Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Literarisches Lernen
2.1 Entwicklung des literarischen Lernens
2.2 Definition des literarischen Lernens
2.3 Fördermöglichkeiten
3. Bilderbücher
3.1 Begriffsdefinition
3.2 Das Bilderbuch im Lehrplan der Grundschule
4. Das Bilderbuch Der Hund, den Nino nicht hatte von Edward van de Vendel im Unterricht
4.1 Inhalt
4.2 Bilderbuchanalyse nach Michael Staiger
4.3 Eignung des Bilderbuchs zur Förderung des literarischen Lernens in der Grundschule
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
7. Selbstständigkeitserklärung
1. EinleitungFormularbeginn
Bei den meisten Kindern erfolgt der erste Kontakt zu Büchern durch Bilderbücher. Kinder finden diese durch das Zusammenspiel von Bild und Text sehr spannend und ihre Vorstellungen und Fantasien können auf verschiedenen Ebenen angeregt werden. Folglich spielen Bilderbücher eine wichtige Rolle für die pädagogische Arbeit in Schule und Kindergarten, da durch sie die einzelnen Entwicklungsbereiche des literarischen Lernens gefördert werden können. Das literarische Lernen also die Lernprozesse, die neben dem Erwerb der Lesekompetenz notwendig sind für die Beschäftigung mit Literatur, bezeichnet man in der Deutschdidaktik wiederherum als Zielstellung des Literaturunterrichts.
Um den Zusammenhang zwischen literarischem Lernen im Unterricht der Grundschule und dem Medium Bilderbuch genauer zu betrachten, widme ich mich in dieser Hausarbeit konkret der Fragestellung: „Wie kann das literarische Lernen der Schüler*innen in der Grundschule durch Kinderliteratur in Form von Bilderbüchern bereichert und eventuell gefördert werden?“
Zur Beantwortung dieser Frage beginnt die nachfolgende Arbeit mit einer Einführung in die geschichtliche Entwicklung des literarischen Lernens. Zudem wird eine Begriffsdefinition formuliert, auf die elf Aspekte Spinners zum literarischen Lernen eingegangen und mögliche Fördermaßnahmen erörtert.
Im nächsten Schritt wird der Bezug zu Bilderbüchern hergestellt. Auch hier gibt es zunächst eine Definition des Begriffs „Bilderbuch“. Danach wird auf das Medium Bilderbuch im Lehrplan der Grundschule eingegangen und untersucht, inwiefern diese Art von Literatur eine Rolle beim Erwerb der vier Kompetenzbereiche Sprechen und Zuhören, Lesen – mit Texten und weiteren Medien umgehen, Schreiben sowie Sprachgebrauch und Sprache spielen.
Nach dem theoretischen Einstieg, beschäftigt sich der zweite Teil der Arbeit, wie der Titel bereits verrät, mit dem ausgewählten Bilderbuch: Der Hund, den Nino nicht hatte von Edward van de Vendel. Als erstes wird eine inhaltliche Einführung in die Geschichte von Nino gegeben und in einem zweiten Schritt wird das Bilderbuch mithilfe der Bilderbuchanalyse nach Michael Staiger genauer analysiert. Um einen Bezug zum literarischen Lernen herzustellen, wird im Anschluss daran untersucht, inwiefern sich das Bilderbuch zur Förderung des literarischen Lernens in der Grundschule eignet und welche Aspekte nach Spinner sich mit der Geschichte besonders fördern lassen. Im Fazit werden die gewonnenen Erkenntnisse noch einmal zusammengefasst und die vorausgestellte Frage, ob und in welcher Form sich literarisches Lernen der Schüler*innen in der Grundschule durch Bilderbücher fördern lässt, beantwortet.
