Musik als soziales Phänomen

Der Beitrag der Musikethnologie für die Anthropologie am Beispiel des Hip-Hops


Hausarbeit, 2007

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Vorbemerkungen

2 Die Musikethnologie als Subdisziplin der Anthropologie
2.1 Die Entstehung der Musikethnologie
2.2 Die anthropologische Definition von Musik
2.3 Die Forschungsschwerpunkte der Musikethnologie

3. Die Anthropologie des Hip-Hops
3.1 Die Bestandteile des Hip-Hops
3.2 Der Hip-Hop als zentrales Ausdrucksmittel
3.3 Die Color-Blind-Ideologie

4 Schlussbetrachtungen

5 Literaturverzeichnis

1 Vorbemerkungen

Die Ethnologie wird als Wissenschaft über den Menschen als kulturell geprägtes Wesen bezeichnet bzw. verstanden. Wird nun die Ethnologie als interdisziplinäres Arbeitsfeld betrachtet, so stellt man fest, dass dieses Arbeitsfeld aus einer Vermischung von Einzeldisziplinen besteht. Die Einteilung der Ethnologie in diese Einzeldisziplinen ist sehr typisch für industrialisierte Gesellschaften. Sie beruht auf der Trennung von den einzelnen Bereichen der Gesellschaft. Häufig ist es so, dass Politik von Religion oder von einem anderen gesellschaftlichen Bereich getrennt wird. In den meisten außereuropäischen Kulturen wird diese Trennung nicht gemacht. Die Ethnologie geht deshalb davon aus, dass die in einer Gesellschaft stattfindenden Phänomene sich nicht zu einer einzigen Disziplin zuordnen lassen, da jedes Gebiet mit den anderen Gebieten zusammenhängt. Dennoch ist es wichtig in der Wissenschaft diese Trennung zu vollziehen, um daraus später zu beobachten zu können, auf welche Weise die einzelnen Bereiche auf die Kultur einer Gruppe einwirken. Deshalb entstanden im Laufe der Geschichte verschiedene Arbeitsfelder der Ethnologie. Als die wichtigsten Arbeitsfelder sind die Wirtschaftsethnologie, die Politikethnologie, Sozialethnologie und die Religionsethnologie zu nennen. Diese vier Disziplinen bestimmen unter Ethnologen die wichtigsten Theorien. Dennoch entstanden im Laufe der Fachgeschichte andere Disziplinen wie die Ethnolinguistik oder die Kunstethnologie, die zwar nicht so stark vertreten sind wie die vier anderen Disziplinen. Sie sind dennoch wichtig für den Zugang zu einer Kultur.[1]

Gegenstand dieser schriftlichen Ausarbeitung soll eine ganz bestimmtes Arbeitsgebiet und dessen Beitrag zur Ethnologie sein. Gemeint ist die Musikethnologie als Arbeitsgebiet der Ethnologie. Die Aufgabe der Musikethnologie besteht darin, die Musik einer Gruppe in ihrem kulturellen Kontext zu untersuchen.

Grund für die Auswahl der Musikethnologie als Gegenstand dieser Ausarbeitung ist, das sie trotz ihrer Fachgeschichte in der Wissenschaft unterbesetzt ist, was daran liegen kann, dass ihr Erkenntnisbeitrag zur Erforschung einer Gesellschaft nicht anerkannt wird. Im Laufe dieser Ausarbeitung wird aber deutlich werden, dass sie einen wichtigen Beitrag leisten kann.

Daher soll im Laufe meiner Ausführungen die Frage erörtert werden, ob durch eine Analyse der Musik überhaupt Bezüge zu anderen gesellschaftlichen Bereichen erstellt werden können. In meiner Argumentation wird gezeigt, dass das holistische Weltbild der Anthropologie sich in der Musik widerspiegelt. Des Weiteren wird veranschaulicht, dass Musik als soziales Phänomen begriffen werden muss.

