Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Einbettung
2.1. Definition Gottesbild
2.2. Entwicklungspsychologie
2.3. Untersuchungen zum Gottesbild nach...
2.3.1.Helmut Hanisch
2.3.2. Anton Bucher
3. Das Studienprojekt
3.1. Die Fragestellung
3.2. Allgemeine Voraussetzungen
3.3. Das Forschungsdesign
3.4. Die Erhebungsmethode
3.5. Die Auswertungsmethode
4. Darstellung und Diskussion der Ergebnisse
5. Zusammenfassung und Schlussfolgerung
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitun g
Wie stellen sich Kinder Gott vor?
Kinder nehmen am Religionsunterricht der Schule teil und das meistens mit großer Selbstverständlichkeit, sie besuchen den Kindergottesdienst und manche Eltern erzählen ihren Kinder biblische Geschichten, beten mit ihnen und feiern die christlichen Feste wie Weihnachten oder Ostern gemeinsam.1 Auf der anderen Seite wachsen die Kinder mehr denn je mit Medien auf, wie Kinderbücher, DVDs und Fernsehsendungen. Jedes Medium vermittelt den Kindern Bilder, auch von Gott. All das nimmt Einfluss auf den kindlichen Glauben. Egal, ob Kinder eine religiöse Erziehung genießen oder ihnen dies nicht von Zuhause aus vorgelebt wird, jedes Kind macht sich ein Bild von dem Aussehen Gottes und stellt sich vor, wie Gott sein könnte. So entsteht ein mehr oder weniger konkretes Bild von Gott bei den Kindern und trotzdem gibt es keine deckungsgleiche Vorstellung.
Aus den angeführten Überlegungen wurden Leitfragen für das Studienprojekt formuliert. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit kindlichen Gottesvorstellungen. Zwei Fragen haben mich dabei besonders interessiert:
1. Wie stellen sich Kinder Gott vor?
2. Welche geschlechtsspezifischen Unterschiede weisen die gemalten Gottesbilder der Kinder einer vierten Klasse auf?
In den letzten Jahren wurde dies bereits verstärkt, durch unterschiedliche Ansätze in der
empirischen Religionspädagogik, untersucht. So entstand über die Jahre eine Fülle von Literatur zu den Gottesvorstellungen von Kindern. Die vorliegenden Arbeit „Gottesbilder von Kindern einer 4. Klasse“ konzentriert sich gezielt auf 2 Ansätze, die von Anton A. Bucher und Helmut Hanisch. Im Fokus stehen hier nicht nur die Ergebnisse von Bucher und Hanisch, sondern auch ihre Vorgehensweise. So wird im ersten Teil der Arbeit der theoretische Rahmen des Forschungsprojekts geschaffen. Im zweiten Teil der Arbeit werden die Vorgehensweise des Studienprojektes und die Methode der Erhebung dargestellt und begründet. Anschließend werden die Ergebnisse der Untersuchung vorgestellt und vor dem Hintergrund der Literatur von Anton A. Bucher und Helmut Hanisch diskutiert.
2. Theoretische Einbettung
2.1. Definition Gottesbild
Im Folgenden wird geklärt, was unter dem Begriff Gottesbild verstanden wird.
Unter dem Begriff Gottesbild versteht man zum einen das Aussehen oder das Handeln Gottes in bestimmten Situationen. Hierrunter fallen nicht nur die körperliche Darstellung, sondern auch der Charakter und das Wesen Gottes. Zum anderen versteht man unter dem Begriff Gottesbild ein inneres Bild, welches der Mensch mit dem Begriff Gott verbindet. Dies beinhaltet auch die Beziehung von Gott zum Menschen. So stehen die Begriffe Gottesbeziehung und Gottesvorstellung eng miteinander in Verbindung.2 Stellt sich ein Mensch Gott als liebevollen Vater vor, so spiegelt dass die Beziehung von dem Menschen zu Gott wieder. Durch die Vorstellung eines Menschen von Gott wird die Beziehung zu ihm verdeutlicht. Über die Jahre kann sich das Gottesbild durch angesammelte Erfahrungen bewusst oder auch unbewusst herausbilden und verändern. Das Produkt einer Zeichnung Gottes wird ebenfalls als Gottes-Bild bezeichnet. Allerdings handelt es sich trotz des Gleichklangs um grundlegend verschiedenes.3 Zeichnet man ein Bild von Gott, so muss das gemalte Bild kein „Abbild oder Kopie“4 der inneren Vorstellung von Gott sein.
2.2. Entwicklungspsychologie
Im Folgenden werden die Erkenntnisse James W. Fowler zu den Stufen des Glaubens und Fritz Oser und Paul Gmünder zu den Stufen des religiösen Urteils kurz erläutert. Hierbei werden zunächst alle Stufen betrachtet. Die für die Grundschule relevanten Stufen werden in 3.2 und 4. genauer betrachtet.
