Berufliche Grundlagen für Präsenz- und Betreuungskräfte

Band 3: Aufbaukurs Betreuungsarbeit


Fachbuch, 2022

141 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Checkliste nach der ärztlichen Diagnosestellung
1.2 Pflegebedürftigkeit

2. Demenz
2.1 Demenzformen
2.2 Sekundäre Demenzen
2.3 Differentialdiagnosen der Demenz
2.4 Mögliche auftretende Probleme dementieller Erkrankungen
2.5 Stadien der Demenzen
2.5.1 Möglicher Erklärungsansatz: Theorie der Retrogenese
2.5.2 Entwicklungsphasen nach Erik Homburger Erikson

3. Alltagsbewältigung/Betreuung/Pflege
3.1 Umgang mit an Demenz Erkrankten
3.2 Wozu Validation an Demenz und psychisch Kranker u.a.?
3.2.1 Verbale Techniken, die hilfreich sein können, um mit an Demenz erkranktem Klientel zu kommunizieren
3.3 Repräsentationssystem der Sinne
3.4 Basale Stimulation
3.4.1 Die somatische Stimulation
3.4.2 Die vibratorische Stimulation
3.4.3 Die vestibuläre Stimulation
3.4.4 Die olfaktorische Stimulation
3.4.5 Die orale Stimulation
3.4.6 Die auditive Stimulation
3.4.7 Die taktil-haptische Stimulation
3.4.8 Die visuelle Stimulation
3.5 Bobath-Konzept
3.6 Handhabungsempfehlungen im Umgang mit nicht alltäglichen psychischen Belastungssituationen
3.7 Konkrete Handhabungsempfehlungen für Klientel mit Demenz und Einschränkung des Sinnesorgan Haut
3.8 Konkrete Handhabungsempfehlungen für Klientel mit Demenz und Einschränkung des Sinnesorgan Auge
3.9 Konkrete Handhabungsempfehlungen für Klientel mit Demenz und Einschränkungen des Sinnesorgan Nase
3.10 Konkrete Handhabungsempfehlungen für Klientel mit Demenz und Einschränkungen des Sinnesorgan Ohr
3.11 Zusätzliche Handhabungsempfehlungen für an Demenz erkranktes Klientel

4. Beschäftigungsmöglichkeiten/Angebote und Freizeitgestaltung
4.1 Milieutherapie
4.2 Allgemeines im Umgang mit (an Demenz) erkranktem Klientel
4.3 Planung und Durchführung von Beschäftigungs- und Aktivierungsangeboten
4.3.1 10 Minuten Aktivierung
4.4 Gestaltung eines Aktivierungsprozesses

5. Kommunikation
5.1 Grundprinzipien professioneller Kommunikation 5.2 Kommunikation mit dementiell erkrankten Personen

6. Grundlagen Arbeitsrecht
6.1 Hygiene

7. Grundlagen Haftungsrecht

8. Grundlagen Betreuungsrecht

9. Anhang
9.1 Das Innovative Demenz orientierte Assessmentsystem (IdA)
9.2 Instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens (IADL) bei Demenz (Anwendung z.B. in der ambulanten Pflege)
9.3 Schmerzerfassung für an Demenz Erkrankte © IBSdigital
9.4 Mini-Mental-Status-Test
9.5 Konzepte/Ausarbeitungen von Teilnehmer*innen
9.5.1 Basale Stimulation: Handmassage von Brita Kubisch
9.5.2 Praktikumsbericht von Urszula Jonas
9.5.3 Praktikumsbericht von Katinka Kappler
9.5.4 Gruppen- und/oder Einzelbeschäftigungsangebot Schneekugeln herstellen von Göksu Kocak
9.5.5 Gruppen- und/oder Einzelbeschäftigungsangebot Börek zubereiten von Sehriban Esen

10. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Menschen mit Demenz haben aufgrund der krankheitsspezifischen Beeinträchtigungen nicht nur einen höheren sondern vor allem einen anders gearteten Bedarf an professioneller Pflege und psychosozialer Betreuung als anderes pflegebedürftiges Klientel.

Die Demenzerkrankung beeinflusst auf vielfältige Weise den Lebens­alltag der Betroffenen und deren Beziehungs- und Interaktionsfähigkeit zu ihrer sozialen Umwelt. Der meist langjährige Krankheitsverlauf führt zu dauerhaften Einschränkungen im Alltagsleben. Hierdurch werden auch die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung und die Lebens­qualität maßgeblich beeinflusst. Die Qualität der Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz betrifft aber nicht nur deren Lebensgefühl, sondern auch das ihrer Angehörigen.

Neben dem sukzessiven Verlust der geistigen [kognitiven] Fähigkeiten sind es insbesondere die psychischen Veränderungen der an Demenz Erkrankten, die von den An- und Zugehörigen als sehr viel belastender erlebt werden als die körperliche [physische] Betreuung und Pflege.

Die Lebensqualität der Betreuer und auch der Erkrankten wird mit dem Voranschreiten der Demenzerkrankung und der jeweiligen Symptomatik maßgeblich durch diese Verhaltensänderungen bestimmt bzw. beeinflusst.

Primäres Ziel ist es, die Lebensqualität für alle Beteiligten zu optimieren indem hilfreiche und dem jeweiligen Krankheitsstadium angemessene Bewältigungsstrategien angewendet werden. Angestrebt wird ein adäquater Umgang mit der Demenz und obwohl der Beeinträchtigungen diese letzte große Herausforderung an den/die Betroffenen würde- und respektvoll bewältigen zu können in einem vernünftigen Verhältnis zur Umwelt.

1.1 Checkliste nach der ärztlichen Diagnosestellung

Beratung in Anspruch nehmen (z.B. Pflegeberatung, Casemanager, Krankenkasse, Pflegestützpunkte, kostenlose Angehörigenkurse bei der Hamburger Angehörigenakademie)

Beratungsgespräch mit Konsiliarärzten (gemeinsam) führen
= Medikamentenplan aktualisieren

Therepieempfehlungen

- Ergotherapie, Physiotherapie, ggf. Logopädie,
- Fußpflege [Podologie]
- Vorsorgeuntersuchungen beim Zahnarzt, Ohrenarzt, Augenarzt

Klärung rechtlicher Fragen

- Haftpflichtversicherung mit Zusatzklausel für an Demenz Erkrankte (Unfallversicherung und KFZ-Versicherung)
- Betreuung (Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Postverkehr, finanzielle Angelegenheiten u.a.)
- Vorsorgevollmacht
- Betreuungsverfügung
- Testament (zzgl. Beerdigungswünsche)
- Regelung aller finanzieller Angelegenheiten

