Verhaltensökonomie und Patientenverhalten. Wie können finanzielle Anreizsysteme chronisch kranke Patienten bei der Medikamenteneinnahme unterstützen?


Bachelorarbeit, 2020

54 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Executive Summary

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Compliance

2.1 Begriffserklärung

2.2 Ursachen von Non-Compliance

2.3 Folgen von Non-Compliance

2.3.1 Finanzielle Folgen von Non-Compliance

2.3.2 Gesundheitliche Folgen von Non-Compliance für Patienten

2.4 Non-monetäre Anreize zur Erhöhung der Medikamenten-Compliance

3 Finanzielle Anreizsysteme

3.1 Theoretische Grundlagen

3.1.1 Prinzipal-Agenten-Theorie

3.1.2 Kosten-Nutzen-Analyse

3.2 Finanzielle Anreize in der Arbeitsökonomie

3.2.1 Akkordlohn

3.3 Finanzielle Anreizsysteme in der Gesundheitsökonomie

3.4 Ethische Ansichten

4 Verhaltensökonomie

4.1 Allgemeine theoretische Grundlagen

4.2 Pay for Performance

4.3 Prospect Theory

4.3.1 Loss Aversion

4.3.2 Regret Lottery

4.3.3 Copayment

4.4 Mental Accounting

4.4.1 Deposit Contract

4.5 Choice Bracketing

4.5.1 Bonus

5 Beeinflussung der Medikamenten-Compliance

5.1 Vorstellung der Studien

5.2 Effektivität des Anreizsystems Regret Lottery

5.3 Effektivität des Anreizsystems Copayment

5.4 Effektivität des Anreizsystems Deposit Contract

5.5 Effektivität des Anreizsystems Bonus

6 Kritische Würdigung

7 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang


Abkürzungsverzeichnis

 

CBA               Kosten-Nutzen-Analyse

P4P                 Pay for Performance

P4P4P             Pay for Performance for Patients

1         Einleitung

 

Chronische Krankheiten sind ein Thema mit steigender Relevanz, da zunehmend mehr Menschen von ihnen betroffen sind. Alleine in Amerika haben 60% der Erwachsene eine chronische Krankheit, 40% sogar mehr als eine (CDC 03.12.2019). Zusätzlich ist die häufigste Todesursache weltweit eine chronische Krankheit (Statistica 07.12.2019). 2016 starben in Ländern mit hohem Einkommen ca. 147 Einwohner (pro 100.000) an der ischämischen (koronaren) Herzkrankheit. In niedrigen Einkommensländern kam es zu 53 Todesfällen pro 100.000 Einwohner. Generell sind 86% der Todesfälle in der Europäischen Region bedingt durch chronische Krankheiten (Sonnenmoser 2009: 2080) und 50% der in Deutschland lebenden chronisch Kranken im Alter von 60 Jahren und älter sind regelmäßig in Behandlung (Statistica 07.12.2019).

 

Chronische Krankheiten kann man allgemein als Krankheiten definieren, die ein Jahr oder länger andauern, eine kontinuierliche medizinische Versorgung erfordern (CDC 03.12.2019) und häufig sogar für den Rest des Lebens andauern (Dowrick et al. 2005: 1). Zusätzlich können sie die täglichen Aktivitäten des Lebens einschränken. Beispiele für weit verbreitete chronische Krankheiten sind: Kardiovaskuläre Herzkrankheiten, verschiedene Formen von Arthritis, Atemwegprobleme (z. B. Asthma), Epilepsie, obstruktive (atemwegsverengende) Lungenerkrankungen, HIV/AIDS und bestimmte Krebsarten (Dowrick et al. 2005: 1). Die genannten Krankheiten haben verschiedene Krankheitsverläufe und können verschieden lang andauern. Einige führen sehr wahrscheinlich zum Tod, während andere zwar nie geheilt werden können, jedoch nicht unbedingt tödlich enden. Hauptursachen von chronischen Krankheiten sind mangelnde physische Aktivitäten, schlechte Ernährung, exzessiver Alkoholkonsum oder Rauchen (CDC 03.12.2019).

 

Die weltweit immer weiter ansteigenden Zahlen der chronisch kranken Patienten rückt die Notwendigkeit geeigneter Therapieformen in den Fokus. Eine erfolgreiche Therapie beinhaltet die korrekte Befolgung der Anweisungen der Gesundheitsexperten durch die Patienten (WHO 2003). Dies trifft durchschnittlich nur für 20-50% der Patienten zu (DiMatteo 2004; Sackett/Snow 1979 zitiert nach Haynes et al. 2002: 2). Medikamenten-Non-Compliance erschwert bzw. verhindert den Therapieerfolg und es können hohe Kosten für Gesundheitssysteme entstehen (Cutler et al. 2018). Daher besteht die Herausforderung darin, chronisch kranke Patienten nicht nur über einen längeren Zeitraum mit Medikamenten zu versorgen, sondern auch sicherzustellen, dass diese korrekt eingenommen werden. Finanzielle Anreizsysteme könnten die Medikamenten-Compliance von chronisch kranken Patienten erhöhen. Laut Sutherland, Christianson und Leatherman (2008: 38) gelten finanzielle Anreize als motivierend für das persönliche gesundheitsfördernde Verhalten. Jedoch sind finanzielle Anreize allein nicht genug, um das Verhalten von Patienten zu verändern, sondern es sollten auch verhaltensökonomische Konzepte einbezogen werden (Djawadi/Fahr/Turk 2016: 2). So müssen psychologische Faktoren, wie z. B. kognitive Verzerrungen, berücksichtigt werden, um den Entscheidungsprozess und somit auch das Verhalten des Patienten zu beeinflussen (Djawadi/Fahr/Turk 2014: 814f.).

