Die Interpenetration psychischer und sozialer Systeme nach Niklas Luhmann


Seminararbeit, 2021

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Menschen und ihre Beziehungen zu sozialen Systemen

3. Interpenetration - Begriffliche Nachzeichnungen
3.1. Autopoietische Systeme und Komplexität
3.2. Die doppelte Kontingenz
3.3. Kommunikation und Handeln
3.4. Operationsbereich der Interpenetration
3.5. Sinn und strukturelle Kopplung
3.6. Interpenetration und Bindung
3.7. Binäre Schematisierung und Moral

4. Zwischenmenschliche Interpenetration

5. Beleuchtung kritischer Punkte
5.1. Die Rolle der Sprache
5.2. Kritik an Luhmanns Autopoiesis-Begriff

6. Schlussbemerkungen

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Die Soziologie steckt in einer Theoriekrise. Eine im Ganzen recht erfolgreiche empirische Forschung hat unser Wissen vermehrt, hat aber nicht zur Bildung einer facheinheitlichen Theorie geführt“ (Luhmann 1987: S. 7). Mit dieser Diagnose leitet Niklas Luhmann sein 1984 erschienenes Werk „Soziale Systeme - Grundriss einer allgemeinen Theorie“ ein. Die dieser Kritik folgende Gesellschaftstheorie ist für die Soziologie unserer Zeit zu einer Art Standardwerk avanciert. Noch heute - über dreißig Jahre nach dem Erscheinen seines Werkes - wird seine Theorie in den Sozialwissenschaften heftig diskutiert und zeugt damit von starker Aktualität. Sein Ziel bestand in der Erstellung eines ganzheitlichen Theoriemodells, um Soziales einheitlich beschreiben und analysieren zu können. Dabei möchte er die Welt aus einem neuen Blickwinkel betrachten und die Gesellschaft nicht als ein Zusammenspiel von Menschen sehen, sondern als einen Raum der Kommunikation, der nichts Geringeres zum Ziel hat, als diese Kommunikation aufrechtzuerhalten bzw. fortzusetzen.

In der vorliegenden Arbeit beschäftige ich mich mit einem bestimmten Bestandteil der Luhmann’schen Systemtheorie - der Interpenetration. Diesen Begriff nutzt Luhmann, um das Verhältnis und die damit einhergehenden wechselseitigen Beziehungen zwischen Systemen, primär zwischen psychischen und sozialen Systemen, zu beschreiben und zu analysieren. Ziel ist es, Luhmanns Konzeption der Interpenetration nachzuzeichnen und einen strukturierten Einblick in seine Überlegungen und Begrifflichkeiten zu geben. Im Hinblick auf den mir für diese Seminararbeit zur Verfügung stehenden Rahmen, wird es mir nicht möglich sein, das Konzept mit all seinen systemtheoretischen Verzahnungen zu beleuchten, weshalb ich mich in dieser Arbeit, auf die mir am wichtigsten erscheinenden Elemente beschränken werde.

In Kapitel 2 beschreibe ich zunächst das Verhältnis zwischen Menschen und sozialen Systemen, um nachvollziehbar zu machen, welche theoretischen Prämissen Luhmanns Vorgehensweise zugrunde liegen, bevor ich in Kapitel 3 mit einer Einführung in das Konzept der Interpenetration beginne. Dieses Vorgehen habe ich gewählt, weil mir eine Klärung des Anwendungsbereiches sowie eine genaue definitorische Abgrenzung der für das Konzept der Interpenetration wichtigen Begrifflichkeiten unentbehrlich erscheint. In Kapitel 4 werde ich mich mit einer gesonderten Form von Interpenetration beschäftigen - und zwar der zwischen zwei Menschen, um in Kapitel 5 einen Einblick in kritische Meinungen zu Luhmanns Konzeptionen zu geben. Anschließend werde ich die Hausarbeit in Kapitel 6 mit einer persönlichen Schlussbemerkung abschließen.