(z.B. Medikamentenzuzahlungsbefreiung einschließlich staatlicher finanzieller Unterstützungsangebote (z.B. Leistungen der Pflegeversicherung, Wohnraumanpassung)

Unterstützungs- und Entlastungsangebote (kennenlernen)

- Selbsthilfegruppen/Soziale Netzwerke
- Informationsveranstaltungen/Schulungen
- ggf. Reduzierung der Arbeitszeit/Arbeitsunfähigkeits - bescheinigung/Berentung

Organisation

- häuslicher Betreuung (Hauswirtschaft, Pflege)
- Tagespflege/Kurzzeitpflege/Verhinderungspflege
- betreute Urlaubsangebote
- Rehabilitationsmaßnahmen
- Sportverein(e) und ggf. Ernährungsberatung

1.2 Pflegebedürftigkeit

- Als Pflegebedürftige werden Menschen beschrieben, die pflege­bedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) sind, d.h., aufgrund einer körperlichen oder psychischen Erkrankung oder Behinderung in einem solchen Ausmaß in ihrer Selbständigkeit beeinträchtigt sind, dass es der Unterstützung anderer bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben bedarf.

Die Bedürftigkeit der Menschen wird vom Gesetzgeber von gering (Pflegegrad 1) bis hin zu schwersten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder Fähigkeiten (Pflegegrad 5) eingeteilt.

Im Dezember 2019 waren in Deutschland ~ 4,13 Millionen Menschen pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI). Laut dem Statistischen Bundesamt Deutschland hat die Zahl der Pflegebedürftigen im Dezember 2017 noch bei 3,41 Millionen gelegen. Die starke Zunahme um 0,71 Millionen Pflegebedürftige (+21%) ist zum großen Teil auf die Einführung des neuen, weiter gefassten Pflegebedürftigkeitsbegriff zum 01.01.2017 zurückzuführen.

Seither werden mehr Menschen als pflegebedürftig eingestuft als zuvor.

Statistiken des Dachverbands nationaler Alzheimer Gesellschaften zur Folge wird die Anzahl der an Demenz Erkrankten bis zum Jahr 2050 auf 2,7 Millionen ansteigen.

Derzeit leben in Deutschland ~ 1,6 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung.

Prognostiziert wird, dass sich auf Grund des europäischen Bevölke­rungswachstum und des demografischen Wandels mit immer mehr betagten und hochbetagten Menschen die Anzahl der an Demenz Erkrankten europaweit bis zum Jahr 2050 verdoppelt.

Eckdaten Pflegestatistik 2019

- 4.127.605 Pflegebedürftige insgesamt im Sinne des SGB XI (zum Vergleich dazu 3,4 Millionen Pflegebedürftige 2017)
- 2.011.154 Menschen mit Pflegegrad 1
- 1.182.632 Menschen mit Pflegegrad 2
- 644.501 Menschen mit Pflegegrad 3
- 216.579 Menschen mit Pflegegrad 4
- 72.739 Menschen mit Pflegegrad 5

2. Demenz

- Unter Demenz wird wörtlich „weg vom Geist“ oder „ohne Geist“ verstanden. Der Verlust an zuvor vorhandenen Gehirnfunktionen grenzt die Demenz von einer angeborenen Minderbegabung ab.
- Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert das demenzielle Syndrom als Folge einer chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns, das eine Reihe von schwerwiegenden Folgen hat.

Eine Demenz führt zu Störungen von Gedächtnis, Denken, Orientie­rung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache, Sprechen und Urteilsvermögen.

Die Symptome müssen über mindestens 6 Monate bestehen.

Es kommt auch zu Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation. Demenz bedeutet aber nicht zwangsläufig Gedächtnislosigkeit und Verwirrtheit.

Sie führt zum Tod durch Sekundärerkrankungen.

Ca. 5 % der deutschen Bevölkerung über 65 Jahre leiden an Demenz.

Ursachen können sein:

- entzündliche Erkrankungen

- Bakterien
- Pilze
- Viren (Herpes simplex Encephalitis)

- metabolische Erkrankungen

- O2 Mangel aufgrund einer pulmonalen oder kardialen Erkrankung
- chronische Niereninsuffizienz
- hepatische Encephalopathie
- Polyneuropathie

- endokrine Störungen

- Cushing-Syndrom
- Morbus Addison

- Blutzuckerdysregulationen

- Unterzuckerung

- Elektrolytabweichungen

- besonders Natrium

- Über- und Unterfunktion der Schilddrüse

- Vitaminmangelerkrankungen

- B1, B12, Folsäure, Niacin

- intrakranielle Raumforderungen

- Blutungen, Tumore, Abszesse (Eiteransammlungen in nicht vorge­bildeten Körperhöhlen), Stress

2.1 Demenzformen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Primäre Demenz

- betragen ca. 90 % aller Demenzerkrankungen (Tendenz steigend)
- Nervenzellen im Gehirn sterben ab
- Heilung ist zur Zeit noch nicht möglich
- Krankheitsverlauf lässt sich durch Therapien verzögern
- ca. 5 % der Demenzen sind erblich bedingt
- verlaufen 20 - 30 Jahre unentdeckt bis zum endgültigen Sichtbar­werden aller Krankheitssymotome

(Betroffene und Angehörige halten psychische Verhaltensauffälligkeiten oftmals für Charaktereigenschaften.)

Sekundäre Demenz

- betragen ca. 10 % aller Demenzerkrankungen
- diese Form der Demenzen sind Folge einer anderen Erkrankung
- lässt sich die Grunderkrankung heilen, kann sich das Gehirn im Ideal­fall erholen und die demenziellen Symptome können sich weitest­gehend zurückbilden

Forschungsergebnissen zur Folge sind mittlerweile mehr als 150 verschiedene Demenzformen bekannt.