 

Es ist bekannt, dass herkömmliche Anreize nicht ausreichen, um Compliance zu erreichen, sondern Anreize basierend auf den Konzepten der Verhaltensökonomie gesetzt werden sollten. Jedoch ist in der bisherigen Literatur noch nicht herausgearbeitet worden, wie genau die finanziellen Anreize aufgebaut und gesetzt werden müssen, um eine möglichst große Steigerung der Medikamenten-Compliance zu erreichen. Aus diesem Grund beschäftigt sich diese Abschlussarbeit mit der Forschungsfrage, inwieweit Aufbau und Durchführung von finanziellen Anreizsystemen zusammen mit verhaltensökonomischen Konzepten die Medikamenten-Compliance von chronisch kranken Patienten beeinflussen. Die Beantwortung der Forschungsfrage ist nicht nur für behandelnde Ärzte und andere Beteiligte wichtig, sondern auch für Pharmaunternehmen, Krankenkassen und den Staat allgemein. Ein Grund dafür ist, dass durch Medikamenten-Non-Compliance jährlich geschätzte Kosten von mehr als 100 Milliarden USD entstehen (Dunbar-Jacob/Mortimer-Stephens 2001: 1).

 

Das Ziel dieser Arbeit ist es, den Aufbau und die Durchführung von verschiedenen finanziellen Anreizsystemen, die in Verbindung mit verhaltensökonomischen Konzepten erstellt wurden, anhand von Studien vorzustellen und deren Effektivität entsprechend zu analysieren und herauszuarbeiten. Dabei soll sich herausstellen, ob und welche Methoden möglicherweise effektiver sind als andere.

 

Im Anschluss an die Einleitung folgt das Kapitel Compliance, welches neben der allgemeinen Definition von Compliance und Non-Compliance auch den aktuellen Stand bezüglich Zahlen/Verbreitung von Non-Compliance und ihre Auswirkungen auf Kosten und Patientengesundheit behandelt. Außerdem werden Studien vorgestellt, die sich mit non-finanziellen Anreizsystemen beschäftigen. Als nächstes wird in Kapitel 3 eine Einführung in die theoretischen Grundlagen der Prinzipal-Agenten-Theorie und der Kosten-Nutzen-Analyse gegeben. Anschließend werden finanzielle Anreize in der Arbeitsökonomie behandelt, um darauffolgend finanzielle Anreize in der Gesundheitsökonomie zu erläutern. Zusätzlich werden verschiedene ethische Ansichten in Bezug auf finanzielle Anreizsysteme und das Beeinflussen des Patientenverhaltens vorgestellt. In Kapitel 4 wird auf die Verhaltensökonomie eingegangen und die dazugehörigen Theorien, Prospect Theory, Mental Accounting und Choice Bracketing, erläutert. Aufbauend auf diesen Theorien werden verschiedene Arten von finanziellen Anreizen vorgestellt. In Kapitel 5 werden Studien zur Beeinflussung der Medikamenten-Compliance durch finanzielle Anreize mit verhaltensökonomischen Konzepten diskutiert. Abschließend werden in Kapitel 6 die betrachteten Studien kritisch bewertet und in Kapitel 7 die wichtigsten Elemente und Erkenntnisse sowie auch die Limitationen dieser Arbeit hervorgehoben und mögliche Forschungsperspektiven dargelegt.

2         Compliance

 

Im folgenden Kapitel wird der Fokus auf Compliance und Non-Compliance gelegt, um den zentralen Begriff dieser Arbeit zu erläutern. Es werden Ursachen und Folgen der Non-Compliance behandelt und anschließend non-monetäre Anreize vorgestellt, die bisher eingesetzt wurden, um Medikamenten-Compliance bei Patienten zu steigern.

