Die Institution der Fehde im späten Mittelalter


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

27 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Hauptteil
II.1. Etymologie
II.2. Die Institution der Fehde
II.3. Der Rachegedanke
II.4.Die Pflicht zur Fehde
II.5. Ablauf einer Fehde
II.6. Regeln der Fehde

III. Schlussbetrachtungen

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Die Fehde war eine rechtliche Institution des Mittelalters, die bei der Betrachtung des aktuellen Konzeptes von Staat und Gerechtigkeit auf Unverständnis stößt. Der moderne Staat verfügt über das Monopol der Gewaltanwendung, was im Mittelalter völlig ausbleibt. Der in seiner Ehre Gekränkte durfte zur Selbsthilfe greifen und so sein Recht wiederherstellen. Wie Otto Brunner es ausführt, ist eben das Fehlen der Selbsthilfe das, was den modernen Staat vom mittelalterlichen Staat am stärksten unterscheidet.[1] Träger legitimer Gewalt außerhalb des Staates kennt die heutige Zeit nicht mehr.[2]

Um die damalige Ordnung und die inneren Zusammenhänge von Politik und Staat, von Macht und Recht im Mittelalter verstehen zu können, muss man sich zunächst mit dem Begriff der Fehde vertraut machen. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass nicht die Fehde, sondern der Friede der Zentralbegriff der älteren Verfassungsgeschichte ist, allerdings ein Friede eigener Art, der „rechte Gewalt“ im Innern kennt.[3] Die Fehde diente lediglich dazu, einen gestörten Frieden wiederherzustellen.

Die vorliegende Arbeit beschreibt die Institution der Fehde. Es wird im folgenden dargelegt, welche Bedeutung die Fehde in der damaligen Zeit hatte, welche Ziele sie verfolgte und welchen Beschränkungen sie unterlag. Die Untersuchung von Otto Brunner, die das österreichische Rittertum analysiert, war grundlegend für meine Ausführungen zur Fehdeführung. Die Arbeit von Antje Holzhauer liefert tiefe Einblicke in das Vorkommen von Rache und Fehde in der Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts.[4] Mit Recht legt sie dar, dass man sich mit den Darstellungen der epischen Literatur ein gutes Bild vom Ablauf einer Fehde machen kann. In den Regeln der Durchführung, den Gründen die zu einer Fehde führen, und deren Zielen, spiegelt sich die geschichtliche Realität wieder.

II. Hauptteil

II.1 Etymologie

Die „Fehde“ (lat. Inimicitia, discordia, odium) findet man als Wort bereits im Althochdeutschen, wo sie fêhida, gifêhida lautet. Germanisch faida ist im Althochdeutschen im Zusammenhang mit „faida et anagrip non requiratur. faidam et anagrip minime componere debet“ bei Liutprand 6, 74 verzeichnet.[5] In den Kapitularien, wo sich die meisten Belege finden, und in den Lex Salica bedeutet faida Fehde, Rache, Blutrache.[6]

Nach Kluge[7] ist das Wort Fehde herzuleiten aus einer westgermanischen Urform * faihido Feindseligkeit, einer Abstraktbildung des westgermanischen Adjektivs * faiha feindselig, geächtet.

Das mittelhochdeutsche Wort lautet vêhede, vêde, gevêhede, was im Lexer[8] mit Hass, Feindschaft, Streit, Fehde übersetzt wird (Fehdeansage, Kriegshandlungen, Beendigung durch Schwören von Urfehde).

II.2. Die Institution der Fehde

Die Fehde war ein Selbsthilferecht des Freien und besonders des Adels auf berechtigte Rache mittels der Gewalt, die jedoch durch bestimmte Regeln beschränkt war.[9]

Das Ziel der Fehde war die Rache. Die Mittel waren Raub, Brand und Verwüstung des gegnerischen Landes. Recht, Rache und Fehde standen im Mittelalter also nicht im Gegensatz zueinander, sondern gehörten zusammen.

In frühesten schriftlichen Zeugnissen der germanischen Stammesgemeinschaften, im Hildebrandslied, Nibelungenlied und vor allem in den Isländersagas, sind Blutrache und Sippenfehde das zentrale Thema.[10]

Die Fehde in früherer Zeit entstand fast immer aus der Blutrache, war aber nicht identisch mit ihr. Als Blutrache verstand sich „Rache für vergossenes Blut“,[11] und schon das älteste isländische Recht, die sogenannte Grá gás, gestand ein Recht auf Fehdeführung auch bei Ehrenkränkung, Ehebruch, Verwundung, Raub oder Tötung von Sklaven oder Vieh zu. Der freigeborenen Mann war zur Rache verpflichtet, wenn Ehre, Besitz oder Leben seiner Sippe verletzt wurden. Der Kampf der männlichen Mitglieder zweier feindlicher Familienverbände war erbarmungslos und auf gründliche Ausrottung des Gegners bedacht.[12]