Zunächst wird dafür die Fachgeschichte der Musikethnologie zusammengefasst, wodurch begreiflich wird, dass die Musikethnologie zu Beginn ihrer Entwicklung eine rein vergleichende Tätigkeit unternahm. Dies änderte sich nach und nach, als von vielen Anthropologen die Aufforderung kam, die Musik als soziales Phänomen zu betrachten. Über die anthropologische Definition der Musik als soziales Phänomen wird im nachfolgenden Kapitel erläutert. Dabei wird besonders auf die Definition von Merriam eingegangen, da er zu den bedeutendsten Musikethnologen zu seiner Zeit zählte. In Merriams Definition wird deutlich, dass Musik durch Strukturen von Interaktionen entsteht. Explizit erwähnt er, dass der kulturelle bzw. soziokulturelle Kontext berücksichtigt werde muss. Im letzten Unterkapitel des ersten Teils sollen anschließend einige Forschungsschwerpunkte der heutigen Musikethnologie betrachtet werden. Dadurch wird ein Überblick verschafft, mit welchen Fragen sich die heutige Musikforschung beschäftigt. Die Feldforschungen zum Hip-Hop werden im zweiten Teil schließlich ausführlich dargestellt, um so zu veranschaulichen, welchen Beitrag die Musikethnologie für die Anthropologie leisten kann.

Die Auswahl von Feldforschungen über den Hip-Hop wird begründet, da diese Musikform immer mehr an Popularität in der ganzen Welt gewinnt, besonders bei Jugendlichen. Daher wurden in den letzten Jahren immer mehr ethnologische Untersuchungen zu diesem Musikstil durchgeführt. Nachdem, zu Beginn des zweiten Teils, ein kurzer Überblick zur Entstehung des Hip-Hops verschafft wurde, werden die Bestandteile des Hip-Hops dargestellt.

Mit Hilfe dieser Vorüberlegungen, kann anschließend veranschaulicht werden, dass diese Bestandteile von Jugendliche als zentrale Ausdrucksmittel genutzt werden. Dazu werden die Ergebnisse von drei Feldforschungen vorgestellt, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzen. Es handelt sich zunächst um die Feldforschung von Khazaleh über die Szene in Basel. Zusätzlich zu dieser Untersuchung werden die Ausführungen von Maxwell und stellenweise von Rodriguez beigefügt. Besonders Maxwell verdeutlicht, dass durch die Untersuchung der Musik durchaus neue Betrachtungen zu wichtigen anthropologischen Begriffen erlangt werden können, wie er dies mit dem Begriff der Subkultur darlegt. Im Anschluss daran soll die Feldforschung von Rodriguez näher betrachtet werden, die anhand der Color-Blind-Ideologie-Diskussion zeigt, dass gesellschaftliche Phänomene durchaus auch in der Musik bzw. in einer Musikkultur auftreten. Schließlich wird in den Schlussbetrachtungen auf die Fragestellung der Ausarbeitung näher eingegangen.

Um Verwirrungen vorzubeugen, soll ausdrücklich erwähnt werden, dass die Begriffe Ethnologie und Anthropologie in dieser Ausarbeitung gleichgesetzt werden, da beide Begriffe eine Wissenschaft vom Menschen als kulturelles Wesen definieren.

2 Die Musikethnologie als Subdisziplin der Anthropologie

2.1 Die Entstehung der Musikethnologie

Wie bereits erwähnt wurde, ist die Musikethnologie eine Subdisziplin der Ethnologie. Sie beschäftigt sich bspw. mit der Dokumentation und Beschreibung des Musikstiles verschiedener Gruppen. Dabei geht es vor allem die Musik in sozialen Kontext zu betrachten. Dabei muss die Musikethnologie unterschieden werden von der historischen Musikwissenschaft und der systematischen Musikwissenschaft. Während die historische Musikwissenschaft sich in erster Linie mit der Expansion der europäischen Musik beschäftigt, konzentriert sich die systematische Musikwissenschaft auf die Musik als reines physikalisches Phänomen. Vertreter dieser Richtung untersuchen die Musikstile im Hinblick auf ihrem strukturellen Aufbau und ihrer Akustik hin.[2]

Die Entwicklung der Musikethnologie begann zunächst im Jahre 1880. Erst seit diesem Zeitpunkt an entwickelte sich die Musikethnologie als Subdisziplin der Anthropologie. Der Schwerpunkt bestand zunächst ausschließlich aus dem Sammeln und Erforschen der Musik außereuropäischer bzw. schriftloser Völker.