 

2.1       Begriffserklärung

 

Der Begriff Compliance ist ein Hauptbestandteil dieser Arbeit und somit ist es essenziell, nicht nur Compliance, sondern auch Non-Compliance zu erläutern. Cramer et al. (2008: 46) definieren die Einhaltung von Medikamenten (Medikamenten-Compliance) als Einhaltung der Empfehlung des Anbieters in Bezug auf Zeitpunkt, Dosierung und Häufigkeit der Medikamenteneinnahme. Ein weiterer Begriff, der ähnliches beschreibt, ist Adhärenz. Dieser wird von der WHO (2003: 3) als das Ausmaß des Verhaltens einer Person bezüglich Einnahme von Medikamenten, Befolgung einer Diät und/oder Durchführungen von Lebensstiländerungen definiert. Er bezeichnet das Ausmaß, in dem das Verhalten mit den vereinbarten Empfehlungen eines Gesundheitsexperten übereinstimmt. Des Weiteren beschreibt der Begriff ein therapeutisches Verhalten, das unter anderem ärztliche Hilfe suchen, Medikamente angemessen einnehmen und Selbstmanagement von Asthma oder Diabetes einschließt. Dabei sollte der Patient ein aktiver Mitarbeiter im Behandlungsprozess sein, welches laut WHO ein signifikanter Unterschied zwischen Adhärenz und Compliance ist (WHO 2003: 4). Abgesehen von diesem Unterschied werden die Begriffe Compliance und Adhärenz in der Literatur jedoch häufig synonym verwendet, da die Begriffsunterschiede marginal sind und meist auch nicht klar voneinander abgegrenzt werden (Cramer et al. 2008: 44f.). In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe ebenfalls synonym verwendet, um auf eine größere Brandbreite von Literatur zugreifen zu können.

 

Mit den nun definierten Begriffen Compliance und Adhärenz lassen sich Non-Compliance und Non-Adhärenz ableiten. Non-Compliance bzw. Non-Adhärenz ist demnach eine nichtvorhandene Mitarbeit des Patienten und beinhaltet eine mangelhafte Einnahme (inkorrekte Dosierung, Häufigkeit und Zeitpunkt) der Medikamente. Entsprechend der Definition der WHO würde Non-Compliance das Nichteinhalten von Empfehlungen eines Gesundheitsexperten und das Nichtbefolgen von Diäten und/oder Lebensstiländerungen umfassen.

 

2.2       Ursachen von Non-Compliance

 

Laut Chisholm (2002: 573f.) gibt es vier Hauptfaktoren, die die Compliance des Patienten beeinflussen: Motivation, Wissen, Zugang und Fähigkeiten. Motivation ist der zentrale Kern für Compliance, da diese die anderen Faktoren stark beeinflusst. Sie beinhaltet Ansichten, Werte und die Bereitschaft eines Patienten Compliance zu erreichen. Wissen spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, denn ohne korrekte und ausreichende Informationen über die Einnahme der Medikamente ist die Befolgung der ärztlichen Empfehlungen nicht möglich. Bei der Vermittlung der Informationen muss der Bildungsstand des Patienten berücksichtig werden. Zu beachten ist, dass jedes Individuum Informationen unterschiedlich aufnimmt und verarbeitet. Weiterhin spielen der Zugang zu den Medikamenten und zur Betreuung durch medizinisches Fachpersonal sowie die Fähigkeiten sich diese zu beschaffen, eine wesentliche Rolle für Compliance. Laut Rhodes (14.12.2019) sind weitere Gründe für Non-Compliance zum einen die fehlenden finanziellen Mittel für Medikamente und zum anderen negative Ansichten. Patienten könnten Angst haben, von den Medikamenten abhängig zu werden oder sind nicht von der Wirkung der Medikamente überzeugt. Außerdem kann sich der Eindruck, nicht von seinem Arzt verstanden zu werden, wie auch die Angst, dass das Einnehmen von bestimmten Medikamenten einen negativen Einfluss auf den bisherigen Lebensstil hat ebenfalls negativ auf Compliance auswirken.

 

2.3       Folgen von Non-Compliance

 

„The economic, clinical and humanistic consequences of medication non-adherence will continue to grow as the burden of chronic diseases grows worldwide.” (Cutler et al. 2018: 9) Mit einer nichtvorhandenen Medikamenten-Compliance gehen einige Risiken für Patienten und Gesundheitssysteme einher. Im Folgenden werden auf finanzielle, wie auch gesundheitliche Folgen eingegangen.

 

2.3.1        Finanzielle Folgen von Non-Compliance

 

Laut IMS (2012: 6) werden Ressourcen des Gesundheitssystems und des Arzneimittelbudgets unnötig ausgegeben, wenn Medikamente suboptimal eingesetzt bzw. eingenommen werden. Dadurch kann die Produktivität des Gesundheitssystems geschwächt werden. Kosten, die durch Non-Compliance entstehen, machen 57% der weltweit vermeidbaren Kosten aus. Insgesamt können Ausgaben in Höhe von 269 Mrd. USD durch korrekte Medikamenteneinnahme vermieden werden (IMS 2012: 36).