Unter dem Begriff Demenz wird ein Komplex aus verschiedenen Symptomen zusammengefasst, von Medizinern wird sie als Krank­heitssyndrom, dem „dementiellen Syndrom“ bezeichnet, das u.a. gekennzeichnet ist durch:

- anhaltende Vergesslichkeit, das Vergessene wird auch nicht nach längerem Nachdenken erinnert
- das Vergessen, auch das Verlegen von z.B. Gegenständen verursacht Probleme mit den jeweiligen Folgen
- die Betroffenen ziehen sich zurück, vereinsamen [Deprivation]

Bei Verdacht auf die Diagnose Demenz kann ein Basisprogramm des Hausarztes erfolgen:

- Anamnese
- Fremdanamnese
- Überprüfung der Medikation
- Überprüfung etwaiger Depressivität
- Assessmentinstrumente:

- Minimental Status Test, IdA, IADL
- Ischämie Skala
- Uhrenzeichentest u.a.

körperliche Untersuchung

- bei Verdacht: Überprüfung sensorischer Funktionen (Augen,Ohren)

Blutdruckkontrolle/EKG/Labor

insofern keine Überweisung zum Neurologen/Psychiater oder zur Gedächtnissprechstunde erfolgt CT/MRT

- Neurologe/Psychiater und/oder Gedächtnissprechstunde

= psychiatrische Anamnese und Untersuchung
= ausführlicher Neurostatus

(ausführliche neuropsychologische Untersuchung

- Indikationsstellung für EEG, Dopplersonographie,
- Liquoruntersuchung, ggf. -Druckmessung, CT/MRT
- genetische Analysen, Laboruntersuchungen
- Ausschluss Differentialdiagnosen Delir und Depressionen)

Bis zur endgültigen Diagnosestellung Demenz können Monate vergehen.

Früherkennung:

Forscher auf dem Gebiet der Demenz haben drei microRNAs, deren Menge im Blut mit sinkender geistiger Leistungsfähigkeit zusammen­hängt, identifiziert. Sie stellen einen Zusammenhang her zu Personen mit stark erhöhten Mengen dieser drei microRNAs und dem Ausbruch der Alzheimer-Demenz zu 90% innerhalb der nächsten zwei Jahre. Es wird davon ausgegangen, dass diese Moleküle direkt an der Entste­hung der Erkrankung Demenz beteiligt sind und deswegen auch Ziel zukünftiger Therapien sein könnten.

Beispiele für Primäre Demenzen

- Demenz vom Alzheimer-Typ

- ist gekennzeichnet durch Hirnatrophie (Abbau von Hirngewebe) mit pathologischen Fibrillenveränderungen und senilen Plaqueablagerungen im Gehirn, d.h.,
- im Gehirn bilden sich senile Plaques, die aus Amyloid-ß-Peptiden bestehen und fehlerhaft gefaltet sind und sich zusammen mit den Neurofibrillen, welche aus sog. TAU-Proteinen bestehen, ebenfalls in den Neuronen anlagern (diese beiden Faktoren sollen ursächlich

für die Entstehung der Krankheit sein)

- unaufhaltsamer und i.d.R. langsam fortschreitender Verlauf

Symptome

- Beginn meist erst nach dem 65. Lebensjahr
- intellektuelle Fähigkeiten lassen nach
- zunehmender allgemeiner Interessensverlust
- Merkleistungs- und Wortfindungsstörungen
- Konzentrations- und Orientierungsstörungen (Schwierigkeiten im Alltag, vor allem in ungewohnten
- Umgebungen)
- Depressionen
- Angst, Scham, Misstrauen bei Verkennungen und Verlegungen
- aber die Persönlichkeit bleibt lange erhalten

Insbesondere bei dieser Form der Demenz hängt das Sichtbarwerden der Ausprägung der Symptomatik von der jeweiligen Selbständigkeit, der sozialen Integration, der jeweiligen Bildung und den geistigen und sozialen Aktivitäten ab.

Handhabungsempfehlungen für dieses Klientel

- pharmakologische Therapie genau abklären lassen und Wechselwirkungen mit anderen (z.B. Beruhigungs-) Medikamenten beachten, ggf. Hausarzt/Konsiliararzt über eventl. paradoxe Reaktionen zeitnah informieren
- wichtig sind Orientierungshilfen und lebenspraktische Hilfen, auch wenn die Betroffenen das anders sehen sollten
- feste Bezugspersonen, geregelter Tagesablauf
- gesunde Lebens- und Ernährungsweise, Sport
- Ressourcen- und kompetenzorientiertes Handeln (das Klientel so lange wie möglich an Entscheidungssituationen und -prozessen aktiv teilhaben lassen)
- Verständnis für Andersartigkeit, Empathie, personenzentrierte Pflege
- CAVE! Selbst- und Fremdgefährdung beachten.
- Therapieformen:

Krankengymnastik/Ergotherapie/ggf. Logotherapie/Musiktherapie und ggf. Psychotherapie

- Schulung des Langzeitgedächtnisses
- insbesondere bei leichter und mittelschwerer Demenz hat sich die Förderung und der Erhalt des Autonomieerlebens als hilfreich erwiesen

Idiopathisches Parkinson Syndrom

Es handelt sich um eine extrapyramidale Störung; konkret kommt es zu einem Untergang der Neuronen in der substantia nigra in den Basalganglien im Mittelhirn, was zu einem Ungleichgewicht der Neu­rotransmitter Dopamin und Acetylcholin führt. Diese Erkrankung ist gekennzeichnet durch Dopaminmangel, bei ca. 60% Substanzverlust in der substantia nigra bricht die Erkrankung vollständig ist.

Verlauf und Symptomatik

- diffus
- anfangs Muskelverspannungen, Missempfindungen, depressive Verstimmungen
- später Symptomtrias (Kardinalsymptome)

Rigor = Muskelsteifigkeit aufgrund starker Spannung in den Muskeln mit typischem Zahnradphänomen (ruckartiges Stoppen von Bewegungen bei passiver Bewegung)

Akinese = Bewegungsarmut, geringe Mimik, Maskengesicht, schlurfender und kleinschrittiger Gang, nach vorn gebeugte Haltung, on-off-Symptomatik

Ruhetremor = Zittern der Glieder, das bei Bewegung und beim Schlafen verschwindet.

