige Definition von Coaching ist nicht vorhanden und trägt dazu bei, den künftigen Coachee regelrecht zu verunsichern und von dieser Maßnahme fernzuhalten.

2.9.3. Das Coaching-Verständnis potentieller Coachees in der mittleren Führungsebene: eine Befragung

Die Informationslücken bezüglich Coaching in der unteren und mittleren Führungsebene konnte ich im März 2005 im Rahmen einer deskriptiven und qualitativen Untersuchung, nicht hypothesengesteuert, in Form freier Telefoninterviews von etwa 20 Führungskräften der unteren sowie mittleren Führungsebene, Alter 35 – 50 Jahre, aus verschiedenen Ressorts –ausgenommen Personal-Ressort - in einem Weltmarkt führendem deutschen Unternehmen[6], welche bereits alle mindestens ein Führungskräftetraining absolvierten, bestätigen. Ziel der Befragung war es, eine grundsätzliche Tendenz zum Wissenstand der Führungskräfte über Trainings- sowie Coaching-Maßnahmen im Allgemeinen festzuhalten, um so die interne Kommunikation daraufhin einzustellen.

Diese Daten wurden in einer freien Konversation telefonisch erhoben. Durchgängig konnte keiner der Befragten eine Auskunft darüber geben, was Coaching eigentlich sei. Lediglich einer der Befragten war in der Lage, Coaching in die Weiterbildungslandschaft einzuordnen (Zitat: „Das ist doch so was wie Training…, oder?“).

Dieses magere Ergebnis fordert dringenden Aufklärungsbedarf innerhalb der Unternehmen und vor allem auch auf dem allgemeinen Markt, endlich eine objektive allgemeingültige Coaching-Definition zu veröffentlichen. Denn sollte diese Hauptzielgruppe, welche in den meisten Fällen kaum Vorkenntnisse im Coaching-Bereich aufweisen kann, interessiert daran sein, eine Vorstellung von Coaching zu erlangen, so trifft der Interessierte aufgrund der Ungeschütztheit des Begriffs und den dadurch entstanden Coaching-Dschungel auf das nächste Problem: Die Vielzahl der divergierenden Definitionen, vor allem im Internet, dem Wissenslieferanten der Neuzeit.

Von dieser Zielgruppe des unteren bis mittleren Managements gehe ich in meiner Untersuchung aus. Es handelt sich um Arbeitnehmer, welche die Hauptzielgruppe der Coachs darstellen, Hochschulabschluss besitzen, Mitarbeiterführung innehaben und sich etwa im Alter von 35 bis 50 Jahren befinden. Wichtig ist, dass man davon ausgeht, dass jene lediglich den Begriff kennen und ihn in die Weiterbildungslandschaft einordnen können, aber sonst keinerlei Vorkenntnisse vorweisen können

2.10. Zusammenfassende Bemerkung

Zusammenfassend kann man festhalten, dass das Problem des unübersichtlichen Marktes, der vielen Coaching-Anbieter und deren unterschiedliche Definitionen, eine große Herausforderung an die Unternehmen, seine Mitarbeiter und vor allem an deren Personalmanagern stellen. Zum einen bietet die Auswahl eines passenden Coachs aus der Vielzahl von Anbietern ein Problem. Es gibt kaum Anhaltspunkte einen guten Coach an bestimmten Kriterien zu erkennen, da sich in Folge der Ungeschütztheit des Begriffes jeder “Weiterbilder“ Coach nennen darf. Dies bewirkt wiederum, dass aufgrund der Vielfältigkeit von Coaching-Anbietern zahlreiche unterschiedliche Definitionen auftauchen, welche das Verständnis von Coaching der noch nicht mit Coaching vertrauten Mitarbeiter, nicht fördern, sondern vielmehr zu Fehlinterpretationen leiten und somit Assoziationen zu Psychotherapien hervorrufen können, was wiederum zu Akzeptanzproblemen von Coaching führt, womit die Personalverantwortlichen zu kämpfen haben, um die Maßnahme überhaupt an die Mitarbeiter “verkaufen“ zu können. Daher besteht nicht nur seitens der Coachs und Coachees großes Interesse daran, Transparenz in den Coaching-Markt zu bringen und zu strukturieren, sondern auch Personalmanager streben nach klaren geklärten Prozessen und vor allem nach einer einheitlichen Definition von Coaching, auch innerhalb der Unternehmen, um in der Implementierung von Coaching große Schritte nach vorne machen zu können.

