Protest in China

Die Rolle der Arbeiter in der Tiananmen-Bewegung von 1989


Seminararbeit, 2007

20 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Überblick über die Tiananmen-Bewegung von 1989
2.1. Chronologischer Verlauf
2.2. Gründe der Arbeiter für die Partizipation an den Protesten
2.3. Formierung des Arbeiter-Protestes
2.3.1. Autonomer Arbeiterverband
2.3.1.1. Geschichte
2.3.1.2. Struktur
2.3.1.3. Rolle in der Protestbewegung
2.4. Reaktion der Kommunistischen Partei auf die Arbeiterproteste

3. Conclusio

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Bilder der Protestbewegung von 1989 gingen um die Welt und wurden im Westen mit großem Interesse verfolgt. Aufgrund der anwesenden ausländischen Medienvertreter, welche gekommen waren, um über den Staatsbesuch Gorbatschows zu berichten, wurde die Weltöffentlichkeit Zeuge eines friedlichen Widerstandes gegen die Kommunistische Regierung, der teilweise an die westliche Studentenbewegung von 1968 erinnerte. Es wurden Reden und Diskussionen abgehalten, Banner geschwungen, Rockmusik gespielt, Hungerstreiks abgehalten und sogar eine Statue mit dem Namen „Göttin der Demokratie“ errichtet (vgl. Perry 1994).

Durch die gewaltsame Niederschlagung der friedlichen Protestbewegung durch die Armee verstieß die chinesische Führung gegen bestehendes Menschenrecht und löste weltweite Bestürzung aus (vgl. Nathan 2001).

Jedoch beschreibt der im Westen häufig verwendete Begriff der „Studentenproteste“

- nach Meinung des Autors - das sich zwischen Mai und Juni 1989 ereignete Geschehen am Tiananmen-Platz nur unzureichend. Folgende offen gebliebende Fragen erschweren ein vollständiges Erfassen der damaligen Situation:

Warum kam es in den Jahren zuvor bei den Studentenaufständen zu keiner Protestbewegung in dieser Größenordnung?

Warum versuchten Studenten, die Arbeiter an der Teilnahme der Proteste zu hindern?

Wieso wurden Arbeiter wesentlich härter bestraft, wenn es sich lediglich um einen Studentenprotest handelte?

Um die Lage von 1989 in seiner Gesamtheit erfassen zu können, reicht es somit nicht aus, den Fokus lediglich auf die Studentenbewegung zu legen, sondern ist es ebenso erforderlich die Rolle anderer teilnehmender Gesellschaftsgruppen zu betrachten, auch Bedarf es der Klärung des von den Studenten formulierten Demokratiebegriffes.

Der Autor kam im Zuge seiner Recherche zur Auffassung, dass die Arbeiter von 1989 ein essentielles Element der Demokratiebewegung waren und ihre Teilnahme an den Protesten für den Verlauf der gesamten Protestbewegung wesentlich war.

Im Zentrum der Arbeit stehen der im Mai 1989 gegründete Autonome Arbeiterverband und seine im Laufe der Proteste immer größer gewordene Bedeutung für den organisierten Widerstand gegen die Kommunistische Führungsebene.

2. Überblick über die Tiananmen-Bewegung von 1989

2.1. Chronologischer Verlauf

Am 15. April 1989 versammelten sich Einwohner von Peking am Tiananmen-Platz, um dem ehemaligen Generalsekretär Hu Yaobang, welcher nach einem Herzinfarkt verstorben war, zu gedenken. Hu Yaobang wurde von der kommunistischen Partei beschuldigt, durch seine Reformpolitik für die pro-demokratische Studentenbewegung von 1986-1987 verantwortlich zu sein. Infolgedessen musste er im Jahr 1987 zurücktreten, was ihn zu einem Symbol für die demokratische Bewegung Chinas machte.

Die Trauerkundgebungen am Monument der Volkshelden“ wurden von unzufriedenen Studenten zum Anlass genommen, die bereits in den Bewegungen von 1986-1987 geforderte Rede- und Pressefreiheit erneut aufzunehmen (vgl. Walder 1993).