„Pillendrehtremor“

weitere Symptome

- leise, monotone Sprache bis zum Sprachverlust (Aphasien)
- vegetativ: erhöhter Speichelfluss, Schluckstörungen und

Salbengesicht, Hitzewallungen,

Inkontinenz, Verstopfungen u.a.

psychische (seelische) Symptome

- dysphorische Verstimmungen
- Depressivität (oftmals nicht erkannt oder beachtet)
- Antriebsminderung
- Rigidität (Starrheit in jeder Hinsicht)
- unaufhaltsamer und langsam fortschreitender Verlauf

Therapie

- Medikation nach Arztanordnung (Dopaminpräparate u.a.)
- Physiotherapie/Ergotherapie/Logopädie

Handhabungsempfehlungen für dieses Klientel

- wichtig sind Orientierungshilfen und lebenspraktische Hilfen
- feste Bezugspersonen, geregelter Tagesablauf
- gesunde Lebens- und Ernährungsweise, Sport
- Ressourcen- und kompetenzorientiertes Handeln

(das Klientel so lange wie möglich an Entscheidungssituationen und -prozessen aktiv teilhaben lassen)

- Verständnis für Andersartigkeit
- empathische, personenzentrierte Pflege

Frontotemporale Demenz/Frontale Demenz/Frontallappendemenz

- ehemals bekannt als Morbus Pick
- ist gekennzeichnet durch scharf umrissene fokale aber auch temporale Hirnatrophie mit typischen Befunden z.B. Einschlusskörperchen

Symptome

- zunächst Persönlichkeitsveränderungen
- Kritiklosigkeit/plötzliche Aggression (Reizbarkeit)
- Gleichgültigkeit oder Distanzlosigkeit
- Sozialverhalten ist beeinflusst (negativ geprägt) sowohl beruflich als auch privat
- maßlose Ernährung, Heißhungerattacken
- keine Krankheitseinsicht
- Aphasien
- schleichender Verlust geistiger Fähigkeiten
- Verlust des objektiven Urteilsvermögens
- Ausprägung von Stereotypien und Verallgemeinerungen
- Schlafstörungen
- Inkontinenz
- gebeugte Körperhaltung, Kleinschrittigkeit
- motorische Parkinson-Symptome
- Stürze
- Synkopen
- Halluzinationen in allen Sinnesmodalitäten
- ausgeprägte Demenzkriterien im Endstadium

u.a. ausgeprägter Gedächtnis- und Orientierungsverlust

- kognitive Leistungseinbrüche sind sukzessive mit dem unaufhalt­samen Voranschreiten und der deutlich erkennbaren Degeneration aller Hirnareale erkennbar

Im letzten Stadium ist die Symptomatik klinisch nur noch bedingt von denen der Alzheimerdemenz zu unterscheiden.

- mindestens zwei der folgenden drei Kriterien müssen erfüllt sein:
- fluktuierende kognitive Defizite (besonders Aufmerksamkeit)
- wiederholte detaillierte visuelle Halluzinationen
- extrapyramidalmotorische Störungen

(unwillkürliche motorische Störungen)

Therapie

- eine ursächliche Therapie gibt es (noch) nicht
- Pharmakologische Therapie genau abklären lassen!
- Wechselwirkungen und eventl. paradoxe Wirkungen mit anderen Medikamentengruppen dem behandelnden Arzt mitteilen
- Physiotherapie/Ergotherapie/Musiktherapie/ Entspannungstechniken

Handhabungsempfehlungen für dieses Klientel

- wichtig sind Orientierungshilfen und lebenspraktische Hilfen, auch wenn die Betroffenen das anders sehen sollten
- feste Bezugspersonen, geregelter Tagesablauf
- gesunde Lebens- und Ernährungsweise, Sport
- Ressourcen- und kompetenzorientiertes Handeln
(das Klientel so lange wie möglich an Entscheidungssituationen und -prozessen aktiv teilhaben lassen)
- Verständnis für Andersartigkeit, Empathie, personenzentrierte Pflege
- CAVE! Selbst- und Fremdgefährdung beachten

2.2 Sekundäre Demenzen

resultieren aus arteriosklerotischen Gefäßerkrankungen im Sinne von Hirninfarkten mit anschließendem Absterben der betroffenen Areale. Kennzeichnend ist hier die erworbene Gedächtnisstörung. Zudem muss noch eine weitere kognitive Störung (z.B. Lesen, Schreiben, Denken) vorliegen.

Pathogenese

- Hirninfarkte infolge von Mikro- und Makroangiopathie

(die vaskuläre Demenz resultiert aus dem Untergang wichtiger Schaltstellen des Gehirns und den daraus resultierenden Folgen)

Verlauf und Symptomatik

- Apathie
- Aufmerksamkeitsdefizit
- Erschöpfbarkeit
- Umkehr des Tag- und Nachtrhythmus
- Harn- und ggf. Stuhlinkontinenz
- die spezifischere Symptomatik richtet sich nach dem jeweiligen Infarktgebiet und der Ausprägung

Therapie

- Logopädie/Ergotherapie/Physiotherapie
- Medikation nach Arztanordnung
- angestrebt wird zumindest ein Erhalt des Istzustands

Handhabungsempfehlungen für dieses Klientel

- wichtig sind Orientierungshilfen und lebenspraktische Hilfen
- feste Bezugspersonen, geregelter Tagesablauf
- gesunde Lebens- und Ernährungsweise, ggf. Einhalten von Diät(en), Sport (soweit wie möglich)
- Hilfsmittel entsprechend der Fähigkeiten und Ressourcen
- Physiotherapie/Ergotherapie/Logotherapie/Musiktherapie
- ggf. Psychotherapie

Was wird unter Selbstgefährdung verstanden?

Eine Handlung wird ausgeführt, um sich selbst (bewusst oder unbe­wusst) zu schädigen, bzw. das Risiko einer Schädigung auf sich zu nehmen.

Selbstverletzendes Verhalten ist beispielsweise eine bewusste Selbst­gefährdung. Eine unbewusste Selbstgefährdung ist z.B. zu schnelles Autofahren (es wird sich nicht gewollt in Gefahr gebracht).

Was wird unter Fremdgefährdung verstanden?

Eine Handlung wird ausgeführt, um (eine) andere Person/en (bewusst oder unbewusst) zu schädigen, bzw. das Risiko einer möglichen Schä­digung billigend in Kauf zu nehmen. Beispiele für Fremdgefährdung können Brandstiftung, Tötungsdelikte und (gefährliche) Körperverlet­zung sein.

2.3 Differentialdiagnosen der Demenz

- Verschiedene psychische Störungen, denen eine vorübergehende oder dauerhafte Störung der Hirnfunktion gemeinsam ist, werden unter organisch bedingten psychischen Störungen zusammengefasst.

Bei einer Psychose können die Betroffenen den Bezug zur Realität verlieren, da sie Ihre Umwelt auf veränderte (ihre eigene) Art und Wei­se wahrnehmen.

Neben verändertem Denken und Fühlen sind Bewusstseinsstörungen, Realitätsverlust und Wahnvorstellungen dominierend.