Im hohen Mittelalter kann man rechtlich gesehen zwischen „Rache“ und „Fehde“, genauer zwischen Blutrache, Tod oder Hauptfeindschaft und der Ritterfehde unterscheiden. Während die Rache nur wegen Tötung, Verwundung und schwerer „tödlicher“ Beleidigung geführt werden konnte, aber sich auf alle Schichten erstreckte, war die „Ritterfehde“ nur dem Adel und ihm gleichgestellten Grundherren und genossenschaftlichen Verbänden erlaubt, konnte dafür aber um jeder strittigen Sache willen geübt werden. Die zwei Formen, die Blutrache und die Fehde, bleiben aber doch beide Feindschaft, also Fehde im weiteren Sinne.[13] Gemeinsam war das Prinzip der Selbsthilfe, aber die Blutrache war nicht auf einen Stand begrenzt und durfte nur aufgrund schwerer Körperverletzung oder Tötung eines Menschen geübt werden. Es gab keine Friedenszeiten oder Personen, die davon ausgenommen waren. „Die Fehde verkörpert ein Feudalprinzip, die Blutrache ein Volksprinzip“[14].

Obwohl von der etymologischen Entwicklung her Rache und Fehde unterschiedliche Begriffe sind, kam es jedoch im Bereich der Semantik zu einer Vermischung der Bedeutungen im frühen Mittelalter, da Rache und Fehde mit dem gleichen Wort, „faida“, wiedergegeben wurden.[15] Erst durch die Bestimmungen für Fehdeberechtigte im 12. und 13. Jahrhundert ist eine Differenzierung möglich. Ab diesem Zeitpunkt durfte grundsätzlich nur der „rittermäßige Mann“[16] Fehde führen. Thomas Vogel versucht anhand nürnbergischer Quellen zu zeigen, dass auch Leute, die nicht die Ritterbürtigkeit hatten, fehdefähig waren. Das Fehderecht war seiner Meinung nach kein exklusives Vorrecht des Adels. Wenn dennoch der Begriff „Ritterfehde“ geeignet erscheint, dann deshalb, weil vor allem der Adel am aktivsten von seinem Fehderecht Gebrauch machte.[17] Es sollte aber geprüft werden, inwieweit es sich bei den Ergebnissen von Vogel um Einzelfälle handelt. Es ist schwer vorstellbar, dass man daraus auf eine allgemeine Praxis schließen könnte. Joachim Gernhuber führt aus, dass es im Wesen gewohnheitsrechtlicher Bildungen liegt, dass ihre Grenzen fließend sind und Erweiterungen offen stehen. Deswegen sei es nicht verwunderlich, wenn in Ausnahmefällen auch nicht-ritterliche Kreise Fehden führten und sich dabei im Recht fühlten.[18]

Einen prinzipiellen Unterschied zwischen „Krieg“ und „Fehde“ kannte das Mittelalter noch nicht, zumindest nicht innerhalb der Christenheit. Die mittelalterlichen Kriege waren große Fehden, die sich ihrem Wesen nach nicht unterschieden, wohl aber in ihrer Dauer und ihren Auswirkungen. Aufgrund der damit verbundenen Folgen wurden sie im politischen Kalkül aufmerksamer behandelt[19]. Im Mittelalter kann Gewaltanwendung immer nur als Kampf um Recht und Frieden, und das heißt als Fehde, betrachten werden.[20] Ein Unterschied zwischen Krieg und Fehde, etwa als Kampf zwischen souveränen Staaten in der Völkerrechtsgemeinschaft und der Fehde als einer innerstaatlichen Auseinandersetzung lässt sich nicht erkennen, weil im Mittelalter kein souveräner Staat und keine Völkerrechtsgemeinschaft im neuzeitlichen Sinne existierten.[21] Es ist also unmöglich, Krieg und Fehde im rechtlichen Sinne zu trennen. Krieg hatte bis zum Ausgang des Mittelalter keine spezifische Bedeutung. Er bedeutete Streit, Konflikt, Meinungsverschiedenheiten, Gegensätze, die ebenso durch einen Prozess vor Gericht, als auch mit Waffen ausgetragen werden konnten. Erst im Laufe des 14. Jahrhunderts erlangte der Begriff Krieg die Bedeutung, die wir heute darunter verstehen und die dem lateinischen Wort bellum entspricht. Fehde oder Krieg bedeuteten somit einen Rechtsstreit zwischen zwei Parteien, von denen mindestens eine bereit war, Waffengewalt einzusetzen. Es ist nicht von primärer Bedeutung, ob es dabei wirklich zu kriegerischen Handlungen kam. Kriege und Fehden konnten auch vor dem Kampf durch Vermittler friedlich beigelegt werden.[22]

Das Recht zur Fehde beruft sich auf das göttliche Recht.[23] Was dem göttlichen oder natürlichen Recht widerspricht, kann nicht Recht sein, auch wenn es alte Gewohnheit oder Gebot des Herrschers ist. Wesentlich dabei ist, dass alle „Feindschaft“ bezogen ist auf ein „Recht“, das identisch ist mit der göttlichen Schöpfungsordnung und dass dieses Rechtsbewusstsein alle weltlichen Bindungen innerhalb der Christenheit zu sprengen vermag.[24]

