Interkulturelles Verhandlungsverhalten. Ein Vergleich zwischen Indien und Deutschland


Hausarbeit, 2021

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kultur: Begriff, Definitionen und Einfluss

3. Unterschiede zwischen Kulturen

4. Interkulturelle Kommunikation
4.1 Interkulturelles Verhandlungsverhalten
4.2 Interkulturelle Konfliktursachen
4.3 Kulturdimensionen von Hall
4.4 Zusammenfassung

5. Indien versus Deutschland
5.1 Verhandlungsverhalten
5.2 Kulturdimensionen nach Hofstede

6. Interkulturelles Lernen und Training

7. Fazit & Ausblick

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Technische Innovation und kostengünstigere Transportmöglichkeiten haben zu einer fortschreitenden Vernetzung der Welt, kurz Globalisierung, geführt. Unternehmen orientieren sich am globalen Markt, um konkurrenzfähig zu bleiben, und gehen Kooperationen mit ausländischen Partnern ein (Schipper, 2007, S. 8). Seit Ende der 1990er Jahre ist erkennbar, dass die drei Megamärkte östlich der EU – China, Indien und Russland – ein neues und wirtschaftlich sowie politisch bedeutsamer werdendes Gegengewicht zur alten Triade USA-EU-Japan bilden (Fischer, 2015, S. XVII). Insbesondere wird Indien heute als neue Wirtschaftsmacht angesehen und gilt für deutsche Unternehmen als einer der größten Wachstumsmärkte. Deutschland ist Indiens wichtigster Handelspartner innerhalb der EU und der sechswichtigste Handelspartner weltweit (Auswärtiges Amt 2021). Es ist daher erforderlich, mit Repräsentanten von Gruppen in Verhandlungen zu treten, deren Kulturen sich von der eigenen unterscheidet. Die unterschiedlichen Wertvorstellungen, die Personen in individualistischen und in kollektivistischen Kulturen befürworten, machen es wahrscheinlich, dass Aufgaben und Kommunikation auf unterschiedliche Weise angegangen werden (Jonas, Stroebe & Hewstone, 2014, S. 594-596).

Ziel dieser Arbeit ist es, den Einfluss von Kultur auf interkulturelle Verhandlungen darzustellen, die dabei entstehenden Missverständnisse zu erläutern und daraus abgeleitete Lern- und Trainingsprozesse aufzuzeigen. Dabei sollen insbesondere die typischen Unterschiede im Verhandlungsverhalten zwischen Indien und Deutschland vorgestellt werden.

Kapitel 2 beschäftigt sich mit dem Begriff der Kultur, der Definition und dem Einfluss der Kultur. Um interkulturelle Konfliktursachen in Kapitel 4.2 zu erläutern, wird zuerst in Kapitel 3 auf die Unterschiede der Kulturen und in Kapitel 4 auf die interkulturelle Kommunikation und das interkulturelle Verhandlungsverhalten eingegangen. Dabei sollen in Kapitel 4.3 die Kulturdimensionen von dem Anthropologen Edward T. Hall im Detail vorgestellt werden.

Der angewandte Teil dieser Arbeit verdeutlicht in Kapitel 5 die kulturellen Gegensätze von Indien und Deutschland und die daraus folgenden Unterschiede im Verhandlungs- und Kommunikationsverhalten. Mit Hilfe der Kulturdimensionen von Hofstede sollen diese Differenzen in Kapitel 5.2 explizit verdeutlicht werden. Wie sich auf Verhandlungen im interkulturellen Kontext vorbereitet werden sollte, wird abschließend in Kapitel 6 diskutiert.

2. Kultur: Begriff, Definitionen und Einfluss

Jedes Lehrbuch, sei es aus den Bereichen der Sozial- und Kulturwissenschaften, Soziologie oder Psychologie, welches die Kultur zum Forschungsobjekt hat, beginnt mit den Worten, dass es sehr viele Definitionen von Kultur gebe, die überdies unterschiedliche Aspekte betonen (Genkova, 2019, S. 9). Es gibt eine kaum überschaubare Fülle an Kulturdefinitionen bzw. Definitionsversuchen, aber keinen Grundkonsens zum Verständnis von Kultur, d.h. keine allgemeine und universelle Definition (Wagner, 2019, S. 58).