Diese organisch bedingten psychischen Störungen werden eingeteilt in akut (vorübergehend) und chronisch (anhaltend).

organisch bedingte psychische Störungen (Psychosen)

Symptome

- Konzentrationsstörungen
- Denkstörungen
- Zwangsgedanken
- Gedankenflut
- Halluzinationen (es werden von den Betroffenen Dinge gesehen, gehört und gerochen, die nicht real sind)

akute symptomatische (organisch bedingte) psychische Erkrankungen, die Folge einer mittelbaren oder unmittelbaren (meist reversiblen) Schädigung des Gehirns sind

- akute Störungen des ZNS
- Hirntraumen, Entzündungen, Tumore, Drogen
- Delir
- Symptomkomplex: Verwirrtheitszustände, Desorientiertheit, Halluzinationen, Bewusstseins- und Aufmerksamkeitsstörungen
- vegetativ bedingte Reaktionen = Schwitzen, erhöhte Psychomotorik,

Zittern

- Durchgangssyndrom (Symptomkomplex)

= vorübergehende Bewusstseinseintrübung mit akuter Verwirrtheit

- häufig postoperativ (mögliche Ursachen sind Flüssigkeitsmangel und/oder psychischer Stress)
- Noxenabusus Bsp.: akutes Korsakow-Syndrom (SHT, Alkohol)

mit dem Symptomtrias Konfabulation, Desorientiertheit und Merkschwächen

chronisch symptomatische (organisch bedingte) psychische

Erkrankungen

- sind meist irreversibel und progredient

allgemeine Symptomatik

Störungen der kognitiven Funktionen
- Gedächtnis
- Lernfähigkeit
- Intellekt

Störung der Wahrnehmung (z.B. Halluzinationen),

- der Denkinhalte (z.B. Wahn = inhaltliche Denkstörung)
- der Stimmung und Gefühle (Affekte)

sensorische Störungen

- Bewusstsein
- Aufmerksamkeit

Einige Psychosen sind nach Entzug der jeweiligen Noxe reversibel. Ein Beispiel dafür ist die Sekundäre Demenz, sie hat ihre Ursache nicht im Gehirn, sondern ist oftmals die Nebenwirkung eines Medika­ments. Aber auch Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen, Alkoholmissbrauch oder Fehlfunktionen der Schilddrüse können Auslösefaktoren für Sekundäre Demenz sein. Nach Eleminierung der Ursache(n) können sich die Symptome ggf. mit unterstützenden Reha­bilitationsmaßnahmen fast vollständig zurückbilden.

Delir (Bewusstseinseintrübung,

Desorientiertheit auf den 4 Ebenen - einzeln oder kombiniert)

- Unter einem nicht durch Alkohol oder sonstige psychotrope Sub­stanz verursachtem Delir wird eine akute aber rückbildungsfähige Bewusstseinsstörung verstanden. Dem Delir liegt in der Regel eine therapiebedürftige Erkrankung zu Grunde.

Ein Delir ist immer ein internistischer Notfall, da es zu lebens­bedrohlichen vegetativen und Wahrnehmungsstörungen kommt.

Ursachen

- Stoffwechselentgleisung(en)
- hohes Fieber
- Diabetes mellitus
- Tumorerkrankungen
- Zysten in Gehirnarealen
- Flüssigkeitsmangel
- hohes Alter mit degenerativen Hirngefäßschäden
- Encephalitis/Postencephalitisches Syndrom
- Noxenabusus u.a.

Symptome

- Verwirrtheit/Halluzinationen
- Unruhe
- Ängstlichkeit
- erhöhte Irritierbarkeit
- Weitschweifigkeit
- Sprunghaftigkeit
- unverständliche und zusammenhangslose Sprache
- stark eingeschränkte Dialogfähigkeit
- Schlafstörungen u.a.

Nach der Abklärung der Ursache klart das Bewusstsein sukzessive wieder auf, (ältere) Menschen können jedoch Monate später noch an den Folgen leiden und pflegebedürftig bleiben und/oder werden.

Einteilung gemäß dem ICD-10 Kapitel V (F)

Internationale Klassifikation psychischer Störungen:

F05 Delir, nicht durch Alkohol oder sonstige psychotrope Substanzenbedingt

F05.0 Delir ohne Demenz

F05.1 Delir bei bevorstehender Demenzen

F05.8 sonstige Formen des Delirs

F05.9 nicht näher bezeichnete Formen eines Delirs

Auch der vorübergehende Missbrauch von sogenannten psychotro­pen Substanzen, zu denen Alkohol, Opioide, Cannabis, Sedativa und Hypnotika, Kokain, Stimulanzien wie z.B. Koffein und Appetitzügler, Halluzinogene, Tabak und Schnüffelstoffe wie z.B. flüchtige Lösungs­mittel zählen, hat immer (gewollte und ungewollte) Auswirkungen auf das Nervensystem. Es ist zwar erwiesen, dass das menschliche Ge­hirn erstaunlich widerstandsfähig gegen Polytoxikomanie (gleichzeitige Abhängigkeit von mehreren Substanzen) ist.

Dennoch ist es hochempfindlich und abgestorbene Neurone wachsen i.d.R auch nicht wieder nach.

Es gilt, nicht in dauerhafte Gewohnheitsmechanismen und Abhängig­keit zu geraten. Ein Beispiel für eine schwere Abhängigkeit mit hohem Suchtpotential ist das Korsakow-Syndrom (Alkoholkrankheit).

Das Delirium tremens ist häufig eine schwere Komplikation des Alkoholentzugs.

Differentialdiagnose Depression

- Unter einer Depression wird eine psychische Erkrankung verstan­den. Diese ist gekennzeichnet durch anhaltend gedrückte Stimmung, gehemmtes Denkvermögen, Antriebslosigkeit u.a.

Vorboten (Auftreten ohne konkreten Anlass oder als Reaktion auf belastende physische und psychische Ereignisse)

- unspezifische Kopf- und/oder Bauchschmerzen
- Müdigkeit/Abgeschlagenheit
- nachlassendes sexuelles Interesse
- Reizbarkeit
- Angstsymptomatik
- Interessenverlust an der Umwelt

Hauptsymptome gemäß ICD 10 Kapitel V (F)

- depressive Stimmung (keine Trauer)
- Interessenverlust, Freudlosigkeit
- Antriebslosigkeit
- erhöhte Ermüdbarkeit

Zusatzsymptome gemäß ICD 10 Kapitel V (F)

- Konzentrations-, Aufmerksamkeits- und Denkvermögensstörungen
- vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
- Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit
- negative und pessimistische Zukunftsvorstellungen
- Selbsttötungsabsichten und dem entsprechende Handlungen
- Schlafstörungen
- Appetitlosigkeit bis Nahrungskarenz
- Schmerzen
- Atemnot
- Brustenge

Depressive Patienten beklagen immer mindestens 2 Symptome aus beiden beschriebenen Symptomgruppen.