3. Aspekte des Forschungsgegenstandes ’schriftlicher Text’

Da es sich bei Texten im WWW um sprachlich schriftliche Ausführungen handelt, und es bisher nur sehr wenige wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich Texte im WWW gibt, werden an dieser Stelle grundlegende Tendenzen der Forschungsrichtung Text vorgestellt.

Das Interesse an Untersuchungen zu schriftlichen Texten hat sich erst sehr spät entwickelt. Vor dem 20. Jahrhundert konnten schriftliche Texte wissenschaftlich im Bezug auf andere Forschungsrichtungen nur einen relativ geringen Stellenwert für sich verbuchen. Doch mit der allgemeinen Zugänglichkeit von Bildung zum Übergang ins 20. Jahrhundert und den dadurch verbunden Fortschritten der Kommunikationsmedien konnten sich schriftliche Texte als interessanter Forschungsgegenstand etablieren.

3.1. Stellenwert von schriftlichen Texten vor dem 20. Jahrhundert

Schriftliche Texte hatten vor dem 20. Jahrhundert nur einen geringen Stellenwert. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das geschriebene Wort nicht jedermann zugänglich war. In der heutigen zivilisierten Gesellschaft bietet sich jedem die Möglichkeit, unabhängig von Geschlecht und Stand, Lesen und Schreiben erlernen zu dürfen bzw. sogar zu müssen, um auf andere Bildungsressourcen zugreifen zu können. Bis vor wenigen Jahrhunderten, war Lesen und Schreiben noch einem elitären wissenschaftlichen und vor allem männlichen Kreis vorbehalten. Schreiben und Lesen galt als hohe Kunst einer kleinen Gruppe. Aufgrund der Irrelevanz für die restliche Bevölkerung, welche nicht über diese Fertigkeit verfügte und dies auch nicht für notwendig hielt, geriet das Thema Schreiben und Lesen von Texten erst mit der Ausbreitung dieser Fähigkeit innerhalb der Gesellschaft in den Mittelpunkt wissenschaftlicher Untersuchungen.

Der Forschungsbereich der Sprache ist einer der ältesten und findet seine Anfänge in der klassischen Rhetorik in der Antike. In der klassischen Rhetorik der Antike, wie nach Aristoteles (384 - 322 v. Chr.) oder Quintilian (ca. 35 – 100 n. Chr.) (Ottmers 1996, Ueding 1994), galt als die wahre Kunst das Sprechen und nicht das Schreiben. Schreiben und in diesem Sinne schriftliche Texte bildeten lediglich Hilfsmittel um die wahre Kunst des Sprechens zu erlangen. Schriftliche Komponenten finden sich in den ersten drei Produktionsstadien einer Rede nach Quintilian: 1) Inventio: Das (Auf-)Finden des Stoffes der Rede. 2) Dispositio: Die Ordnung, Gliederung des Stoffes 3) Elocutio: Die sprachliche Ausformulierung der Rede. Diese drei Stadien werden mit Hilfe von schriftlichen Texten bewerkstelligt. Den eigentliche Kern und die hohe Kunst der Rhetorik bilden jedoch die letzten beiden Produktionsstadien: 4) Memoria: Das Einprägen der ausformulierten Rede. 5) Actio: Der eigentlich Vortrag mit Einbezug der körperlichen Ressourcen. (Ueding 1994, S. 209)

Aus diesem Grund trat die schriftliche Komponente der Rhetorik in den Schatten der mündlichen Fertigkeit der Sprache und bildete somit nicht den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen.

3.2. Der Untersuchungsgegenstand des schriftlichen Textes Mitte des 20. Jahrhunderts

Wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Text haben nahezu konstant einen größeren Raum eingenommen (Jakobs/Knorr/Pogner 1999). Seit Mitte der 60er rücken Untersuchungen zu Textualitätsmerkmalen und –klassifikationen in den Fokus von Germanisten und Linguisten. Jedoch gibt es bisher kaum klaren Konsens über Begrifflichkeiten und Textmerkmale innerhalb dieser jungen Disziplin (Linke/Nussbaumer/Portmann 2001).