2. Menschen und ihre Beziehungen zu sozialen Systemen

In Anlehnung an die humanistische Tradition hat man den Menschen in den vergangenen Jahrhunderten als Bestandteil der sozialen Ordnung, als Element der Gesellschaft selbst gesehen. Er war als Individuum ein nicht weiter zerlegbarer Baustein und wurde in seinem Dasein als ein in seiner Lebensführung gebundener Teil der Gesellschaft aufgefasst (Luhmann 1987: S. 286). Dieser Tradition entgegen zählt Luhmann den Menschen in seiner Systemtheorie zur Umwelt von Systemen und somit auch zur Umwelt des sozialen Systems Gesellschaft. Die Systemtheorie geht von der Einheit der Differenz von System und Umwelt aus, wobei die Umwelt als konstitutives Moment dieser Differenz nicht weniger wichtig ist als das System selbst (Luhmann 1987: S. 289). Mit dieser Unterscheidung zwischen System und Umwelt würde man bei näherer Betrachtung die Möglichkeit gewinnen, den Menschen als Teil der gesellschaftlichen Umwelt zugleich komplexer und ungebundener begreifen zu können, weil die Umwelt im Vergleich zum System höhere Komplexität und geringeres Geordnetsein aufweisen würde (Luhmann 1987: S. 289). Um das psychische System des Menschen nun als Teil der Umwelt sozialer Systeme in seiner Beziehung zu diesen beschreiben zu können, bedarf es eines neuen Theorieansatzes - der Interpenetration.

3. Interpenetration - Begriffliche Nachzeichnungen

Wenn Systeme nicht nur in und mit sich selbst kommunizieren, sondern auch mit Teilen ihrer Umwelt, so nennt Luhmann dies Interpenetration. Hier seijedoch erwähnt, dass es Luhmann nicht um eine allgemeine Beschreibung der Beziehung zwischen System und Umwelt geht, sondern um die Beschreibung der „Intersystembeziehung“ (Luhmann 1987: S.290). Penetration soll in diesem Zusammenhang bedeuten, dass die Komplexität eines autopoietischen Systems, also die Tatsache das eine Wahl darüber getroffen werden muss, welche elementaren Zusammenhänge bzw. Relationen für ein System bestehen sollen, zum Aufbau eines anderen Systems beitragen (Luhmann 1987: S. 290). Interpenetration läge entsprechend dann vor, wenn dieser Sachverhalt reziprok gegeben ist und sich die Systeme dadurch ermöglichen, dass sie in das jeweils andere ihre Eigenkomplexität einbringen und diese einander auch benötigen, um bestehen zu können (Luhmann 1987: S. 290). So sind etwa mit Kommunikationen operierende soziale Systeme auf Gedanken anderer - psychischer - Systeme angewiesen (Krause 1999: S. 126). Die Systeme sind zwar eindeutig voneinander getrennt, durchdringen sich jedoch gegenseitig.

3.1. Autopoietische Systeme und Komplexität

Die Voraussetzung dafür, dass der Prozess der Interpenetration zwischen zwei Systemen stattfinden kann, ist das beide an dem Prozess beteiligten Systeme autopoietische Systeme sind. Autopoietisch (griech. selbsterschaffend) bedeutet, dass die Systeme dazu in der Lage sind, sich auf sich selbst zu beziehen und sich somit selbstreferentiell erhalten. Anders gesagt können sie Elemente, aus denen sie entstehen selbst erschaffen.

Ebenso gilt als besonders wichtig hervorzuheben, dass die interpenetrierenden Systeme innerhalb dieses Prozesses füreinander Umwelt bleiben, was bedeutet, dass die Komplexität, die die Systeme einander zur Verfügung stellen, für das jeweils aufnehmende System Unordnung bedeutet. Eine Art von Unordnung, die aber für das penetrierte System zur erfolgreichen Reproduktion benötigt wird. Nach Luhmann setzt somit alle Reproduktion eine Struktur aus Ordnung und Unordnung voraus, die je aus einer strukturierten eigenen Komplexität bestehen, sowie aus einer unfassbar fremden Komplexität (Luhmann 1987: S. 291). Dies folgt dem „Order from noise“-Prinzip von Heinrich von Foerster, bei dem die sozialen Systeme durch die bei Kommunikationsversuchen von psychischen Systemen erzeugten Geräusche entstehen (Luhmann 1987: S. 292). Komplexität bedeutet in dem Fall, dass eine Vielzahl von Elementen, beispielsweise in Form von Handlungen, miteinander verknüpft werden müssen und dadurch eine Form von Selektionszwang entsteht (Luhmann 1987: S. 291).

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Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die Interpenetration psychischer und sozialer Systeme nach Niklas Luhmann
Veranstaltung
Gesellschaftstheorie: Habermas vs. Luhmann
Note
1,7
Autor
Jahr
2021
Seiten
13
Katalognummer
V1183345
ISBN (eBook)
9783346611970
ISBN (Buch)
9783346611987
Sprache
Deutsch
Schlagworte
soziale Systeme, Interpenetration, Luhmann, System & Umwelt, psychische Systeme
Arbeit zitieren
Maximilian Gerring (Autor:in), 2021, Die Interpenetration psychischer und sozialer Systeme nach Niklas Luhmann, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1183345

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