2.4 Mögliche auftretende Probleme dementieller Erkrankungen

Gedächtnis/Gedächtnisstörungen

- Merkfähigkeit (Speicherung neuer Daten)
- Erinnern (Abrufen und Wiedererkennen)
- Ultrakurzzeitgedächtnis (Speicherung und Reproduktion von Informationen zwischen 10 - 30 Sekunden)
- Kurzzeitgedächtnis und Frischgedächtnis (Speicherung und Reproduktion von Informationen bis etwa 20 min)
- stabiles Langzeitgedächtnis
- stabiles Altgedächtnis
- Amnesie (totale oder begrenzte Erinnerungen Erinnerungslücken)
- Paramnesie (Trugerinnerungen)
- Konfabulation (Erinnerungslücken werden mit Fantasien gefüllt)
- Zeitgitterstörungen (zeitliche Zuordnung von Erinnerungen sind gestört)

formale Denkstörungen (wie denkt der Klient)

- Denkhemmung (Denken ist erschwert, zäh und träge - der Klient erkennt diese Veränderung und leidet darunter)
- Denkverlangsamung (Gedankengänge sind mühsam und schleppend
- deutliche Verzögerung des jeweiligen Denkvorgangs ersichtlich)
- umständliches Denken (primär wird nicht von sekundär unterschieden;

weitschweifige Denkmuster aber das Ziel wird (wenn auch zeitverzögert) erreicht

- eingeengtes Denken (eigentlich nebensächliche Themen werden uminterpretiert, der jeweiligen Thematik „angepasst“ = inhaltliche Perseveration)
- Perseveration = krankhaftes Haften (Klebenbleiben) an Worten, Gedanken, Vorstellungsbildern, Umstellung auf neue Gedankenziele kaum möglich
- Verbigeration = Sprachstereotypie, sinnloses Wiederholen bereits erwähnter Worte und Gedanken, wobei von diesem Klientel gerne Wortneuschöpfungen (Neologismen) kreiert werden, deren Bedeutung sich erst aus dem jeweiligen Zusammenhang erschließen für den aufmerksamen Betrachter oder Zuhörer
- Gedankensperren und Gedankenabriss (Klient verliert mitten im Gespräch den „roten Faden“, fängt wieder von vorne an und wechselt nach erneutem Abriss das Thema)
- Grübeln (Betroffene beschäftigen sich mit tatsächlichen Lebensproblemen, jedoch werden die jeweiligen Aspekte nicht konstruktiv weiter- bzw. zu Ende gedacht, sondern wiederholen sich z.B. in einer Endlosschleife)
- Gedankendrängen (Gedanken, Bilder, Ideen, Einfälle u.a. drängen sich dem Klientel ungewollt oder beabsichtigt auf)
- Ideenflucht (unbewusste sehr schnelle, einfallsreiche und verworrene Gedankengänge, die nicht durch den Intellekt miteinander verknüpft sind)
- Vorbeireden (Frage oder Thema wird verstanden, jedoch nicht beantwortet)
- zerfahrenes inkohärentes Denken (Denkfluss ist gestört, die Denkinhalte sind sprunghaft, logische Verknüpfungen fehlen; Sprachzerfall möglich)

Privatsymbolik (Geheimsprache mit Ähnlichkeiten zum Alltagserleben) Desorientierung (4 Ebenen: zeitlich und/oder örtlich und/oder persönlich und/oder situativ)

Sprachstörung (Aphasie)

Wahrnehmungsstörung (Agnosie)

- quantitative Wahrnehmungsstörung

= lückenhafte oder verminderte Wahrnehmung tatsächlicher Außen­reize z.B. bei körperlichen Störungen der Sinnesorgane oder des Gehirns

- qualitative Wahrnehmungsstörung

= veränderte Wahrnehmung ohne tatsächliche Außenreize, die Realität wird verändert wahrgenommen z.B. Halluzinationen (irreale sinnliche Wahrnehmung, die sich auf die Sinnesorgane Augen (sehen), Haut (tasten), Ohr (hören) + Gleichgewichtssinn und Nase (schmecken) beziehen ohne einen entsprechenden äußeren Sinnesreiz

Persönlichkeitsstörungen (Ich-Störungen)

= Störung der Meinhaftigkeit, unwillkürliches Erleben; psychische Vorgänge werden so erlebt, als wenn diese nicht mehr zum eigenen Ich gehören, als wenn sie von „außen“ gemacht werden

- das betroffene Klientel kann sich gegen die Außenwelt nicht mehr persönlich abgrenzen, z.B.
- Gedankenausbreitung; Betroffene fühlen sich innerhalb ihrer Ich-Grenze nicht mehr geschützt und denken, andere könnten ihre Gedanken wahrnehmen
- Gedankenentzug; das betroffene Klientel denkt, dass ihnen

Gedanken von anderen Personen (vor-) weggenommen werden und ihnen somit nicht mehr zur Verfügung stehen

- Gedankeneingebung; Betroffene gehen davon aus, dass ihnen Gedanken von „außen“, also von anderen eingegeben werden, um die Gedankengänge von den Betroffenen zu steuern
- gestörte Ich-Steuerung; das betroffene Klientel ist davon überzeugt, dass sein Wollen, Denken und Handeln ausschließlich von „außen“, also von anderen vorgegeben und gesteuert wird

Depression und Ängste

Störung von motorischen Handlungsabläufen (Apraxie)

psychische und motorische Unruhe

Aggressivität und Stimmungsschwankungen (affektive Störungen)

Apathie und Indifferenz

Urin - und Stuhlinkontinenz

Die häufigsten Verhaltensstörungen sind

- Apathie
- abweichendes motorisches Verhalten (z.B. zielloses Herumirren)
- Essstörung: Essen von Unessbarem
- Gereiztheit/Labilität
- Agitation/Aggression
- Schlafstörungen
- Depression/Dysphorie
- Angst
- Wahn
- Enthemmung
- Halluzinationen
- Euphorie

und werden unter BPSD (Abkürzung für „Behavioural and Psychological Symptoms of Dementia“) zusammengefasst.

Die größten Risikofaktoren für eine Demenz sind:

- metabolisches Syndrom
- Bluthochdruck
- Adipositas
- Nüchternblutzucker- und Blutfettwerte (erhöht)

- erkrankte Herzkrankgefäße (KHK)
- Noxen aller Art (Alkohol, Drogen, Medikamentenabusus, Smog)
- ungesunde Ernährungs- und Lebensweise
- wenig und einseitige Bewegung
- kognitive Unterforderung
- Unflexibilität jeglicher Art und negativer Stress

2.5 Stadien der Demenzen

Bei allen Beteiligten haben sich folgende Symptome und Merkmale herauskristallisiert:

Stadium 1

Festhalten an ihrer gesellschaftlichen Rolle

aber: es wird ersichtlich, dass hier alte Konflikte in verhüllter Form benannt werden, indem sie Personen der Gegenwart als „Symbole“ für Personen der Vergangenheit verwenden

Gefühle werden oftmals geleugnet, die Betroffenen legen sehr viel Wert auf Sprache und Kommunikation, Verstand und rationales Denken.