Der Schweizer Psychologe Jean Piaget (1896-1980) hat mit seinen Untersuchungen in den 1950 er Jahren die Entwicklungspsychologie auf dem Gebiet der kognitiven Entwicklung stark geprägt. Die kognitive Entwicklung von Kindern erfolgt, nach Piaget, in Stufen. Piaget unterscheidet zwischen vier Stufen, die sensomotorische Phase (0-2 Jahre), die Präoperationale Phase (2-7 Jahre), die Phase der konkreten Operationen (7-12 Jahre) und die Phase der formalen Operationen (Jugendalter). Kinder erreichen nur eine höhere Stufe, indem sie sich aktiv lernend mit ihrer Umwelt auseinandersetzen. Die Theorie der religiösen Entwicklung bzw. des religiösen Urteils von Fritz Oser und Paul Gmünder sowie James Fowler steht in enger Beziehung zu den entwicklungspsychologischen Forschungen von Jean Piaget.5 Oser und Gmünder sowie Fowler griffen die Theorie Piagets auf und kamen zu dem Ergebnis, dass Kinder und Jugendliche im religiösen Bereich als aktive Subjekte ihrer Entwicklung anzusehen sind.6
Oser und Gmünder haben eine Stufentheorie entwickelt, in der beschrieben wird, wie sich die religiöse Urteilskraft des Menschen in bis zu sechs Stufen ausbildet. Die Theorie wurde mithilfe von Dilemma-Geschichten erarbeitet. Jede Stufe besitzt eine Ganzheitlichkeit in sich. Stufe 0 wird als „vorreligiöse Haltung“ bezeichnet und ist in jeder Kultur identisch. Kinder können hier nicht zwischen verschiedenen Wirkkräften unterscheiden. Stufe 1 wird als „Deus ex machina“ bezeichnet, also der Orientierung an der absoluten Heteronomie. Die Kinder glauben hier an etwas Größeres, das über ihnen steht und unerreichbar ist.7 In der zweiten Stufe „Orientierung relativer Autonomie“ geht das Kind davon aus, dass es dieses Größere durch Opfer oder Gebete beeinflussen kann. Kind und Gott stehen somit in einem Tauschverhältnis.8 Stufe 3 wird von Oser und Gmünder als „Orientierung an absoluter Autonomie“ bezeichnet. Diese Stufe findet man ab dem Jugendalter vor. Der Mensch ist hier Ich bezogen autonom und sieht sich als Selbstverantwortlich für die Welt. In Stufe 4 „ vermittelter Autonomie“ handelt der Mensch, weil es Gott gibt. Auf Stufe 5 „religiöser Autonomie durch unbedingte Intersubjektivität“ befinden sich laut Oser und Gmünder nur wenige Menschen. Hier verwirklicht sich Gottes Liebe und Gnade im Leben und in zwischenmenschlichen Beziehungen.
Die Theorie von James W. Fowler zur Glaubensentwicklung basiert ebenfalls auf der psychologischen Grundlage Piagets.9 Des Weiteren hat Fowler die Ich-Identität von Erikson miteinbezogen. Fowler bezeichnet den Lebensglauben der Menschen als „eine Aktivität des sinnschaffenden Menschen, das Leben zu erkennen, zu werten und mit dem Sinn zu füllen, es also im Horizont eines umfassenden Ganzen zu begreifen.“10 Fowler betont, dass der Glaube (faith) von den Glaubensinhalten (beliefs) zu unterscheiden ist. Der Glaube kann bereits von Kindern festgehalten werden, durch das Vertrauen zu einer Bezugsperson. Die Glaubensentwicklung nach James W. Fowler umfasst insgesamt sieben Stufen, Stufe null bis sechs. Stufe 0 bezeichnet Fowler als „Säuglingsalter und undifferenzierter Glaube“. Vertrauen und Zuneigung stehen hier Angst und dem Verlassenwerden gegenüber. Stufe 1 der „intuitiv-projektiver Glaube“ (3-7 Jahre) ist durch das fantasieleben dominiert. Kinder brauchen hier eine stabile Ordnung und Rituale. Der „Mythisch-wörtliche Glaube“ (7-12 Jahre). Stufe 2 ist durch Mythen, Geschichte und Symbole aus der Umwelt der Kinder gekennzeichnet, an denen sie sich orientieren. Auf dieser Stufe finden lediglich Wortsinn Interpretationen statt. Stufe 3 (Jugendalter) der „synthetisch-konventionelle Glaube“ beinhaltet einen Perspektivwechsel, dies kann zur Verunsicherung führen. Glaubensinhalte sind oft unbewusst vorhanden und unterliegen keiner kritischen Beurteilung.11 In Stufe 4 „individuierend-reflektierender Glaube“ (Erwachsenenalter) erlangt der Glaube an reflexiver Eigenständigkeit. Stufe 5 nennt Fowler den „verbindlichen Glauben“. Hier erlangt der Mensch eine kontemplative Weltansicht. Er lernt andere Identitäten zu akzeptieren, ohne seine eigene Identität anzuzweifeln. In der 6. Stufe „der universalisierende Glaube“ zählt das Sein selbst. Diese Stufe wird von kaum einem Menschen erreicht. Personen, die diese Stufe erreicht haben sind M. Gandhi oder Mutter Teresa.