Angesichts der Komplexität von Kultur fragt Heringer (Heringer, 2014, S. 158): „Handlungsweisen und Handlungen von Abermillionen Menschen in wenigen Worten und Wörtern zu beschreiben, erscheint hybrid. Welche Aspekte der Komplexität werden dabei geopfert?“ Die Vielfalt der Definitionen ist eben durch diese Komplexität des Phänomens „Kultur“ bedingt (Genkova, 2019, S. 10).

Die gesellschaftlich weit verbreitete Nutzung des Begriffs „Kultur“ macht seine genaue Definition nicht einfacher. Was ist nun also das Verständnis von Kultur, das uns helfen kann internationale Begegnungen und Netzwerke erfolgreicher zu gestalten? (Witzenleiter & Luppold, 2020, S. 1-2).

Für Aristoteles gab es nur eine Kultur, welche der Zivilisation zugeschrieben werden konnte: die griechische. Alle Menschen, welche nicht dieser Kultur angehörten, wurden als Barbaren deklassiert. Dieser enge Kulturbegriff geht aus einem Ethnozentrismus hervor, bei dem die eigene Kultur als Maßstab für Wertungen anderer gesetzt wird (Papageorgiou, 2015, S. 42-43).

Definition Ethnozentrismus: Von Sumner 1906 verwendetes Konzept zur Kennzeichnung der Zentrierung der eigenen Beurteilungsmaßstäbe an der Eigengruppe. Ethnozentrismus führt zur Abwertung anderer Gruppen und der extremen Favorisierung der eigenen Gruppe (Wirtz, 2021, S. 576).

Heute wird unter dem Kulturbegriff eine Vielfalt von Phänomenen verstanden wie z.B. Literatur, Theater, Museen, Zeitungen und Bildungssysteme. Auch viele Bereiche des Alltagslebens werden unter dem Kulturbegriff subsumiert. So spricht man u.a. von einer Kultur der Unterhaltung, des Wohnens oder des Essens. Dabei handelt es sich um physische kulturelle Ausprägungen (Kumbruck & Derboven, 2016, S. 5).

Im Rahmen einer interdisziplinären Theoriediskussion der Kulturwissenschaft werden primär drei grundlegende Begriffe unterschieden (Lüsebrink, 2008, S. 10):

1. Der intellektuell-ästhetische Kulturbegriff, der mit Begriffen wie „Bildung“ und „Kunst“ eng verknüpft ist.
2. Der materielle Kulturbegriff.
3. Der anthropologische Kulturbegriff: Hier wird unter Kultur die Gesamtheit der kollektiven Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmuster einer Gesellschaft verstanden. Geert Hofstede, eine der großen Autoritäten der interkulturellen Wirtschaftskommunikation, definiert Kultur im anthropologischen Sinn als „ein kollektives Phänomen, da man sie zumindest teilweise mit Menschen teilt, die im selben sozialen Umfeld leben oder lebten, d.h. dort, wo diese Kultur erlernt wurde. Sie ist die kollektive Programmierung des Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von Menschen von einer anderen unterscheidet“ (Hofstede, 1993, S. 19).

Alexander Thomas definiert „Kultur“ aus ähnlichem Blickwinkel und bezeichnet sie als ein kollektives „Orientierungssystem“: Nach Thomas ist Kultur „ein universelles, für eine Gesellschaft, Organisation und Gruppe aber sehr typisches Orientierungssystem. Dieses Orientierungssystem wird aus spezifischen Symbolen gebildet und in er jeweiligen Gesellschaft usw. tradiert. Es beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller Mitglieder und definiert deren Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Kultur als Orientierungssystem strukturiert ein für die sich der Gesellschaft zugehörig fühlenden Individuen spezifisches Handlungsfeld und schafft somit die Voraussetzung zur Entwicklung eigenständiger Formen der Umweltbewältigung“ (Thomas 1993, S. 380).

Nach dem Verständnis des Pioniers der Interkulturellen Forschung Edward T. Hall (1959) ist Kultur Kommunikation. Bereits die Kommunikation zwischen Menschen, die derselben Kultur angehören, ist oft nicht unproblematisch (Gasteiger, Kaschube, & Rathjen, 2016, S. 6). Wir lernen Kultur ähnlich, wie wir Sprachen lernen. Aus diesem Vergleich heraus entwickelte Hall die sogenannte Kulturgrammatik, denn ähnlich wie Grammatik für eine Sprache gelernt wird, wird eine Grammatik für Kultur benötigt (Witzenleiter & Luppold, 2020, S. 3).