Dieses Klientel schätzt ein klares Urteil und Kontrolle, Berührungen und Blickkontakt weisen sie oft zurück, um sich und ihre oftmals heftigen Emotionen zu leugnen, beschuldigen und projizieren z.B. ihre tief liegenden Ängste oder unverarbeiteten Erlebnisse auf andere (soziales Umfeld), um „ihr Gesicht, ihre Würde zu wahren“ und letztlich ihr inneres Gleichgewicht aufrechtzuerhalten.

Sie reagieren nicht auf Verhaltenstraining, fürchten sich vor Veränderungen, wollen keine „Einsicht“ in ihre Denkweise und auch keine Analyse ihres Istzustands.

körperliche Merkmale

- sind zielgerichtet, die Augen sind klar und fokussiert, viele von ihnen stehen oder sitzen mit verschränkten Armen.
- ihre Stimmen können situationsbedingt schrill, jammernd oder rau sein
- es ist ihnen ein Bedürfnis, bestimmte unterdrückte Gefühle nach außen hin sichtbar zu machen.

psychische Merkmale

- sie haben Angst, die Kontrolle über sich und ihre Körperfunktionen zu verlieren
- sie reagieren mit ängstlichen (und/oder ablehnenden) Verhaltens­weisen auf mögliche Veränderungen

Es empfiehlt sich ein vertrauensvoller, fürsorglicher und respektvoller Umgang Validation empfinden sie als angenehm und erleichternd.

Stadium 2

Gegenwartsverlust/Rückzugstendenzen

offensichtliche Beeinträchtigung aller Sinneswahrnehmungen und kognitiven Fähigkeiten, Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, eigene und unkonventionelle Konversations-, Kleidungs- und Verhaltens­regeln dominieren

Dieses Klientel möchte sich nicht mehr ausschließlich mit der

Vergangenheit auseinander setzen, sie ersetzen Personen durch Dinge, Bewegungen und Klänge.

Emotionalität und eigene Bedürfnisbefriedigung stehen im

Vordergrund.

körperliche Merkmale

- langsame und anmutig wirkende, tatsächlich aber zögernde und ängstliche Schrittfolgen
- ihre Augen sind klar, fokussieren aber nicht, ihre Stimmen sind leise und verhalten (Sprache wird sukzessive ersetzt durch nonverbale Kommunikation)

psychische Merkmale

- sie versuchen dem langweiligen und eintönigen Alltag mit Tagträumen und Realitätsflucht zu entfliehen, durchleben dabei aber oftmals nicht verarbeitete Szenen aus ihren jeweiligen ehemaligen Lebenswelten bzw. Arbeitswelten
- Gefühle können nicht mehr kontrolliert gesteuert werden, sie sprechen offen über ihre Bedürfnisse (Streben nach Identität, Angst vor Trennungen u.a.) und Gefühle (emotionale Nähe, Hass, Trauer u.a.)

Es empfiehlt sich, Augenkontakt, Berührungen und ggf. auch Intimität zuzulassen; in dieser Phase spüren sie intuitiv ehrlich gemeinte Sorge.

Stadium 3

Rigorosität und weiterer Rückzug in die Vergangenheit

- ausgeprägte Lauftendenzen und permanente Bewegungen sind in diesem Stadium überwiegend präsent
- das Bewusstsein der schmerzlichen Realität, das sich durch außergewöhnliche „klare“ Momente äußert, wechselt sich mit selbst gewählter Isolation und Eigenstimulanz ab

Es empfiehlt sich, die Bedürfnisse nach Nähe und Distanz zu befriedigen, insbesondere beim Wunsch nach Distanz; Gesprächs­bereitschaft zu signalisieren und dem Klientel niemals Vorwürfe für ihr damaliges und jetziges Verhalten zu machen.

Tatsächlich kann in dieser Phase die Sprache und rationales Denken bedingt (also mit Einschränkungen) wieder hergestellt werden, hier gilt es die kurzen aber effektiven Konzentrationsphasen sinnvoll für alle Beteiligten zu nutzen.

körperliche Merkmale

- ihre physische Ausdrucksweise mutet bizarr an, obwohl sie sich ihrer rhythmischen Bewegungen ebenso nicht bewusst sind wie der z.B. summenden oder stöhnenden Geräusche, die sie von sich geben
- ihre Augen sind oftmals geschlossen sind und ihr Blick erscheint nicht zielgerichtet

psychische Merkmale

- bei extrinsischen Motivatoren können ehemals gefestigte soziale Rollen kurzzeitig wieder hergestellt werden
- die Konzentrationsspanne der Betroffenen lässt deutlich nach
- zunehmender Verlust des Selbstbewusstseins und Körper­bewusstseins im Raum
- stringenter Wunsch nach Rückzugstendenzen, die geprägt sind von Isolation und Selbststimulation

Es empfiehlt sich, das Bedürfnis nach Distanz zu befriedigen, ggf. Validationstechniken anzuwenden.

Stadium 4

totaler Rückzug sowohl physisch als auch psychisch

- in dieser Phase sind die Augen meist geschlossen; der Betroffene spricht nicht mehr
- Pflegebedürftigkeit ist in jeder Hinsicht gegebenen

Es empfiehlt sich ein einfühlsamer und verständnisvoller Umgang.