Was zunächst an der Fachgeschichte der Musikethnologie auffällt ist, dass die Forscher methodische Schwierigkeiten hatten. Zu der Entstehungszeit war es nämlich sehr schwierig mündlich überlieferte Gesänge von Völkern zu dokumentieren. Erst mit der Edisons Erfindung des Phonographen im Jahre 1877 konnte die Musik unterschiedlicher Gruppen in Form von Schallplatten dokumentiert und auch zu späteren Zeitpunkten analysiert werden. Zwischen 1900 und 1902 entstanden mit dieser technischen Innovation in Wien, Berlin und Paris die ersten Phonogrammarchive. Zum ersten Mal eingesetzt wurde diese Technik der Datenspeicherung bzw. Datensicherung bei der Feldforschung über die Gesänge der Passamaquoddy – Indianer, die vom Anthropologen Fewkes durchgeführt worden ist.[3]

Es ist nochmals anzumerken, dass zu dieser Zeit die Musikethnologie zunächst nur eine vergleichende Tätigkeit unternahm. Der Begriff der Musikethnologie tauchte erst in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts auf.[4]

Im Laufe der Jahre beschäftigten sich immer mehr Forscher wie Stumpf oder Abraham mit verschiedenen Fragestellungen der Musikethnologie. Diese Entwicklung des Forschungsschwerpunktes kam dadurch zu stande, da die Ethnologen allmählich erkannten, dass Musik durchaus kulturell geprägt ist. Dadurch ergänzte die Ethnologie die bisherige vergleichende Musikwissenschaft.[5]

Die Musikethnologie besaß nun ein anderes Aufgabenfeld, dass sich von der vergleichenden Musikforschung unterschied. Zwischen beiden Disziplinen muss daher eine strikte Differenzierung erfolgen. Darauf verweist der Musikforscher Wiora. In seiner Argumentation betont Wiora, dass die Musikethnologie die Musik einer Kultur untersucht. Hier stehe die Musik nicht nur für sich, sondern als gesellschaftliches Phänomen. Mit anderen Worten untersucht die Musikethnologie, wie und warum die Musik in einer Gruppe praktiziert wird. Bei der vergleichenden Musikforschung stehe im Gegensatz nur die physikalischen Unterschiede zwischen der außereuropäischen und europäischen Musik. Dennoch ergänzen sich beide Disziplinen.[6]

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Musikethnologie zunächst eine vergleichende Tätigkeit ausführte, bis in der Ethnologie nach und nach erkannt wurde, dass Musik als kulturelles Phänomen verstanden werden muss.

2.2 Die anthropologische Definition von Musik

Zunächst muss Musik von Sprache und Geräuschen differenziert werden. „Ein Geräusch ist ein akustisches Phänomen, das nicht an eine bestimmte Tonhöhe gebunden ist.“[7] Da es sich hier um unbeabsichtigte Nebenprodukte handelt, besitzen sie für die Gruppen keine Bedeutung. Dennoch sind Sprache und Geräusche sehr eng verbunden mit Musik. Schließlich stellen sie wichtige Bestandteile der Musik dar.[8]

Schon der britische Physiker Ellis erkannte in seinen Forschungen, dass die Tonsysteme eines Musikstückes nicht natürlichen Ursprungs sind, sondern kulturell konstruiert worden sind.[9]

Deshalb gab es im Laufe der Entwicklung der Musikethnologie Anthropologen, die eine rein physikalische Definition von Musik ablehnten. Myers zitiert an dieser Stelle ihrer wissenschaftlichen Ausarbeitung Blacking. Er betont, dass bei der Analyse der Musik es darauf ankommt den kulturellen Kontext zu betrachten. Dadurch wäre es durchaus möglich, dass die Musik zweier Kulturen sich unter physikalischen Gesichtspunkten unterscheidet, aber bei der Betrachtung im kulturellen Kontext beide Arten der Musik dieselbe Bedeutung aufweisen:

„Conversely, staistical analyses may show that the music of two cultures is very different, but an analysis of the cultural ,origins´ of the sound patterns may reveal that they have essentially the same meaning, which has been translated into the different ,languages´ of the two cultures.“[10]

Allmählich entwickelten sich anthropologische Aspekte in der Definition von Musik. Zu denen wichtigsten Vertretern einer anthropologischen Definition von Musik gehört Merriam. Er stellt die These auf, dass Musik nicht abzugrenzen ist mit der Kultur. Er sieht in der Musik einer Gruppe einen Teil ihrer Kultur wieder. Alles was Musik ausmache, stehe daher in Verbindung mit der Gesellschaft.[11]

Noch deutlicher wird das Konzept der Musik als soziales Phänomen bei Merriam, wenn er im Laufe seiner Ausführungen die Musik genauer definiert:

„ Music is a uniquety human phenomenon which exists only in terms of social interaction; that it is made by people for other people, and it is learned bahavior. It does not and cannot exist by, of, and for itself; there must always be human beings doing something to produce it. In short, music cannot be defined as a phenomenon of sound alone, for it involves the behavior of individuals and groups of individuals, and its particular organization demands the social concurrence of people who decide what it can and cannot be.”[12]