Schriftliche Texte werden heute als selbstverständlich angesehen. Sie haben eine zentrale Rolle in der Wissensvermittlung und vor allem auch Wissensaufbewahrung (Ballstaedt et al. 1981). Texte haben zum Vorteil, dass sie Wissen über Generationen hinweg realitätsunabhängig, das heißt ohne räumliche oder zeitliche Begrenzung, vermitteln können und vor allem in einer Art und Weise, welche zur Verständnissicherung des Rezipienten beiträgt: Texte können beliebig oft individuell in wiederholtem Maße gelesen werden und somit die je rezipientenabhängigen Wissenslücken schließen. Diese Garantie bietet das mündlich vermittelte Wissen nicht. Der Sprecher kann lediglich individuelle Bedürfnisse des Rezipienten beachten, sofern er Feedback, wie durch nonverbale Zeichen (Nicken, Stirn runzeln, etc.) oder auch Rückfragen, erhält und sich auch im Vorfeld über den Kenntnisstand des Hörers informiert.

Dieses steigende Interesse am Untersuchungsgegenstand Text ist vor allem auf den in den letzten Jahren zunehmenden durch Globalisierung bedingten technischen Fortschritt der Informationsvermittlung zurückzuführen: eine explosionsartige Ausbreitung der Massenmedien wie Zeitung, Zeitschriften und der Short-Message-Service (SMS) aufgrund des Handybooms, und die allgemeine Zugänglichkeit des WWW Anfang der 90er machen Text in schriftlicher Form zum alltäglichen Kommunikationsmittel. Sowohl Textproduktion als auch Textrezeption treten in den Fokus der Betrachtungen. Durch die Etablierung des WWW, hat das Interesse an Textproduktion erheblich zugenommen, da ein Publikum aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten, unterschiedlichen Alters, verschiedener Interessen erreicht werden soll. Eine neue Art Text entsteht, welche es in dieser Art und Weise in keinem anderen Medium zuvor gab: Hypertext. „Hypertext ist ein Organisationskonzept zur Präsentation beliebiger Inhalte in jedweder Form auf einem Bildschirm (und anderen Ausgabemedien). Dabei können Nutzer durch Auswahl kontextspezifischer Verweise auf konkrete Inhalte zurückgreifen.“ (Schweiger 2001, S. 23)

3.3. Untersuchungsgegenstand Text unter dem Fokus Adressatenorientierung

Über die inhaltliche Rezeption eines Textes im WWW sind wie bereits erwähnt noch keine allgemein anerkannten Erkenntnisse festgelegt worden. Daher gehe ich in den folgenden Ausführungen von der Textrezeption traditioneller Texte aus, welche sich im Wesentlichen nicht von der Rezeption von Texten im WWW unterscheiden sollte.

Zunächst gehe ich auf die Aspekte der Lesbarkeitsforschung ein, welche sich auf die Oberfläche des Textes, das Textbild, beziehen. Danach sollen die Forschungsrichtungen der kognitionspsychologischen sowie instruktionspsychologischen Verarbeitung erläutert werden.

3.3.1. Lesbarkeitsforschung

3.3.1.1. Erläuterung des Forschungsprogramms Lesbarkeit

Die oberflächliche Rezeption bezüglich der Rezeption der Textoberfläche einen Platz in der Forschungsrichtung der Lesbarkeit, jedoch wurden bei der Lesbarkeitsforschung inhaltliche Aspekte außer Acht gelassen und lediglich das Textbild untersucht.