Die 7 Grade der Demenz nach Reisberg und Team

- Grad 1
- keine kognitiven Leistungseinbußen und keine subjektiven Hinweise auf ein Gedächtnisverlust

- Grad 2
- mögliche kognitive Leistungseinbußen
- subjektive Klagen über Defizite, am häufigsten in nachfolgenden Bereichen:

(a) vergisst, wo vertraute Gegenstände abgelegt wurden
(b) vergisst ehemals gut bekannte Namen

- keine objektiven Zeichen eines Gedächtnisdefizits im klinischen Interview
- keine objektivierbaren Defizite im Beruf oder sozialen Umfeld
- angemessenes Verhalten unter Berücksichtigung der jeweiligen Symptomatik

- Grad 3
- geringe kognitive Leistungseinschränkungen
- beginnende eindeutige Defizite manifestieren sich in mehr als einem der nachfolgenden Bereiche:

(a) Klientel findet sich nicht mehr an einem fremden Ort zurecht
(b) Mitarbeiter*innen/Angehörige/engste Vertraute bemerken die reduzierte Arbeitsleistung und bemerken Wortfindungsstörungen und Schwierigkeiten, z.B. die Namen von Bekannten zu erinnern
(c) es werden nur geringe Teile z.B. einer gelesenen Textpassage verstanden
(d) Namen neuer Personen/Bekanntschaften werden sich schlecht gemerkt
(e) Wertgegenstände werden verlegt oder verloren
(f) während der klinischen Testung wird ein Konzentrationsdefizit festgestellt; objektive Gedächtnisdefizite lassen sich nur in einem ausführlichen klinischen Interview bzw. in psychometrischen Tests finden

- verringerte Leistungsfähigkeit im Beruf oder im sozialen Umfeld
- Defizite werden geleugnet
- geringe bis mittelgradige Angstsymptomatik

- Grad 4
- mäßige kognitive Leistungseinschränkungen
- Herauskristallisierung eindeutiger Defizite in folgenden Bereichen:

(a) Kenntnis aktueller oder kurz zurückliegender Ereignisse
(b) Erinnern des eigenen Lebenslaufs,
(c) Konzentration bei den Aufgaben mit seriellen Subtraktionen,
(d) Fähigkeit, sich an unbekannten Orten zurechtzufinden oder mit Geld umzugehen u.a.

- meist keine Defizite in nachfolgenden Bereichen:

(a) Orientierung zur Zeit und Person
(b) Wiedererkennen vertrauter Personen und Gesichter
(c) Fähigkeit, sich an bekannten Orten zurechtzufinden

- Unfähigkeit, komplexe Aufgaben durchzuführen
- die dominierende Abwehrstrategie ist das Verleugnen von Defiziten
- affektive Handlungen verflachen
- Situationen mit höheren Anforderungen werden gemieden

- Grad 5
- mittelschwere kognitive Leistungseinschränkungen
- keine Orientierung mehr ohne fremde Hilfe
- kein Erinnern mehr an lebensrelevante Aspekte (Familie, Arbeit u.a.
- Desorientierung zur Zeit (z.B. Datum, Wochentag, Jahreszeit)
- komplexere Rechenaufgaben können nicht mehr gelöst werden
- Klientel in diesem Stadium erinnert sich allerdings noch einige Fakten, die sie selbst oder andere betreffen (z.B. eigener Name oder die Namen der Kinder)
- nicht alle Betroffenen brauchen Hilfe beim Toilettengang oder Essen
- viele weisen jedoch Schwierigkeiten bei der Auswahl situationsgerechter Kleidung auf (z.B. wählen sie oft Nachtwäsche oder Hausschuhe für den Tagesausflug aus)

- Grad 6
- schwere kognitive Leistungseinbußen
- keine (Er-) Kenntnis kurzzeitig zurückliegender Episoden und erlebter Handlungen
- lückenhaftes Erinnern der eigenen Biografie
- zeitliche, persönliche, örtliche und situative Handlungsabläufe werden nicht mehr bewusst wahrgenommen bzw. korrekt eingeordnet
- einfache Rechenaufgaben können nicht mehr gelöst werden
- Hilfe und Anleitung erforderlich bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens
- gestörter Tag-Nacht-Rhythmus
- Klientel kennt seinen Rufnamen, gelegentlich auch die Namen von engsten Vertrauten und Freunden, zu denen eine langjährige Bindung bestanden hat
- Persönlichkeitsveränderungen und Gefühlsstörungen treten in den Vordergrund, primär sind temporal auftretend:

(a) Verfolgungsgedanken: der Betreuungsperson wird Betrug und/oder Diebstahl unterstellt oder mit imaginären Personen oder mit dem eigenen Spiegelbild gesprochen
(b) Zwangssymptome: es wird ständig ein und derselbe Gegenstand gereinigt (einfachste Tätigkeiten zur Selbststimulation)
(c) Angstsymptome: Unruhe und Umtriebigkeit sowie aus der Vergangenheit und nicht bekanntes aggressives Verhalten können auftreten
(d) fehlender Willensantrieb: der Wunsch, etwas zu tun wird nicht umgesetzt, alles bleibt beim derzeitigen Istzustand, da es keine logischen Gedankenabfolgen mehr gibt

- Grad 7
- sehr schwere kognitive Leistungseinbußen
- häufig totaler Sprachverlust, gelegentlich sind noch sprachliche Automatismen erhalten
- vollständige Übernahme der Pflege erforderlich bei allen Verrichtungen
- vollständiger Verlust psychomotorischer Fähigkeiten möglich (Immobilität und Bettlägerigkeit möglich)

2.5.1 Möglicher Erklärungsansatz: Theorie der Retrogenese

Die Theorie der Retrogenese ist ein Denkansatz zur Erklärung und zum besseren Verständnis der Veränderungen und der daraus resultie­renden Bedürfnisse, die im Laufe der Erkrankung passieren. Das Fort­schreiten von Demenz, insbesondere der Alzheimer-Demenz wird von der Wissenschaft auch ähnlich einer „umgekehrten Kindheitsentwick­lung“ (Retrogenese nach B. Reisberg) beschrieben. Die Theorie geht davon aus, dass Betroffene ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten in der umgekehrten Reihenfolge einbüßen, wie sie erworben worden sind. Im Verlauf der Erkrankung verliert die Person ihre Selbstständigkeit im Alltag. Es besteht ein kontinuierlich zunehmender Bedarf an Betreuung und Pflege.

Die Bedürfnisse einer Person mit Demenz im Grad 7 (nach Reisberg) entsprechen in vielen Belangen denen eines Säuglings oder Kleinkin­des.

[...]

Ende der Leseprobe aus 141 Seiten

Details

Titel
Berufliche Grundlagen für Präsenz- und Betreuungskräfte
Untertitel
Band 3: Aufbaukurs Betreuungsarbeit
Autor
Jahr
2022
Seiten
141
Katalognummer
V1181494
ISBN (eBook)
9783346593801
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Demenz, Alltagsbewältigung, Validation, Basale Stimulation, Bobath-Konzept, IdA, Schmerzerfassung, Skala, Reisberg, Naomi Feil, Betreuungskraft gemäß §§ 43b und 53b SGB XI
Arbeit zitieren
Sabine Schmidt (Autor:in), 2022, Berufliche Grundlagen für Präsenz- und Betreuungskräfte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1181494

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