Über die Bildlichkeit von Tod und Vergänglichkeit im 'Armen Heinrich' von Hartmann von Aue


Hausarbeit (Hauptseminar), 1999

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Heinrichs Krankheit
2.1 Heinrichs Umgang mit der Krankheit
2.2 Art und Funktion der Krankheit
2.3 Exkurs 1: Heinrichs Schuld an der Krankheit

3 Die Metaphern
3.1 Einleitung
3.2 Exkurs 2: Necessitas- und Ornatus - Funktion
3.3 Das grüne Gras und die Kerze
3.3.1 Intratextueller Kontext
3.3.2 Intertextueller Kontext

4 Der Tod
4.1 Körperlicher vs. seelischer Tod

5 Heinrich und die maget – Weltbilder auf dem Prüfstand

6 Fazit

7 Literaturverzeichnis
7.1 Primärliteratur
7.2 Sekundärliteratur

1 Einleitung

Tod und Vergänglichkeit sind zwei zentrale Begriffe im „Armen Heinrich“ von Hartmann von Aue. Beide finden in der Dichtung an vielen Stellen inhaltliche Beachtung und das zudem auf vielfältige Art und Weise. Zum einen finden sich die Textstellen, die die genannte Thematik metaphorisch behandeln und somit wesentliche Aspekte in einem Bild komprimiert zusammenfassen. Zum anderen finden sich neben diesen Metaphern aber auch ganze Erzählabschnitte umfassende Schilderungen, die die zusammenfassenden Bilder wieder aufschlüsseln und gleichzeitig neu akzentuieren. Durch diese Art der Beschreibung erreicht Hartmann eine detaillierte Darstellung der Thematik. Dabei ist für ihn nicht die bloße Beschreibung der beiden Bereiche von Wichtigkeit, sondern vielmehr auch die Funktion, die ihnen innerhalb seines Werkes zukommt. Diese Funktion ergibt sich erst im vollen Umfang durch gemeinsame Betrachtung mit ihrem Gegenpol: Der Unvergänglichkeit Gottes. Diese beiden Kontrapunkte (Tod und Vergänglichkeit auf der einen, Ewigkeit und Unvergänglichkeit auf der anderen Seite) bilden ein Begriffspaar der Dichtung, um das herum sich viele Ereignisse abspielen. Da die Begrifflichkeiten ihre volle Bedeutung erst durch die Gegenüberstellung mit ihrer Gegenseite vollständig entfalten können, wird es in dieser Hausarbeit um beide Bereiche gehen müssen.

Wenn eingangs gesagt worden ist, daß Hartmann eine sehr detaillierte Beschreibung erreicht, so sollte dies am Text bewiesen werden. Um dabei möglichst viele der von Hartmann verwendeten Darstellungsweisen zu veranschaulichen, sei in einem ersten Teil der Hausarbeit auf die zentrale Erscheinung der Dichtung eingegangen, durch die die Vergänglichkeits- und Todesproblematik ausführlich beschrieben wird: Die Krankheit Heinrichs. Es wird in diesem Zusammenhang (in einem Exkurs) auch um die in der Forschung häufig zitierte Frage der Schuld Heinrichs an seiner Krankheit gehen, denn um die Funktion der Krankheit darzustellen, ist dies zwar nicht unumgänglich, mag aber dennoch gewinnbringend sein. In einem weiteren Teil seien dann beispielhaft zwei Metaphern angesprochen, die sich auf die Vergänglichkeit und den Tod beziehen. Dabei wird (in einem zweiten Exkurs) auch kurz von der Rechtfertigung der Metaphernverwendung zu sprechen sein, um zu beweisen, daß Metaphern zwar nicht unbedingt notwendige, aber überaus elegante und hilfreiche Veranschaulichungen der Thematik sind. Abschließend soll dargestellt werden, welche Funktion dem Tod und seiner Darstellung zukommt, denn er darf wohl mit recht als beeindruckenste Erscheinung der Vergänglichkeit bezeichnet werden.