 

In einer systematischen Review von Cutler et al. (2018) wurden 79 Studien betrachtet, die Kosten für Non-Compliance von verschiedenen Krankheitszuständen untersuchten. Insgesamt wurden Kosten von 14 verschiedenen Krankheiten einbezogen, darunter Diabetes, Epilepsie, HIV/AIDS und Krebs. Cutler et al. (2018: 9) heben hervor, dass generell alle Kosten durch Non-Compliance ansteigen, je nach Krankheit jedoch unterschiedlich stark. Die angepassten Gesamtkosten von allen Krankheiten liegen zwischen 949 - 52.341 USD p. a. pro Person (2018: 4). Die große Spannweite der Gesamtkosten lässt sich auf unzureichende Informationen der Studien bezgl. einer Abgrenzung der Unterteilung der Kosten und der Indikatoren zur Messung der Kosten zurückführen (2018: 9). Generell sind laut Cutler et al. (2018:5) direkte Kosten bei allen Krankheiten größer als indirekte. Direkte Kosten umfassen Krankenhauskosten, wie z. B. Medikamentenkosten und medizinische Versorgung. Des Weiteren gehören zu den direkten Kosten auch Kosten, die zwar außerhalb des Krankenhauses entstehen, jedoch eng damit verbunden sind. Dazugehören z. B. Krankenwagen- und Notfallkosten oder medizinische Labore (Hepke/Martus/Share 2004: 150). Indirekte Kosten beinhalten beispielsweise Produktivitäts- und Sozialhilfekosten, welche durch die Arbeitsunfähigkeit des Patienten entstehen (Elliott et al. 2008: 600). Bei dem Review von Cutler et al. ist allerdings zu beachten, dass 66 der 79 untersuchten Studien aus Amerika stammen (2018: 19). Da die Gesundheitskosten in den USA deutlich teurer sind als beispielsweise in Deutschland, führen die Zahlen zu Verzerrungen, wenn man die allgemeinen, weltweiten finanziellen Folgen von Non-Compliance betrachtet. Allerdings sind die amerikanischen Kosten ein Anhaltspunkt, um die Wichtigkeit der Entwicklung von Maßnahmen, Medikamenten-Compliance zu steigern und beizubehalten, aufzuzeigen.

 

2.3.2        Gesundheitliche Folgen von Non-Compliance für Patienten

 

Laut Cutler et al. (2018: 1) ist die beabsichtigte und unbeabsichtigte Non-Compliance ein weitverbreitetes und anhaltendes Gesundheitsproblem. Die gesundheitlichen Folgen können je nach Krankheit variieren und haben in jedem Fall negative Konsequenzen. Wenn HIV Patienten die antiretrovirale Therapie nicht einhalten, könnte sich das Virus zu AIDS entwickeln und die Entwicklung von resistenten Viren kann ebenfalls nicht verhindert werden (Rudy et al. 2009: 185). Bei Typ 2 Diabetes führt Non-Compliance zu einer erhöhten Todesrate. Zusätzlich war die Anzahl der Krankenhauseinweisungen durch fehlende Compliance die zweithöchste, direkt hinter psychischen Krankheiten (Blackburn/Swidrovich/Lemstra 2013: 183). Laut einer Umfrage bezüglich Psychotherapie-Compliance, durchgeführt von der World Federation of Mental Health, kommt es bei Nichteinhaltung der Therapie sogar zu erhöhten Selbstmordversuchen (22%) und die Arbeitsunfähigkeit der Patienten steigt um 72% (World Federation of Mental Health 2006 zitiert nach Emsley 2013: 235). Generell verschlechtert sich bei den meisten chronischen Krankheiten der Gesundheitszustand und die Todesrate steigt.

 

2.4       Non-monetäre Anreize zur Erhöhung der Medikamenten-Compliance

 

Die Wirkung von Anreizen ist ein zentraler Bestandteil dieser Arbeit und wird wie folgt definiert:

 

„In der wissenschaftlichen Literatur werden Anreize als Instrumente aufgefaßt, die das Leistungsverhalten der Mitarbeiter positiv (im Hinblick auf das unternehmerische Zielsystem) steuern sollen“ (Grewe 2012: 8).

 

Buchan, Thompson und O’May (1980: 3) beziehen sich in ihrer Definition des Begriffs mehr auf die Bezahlung, die im Gegenzug von einer Handlung stattfindet. Laut ihnen sind Anreize eine bestimmte Form von Zahlungen, mit der eine Veränderung des Verhaltens erreicht werden soll. Dabei kann die Form der Bezahlung stark variieren und bezieht sich nicht nur auf monetäre Zahlungen in Form von Geld. Bezahlungen können beispielsweise in Form von Gutscheinen oder sozialer Anerkennung auftreten. Basierend auf den beiden Definitionen können Anreize als monetäre und non-monetäre Formen aufgefasst werden, die gezielt Einfluss auf das Verhalten von Personen haben sollen, um Handlungen und/oder Denkweisen zu verändern oder in eine bestimmte Richtung zu bewegen.

 

Eine Form von non-monetären Anreizen zur Erhöhung der Non-Compliance kann ein Erinnerungssystem sein. In einer Studie von Choudhry et al. (2017) wurden drei verschiedene Pillenboxen untersucht, die durch Erinnerungen Medikamenten-Compliance von chronisch kranken Personen erhöhen sollen. Das Ergebnis der Studie zeigt jedoch, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Pillenbox-Gruppen und der Kontrollgruppe gab.