Die Lesbarkeitsforschung, welche Mitte der 30er intensiv betrieben wurde und heute als abgeschlossen gilt (Christmann 1989, S. 11-12), beschäftigt sich mit den Elementen des Textbildes. Es werden die Elemente der Oberflächenstruktur eines Textes untersucht, welche „zur Leichtigkeit und Schnelligkeit des Textverstehens im Sinne der ‚Wort-für-Wort-Bedeutung’ […] beitragen.“ (Groeben 1982, S. 174). Das Forschungsprogramm der Leserlichkeit, welches sich vor allem auf typographische und graphische Aspekte der Text konzentrierte, stellt die Vorstufe der Lesbarkeitsformeln dar. Repräsentativ sind hierzu die Erkenntnisse von Bamberger et al. (1972, S. 113; nach Groeben 1982). Hier wurden Texte unter folgenden Aspekten untersucht:

1. Drucktype: Form, Breite, Höhe, Stärke, etc.;
2. Zeilenlänge: Langzeile, Halbzeile;
3. Zeilenabstand: Durchschuß in ‚Punkten’;
4. Farbe und Kontrast;
5. Druckanordnung: Wortgruppierung, Randgestaltung, Spaltendistanz, Satzanordnung;
6. Entfernung oder Größe;
7. Beleuchtung und Papierbeschaffenheit

(Bamberger et al. 1972, S. 115; s. auch Moyle 1971, S. 155; Zachrisson 1965; nach Groeben 1982, S. 174)

Die experimentelle Dimension dieser Aspekte behandelte Trinker (1963; 1965; 1966; nach Groeben 1982, S. 174). Er ging in seinen Experimenten nach folgenden Untersuchungskriterien bei seinen Versuchspersonen vor:

1. Wahrnehmungsgeschwindigkeit (tachistokopische Methode): Minimalzeit, die für das Erkennen einzelner Buchstaben notwendig ist;
2. Entfernungsschwellenwert der Wahrnehmung; Maximaldistanz, bis zu der das Erkennen einzelner Buchstaben möglich ist;
3. Erkennbarkeit im peripheren Lesefeld: bei seitlich erscheinenden Zeichen;
4. Visability meter: Herstellung des minimalen Helligkeitszustandes, bei dem dargebotene Zeichen erkannt werden können;
5. Focal variator-Methode: Herstellung einer minimalen Schärfe, von der ab dargebotene Zeichen erkannt werden können;
6. Lesegeschwindigkeit: Wörter pro Minute (wpm)

(Bamberger et al. 1972, S. 114 ff; nach Groeben 1982, S. 174-175)

Aufgrund dieser Untersuchung konnten folglich wichtige Erkenntnisse bezüglich der typographischen Textgestaltung festgehalten werden, wie zum Beispiel: Fettdruck verbessert zwar Erkennbarkeit, erhöht jedoch nicht die Geschwindigkeit des Lesevorgangs. Ähnlich wie Kursivdruck, welche zusätzlich als unangenehm beim Leser empfunden wird. Die optimale Buchstabengröße liegt zwischen 10 und 12 Punkt. Alles was darüber oder darunter liegt, wird verringert die Lesegeschwindigkeit (Groeben 1982, S. 175).

Mit Faktoren wie der Lesegeschwindigkeit beschäftigen sich auch die Begründer der Lesbarkeitsformeln. Diese sind Grundlage für das Forschungsprogramm der Textverständlichkeit. Sie gehen von folgender Methodik aus:

„Es werden eine Fülle von objektiv feststell- und auszählbaren Textmerkmalen untersucht, indem sie mit bestimmten Kriterienvariablen (wie Lesegeschwindigkeit etc.) statistisch in Verbindung gebracht werden; diese statistische Verbindung besteht zunächst in der Berechnung einer Korrelation, sodann bei entsprechend hohen Korrelationskoeffizienten in der Berechnung einer Regressionsformel, die für die empirisch wichtigsten Variablen die funktionale Relation zu dem Index der Lesbarkeit angibt. In einer solchen Lesbarkeitsformel sind also sprachliche Textmerkmale die Prädikator- (Voraussage-)Variablen für die (Ziel-) Kriteriumsvariable der Lesbarkeit.“

(Groeben 1982, S. 176)

Bedeutende Vertreter dieser Lesbarkeitsformeln sind die Dale-Chall-Formel (1948), die ‚Reading-Ease’-Formel von Flesch (1948) und die Farr-Jenkins-Peterson-Formel (1951). Diese Formeln sind im anglo-amerikanischen Sprachraum überprüft und angewendet worden und können deshalb nicht automatisch auf Texte anderer Sprachen übertragen werden. (Groeben 1982)