2. Literarisches LernenFormularbeginn
2.1 Entwicklung des literarischen Lernens
Das heutige Verständnis von literarischer Bildung dominiert seit circa 1960. In den Jahren davor lag der Fokus darauf, dass die Kompetenzen Lesen und Schreiben durch Lesebücher erlernt werden. Diese Lesebücher waren thematisch sehr politisch geprägt und wurden dazu eingesetzt, die aktuellen Werte und Normen zu vermitteln (vgl. Waldt, 2003, S.6ff.). Nach Ende des 2. Weltkrieges gewann die Auswahl der Literatur zunehmend an Bedeutung. Die fünf Dimensionen, exemplarische Bedeutung des Inhalts, Gegenwartsbedeutung, Zukunftsbedeutung, Struktur und Zugänglichkeit der didaktischen Analyse nach Klafki dienten dabei als Richtlinien (vgl. Waldt, 2003 S.8ff.). Hermann Helmers orientierte sich bei der Buchauswahl stark an den verschiedenen Textgattungen. Er fokussierte sich dabei auf die Merkmale einzelner Gattungen, die nicht durch analytische Verfahren verinnerlicht werden. Darauf stützte sich wiederherum seine Differenzierung zwischen Literaturunterricht und analytischem Sprachunterricht (vgl. Waldt, 2003, S. 11ff.). Für Anna Krüger stand dahingegen die Intention „Schüler mit literarisch anspruchsvoller Sprache vertraut zu machen, damit sie Bücher als Unterhaltungs- und Reflexionsmedium kennen und schätzen lernen“ (Waldt, 2003, S.8.) im Vordergrund.
Grundsätzlich ist die Entwicklung der Literaturdidaktik seit 1945 sehr differenziert und kann in 5 große Bereiche eingeteilt werden:
1. Lebenshilfe-Didaktik
2. Sachstrukturorientierte Didaktik
3. (Ideologie-)Kritische Didaktik
4. Identitätsorientierte Didaktik
5. Rezeptionsorientierte Didaktik
Im Zuge der Weiterentwicklung verschiedenster Medien kamen auch im Literaturunterricht vermehrt moderne Medien zum Einsatz, wie beispielsweise die Verwendung von Computern. Diese Entwicklung ist noch heute zu erkennen, sodass der Unterricht immer stärker digital gestaltet wird.
2.2 Definition des literarischen Lernens
Unter literarischem Lernen versteht man die Lernprozesse, die ergänzend zur Entwicklung der allgemeinen Lesekompetenz für das Verständnis von fiktionalen Texten notwendig sind. Der Begriff differenziert sich dabei in zwei Bedeutungskomponenten: „Literatur“ und „Lernen“. Unter Literatur wird zumeist ein schriftlicher Text verstanden, der entweder durch Fiktionalität und Phantasie für Spannung und Lesevergnügen sorgen soll oder sachlich über wissenschaftliche Themen informiert. Mit dem Begriff „Lernen“ wird dahingegen das Aneignen von Wissen assoziiert.
Literarisches Lernen beginnt bereits im frühen Kindesalter durch das Hören von Liedern, das Vorlesen von Geschichten oder auch das Anschauen von Videos und Fernsehsendungen. In der Schule wird an dieses Vorwissen angeknüpft und versucht, gezielt zu fördern, um das literarische Lernen weiterzuentwickeln.
Der Schweizer Germanist Kaspar H. Spinner beschreibt in seinem Text Literarisches Lernen in der Grundschule das literarische Lernen als Lernprozesse, „die sich speziell auf die Beschäftigung mit literarischen, das heißt hier fiktionalen, poetischen Texten beziehen“ (Spinner, 2007, S. 6). Spinner grenzt die Lesekompetenz klar von der literarischen Kompetenz ab, da sich die Lesekompetenz auf alle Texte (also nicht nur auf fiktionale und poetische Texte) beziehe. Außerdem erklärt er, dass sich literarische Kompetenzen nicht ausschließlich auf geschriebene, sondern auch auf auditiv und visuell dargestellte Literatur, wie Filme und Hörspiel, beziehen würden (vgl. Spinner, 2007, S. 3).
In der modernen Literaturpädagogik ist der Kompetenzbegriff zu einem Schlüsselbegriff geworden. Folglich zieht der kompetenzorientierte Literaturunterricht darauf ab, dass die Schüler*innen Fähigkeiten und Kompetenzen erwerben, die auch im Umgang mit anderen Texten nützlich sind. Ziel des literarischen Lernens ist deshalb die literarische Kompetenz.