Die Fehde ist ein Rechtsbegriff und keine vorrechtliche und vorsoziale Erscheinung. Sie war nicht Ausdruck eines „nativistischen“ Rache- oder Zerstörungstriebes, sondern Kampf ums Recht. Daher waren der Art der Fehdeführung Grenzen rechtlicher Art gesetzt, die nicht überschritten werden durften, sollte es sich um rechte Fehde handeln.[25]

Es war nicht so, dass Gewalt höher geachtet wurde als Recht, sondern Fehden wurden mit dem Bewusstsein geführt, dass ein Rechtsmittel eingesetzt wurde. Rache wurde in einer gewissen gesellschaftlichen Ordnung aufrechterhalten, ohne dass es Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit im modernen Sinne gegeben hätte[26]. „Rache üben, Ehre bewahren, treu bleiben sind Handlungen, in denen aus der davon nicht wegzudenken seelischen Haltung bestimmte rechtliche Forderungen verwirklicht werden.“[27]

[...]


[1] Brunner, Otto: Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter. Darmstadt 1973, S. 108.

[2] Vergleiche Gernhuber, Joachim: Die Landfriedensbewegung in Deutschland bis zum Mainzer Reichslandfrieden von 1235, in: Bonner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Heft 44, Bonn 1952, S. 5.

[3] Vergleiche Brunner, Otto: Land und Herrschaft, S. 110.

[4] Holzhauer, Antje: Rache und Fehde in der mittelhochdeutschen Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts, Göppingen 1997.

[5] Graff, Eberhard Gottlieb: Althochdeutsche Sprachschatz oder Wörterbuch der althochdeutschen Sprache, Band III, Darmstadt 1963. Hier S. 384.

[6] Hoop, A.: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Band VIII, S. 280.

[7] Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 22. Aufl., Berlin, New ork 1989, S. 207.

[8] Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Band 3, Leipzig 1978. Hier S. 42.

[9] Sachwörterbuch der Mediävistik: hg. Peter Dinzelbacher, Stuttgart 1992. Art. „Fehde“ von G. Aker/ P. Dinzelbacher, S. 242.

[10] Siehe Lexikon des Mittelalters, Band IV, München 1989, S. 331.

[11] Sachwörterbuch der Mediävistik, S. 81- 100.

[12] Siehe Lexikon des Mittelalters, Band IV, S. 331.

[13] Vergleiche Brunner, Otto: Land und Herrschaft, S. 19.

[14] Holzhauer, Antje: Rache und Fehde, S. 275.

[15] Vergleiche Holzhauer, Antje: Rache und Fehde, S. 292.

[16] Die Definition des rittermäßigen Mannes konnte aber in den einzelnen Landschaften sehr verschieden sein. Das Rittertum umschloss eine vielschichtige Gesellschaft die von der unteren Stufe der sogenannten Einschildritter, über die in den einzelnen Ländern variierende Vielfalt der Abstufungen des Adels bis zu den Fürsten reichte und schließlich im König und Kaiser gipfelte. Siehe Lexikon des Mittelalters, S. 871.

[17] Siehe Vogel, Thomas: Fehderecht und Fehdepraxis im Spätmittelalter am Beispiel der Reichsstadt Nürnberg (1404-1438). In: Freiburger Beiträge zur Mittelalterlichen Geschichte, Band 11, Frankfurt am Main 1998, S. 113-118, 133.

[18] Siehe Gernhuber, Joachim: Die Landfriedensbewegung in Deutschland bis zum Mainzer Reichslandfrieden von 1235, in: Bonner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Heft 44, Bonn 1952, S. 170

[19] Siehe Geschichtliche Grundbegriffe. (Hg.) Otto Brunner, Band 3, Stuttgart 1982, S. 569.

[20] Vergleiche Brunner, Otto: Land und Herrschaft, S. 39.

[21] Ders. S. 39.

[22] Vergleiche Holzhauer, Antje: Rache und Fehde, S. 17.

[23] Es gibt im Mittelalter keine Scheidung zwischen Positiven Recht und Naturrecht.

[24] Vergleiche Brunner, Otto: Land und Herrschaft S. 48.

[25] Ders. 95.

[26] Vergleiche Holzhauer, Antje: Rache und Fehde, S. 303.

[27] Brunner, Otto: Land und Herrschaft S. 28.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Institution der Fehde im späten Mittelalter
Hochschule
Universität Karlsruhe (TH)  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
HS. Zur Semantik mittelalterlicher Lebenswelten
Note
1,3
Autor
Jahr
2000
Seiten
27
Katalognummer
V11837
ISBN (eBook)
9783638178877
Dateigröße
580 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Institution, Fehde, Mittelalter, Semantik, Lebenswelten
Arbeit zitieren
Mila Francisco (Autor:in), 2000, Die Institution der Fehde im späten Mittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11837

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