3.3.1.2. Relevanz für Untersuchungen auf Websites

Das textliche Element einer Website kann zwar leicht gespeichert und somit auch analysiert werden, doch treten hinsichtlich der Analyse des Textbildes, der äußeren Form erheblichen Schwierigkeiten aufgrund technischer Gegebenheiten auf. Die Daten erscheinen je nach Hardware (z.B. Monitor), Systemeinstellung (Schriftgröße, -art, Zeilenabstand, Auflösung, etc.) und Software (z.B. Browser) jeweils anders und lassen somit nur schwer Aussagen über die Rezipienteneigenschaften sowie deren Verhalten und auch Faktoren der Produktion, welche zu beachten sind zu (Beck 2006). Somit beschränken sich Inhaltsanalytiker meist auf die „Quantifizierung struktureller und formaler Merkmale oder die Erfassung der textuellen Botschaften“ (Beck 2006, S. 67). Daher sind auch derzeit keine Erkenntnisse über die „Verrechnung beim Rezipienten“ bekannt (Rössler 1997, S. 249; nach Beck 2006). Durch die freie Navigation des Users, seine Vorlieben, seine individuellen Nutzereigenschaften können nur schwer Aussagen über die Rezeption getroffen werden. Die Untersuchungsansätze der Lesbarkeitsforschung sind daher nicht ohne weitere Ergänzungen bezüglich des Mediums WWW auf die Untersuchungen von Websites zu übertragen.

In meiner Untersuchung zur Erläuterung von Websites werden textbildliche Aspekte ausgeschlossen, da aufgrund der oben dargestellten Probleme keine klaren und aussagekräftigen Ergebnisse hinsichtlich des Textbildes und seiner Wirkung gemacht werden können. Dies würde das Forschungsfeld des Mediengestalters einschließen.

Für den Zweck der Untersuchung ist der Text primär signifikant.

3.3.2. Forschungsrichtungen der Textverarbeitung

Die wissenschaftlichen Arbeiten zu Text und dessen inhaltliche Rezeption, welche beim Leseverhalten im WWW eintritt, sobald ein Text als relevant erachtet wird, sowie Verständlichkeit können in zwei grobe Forschungsbereiche eingeteilt werden (Christmann 1989): die instruktionspsychologischen und die kognitionspsychologischen Ansätze zur Textverarbeitung. Das übergeordnete Ziel beider Richtungen bildet die Identifikation von Merkmalen, welche das Verstehen und Behalten eines Textes beeinträchtigen. Beide Ansätze haben sich jedoch getrennt von einander entwickelt und erfahren nun seit einigen Forschungsjahren eine gegenseitige Zuwendung (Christmann 1989, S. 3).

3.3.2.1. Kognitionspsychologische Ansätze zur Textverarbeitung

Die kognitionspsychologischen Ansätze zur Textverarbeitung stellen die neueren Forschungserkenntnisse dar. Im Mittelpunkt stehen kognitive Prozesse. Basis der Modellbildung sind sprach- und gedächtnispsycholgische Prinzipien um Wort- sowie Satzverstehen explizit zu machen. Ferner bilden propositionale Beschreibungsmodelle, makrostrukturelle Forschungsansätze, um globale Textstrukturen zu erfassen, sowie „die schematheoretische Verarbeitung des Textverarbeitungsprozesses.“ (Christmann 1989, S. 3) Die neuesten Formen dieser Richtung bilden die Darstellungen neuerer mentaler Modellansätze.

„Kennzeichnend für diese Richtung ist die grundlagentheoretische Orientierung sowie das Bemühen, die Textstruktur möglichst objektiv (das heißt intersubjektiv maximal präzise) zu beschreiben, psychologisch relevante Einheiten der Textverarbeitung zu identifizieren und deren Einfluss auf den Verarbeitungsprozeß empirisch zu überprüfen.“ (Christmann 1989, S.3)

Um die Textverarbeitungsprozesse zu erklären geht man in der Kognitionspsychologie von den so genannten Propositionen aus, welche sehr kleine Einheiten der Textverarbeitung und –bedeutung darstellen. Erst später beschäftigten sich die Wissenschaftler in ihren Untersuchungen mit größeren Verarbeitungseinheiten und zieht verstärkt das Vorwissen des Lesers in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Chronologisch gesehen wurden in der Kognitionspsychologie folgende Modelle entwickelt: propositionale Modelle, Netzwerkmodelle, semantische Makrostrukturen, schematheoretische Ansätze und mentale Modelle. (Göpferich 2002, S. 115)

Vertreter der Kognitionspsychologie sind Kintsch (propositionales Textverarbeitungsmodell 1974), Meyer (1975), Norman & Rumelhart (1975), Beaugrande (1980), Graesser (1981), um die wichtigsten Namen zu nennen.