 

In einem systematischen Review wurden 17 verschiedene Studien analysiert, die sich mit Interventionen zur Verbesserung von Medikamenten-Compliance im Jugend- und Kindesalter beschäftigen (Dean/Walters/Hall 2010). Die Studien setzen sich mit Bildungsinterventionen, Verhaltensmanagement und der Kombination aus beidem auseinander. Die Bildungsinterventionen beinhalten verbale oder schriftliche Informationen über die Art der Krankheit und die Wichtigkeit wie auch die Vorteile einer Behandlung. Die Verhaltensmanagement-Studien beinhalten hingegen Vorgehensweisen wie z. B. Medikamenteneinnahme zu belohnen oder mit der täglichen Routine in Verbindung zu bringen. Insgesamt hat sich jedoch keine klare Verbesserung der Compliance feststellen lassen. Die Kombination aus Bildung und Verhaltensmanagement zeigte sogar niedrigere Compliance Werte als die Kontrollgruppe.

 

Die Studien zeigen, dass non-monetäre Anreize häufig nicht ausreichen, um Medikamenten-Compliance bei chronisch kranken Patienten zu steigern. Ob Patientenaufklärung über die Folgen von Non-Compliance oder der Einsatz von Erinnerungssystemen: Medikamenten-Compliance wird selten signifikant erhöht. Dies unterstreicht die Wichtigkeit, finanzielle Anreizsysteme in Verbindung mit verhaltensökonomischen Konzepten zu untersuchen, um eine effektivere Methode zur Erhöhung der Patienten-Compliance zu finden.

3         Finanzielle Anreizsysteme

 

Ein Anreizsystem ist

 

„... die Gesamtheit der von einem Individuum oder von einer Gruppe gewährten materiellen und immateriellen Zahlungen, die für den Empfänger einen subjektiven Wert (Anreizwert, Befriedigungswert, Valenz, Nutzen) besitzen“ (Ackermann 1974: 156 zitiert nach Grewe 2012: 9).

 

Finanzielle Anreize haben eine motivierende Wirkung und können daher helfen, Gesundheitsverhalten zu verändern (Sutherland/Christianson/Leatherman 2008: 38 f.). Sie lassen sich in direkte und indirekte Anreize unterteilen und können viele verschiedene Formen annehmen. Zu den direkten finanziellen Anreizen gehören bspw. Bargeld, Lotterien und Geschenke, während zu den indirekten Anreizen kostenlose oder vergünstigte Produkte und Dienstleistungen gehören.

 

3.1       Theoretische Grundlagen

 

Im Folgenden werden zwei zentrale Modelle vorgestellt, die zum Verständnis der Wirkung von Anreizsystemen beitragen können: Zum einen die Prinzipal-Agenten-Theorie und zum anderen die Kosten-Nutzen-Analyse.

 

3.1.1        Prinzipal-Agenten-Theorie

 

Laut Königstein (2001: 548) ist die Prinzipal-Agenten-Theorie ein wesentlicher Bestandteil der Institutionsökonomie. Sie befasst sich mit der Beziehung bzw. mit dem Vertrag zwischen dem Prinzipal (Auftraggeber) und dem Agenten (Auftragnehmer). Prinzipal und Agent können viele verschiedene Wirtschaftssubjekte sein, wie z. B. Staat und Steuerpflichtiger oder Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Im Wesentlichen geht es darum, dass der Prinzipal dem Agenten eine Aufgabe zuteilt und ein Vertrag abgeschlossen wird. Der Vertrag dient dazu, die nötigen Randbedingungen zu klären (Jost 2001: 13). Zudem wird ein Entlohnungsanspruch festgelegt. Dieser sollte Anreize beinhalten, damit der Agent im Interesse des Prinzipals handelt (Jost 2001: 19) und mögliche Interessenkonflikte minimiert werden. Zudem sollte beachtet werden, dass der Entlohnungsanspruch mindestens dem Reservationsnutzen (erforderlicher Mindestnutzen (Oxford Reference 25.01.2020)) des Agenten entspricht, aber besser noch den Arbeitseinsatz deckt, den der Prinzipal vom Agenten erwartet (Königstein 2001: 548; Erlei/Leschke/Sauerland 2016: 104). Andernfalls würde der Agent nicht den Vertrag eingehen oder mehr in seinem eigenen Interesse handeln. Grund dafür ist, dass beide Wirtschaftssubjekte nutzenmaximierend handeln (Erlei/Leschke/Sauerland 2016: 104).

 

