Kriminalität und Verbrechen sind in der Medienlandschaft allgegenwärtig. Nach den TV-Richtern am Nachmittag ermitteln Kommissare am Vorabend in vermeintlich “echten” Kriminalfällen, bevor zur Prime Time schließlich die großen, publikumsträchtigen Serien- und Film-Produktionen ausgestrahlt werden. Selbst die Nachrichtensendungen dazwischen bilden keine Ausnahme und lassen das Thema keineswegs außer Acht.
An Interesse der Öffentlichkeit mangelt es also nicht. Insbesondere Geschichten und Berichte über Sexualverbrechen scheinen dabei erfolgversprechende “Publikumsrenner” zu sein, die daher auch immer wieder in den Medien auftauchen. Genau dieser Bereich der Kriminalität bildet den Ausgangspunkt dieser Arbeit. Im ersten Abschnitt wird zunächst anhand der Epoche des Deutschen Kaiserreichs (1871 - 1918) ein historisches Verständnis von Geschlechterrollen und Körperdefinitionen und den daraus resultierenden kulturellen Deutungsmustern sexueller Gewalt erarbeitet. Literaturgrundlage bildet hier vor allem die Dissertation von Tanja Hommen aus dem Jahr 2000. Im Zuge dessen richtet sich der Fokus schon bald auf die Rolle von Kindern - hauptsächlich junge Mädchen - in Sittlichkeitsprozessen. Der Frage nach der Bewertung der Glaubwürdigkeit dieser Zeuginnen vor Gericht wird schließlich im zweiten Abschnitt der Arbeit nachgegangen. Außerdem soll ein Bogen in die heutige Zeit geschlagen werden, um abschließend Überlegungen anzustellen, inwiefern “das Kind vor Gericht” das kulturelle Kindheitsbild einer Zeit repräsentiert bzw. das Verhalten gegenüber den wirklichen Kindern beeinflusst.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Wer ist der Täter, wer das Opfer in einem Sexualverbrechen?
- Geschlechterrollen und Körperdefinitionen im Kaiserreich
- Über „Komplizenschaft“ und die (Mit-)Schuld des Kindes
- Warum man dem Kind im Zeugenstand nur selten glaubte.
- Gerichtliche Vernehmungen - Ein Blick zurück und in die Gegenwart
- Die Kontroversen um die Schutzbedürftigkeit von Kindern - Ein Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Rolle von Kindern, insbesondere jungen Mädchen, in Sittlichkeitsprozessen des Deutschen Kaiserreichs. Sie untersucht, wie die Bewertung der Glaubwürdigkeit kindlicher Zeugen im Kontext von Geschlechterrollen und Körperdefinitionen erfolgte und welche Auswirkungen dies auf das kulturelle Kindheitsbild hatte.
- Kulturelle Konstruktion von Körpern und Körperlichkeit im Kaiserreich
- Bewertung der Glaubwürdigkeit kindlicher Zeugen in Sittlichkeitsprozessen
- Einfluss von Geschlechterrollen auf die Wahrnehmung sexueller Gewalt
- Verbindung zwischen dem kulturellen Kindheitsbild und dem Umgang mit Kindern im Gerichtssaal
- Historische und aktuelle Perspektiven auf die Schutzbedürftigkeit von Kindern
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Thema der Arbeit vor und führt in die Thematik der Darstellung sexueller Gewalt in Medien ein. Sie verweist auf die Relevanz des Themas und skizziert den Aufbau der Arbeit.
Das erste Kapitel beleuchtet die Geschlechterrollen und Körperdefinitionen im Kaiserreich, indem es auf die Dissertation von Tanja Hommen zurückgreift. Es wird gezeigt, wie die kulturelle Konstruktion von Körpern und Körperlichkeit die Wahrnehmung und Deutung sexueller Gewalt prägte.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Frage der Glaubwürdigkeit kindlicher Zeugen in Sittlichkeitsprozessen. Es analysiert die Gründe für die Skepsis gegenüber kindlichen Aussagen und beleuchtet die Entwicklung der gerichtlichen Vernehmungsmethoden.
Das dritte Kapitel widmet sich den Kontroversen um die Schutzbedürftigkeit von Kindern und zeichnet einen Ausblick auf die aktuellen Herausforderungen im Umgang mit kindlichen Zeugen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Sexualverbrechen, Kinderschutz, Geschlechterrollen, Körperdefinitionen, kulturelles Kindheitsbild, Sittlichkeitsprozesse, Glaubwürdigkeit, Gerichtsvernehmungen, historische Perspektiven und aktuelle Herausforderungen.
- Quote paper
- Christian Undorf (Author), 2007, ‚Im Zweifel für den Angeklagten’?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118415