An dieser Stelle soll als Vertreter der kognitionspsychologischen Forschung das Strategiemodell Kintsch & van Dijk (1983), welches unter die mentalen Modelle eingeordnet wird, skizziert werden.

Strategiemodell nach van Dijk & Kintsch (1983)

Das Strategiemodell nach van Dijk & Kintsch (1983) lässt sich in den Forschungsbereich der mentalen Modelle der Kognitionspsychologie einordnen. Bei den mentalen Modellen ist die Grundannahme, dass man hinsichtlich der Textbedeutung eine Repräsentation auf zwei Seiten stattfindet: zum einen, wie in der Kognitionspsychologie geläufig, durch Propositionen, zum anderen durch eine Konstruktion von imaginären Bildern von Situationen, Sachverhalten, Ereignissen und Handungen auf der Basis von Propositionen, welche mentale Modelle genannt werden. Die mentalen Modelle sind Abbild von bestimmten Realitätsbereichen, jedoch sind diese Bilder einfacher gestaltet als jene realen Situation, für welche sie stehen (Johnson-Laird, S. 10; nach Göpferich 2002, S. 132). Mentale Modelle können zu folgenden Handlungen Hilfestellung sein:

- Ziehen von Inferenzen
- Treffen von Vorhersagen
- Verstehen von Phänomenen
- Treffen von Handlungsentscheidungen
- Kontrolle der Handlung

(Göpferich 2002, S. 132)

Das Strategiemodell nach van Dijk & Kintsch (1983) stellte einen exemplarischen Vertreter der mentalen Modelle dar. Nach Christmann (1989) haben jene den „elaboriertesten und umfassendsten Entwurf eines Textverarbeitungsmodells im Rahmen mentaler Modelle“ (Christmann 1989, S. 91) entwickelt.

Van Dijk & Kintsch (1983) gehen wie bereits skizziert von einer dualen Repräsentation aus: Zum einen durch Propositionen und zum anderen aber auch durch den Aufbau eines inneren Situationsmodells, welches Ereignisse, Handlungen, Personen, Situationen, Erfahrungen und allgemeines Weltwissen beinhalten, repräsentiert. Die Inhalte des Textes werden während der Rezeption mit dem aufgebauten Situationsmodell verglichen und an dieses angeknüpft, das heißt neue Information wird mit bereits gespeichertes Vorwissen im Gedächtnis verknüpft. (Christmann 1989, S. 91)

Das Modell geht von folgenden Annahmen aus:

1. Textverstehen gestaltet sich als konstruktiver Prozess.
2. Textverstehen gestaltet sich als interpretativer Prozess.
3. Beim Textverstehensprozess wird die Textbedeutung Schritt für Schritt und kontinuierlich aufgebaut.
4. Während den Prozessen 1., 2., 3, wird auf bereits gespeichertes Wissen zurückgegriffen und dieses mit den neuen Informationen verglichen sowie verknüpft.
5. Das Zugreifen, Vergleichen und Anknüpfen mit Vorwissen ist ein strategisch flexibler Vorgang, der vom Rezeptionsziel gelenkt wird.
6. Der Verstehensprozess wird sowohl von der Funktion des Textes im sozialen Kontext, von der Sprecher-/Autorintention beeinflusst sowie von der pragmatisch, interaktiven und situativen Einbettung des Textes.

(van Dijk / Kintsch 1983, S. 6 ff; nach Christmann 1989, S. 91)

Empirisch ist das Strategiemodell nach von Dijk & Kintsch (1983) nicht überprüfbar. Dies liegt an seinem Allgemeinheitschrakter. Nach Dijk & Kintsch (1983) soll das Strategiemodell einen Metarahmen für weitere Bildung von Theorien in der Textverarbeitungsforschung darstellen. Ferner stellt es auch einen Rahmen für die große Masse an empirischen Arbeiten zu Verstehensprozessen dar und klassifiziert so jene Arbeiten als relevant oder irrelevant für den Forschungsbereich der Textverarbeitung.