Bei dieser Definition wird besonders deutlich, dass Musik durch Strukturen von Interaktionen entsteht. Somit verbindet Merriam indirekt die Musikethnologie mit der Sozialethnologie, was im späterem Teil der Ausarbeitung eine wesentlichere Rolle spielen wird. Es soll an dieser Stelle vermerkt werden, dass Merriam mit seiner Definition deutlich machen will, dass bei der Untersuchung von Musik der kulturanthropologische bzw. soziokulturelle Kontext mit berücksichtigt werden sollte. Dies wird besonders hervorgebracht, wenn Merriam von ethnischer Musik redet. Darunter versteht er Gruppen, die sich mit Hilfe der Musik sich von anderen Gruppen abgrenzen und ein Wir-Gefühl bilden.

Die symbolische Kraft der Musik dürfe nicht unterschätzt werden, da erst durch deutlich wird, dass Musik ein gesellschaftliches Phänomen sei. Egal welcher Teil der Musik unter seiner symbolischen Bedeutung untersucht wird, für Merriam wird dabei deutlich, dass Musik keine bloße Anreihung von Tönen sei:

„Symbolism in music, then, can be considered on these four levels: the singing or symboling evident in songtexts, the symbolic reflection of affective or cultural meaning, the reflection of other cultural behavior and values, and the deep symbolism of universal principles. It is evident that the approach which sees music essentially as symbolic of other things and processes is a fruitful one; and stressed again here is the kind of study which seeks to understand music not simply as a constellation of sounds, but rather as human behavior.“[13]

Auch heutige Anthropologen bzw. Ethnologen stellen die Musik als gesellschaftliches Mittel dar.

[...]


[1] Vgl. Haller, Dieter: dtv Atlas- Ethnologie. München 2005. S. 21.

[2] Vgl. Baumann, Max Peter: Ethnomusikologie, Forschungsziele, Gegenstand und Methoden. [http://web.uni-bamberg.de/ppp/ethnomusikologie/Ethnomusikologie.htm] Letztes Update: 21.08.2007. S. 1f.

[3] Vgl. Laade, Wolfgang: Die Situation von Musikleben und Musikforschung in den Ländern Afrikas und Asiens und die neuen Aufgaben der Musikethnologie. Tutzing 1969. S. 22.

[4] Vgl. Myers, Helen (Hrsg.): Ethnomusicology. An Introduction. London 1992. S. 7 f.

[5] Vgl. Baumann, Max Peter: Ethnomusikologie, Forschungsziele, Gegenstand und Methoden. [http://web.uni-bamberg.de/ppp/ethnomusikologie/Ethnomusikologie.htm] Letztes Update: 21.08.2007. S. 3.

[6] Vgl. Wiora, Walter: Ergebnisse und Aufgaben Vergleichender Musikforschung. [Erträge der Forschung, Bd. 44] Darmstadt 1975. S. 8.

[7] Vgl. Haller, Dieter: dtv Atlas- Ethnologie. München 2005. S. 275.

[8] Vgl. ebd.

[9] Vgl. Vgl. Baumann, Max Peter: Ethnomusikologie, Forschungsziele, Gegenstand und Methoden. [http://web.uni-bamberg.de/ppp/ethnomusikologie/Ethnomusikologie.htm] Letztes Update: 21.08.2007. S. 4.

[10] Vgl. Myers, Helen (Hrsg.): Ethnomusicology. An Introduction. London 1992. S. 9.

[11] Vgl. ebd.

[12] Vgl. Baumann, Max Peter: Ethnomusikologie, Forschungsziele, Gegenstand und Methoden. [http://web.uni-bamberg.de/ppp/ethnomusikologie/Ethnomusikologie.htm] Letztes Update: 21.08.2007. S. 4.

[13] Vgl. Merriam, Alan P.: The Anthropology of Music. Chicago 1964. S. 258.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Musik als soziales Phänomen
Untertitel
Der Beitrag der Musikethnologie für die Anthropologie am Beispiel des Hip-Hops
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Fakultät für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Sozialanthropologie II
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
21
Katalognummer
V118070
ISBN (eBook)
9783640202157
ISBN (Buch)
9783640206957
Dateigröße
456 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Musik, Phänomen, Sozialanthropologie
Arbeit zitieren
Adem Özcan (Autor:in), 2007, Musik als soziales Phänomen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118070

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