Kultur ist nicht gleichzusetzen mit Zivilisation. Als Zivilisation bezeichnet man die durch Wissenschaft und Technik sowie durch Politik und Wirtschaft geschaffenen Lebensbedingungen. Diese sind zwar nicht unabhängig von der jeweiligen Kultur, doch spricht man gemäß der anthropologischen Sichtweise eine Kultur auch solchen Gesellschaften zu, deren technischer und wissenschaftlicher Fortschritt nur gering ausgeprägt ist (Helfrich, 2019, S. 6).

Kultur ist auch nicht mit der Gesellschaft gleichzusetzen. Der Unterschied ist, dass die Gesellschaft eine organisierte Gruppe von Personen mit gleichen Zielen darstellt, während Kultur eher die Art des Lebens in der Gemeinschaft bezeichnet (Genkova, 2019, S. 16).

Kultur bildet sich überall dort, wo Menschen miteinander interagieren. Dabei ist Kultur ein identitätsstiftendes Unterscheidungsmerkmal von Gruppen und gilt als eine typische Ausprägungsform einer Gesellschaft (Gasteiger, Kaschube, & Rathjen, 2016, S. 4; Helfrich, 2019, S. 4).

Heute wird die relative Komponente von Kultur betont. Kulturelle Merkmale werden erst in der Unterscheidung und Abgrenzung zu anderen Kulturen deutlich. Menschen sind nicht nur von der Kultur im Sinne nationaler Kultur geprägt, sondern auch von der Kultur ihrer Profession, ihres Geschlechtes, ihres Unternehmens, in dem sie arbeiten, von der Kultur ihrer Schule, ihrer Familie etc. Die Sozialisation und damit verbundene Enkulturation in diesen Kulturinstitutionen prägt ihre individuellen und mit ihrer sozialen Umwelt geteilten Sichtweise auf die Welt (Kumbruck & Derboven, 2016, S. 5).

Definition: Enkulturation ist ein sozialpsychologischer (kulturanthropologischer) Begriff für „Einpassung in die Kultur“. Im Unterschied zur gleichartigen Bezeichnung Akkulturation belegt Enkulturation die Anpassung des einzelnen Individuums, Akkulturation die von Volksgruppen und Völkern (Wirtz, 2021, S. 521).

Unsere Kultur formt unser Verhalten. Sie beeinflusst unsere Reaktionsschnelligkeit und Offenheit, unsere Einstellung gegenüber vorehelichem Sex und unsere wechselnden Vorstellungen von der Idealfigur, unsere Tendenz zur Förmlichkeit, unseren Blickkontakt, unsere Distanz bei Gesprächen und vieles mehr. Sobald uns diese Unterschiede bewusst sind, können wir uns von der Annahme trennen, dass alle anderen Menschen genauso denken und handeln wie wir. Angesichts der ständig steigenden Durchdringung und Vermischung der Kulturen, auch im wirtschaftlichen Kontext, ist eine bewusste Haltung gegenüber diesen Unterschieden dringend erforderlich (Myers, 2014, S. 42).

3. Unterschiede zwischen Kulturen

Zum Aspekt der Kulturdifferenz befassen sich viele Forschungsprojekte mit dem Unterschied zwischen individualistischen und kollektivistischen kulturellen Prägungen und wie dieser Unterschied die Kommunikation beeinflusst (Wagner, 2019, S. 7).

Definition Kollektivismus: die Ziele der Gruppe (oft die Großfamilie oder die Arbeitsgruppe) haben Priorität, die Definition der eigenen Identität richtet sich an ihnen aus (Myers, 2014, S. 160).

Mitglieder kollektivistischer Kulturen weisen eine stärkere Konformität auf und arbeiten härter daran, einen Beitrag zum Erreichen der Gruppenziele zu leisten. (Jonas, Stroebe & Hewstone, 2014, S. 593).

In kollektivistischen Kulturen findet man oft die high-context-Kommunikation. Bei dieser Art der Kommunikation muss nur wenig gesagt oder geschrieben werden, da ein Großteil der Informationen entweder in der physischen Umgebung enthalten oder in der Person verinnerlicht ist, während nur sehr wenig im verschlüsselten, expliziten Teil einer Mitteilung enthalten ist (Gasteiger, Kaschube, & Rathjen, 2016, S. 6).