(Christmann 1989, S. 90 – 93)

Die Modelle der kognitionspsychologischen Forschung eigenen sich jedoch für die Untersuchung der Erläuterungen zu Coaching auf Websites nur bedingt, da Fokus in den kognitionspsychologischen Untersuchungen auf die Rezipientenseite und dessen kognitiven Vorgänge gelegt wird. Bei der Informationsübermittlung auf Websites kann jedoch aufgrund der Zugänglichkeit für eine breite Bevölkerungsmasse keine genaue Aussage über potentielle Rezipienten getroffen werden. Zudem stehen im Mittelpunkt der Untersuchung, nicht nur der Textrezipient im weitesten Sinne, das heißt hinsichtlich der Wirkung des Textes, sondern die inhaltliche und intentionale Komponente des Textes aufgrund seiner textlichen Darstellung.

3.3.2.2. Instruktionspsychologische Ansätze der Textverarbeitung

Die Basis der instruktionspsychologsichen Ansätze bildeten die Erkenntnisse der Lesbarkeits- und psycholinguistischen Syntaxforschung. Kennzeichen dieser Forschungsrichtung ist die Herausarbeitung von Merkmalen, welche relevant für das Verstehen und Behalten von Texten sind, um von diesen Erkenntnissen Regeln zur Textoptimierung ableiten zu können. Man geht von komplexen lerntheoretisch begründbaren „Merkmalen der kognitiven Wissensstruktur des Rezipienten“ (Christmann 1989, S. 2) aus. Zu den instruktionspsychologischen Ansätzen zählen folgenden Modelle: Lerntheorie nach Ausubel (1963), das Modell der mathemagenen Motivierung nach Rothkopf (1970), die Erkenntnisse der Hamburger Psychologen Langer, Schulz von Thun und Tausch (1974) und Norbert Groeben (1972) zur Textverständlichkeit, moderne textbezogene Lernstategien nach Holley & Dansereau (1984).

(Christmann 1989, S. 2)

Die instruktionspsychologischen Ansätze zur Textverarbeitung, speziell die Untersuchungen zur Textverständlichkeit nach Langer, Schulz von Thun, Tausch (1974) und Groeben (1972) sollen nun im Folgenden erläutert.

[...]


[1] Oftmals wird Projekt-Coaching noch als weitere Gattung aufgeführt. Diese lässt sich jedoch unter Gruppen-Coaching einordnen, da es sich um eine Maßnahme mit mehreren Menschen, in einer Gruppe handelt, welche lediglich im Rahmen eines bestimmten Projektes abgehalten wird.

[2] Darunter zählen auch neben den Anforderungen an eine Führungskraft, Mitarbeiterführung bei Change-Prozessen, Fach-Coachings, beispielsweise bei der Einführung neuer Technologien.

[3] Aus Gründen der Anonymität wird auf Wunsch der betroffenen Person auf Nennung von Namen verzichtet.

[4] Aus Gründen der Anonymität wird auf Wunsch des Unternehmens der Name nicht genannt.

[5] In den oberen Führungsebenen, konnte sich Coaching bereits aufgrund der früheren Einführung in den 80ern gut als Hilfe für best qualifizierte Arbeitnehmer durchsetzen.

[6] Aus Gründen der Anonymität wird auf Wunsch des Unternehmens der Name nicht genannt.

Ende der Leseprobe aus 162 Seiten

Details

Titel
Komplexe Informationen über Websites - Eine Untersuchung zur Erläuterung von Coaching
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Psycholinguistik)
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
162
Katalognummer
V117981
ISBN (eBook)
9783640254705
ISBN (Buch)
9783640254866
Dateigröße
1736 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Komplexe, Informationen, Websites, Eine, Untersuchung, Erläuterung, Coaching
Arbeit zitieren
Dr. Susanne Dietz (Autor:in), 2006, Komplexe Informationen über Websites - Eine Untersuchung zur Erläuterung von Coaching, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117981

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