Letztendlich soll in dieser Hausarbeit gezeigt werden, daß sich Heinrichs Umgang mit der Vergänglichkeit ändert und diese Veränderung gleichsam symbolhaft für eine veränderte Lebensweise steht. Zudem soll auf die Prozesse eingegangen werden, die hinsichtlich der maget und ihres Verhältnisses zum Tode deutlich werden.

2 Heinrichs Krankheit

2.1 Heinrichs Umgang mit der Krankheit

Die Krankheit überkommt Heinrich völlig unerwartet. Ihr gehen keine Vorboten voraus: Heinrich wird von einem auf den anderen Tag von “der werlte venre[1]“ (AH, Vers 125) zum widerwärtigen und unerwünschten Zeitgenossen. Er fällt „ab siner besten werdekeit/ in ein smaelichez leit“ (AH, Vers 117 f.).

Dies ist offenbar nicht nur für Heinrich schwer zu begreifen, denn es wird berichtet „in klageten älliu diu lant/ da er inne was erkant/ und ouch von vremeden landen/ die in nach sage erkanden“ (AH, Vers 262 ff.). Alle, die Heinrich kannten und auch die, die nur von ihm gehört hatten, litten also mit ihm.

Interessant ist nun vor allem die Reaktion Heinrichs auf seine Krankheit, denn in dieser Reaktion manifestieren sich ganz zentrale Charaktereigenschaften Heinrichs, die durch ihre spätere Veränderung seinen Wandel verdeutlichen.

Heinrich denkt, als er mit der Krankheit konfrontiert wird, sofort an weltliche Heilung, wie in den Versen 163 bis 172 der Dichtung beschrieben wird. Die Möglichkeit, daß seine Krankheit besonderer Natur sein könnte, zieht er nicht in Erwägung und er vermutet somit, daß sie durch einen (weltlichen) Arzt heilbar sei. Diese Vorstellung will er – auch nach der Offenbarung des Arztes – nicht aufgeben. Im Gegenteil: Jetzt beruft er sich erst recht auf seine weltlichen Güter. So sagt er: „wan swaz mir vür wirt geleit/ von guote ode von arbeit/ das truwe ich vollbringen“ (AH, Vers 191 ff.) Der Arzt macht ihn danach darauf aufmerksam, daß seine Mittel hier versagen und Heinrich die Grenzen seiner Macht erreicht hat. „Nu lat den gedingen“ (AH, Vers 194), antwortet der Arzt und macht Heinrich darauf aufmerksam, daß nur Gott ihn heilen könne: „des sit ir iemer ungenesen/ got enwelle der arzat wesen“ (AH, Vers 203 f.). Die Antwort Heinrichs auf diese Aussage ist höchst bedeutsam. Er sagt nämlich „war umbe untroest ir mich“ (AH, Vers 206). Heinrich zieht die Möglichkeit, Gott um Hilfe zu bitten und sich auf ihn zu verlassen, gar nicht in Betracht. Diese Aussage spiegelt in größtmöglicher Klarheit Heinrichs Lebensphilosophie. Er hat es nie gelernt, auf Gott zu vertrauen und ist dementsprechend (immer noch) darauf fixiert , sich auf sein (finanzielles) Vermögen zu verlassen. Genau hier wird der Mangel Heinrichs deutlich: Er kann die Grenzen seiner Macht (noch) nicht begreifen. Diese Grenzen werden ihm zwar schon zu einem relativen frühen Zeitpunkt in der Dichtung vor Augen geführt wird, „aber immer noch dachte er nicht, daß es eine Gottesprüfung sei, die ihm auferlegt war, er suchte der Menschen Hülfe für sein Übel“ (Cassel, S. 198).

Es ist noch ein langer Weg bis Heinrich erkennt, daß Menschen Hilfe in seinem Fall hilflos ist und er sich zu ändern beginnt. Dabei bekommt seiner Krankheit immer größere Bedeutung.