Kaspar H. Spinner fast den Erwerb der literarischen Kompetenz in elf Aspekten des literarischen Lernens zusammen, die von den Schüler*innen erworben werden müssen (vgl. Spinner, 2015, S.189 ff.)
1. Beim Lesen und Hören lebendige Vorstellungen entwickeln : Die sinnliche Wahrnehmung soll gefördert und Imaginationen entwickelt werden. Die Leser*innen entwickeln bildliche Vorstellungen des Textes (vgl. ebd. S.189).
2. Subjektive Involviertheit und genaue Wahrnehmung miteinander ins Spiel bringen : Die subjektive Involviertheit sorgt für die Möglichkeit von Bezügen zur eigenen Erfahrungswelt. Das persönliche Angesprochensein spielt zudem eine Rolle bei der Auswahl von geeigneten Texten (vgl. ebd. S.189f.).
3. Sprachliche Gestaltung aufmerksam wahrnehmen: L iterarische Texte wirken nicht nur durch ihren Inhalt, sondern auch durch ihre sprachliche Gestaltung. Um dies genauer zu untersuchen, sollen Texte zum Beispiel auf Wortwiederholungen untersucht werden, um daraus auf deren Wirkung, Bedeutung und Sinnhaftigkeit zu schließen (vgl. ebd. S.190).
4. Perspektiven literarischer Figuren nachvollziehen: Die Schüler*innen sollen ein Verständnis für die Gedanken und Gefühle der Figuren entwickeln. Dabei wird die Perspektive der Figuren übernommen und eine Identifikation oder auch Abgrenzung hergestellt (vgl. ebd. S. 190f.).
5. Narrative Handlungslogik verstehe n: Der Textzusammenhang soll verinnerlicht und erkannt werden, welche Bedeutung eine bestimmte Textstelle hat. Die Lernenden müssen sich Textstellen erschließen und in Verbindung miteinander setzen (vgl. ebd. S. 191).
6. Mit Fiktionalität bewusst umgehen: Bei diesem Aspekt sollen die Schüler*innen den Unterschied zwischen Fiktionalität und direkten Wirklichkeitsaussagen verstehen, wie beispielsweise bei vermenschlichten Tieren in literarischen Texten, wie Fabeln (vgl. ebd. S. 191).
7. Metaphorische und symbolische Ausdrucksweise verstehe n: Bezüge innerhalb des Textes sollen untersucht und metaphorische und symbolische Zusammenhänge verstanden werden (vgl. ebd. S. 191).
8. Sich auf die Unabschließbarkeit des Sinnbildungsprozesses einlassen : Die Schülerinnen und Schüler sollen sich bewusst auf die Offenheit literarischer Texte einlassen können, die Mehrdeutigkeit erkennen und dabei unterschiedliche Verstehensmöglichkeiten entwickeln. Spinner betont, dass die literarischen Sinnbildungsprozesse dabei nie enden (vgl. ebd. S. 192).
9. Mit dem literarischen Gespräch vertraut werden: In literarischen Gesprächen können sich die Schüler*innen über ihre Erfahrungen mit dem Text austauschen. Es sollen zudem eigene Vorschläge und Deutungen in das Gespräch mit eingebracht werden (vgl. ebd. S. 192).
10. Prototypische Vorstellungen von Gattungen/Genres gewinnen: Die Schüler*innen sollen Kenntnisse über die verschiedenen literarischen Gattungen und Genres haben und deren wesentliche Merkmale kennen (vgl. ebd. S.189).
11. Literaturhistorisches Bewusstsein entwickeln: Die Schülerinnen und Schüler sollen über die Fähigkeit verfügen, einen intertextuellen Zusammenhang herstellen zu können. Historische und politische Zusammenhänge sollen dabei erkannt werden (vgl. ebd. S.192).
Auch in Bilderbüchern finden sich Aspekte des literarischen Lernens nach Spinner wieder und lassen sich mithilfe dieser fördern. Im Folgenden wird das Bilderbuch Der Hund, den Nino nicht hatte von Edward van de Vendel hinsichtlich der Förderung ausgewählter Aspekte des literarischen Lernens näher beleuchtet.