In der Nacht des 19. Aprils wurde ein Sitzstreik vor dem Eingang des Regierungsviertels Zhonghainan abgehalten. Am 22. April versammelten sich

100.000 Studenten zur offiziellen Trauerfeier vor der „Großen Halle des Volkes“ und beobachteten, wie drei Studentenvertreter versuchten, eine Petition an Li Peng zu übergeben, in welchen sie Reformdefizite und die zunehmende Korruption thematisierten.

Dieser Versuch wirkte wie eine Szene aus einer Peking Oper: die Studentenvertreter machten vor der „Großen Halle des Volkes“ einen Kowtow, um an das konfuzianistische Weltbild zu erinnern, in welchem die Intellektuellen dem Staat dienten (vgl. Perry 2001). Zhao Ziyang erschien jedoch nicht, woraufhin die Studenten Lehrveranstaltungen boykottierten und eine unabhängige Studentenvereinigung mit den gewählten Führern Wuer Kaixi, Chai Ling und Wang Dan gründeten (vgl. O.V. 2006).

Am 26. April 1989 wurde ein Artikel in der Renmin ribao (People's daily) publiziert, in dem es hieß “Flaunting the banner of democracy, they undermined democracy and the legal system. Their purpose was to sow dissension among the people, plunge the whole country into chaos and sabotage the political situation of stability and unity.” (vgl. O.V. 2007a). Dieser Artikel, die herablassende Behandlung seitens der Regierung gegenüber den Studenten, die keine Gesprächsbereitschaft signalisierte sowie die motivierende Funktion der Anwesenheit der Weltpresse führten zu einer Ausweitung der Forderungen der Studenten: Die unabhängige Studentenvertretung verlangte nun sowohl den Rücktritt Zhao Ziyangs, als auch Presse- und Redefreiheit. Des Weiteren wurden Demokratie sowie die Einhaltung von Menschenrechten gefordert.

Zum 70. Jahrestag der 4. Mai Bewegung, die ebenfalls am Tiananmen stattfand, versammelten sich über 100.000 Menschen aus allen Gesellschaftsschichten: alte Frauen, kleine Kinder, Ärzte, Krankenschwestern, Journalisten der staatlichen Medien und sogar Teile der Armee und der Marine nahmen an den Protestmärschen teil (vgl. Jan Wong 1996).

Nachdem die Regierung weiterhin zu keinem Dialog mit der Studentenschaft bereit war, traten am 13. Mai 1989 400 Studenten in den Hungerstreik, womit die permanente Okkupation des Platzes begann. Die zahlreichen Hungerkatastrophen in der chinesischen Geschichte resultierten in einem besonderen Bezug zu Essen, weswegen es zu großer Anteilnahme innerhalb der Bevölkerung kam und sich der Druck auf die Partei erhöhte (vgl. O.V. 2007c).

Am 15. Mai traf der Staatspräsident der Sowjetunion in Peking ein. Der Empfang am Tiananmen-Platz musste jedoch gestrichen werden: Gorbatschow konnte die „Große Halle des Volkes“ lediglich durch einen Seiteneingang erreichen (vgl. Wang 1992).

Am 18. Mai fand schließlich ein Treffen der Parteispitze unter der Führung Li Pengs mit den Studentenvertretern Wu er Kaixi und Wang Dan statt. Bei diesem Treffen verlangten die Studenten die Aufnahme von Verhandlungen, die Anerkennung des unabhängigen Studentenverbandes und die Revision des Leitartikels vom 26. April 1989 aus der Renmin Ribao.

Zhao Ziyang besuchte die Studenten am Tianmen-Platz, der an sie appellierte, den Hungerstreik zu beenden und den Platz zu räumen.

Am 19. Mai erfuhren die Studenten vom Vorhaben der Regierung, das Kriegsrecht auszurufen, woraufhin sie den Hungerstreik beendeten und einen Sitzstreik mit über einer Million Teilnehmern am Tiananmen-Platz begannen. Zhao Ziyang erschien ein letztes mal, bevor er unter Hausarrest gestellt wurde. Am Abend des 19. Mai 1989 wurde das Kriegsrecht ausgerufen. Weiters wurde bei einer Demonstration die Gründung der Autonomen Arbeiterverbandes erstmals publik gemacht (vgl. Han 1992).