2.2 Art und Funktion der Krankheit

Die meisten Interpreten stimmen in der Aussage überein, Heinrichs Krankheit, die „miseluht“ (AH, Vers 119), als Aussatz zu bestimmen. Auseinander gehen die Meinungen aber darüber, ob der Krankheit „Symbol“- charakter zuzuschreiben sei, oder nicht. Cormeau z.B. möchte eine symbolische Bedeutung nicht grundsätzlich abstreiten, meint aber, die Krankheit sei zunächst einmal als „schweres körperliches Leiden...und nicht einfach sichtbare Sünde“ (Cormeau, aaO.9) zu verstehen. Hier hat er mit Sicherheit recht. Dennoch ist seine Aussage in gewisser Weise tautologisch, denn jedes Symbol besitzt neben seiner Aussage auch die natürliche Erscheinung, die es sichtbar macht. In diesem Zusammenhang steht die Krankheit Heinrichs, wie alle anderen Krankheiten auch, für die Zerbrechlichkeit des menschlichen Körpers, die den Menschen an seine Vergänglichkeit erinnert und der er (damals letztendlich nicht mehr als heute) hilflos ausgeliefert ist. In diesem Sinne wäre die Krankheit Heinrichs auch dann, wenn sie nicht von Gott geschickt wäre, Anzeichen der Vergänglichkeit und somit in gewisser Weise symbolhaft. Dadurch daß sie von Gott kommt, erhält ihre Symbolhaftigkeit allerdings von Anfang an einen bestimmten Zielpunkt: Sie ist Mittel Gottes, um Heinrich zur Rechenschaft zu ziehen.

Wenn eingangs gesagt worden ist, daß die Art der Krankheit relativ eindeutig interpretiert ist, so stimmt das nicht ganz: Die miseluht mag auch, wie es in einige Kommentaren bemerkt wird, für die Unreinheit stehen. Günther Datz bemerkt dazu „Nun hat man in Heinrichs miseluht aber noch eine ganz andere Krankheit sehen wollen, nämlich die Syphilis, und die hauptsächliche Begründung dafür war die, daß im Mittelalter beide Krankheiten nicht auseinandergehalten worden seien, und auch das Heilmittel, das Blut eines unberührten Mädchens, kam nach dem Aberglauben der Volksmedizin einer solchen Deutung entgegen“ (Datz, S.210). Die Schlüssigkeit einer solchen Interpretation mag angezweifelt werden, weil Heinrich doch als tugendhafter Mensch dargestellt wird. Datz kommt zu einer ähnlichen Einschätzung und führt vor allem medizinhistorische Gründe an. Ob es diese Krankheit nämlich im Mittelalter in Deutschland gegeben habe, ist umstritten. Datz führt aus „Wenn es diese Krankheit im Mittelalter in Europa gegeben hätte, so wäre sie bei den sexuellen Gepflogenheiten der Zeit gewiß nicht sporadisch aufgetreten“ (Datz, S.212) Die Bedeutung der Tatsache, daß Heinrichs Krankheit eben nicht für die Unreinheit steht, wird durch folgende Ausführungen noch deutlicher.

[...]


[1] (Überlieferung nicht ganz gesichert)

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Über die Bildlichkeit von Tod und Vergänglichkeit im 'Armen Heinrich' von Hartmann von Aue
Hochschule
Universität Hamburg  (FB Germanistik)
Veranstaltung
Seminar II
Note
1,0
Autor
Jahr
1999
Seiten
17
Katalognummer
V11818
ISBN (eBook)
9783638178730
ISBN (Buch)
9783638932202
Dateigröße
576 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Über die Bildlichkeit von Tod und Vergänglichkeit im `Armen Heinrich`“
Arbeit zitieren
Hanno Frey (Autor:in), 1999, Über die Bildlichkeit von Tod und Vergänglichkeit im 'Armen Heinrich' von Hartmann von Aue, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11818

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