2.3 Fördermöglichkeiten
In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass im Literaturunterricht an Grundschulen die Förderung der Lesekompetenz ausschlaggebend ist. Dies wurde durch die Veröffentlichung der PISA-Studie nur noch verstärkt (vgl. Spinner, 2006, S. 6). Dabei wird allerdings häufig vergessen, dass sich die Lesekompetenz sowohl auf literarische als auch auf nichtliterarische Texte bezieht. Die literarische Kompetenz als Teilkompetenz der Lesekompetenz steht demzufolge zunehmend im Hintergrund. Da literarisches Lernen in der Deutschdidaktik dennoch als eine Zielstellung des Literaturunterrichts anerkannt wird, erfordert dies gezielte Schulung im Unterricht, damit alle Schüler*inne jene Kompetenz erwerben.
Grundsätzlich ist anzumerken, dass Kinder bereits vor Beginn der Grundschulzeit im familiären Umfeld oder auch im Kindergarten unterschiedliche literarische Erfahrungen gemacht haben. Folglich muss die Schule an diese Erfahrungen anknüpfen, um die Schüler*innen individuell zu fördern, eine generelle Motivation zum Lesen zu schaffen und das Lesen zur Gewohnheit werden zu lassen (vgl. Waldt, 2003, S. 123ff.).
Lernprozesse erfolgen häufig durch Reflexion und Rekapitulation des Gelernten in anderen Sachzusammenhängen. Demnach ist es sinnvoll, vielfältige Lernmethoden in den Unterricht miteinzubeziehen, mit dem Ziel, den Lerneffekt zu maximieren und eine differenzierte Auseinandersetzung mit Literatur zu schaffen (vgl. ebd. S.125 ff.).
Um Lesemotivation und Interesse an Literatur zu bewirken, ist zudem die Auswahl der Literatur nicht außer Acht zu lassen. Dabei sollten ästhetische Kriterien berücksichtigt werden, damit eine Wissenserweiterung in Bezug auf literarische Charaktere von Texten ermöglicht werden kann (vgl. ebd. S. 223ff.). Ebenfalls ist eine reine Beschränkung auf Printmedien nicht ratsam, weil dadurch das literarische Spektrum stark eingeschränkt wird. Ferner sollten auch andere Medien, wie Lernspiele auf dem Computer oder akustische Medien wie Hörspiele, eingesetzt werden.
3. BilderbücherFormularbeginn
3.1 Begriffsdefinition
Der Kunsthistoriker Jens Thiele spricht von „eine[r] spezielle[n] Untergattung der Kinderliteratur, die in der Regel 30 Buchseiten nicht überschreitet und sich durch eine enge Wechselbeziehung von Bild und Text auszeichnet“ (Thiele, 2003b, S. 71). Ferner beschreibt er diese Art von Literatur als „ästhetisches Gesamtwerk”, welches eine “komplexe Bild-Text-Verknüpfung” erfordere (Thiele, 2003a, S.17).
Manfred Marquardt differenziert formal zwischen drei verschiedenen Bilderbuchtypen (vgl. ebd. S.8)
1. Bilderbücher ohne Textbeigabe
2. Bilderbücher mit einer kleinen Textbeigabe
3. Bilderbücher, in denen Text und Abbildungen gleichbedeutend nebeneinanderstehen
Generell werden Bilderbücher meist gezielt für Kinder im Alter von zwei bis acht Jahren verfasst. Sie erzählen Geschichten mithilfe von Bildern und Texten. Dabei werden Bild und Texte zu einer komplexen Einheit zusammengefügt, welches auch als Doppelqualifikation bezeichnet wird. Bilder besitzen innerhalb dieses narrativen Mediums Wahrnehmungs- und Ästhetikqualitäten und stellen zudem selbständige Bedeutungsträger dar, deren Funktion über die bloße Veranschaulichung oder Kommentierung des Verbaltextes hinausgehen (vgl. Weinkauff / von Glasenapp, 2010, S. 164). Die Texte bilden häufig lediglich eine Kurzform der Erzählung mit erläuternder und/ oder kommentierender Funktion. Folglich haben die Illustrationen innerhalb von Bilderbüchern eine dominierende Stellung, da Inhalt und Handlungsverlauf meist visuell vermittelt werden (vgl. Marquadt, 2005, S. 8).
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