Am 20. Mai versuchte die Armee, zum Tiananmen-Platz vorzudringen, blieb jedoch in den Menschenmassen in den Vorstädten für 48 Stunden stecken. Am 24. Mai wurden die Truppen schließlich wieder aus der Stadt abgezogen.

Nach dieser Niederlage für Chinas Führung wurden Truppen aus allen Teilen des Landes zusammengezogen, die sich am Abend des 3. Juni mit schwerem Gerät in Richtung Tiananmen-Platz bewegten. Dabei kam es zu massiven Ausschreitungen zwischen Militär und der Zivilbevölkerung: während die Armee auf die Pekinger Bevölkerung schoss , wurden Soldaten mit Steinen und Molotowcocktails beworfen und einige davon vom aufgebrachten Mob gelyncht. Durch diese massive Gewaltanwendung erreichten die Truppen um 24:00 den Tiananmen-Platz, auf dem sich noch 5.000 Menschen befanden, an. Jene vier Männer, die am 2. Juni in den Hungerstreik traten, Liu Xiaobo, Hou Dejian, Zhou Duo und Gao Xin, verhandelten mit Ji Xingguo, dem Kommandanten der Truppen, mit dem Ergebnis, dass es den Studenten möglich gemacht wurde, ohne Bedrohung durch das Militär abzuziehen. Nach einigen Diskussionen innerhalb der Studentenbewegung über Für und Wider des Abzugs verließen schließlich um 5 Uhr Früh die letzten Studenten den Platz.

Am 4. Juni hatte das Militär den Platz geräumt und war - mit schwerem Gerät wie Panzer und Schützenwagen - in Stellung gegangen. Aufgebrachte und desillusionierte Bürger traten immer wieder an die von der Armee errichteten Absperrungen heran, um ihren Unmut Luft zumachen, worauf die Soldaten mehrmals das Feuer eröffneten. Auf Krankenwägen und Helfer, welche Verletzte bergen wollten, wurde ebenfalls geschossen.

Die Regierung hatte durch den Einsatz der Armee die Demonstrationen gewaltsam zum Erliegen gebracht (vgl. O.V. 2007a).

2.2. Gründe der Arbeiter für die Partizipation an den Protesten

Ursprünglich partizipierten die Arbeiter an der Protestbewegung, um den Studenten ihre moralische Unterstützung zu signalisieren (vgl. O.V. 2006). Durch die Forderungen der Studenten nach einem Ende der Korruption und Inflation (vgl. Wang 1992) wurden jedoch Themen angesprochen, welche auch für die Arbeiter von großer Relevanz waren, weswegen diese begannen, aktiv an den Protesten teilzunehmen.

Korruption war in China dermaßen präsent, dass die Bevölkerung auf den Ämtern oder am Arbeitsplatz jeden Tag mit ihr konfrontiert wurde. Staatsbeamte nutzten ihre Position, um sich auf Kosten der Gesellschaft zu bereichern. Korruption war in den Augen der Bevölkerung die Hauptursache für das Scheitern der Wirtschaftsreformen und hatte ihrer Ansicht nach das größte Potential, die chinesische Gesellschaft in politische Unruhen zu stürzen (vgl. Perry 1994).

Die Inflation war ein weiterer Grund für die hohe Beteiligung an den Protesten. Die Lebenskosten in der Stadt hatten sich in den Jahren nach 1978 vervielfacht; in einem Artikel der People’s Daily aus dem Jahr 1989 wurde angegeben, dass mehr als jede dritte in der Stadt lebende Familie mehr ausgab als sie verdiente (vgl. Wang 1992).

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Protest in China
Untertitel
Die Rolle der Arbeiter in der Tiananmen-Bewegung von 1989
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Sinologie)
Note
1
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V118410
ISBN (eBook)
9783640216437
ISBN (Buch)
9783640216499
Dateigröße
465 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Protest, China
Arbeit zitieren
Bakk. phil David Wense (Autor:in), 2007, Protest in China, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118410

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