Definition Individualismus: die Priorität für die eigenen Ziele ist höher als die für Gruppenziele, die eigene Identität definiert sich eher über persönliche Eigenschaften als über Gruppenmerkmale (Myers, 2014, S. 160).

Mitglieder individualistischer Kulturen legen besonderen Wert auf Autonomie (Jonas, Stroebe & Hewstone, 2014, S. 593).

Die low-context-Kommunikation ist oft in individualistischen Kulturen vorzufinden. Bei dieser Art der Kommunikation wird der Großteil der Informationen anhand von expliziten Codes übermittelt. Somit muss in individualistischen Kulturen vieles explizit ausgedrückt werden, was in kollektivistischen Kulturen selbstverständlich ist (Gasteiger, Kaschube, & Rathjen, 2016, S. 6).

In der kulturvergleichenden Psychologie hat die globale Wertedimension von „Individualismus“ versus. „Kollektivismus“ als pankulturelles Differenzierungsmerkmal einen zentralen Stellenwert (Bredendiek, 2015, S. 33).

Mit Hilfe von Kulturdimensionen werden kulturelle Unterschiede beschrieben. Diese legen der Schwerpunkt auf Werteorientierung, Werte oder Verhaltensweisen. (Kumbruck & Derboven, 2016, S. 26). Kulturdimensionen sind dabei der Versuch, universelle Kategorien zu erschaffen, in die alle Kulturen eingeteilt werden können. Die Dimensionen ermöglichen durch Quantifizierung einen Vergleich zwischen den Kulturen. Dabei versuchen sie allgemeingültig anwendbar zu sein. Zu den bedeutendsten Kulturdimensionen zählen die Dimensionen nach Hofstede, Hall und Trompenaars sowie Individualismus und Kollektivismus, welches oben bereits beschrieben wurde. Die größte Resonanz in Forschung und Praxis haben die Dimensionen von Hofstede (Genkova, 2019, S. 99). Daher werden diese in Kapitel 5.2 genutzt, um den kulturellen Unterschied zwischen Indien und Deutschland darzustellen.

4. Interkulturelle Kommunikation

Kommunikation ist ebenso wie Kultur ein weitgefasster Begriff, der aber ebenfalls über die gleiche Haupteigenschaft verfügt: Dynamik. Je nach Epoche und Fachorientierung fanden betriebswirtschaftliche, psychologische, soziologische, kommunikations- und sprachwissenschaftliche Fragestellungen Beachtung. Der Hintergrund dieser Interdisziplinarität ist, dass die Kommunikationswissenschaft „Denkmodelle, Theoreme, Erkenntnisse aus anderen Bereichen übernimmt, um sie auf den weiten Objektbereich der Humankommunikation anzuwenden und in neuer Weise zu synthetisieren (Krallmann & Ziemann, 2001, S. 12).

Allgemein definiert bezeichnet Kommunikation einen Prozess, indem ein Individuum bzw. eine Gruppe von Individuen Informationen über Ideen, Gefühle und Absichten einer anderen Person bzw. einer Gruppe von Personen übermittelt (Wirtz, 2021, S. 988).

Neben dem Informationsaustauch sind motivationale, emotionale und soziale Aspekte bedeutsam, sodass Kommunikation über die reine Übermittlung einer Botschaft hinausgeht.

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Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Interkulturelles Verhandlungsverhalten. Ein Vergleich zwischen Indien und Deutschland
Hochschule
SRH Hochschule Heidelberg  (Psychologie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2021
Seiten
25
Katalognummer
V1183591
ISBN (eBook)
9783346608666
ISBN (eBook)
9783346608666
ISBN (eBook)
9783346608666
ISBN (Buch)
9783346608673
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kultur und Interkulturelle Kommunikation, Psychologie, Kultur, Interkulturelle Kommunikation, Indien, Verhandlung, Verhandlungsverhalten, Konflikt, Konfliktursachen, Hall, Kulturdimensionen, Hofstede, Lernen, Training, Interkulturelles Training, Unterschiede zwischen Kulturen
Arbeit zitieren
Martin Weiss (Autor:in), 2021, Interkulturelles Verhandlungsverhalten. Ein Vergleich zwischen Indien und Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1183591

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