Laut Meinhövel (2004: 471) kann die Beziehung zwischen Agenten und Prinzipal drei weitere Probleme beinhalten. Diese können durch opportunistisches Verhalten des Agenten gegenüber dem Prinzipal und der vorherrschenden Informationsasymmetrie ausgelöst werden. Verdecktes Handeln beinhaltet die Möglichkeit des Agenten, Handlungen auszuführen, die vom Prinzipal nicht oder nur unter hohen Kosten einsehbar sind. Auch nach Erfüllung der Aufgaben sind diese Handlungen meist nicht nachvollziehbar. Ein weiteres Problem kann durch verdeckte Informationen entstehen, die bei der Ausführung des Auftrags entstehen. Der Agent kann wichtige Informationen erlangen, die z. B. Chancen und Risiken beinhalten, welche jedoch nicht von dem Agenten genutzt oder verhindert werden können. Der Prinzipal kann diese Informationen nicht beobachten und durch das opportunistische Verhalten des Agenten entsteht ein moralisches Risiko. Ein drittes Informationsproblem sind die verdeckten Eigenschaften. Der Begriff beinhaltet versteckte Eigenschaften des Agenten, welche oftmals nicht von beiden Vertragspartnern (insbesondere vor Vertragsabschluss) einsehbar sind und Einfluss auf die Auftragsdurchführung haben. Des Weiteren kann es durch Informationsasymmetrie vor Vertragsabschluss zu einem Marktversagen kommen. Diese Art des Marktversagens wird als adverse Selektion bezeichnet. Nach Erlei, Leschke und Sauerland (2016: 71f.) setzt der Prinzipal Maßnahmen zur Überwachung und Kontrolle ein und setzt Anreize, um den Handlungsfreiraum des Agenten zu steuern. Die anfallenden Kosten sind sogenannte Agency Kosten und sollten möglichst gering gehalten werden.

 

3.1.2        Kosten-Nutzen-Analyse

 

Die Entscheidung ein Medikament einzunehmen oder sich in einer Arztpraxis impfen zu lassen, wird oftmals durch die sogenannte Kosten-Nutzen-Analyse (CBA) bewertet und getroffen. Das Ziel der CBA ist es, ein Verfahren zur Bewertung von Entscheidungen und deren Konsequenzen bereitzustellen (Brent 2014: 909). Dabei soll der Input, also die Kosten, gegen den Outcome (Nutzen) abgewogen und, wenn möglich, monetär bewertet werden (Robinson 1993: 942). In der Theorie wird eine Handlung ausgeführt, wenn der Nutzen größer ist als die Kosten. Wenn die Kosten größer sind, wird abgelehnt. In der Realität treten jedoch Beschränkungen auf. Es muss beachtet werden, dass die Verwendung von Ressourcen (Zeit, Geld etc.) für den einen Zweck, die Verwendung der Ressourcen für einen anderen Zweck ausschließt (Brent 2014: 6f.). Der Nutzenverlust, der durch die fehlenden Ressourcen zur Wahrnehmung von Möglichkeiten entsteht, wird Opportunitätskosten genannt (Brent 2014: 31). Dabei ist zu beachten, dass sich der Begriff „Kosten“ nicht nur auf monetäre, sondern auch auf immaterielle Kosten bezieht. Immaterielle Kosten können in Form von Zeit, Schmerz und Leid auftreten und sind meist nicht quantifizierbar, also auch nicht monetär zu bewerten. Allerdings lässt der aktuelle Stand der Technik bereits in einigen Bereichen eine Wertung von immateriellen Kosten zu, was sich in Zukunft vermutlich noch weiter verbessern wird (Morris et al. 2012: 234).

 

3.2       Finanzielle Anreize in der Arbeitsökonomie

 

In der Arbeitsökonomie werden Anreize in Form von Entlohnungen gesetzt. Diese dienen zur Motivation von Mitarbeitern, denn viele glauben mit Bezahlungen die Produktivität der Mitarbeiter steigern zu können (Lazear 1996: 1; Lazear/Moore 1984: 135). Mit Hilfe von Anreizen soll mindestens die vereinbarte Leistung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmer, besser noch mehr als das Minimum erbracht werden (Nagel/Schlegtendal 1998: 45). Unterschieden wird dabei zwischen materiellen und immateriellen Entlohnungen, welche in der nachfolgenden Tabelle 1 aufgezeigt sind.

 

Tabelle 1: Anreizformen materieller und immaterieller Natur

 

 

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Nagel und Schlegtendal 1998: 47

 

Anreize materieller Natur beinhalten geldliche Komponenten, während Anreize immaterieller Natur sich auf soziale Aspekte und zusätzliche Freiheiten beziehen. Des Weiteren wird zwischen direkten oder indirekten und erwarteten oder unerwarteten Entlohnungen differenziert. Eine Übersicht der Entlohnungskomponenten ist in Anhang 1 zu finden.

 

Nagel und Schlegtendal (1998: 45f.) heben hervor, dass Geld, also materielle Anreize, der wichtigste Motivationsfaktor im Personalwesen ist. Damit die materiellen Anreize jedoch erfolgreich auf Mitarbeiter angewendet werden können, müssen bestimmte Mindestanforderungen an Leistungsanreize im Unternehmen erfüllt werden. Erstens sollte der Sinn des Geldanreizes von den Mitarbeitern verstanden werden. Dafür sollten die erwartete Leistung und der angebotene Geldanreiz transparent und verständlich vermittelt werden. Zweitens sollte das angebotene Geld einem bestimmten Betrag entsprechen, welcher von den Mitarbeitern als gewinnbringend beurteilt wird. Drittens sollte der Anreiz sich von dem gesamten Lohn abheben, sodass die Mitarbeiter ihn deutlich wahrnehmen. Viertens sollte die erbrachte Leistung zeitnah durch den Anreiz kompensiert werden. Damit können die Mitarbeiter den Anreiz der erbrachten Leistung korrekt zuordnen. Fünftens ist es sinnvoll, dass der Anreiz in angemessener Relation zu der erbrachten Leistung steht, um zwischen außerordentlich guten Leistungen und anderen zu unterscheiden. Als letztes sollten spezielle Anreize mit weiteren, allgemeineren Anreizen der Personalstrategie abgestimmt werden.

 

Die wohl bekannteste und meistverbreitete Form der Entlohnung in Unternehmen ist der Grundlohn. Dieser wird meist als Fixlohn bezahlt, welcher in der Regel unabhängig von Erfolg ist. Die Höhe des Lohns kann abhängig von Position und Beschäftigungsdauer im Unternehmen sein (Nagel/Schlegtendal 1998: 49). Um Mitarbeiter mehr zu motivieren und die Arbeitsproduktivität weiter zu steigern, implementieren einige Unternehmen sogenannte Leistungslöhne. Diese werden in Zeitlohn mit Zulage, Akkordlohn und Prämienlohn unterschieden, wobei im Folgenden aus Platzgründen nur auf den Akkordlohn eingegangen wird (1998: 51). Erläuterungen des Zeitlohns mit Zulage und des Prämienlohns können in Anhang 2 und 3 gefunden werden.

 

3.2.1        Akkordlohn

 

Der Akkordlohn (auch piece rate genannt) wird zusätzlich zu dem Grundlohn ausgezahlt und sollte nicht mehr als ein Drittel des Grundlohns betragen. Da er auf der Arbeitsmenge des Arbeitnehmers basiert, wird nicht nach Zeit, sondern nach Arbeitsergebnis bezahlt (1998: 52).

 

Laut Lazear (1996: 32) kann die Einführung des Akkordlohnes den Output des Unternehmens erhöhen. Zwar wird nicht die durchschnittliche Fähigkeit eines Mitarbeiters erhöht, jedoch werden durch Akkordlöhne fähigere Arbeiter angelockt. Für qualifiziertere Arbeiter sind Akkordlöhne attraktiver als Stundenlöhne, da sie durch ihr effizientes Arbeiten einen höheren Lohn erzielen können. Durch diesen Anreiz kann die gesamte Produktivität im Unternehmen gesteigert werden. Dazu kommt auch, dass die Fluktuationsrate der qualifizierteren Mitarbeiter und die Abwesenheitsrate gesenkt werden können. Für viele Arbeiter wird auch das krankheitsbedingte Fehlen weniger attraktiv, da die Zahlungen für Krankheitstage niedriger sind als der Grundlohn zuzüglich der Produktivitätsprämie.

 

Gestützt werden Lazear’s (1996: 1f.) Schlüsse durch das Autoglas Unternehmen Safelite Glass Corporation. Zwischen 1994 und 1995 hat das Unternehmen von Stundenlohn zu Akkordlohn gewechselt und den Mitarbeitern einen fixen Betrag pro eingebaute Windschutzscheibe gezahlt. Nach dem Wechsel des Kompensationsschemas ist der Output des Unternehmens um 36% gestiegen. Der gestiegene Output lässt sich auf die erhöhte Produktivität der Mitarbeiter und der besseren Selektion der Arbeitnehmer zurückführen. Das Unternehmen konnte nicht nur qualifiziertere Arbeiter halten, sondern auch neue anlocken. Die Fluktuationsrate für weniger qualifizierte Arbeiter ist hingegen gestiegen.

 

3.3       Finanzielle Anreizsysteme in der Gesundheitsökonomie

 

Wie in Kapitel 2.2 erläutert, gibt es verschiedene Erklärungsansätze für Non-Compliance. Viele gehen auf fehlende Kosten oder negative Ansichten zurück (Rhodes 14.12.2019). Die Autoren Lamiraud und Geoffard (2007: 1186f.) beschreiben jedoch einen weiteren Grund für vorherrschende Non-Compliance: Patienten wägen zwischen wahrgenommenen Kosten und der Effektivität des Gesundheitsplans bzw. der Medikamente ab und entscheiden danach, wie sie sich verhalten. Wenn für Patienten der erwartete Nutzen also größer ist als die entstehenden Kosten, nehmen sie ihre Medikamente ein und halten sich an den Gesundheitsplan. Wenn die Kosten größer sind als der Nutzen, nicht. Elliot et al. (2008: 606) heben hervor, dass der Nutzen durch Nebeneffekte, Kosten oder Wahrnehmung der Wirksamkeit beeinflusst werden kann. Diese werden von den Patienten subjektiv bewertet und können sich daher verschieden stark auf die Bewertung der Kosten und des Nutzens auswirken.

 

Durch diese andere Perspektive auf Gründe, warum Patienten sich nicht an Gesundheitspläne halten, kommen Lamiraud und Geoffard (2007: 1202) auf eine andere mögliche Lösung Medikamenten-Compliance zu erhöhen. Speziell müssten Patienten so angesprochen werden, dass ihr Nutzen höher wird als die entstehenden Kosten. Dies kann mit Hilfe von finanziellen Anreizen erreicht werden, was zu einer Reduzierung der Kosten führen kann. Somit überwiegt der Nutzen die Kosten und Patienten halten sich an ihre Therapien.

 

Laut Cawley und Ruhm (2012: 170) könnte die Medikamenten-Compliance neben dem Kosten-Nutzen-Aspekt aus drei weiteren Gründen durch finanzielle Anreize verbessert werden. Erstens werden die Vorteile, die durch die Verhaltensänderungen zum Vorschein kommen hervorgehoben. Ohne finanzielle Anreize würden diese sonst vielleicht nicht wahrgenommen werden. Zweitens ist die verbesserte Gesundheit nicht direkt bemerkbar. Mit finanziellen Anreizen wird ein positiver Nebeneffekt, beispielsweise im Sinne von einer monetären Zahlung, direkt (zeitlich) mit der Verhaltensänderung in Verbindung gebracht. Drittens könnte mit Hilfe der finanziellen Anreize die Verhaltensänderung beibehalten werden, denn ohne fallen viele häufig in alte Verhaltensmuster zurück.

 

3.4       Ethische Ansichten

 

Ein gezielter Eingriff in die Verhaltensmuster von Patienten wirft auch ethische Fragen auf. Definiert wird Ethik als „… die Lehre bzw. Theorie vom Handeln gemäß der Unterscheidung von gut und böse.“ (Lin-Hi 10.01.2020). Ein großer Kritikpunkt ist, dass Anreize den Individuen ihre Freiheit nehmen, nach eigenem Wunsch zu handeln (Ashcroft/Marteu/Oliver 2009: 4). Jedoch kann dieser Aspekt widerlegt werden, da laut Lunze und Paasche-Orlow (2013: 660) Anreize durch gesenkte Kostenbarrieren die Autonomie steigern können. Dies ist vor allem der Fall, wenn Individuen einer Verhaltensänderung bereits zugesagt haben, es aber nicht von selber schaffen die Veränderung umzusetzen. Mit einem Anstoß in die richtige Richtung und niedrigeren Kosten soll es dem Betroffenen leichter gemacht werden. Ein anderer Aspekt, der durch finanzielle Anreize auftreten kann, ist die Beeinflussung der Patienten-Doktor Beziehung (Lunze/Paasche-Orlow 2013: 661). Durch monetäre Anreize verändert sich die soziale Patienten-Doktor Beziehung zu einer finanziellen, wodurch sich auch die Rahmenbedingungen der sozialen Beziehung zu finanziellen verändern (Heyman/Ariely 2004: 787,792). Des Weiteren wird der Fokus auf extrinsische Motivation gelegt und die intrinsische Motivation, sich selbstständig um die eigene Gesundheit zu kümmern, wird geschwächt (Schmidt 2009: 130). Daraus könnte folgen, dass Individuen schnell wieder in alte Verhaltensmuster verfallen, sobald keine finanziellen Anreize mehr geschaffen werden.

 

Aus gesellschaftlicher Sicht argumentiert Oliver (2009: 705), dass finanzielle Anreize für Personen gesetzt werden, die von alleine kein gesundheitsförderndes Verhalten aufbringen. Für andere, die dieses Verhalten bereits aufweisen, werden keine Anreize gesetzt. Dies könnte negativ von den „Benachteiligten“ aufgefasst werden. Jedoch profitiert die gesamte Gesellschaft laut Lunze und Paasche-Orlow (2013: 662f.) indirekt von einem insgesamt verbesserten Gesundheitsverhalten, wenn Gesundheitskosten durch finanzielle Anreize gesenkt werden. Generell weisen die Autoren darauf hin, die ethischen Risiken zu minimieren, indem die Anreizprogramme die persönliche Freiheit der Patienten gewährleisten. Außerdem sollten nicht bloß verbesserte Gesundheitswerte belohnt werden, sondern vielmehr ein verbessertes generelles Verhalten.

Ende der Leseprobe aus 54 Seiten

Details

Titel
Verhaltensökonomie und Patientenverhalten. Wie können finanzielle Anreizsysteme chronisch kranke Patienten bei der Medikamenteneinnahme unterstützen?
Hochschule
Universität Paderborn  (International Business Studies)
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
54
Katalognummer
V1180575
ISBN (eBook)
9783346602244
ISBN (eBook)
9783346602244
ISBN (eBook)
9783346602244
ISBN (Buch)
9783346602251
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Compliance, Anreize, Verhaltensökonomie, Prospect Theory, Anreizsysteme, chronisch kranke Patienten, Regret Lotterie, Copayment, Deposit Contract, Bonus
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Annika Steiger (Autor:in), 2020, Verhaltensökonomie und Patientenverhalten. Wie können finanzielle Anreizsysteme chronisch kranke Patienten bei der Medikamenteneinnahme unterstützen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1180575

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Titel: Verhaltensökonomie und Patientenverhalten. Wie können finanzielle Anreizsysteme chronisch kranke Patienten bei der Medikamenteneinnahme unterstützen?



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