2.3. Untersuchungen zum Gottesbild nach...
2.3.1. ... Helmut Hanisch
Helmut Hanisch untersuchte 1992 in seiner Studie die gezeichneten Gottesbilder von Kindern im Alter von 7 bis 16 Jahren. Hierbei nahm er zwei Stichproben. Die erste Stichprobe setzte sich aus Kindern zusammen, die religiös erzogen worden sind, die zweite Stichprobe bilden Kinder, die ohne religiöse Erziehung aufgewachsen sind.12 Im Folgenden beziehe ich mich auf die Ergebnisse seiner Untersuchung bezogen auf das Alter zwischen 7 und 11 Jahren, da diese Ergebnisse für die spätere Darstellung der Stichprobe in 3. relevant ist.
Die erste Stichprobe umfasste 1471 Kinder und Jugendliche aus dem Kirchenbezirk Heidenheim, einem volkskirchlichen Milieu. Aufgrund der Umgebung ging Hanisch davon aus, dass alle Kinder religiös geprägt sind. An einer zweiten Stichprobe nahmen 1187 Kinder und Jugendliche teil. Sie wuchsen in Städten der ehemaligen DDR auf, wie Leipzig, Dresden und Zwickau einem eher nicht religiösen Milieu auf.13 Bei der Auswertung der Ergebnisse unterschied Hanisch zunächst zwischen anthropomorphen14 und nicht anthropomorphen15 Zeichnungen.
Bei der ersten Stichprobe kam Hanisch zu dem Ergebnis, dass 58% der Kinder und Jugendlichen Gott anthropomorph, 41% symbolisch darstellen. Im alter von 9 Jahren zeichneten 93% der Jungen und 87% der Mädchen Gott anthropomorph. 75% malten Gott als Mann, 16 % der Kinder malten Gott als Geist, lediglich 3 % der gemalten Bilder zeigten Gott in weiblicher Form. Hanisch fand heraus, dass gerade jüngere Kinder Gott anthropomorph darstellten. Mit zunehmendem Alter nimmt dies jedoch ab. Dies kann wie bereits in 2.2. beschrieben durch die Ausführungen Fowlers zur zweiten Glaubensstufe begründet werden. Gott wird hier als menschliches Wesen aufgefasst.16 Hier sind die Kinder besonders von den Vorstellungen der Eltern abhängig. In der ersten Stichprobe, der Untersuchung Hanischs, fällt des Weiteren auf, dass fast alle Kinder Attribute in ihren Zeichnungen anführen. 49% der Kinder malen Gott mit einem Bart, 41% der Kinder zeichnen Gott in den Wolken, 18% der Kinder einen Heiligenschein und 10% zeichnen Gott mit Engeln.17 Zusammenfassend zeichnet die erste Stichprobe Gott meistens im Himmel. Er wird als alt und weise gezeichnet mit Bart, ist freundlich und schütz die Menschen.
In der zweiten Stichprobe malten sogar 87,5% der Kinder Gott anthropomorph. Bei den jüngeren Kindern deckten sich die restlichen Ergebnisse der nicht religiös geprägten Kinder mit den der religiös geprägten Kinder. Typisch für die nicht religiös geprägten Kinder war jedoch, dass sie Gott als ein Wesen zeichneten, welches in den Wolken wohnt und von dort aus auf die Erde guckt.
Hanisch erkannte, in den Zeichnungen der Kinder, sowohl aus Stichprobe eins als auch in Stichprobe zwei, eine freundliche Darstellung Gottes, der meistens über der Erde in den Wolken lebt und auf die Menschen hinunter schaut.18 Er ist alt und weise, steht den Menschen freundlich und mit offenen Armen gegenüber. Zum Teil konnte Hanisch geschlechtsspezifische Unterschiede feststellen. Mädchen zeichneten Gott eher mit Bart und ausgebreiteten Armen. Für sie steht der Schutz Gottes im Vordergrund. Jungen hingegen stellten Gott als König und auf einem Thron dar. Sie betonten vor allem die Macht und Größe Gottes. Hanisch Schlussfolgerung aus den Ergebnissen der Untersuchung ist, dass gerade bei den jüngeren Kindern beider Stichproben nur geringe Unterschiede festzustellen sind. Es gibt allerdings kein altersabhängiges, einheitliches Gottesbild von Kindern.
2.3.2. ... Anton Bucher
Im Folgenden werden die Erkenntnisse Buchers dargestellt.
Ende der 90 er Jahre etablierte sich der Begriff „Kindertheologie“. Der Begriff beschreibt eine vom Kind ausgehende hervorgebrachte Theologie. Kinder stellen hier von sich aus Fragen und finden Antworten. Der Schweizer Religionspädagoge Anton A. Bucher geht davon aus, dass jedes Kind auch ein Theologe ist. Somit benötigen Kinder, seiner Ansicht nach, keine vereinfachte auf sie abgestimmte Theologie als Lehre. Ende des 20. Jahrhunderts untersuchte Anton A, Bucher das Gottesbild von 223 Kindern im Alter von 8 bis 11 Jahren aus Luzern.19 Bucher belegte durch seine Untersuchung seine Thesen, dass Kinder sich Gott größtenteils menschlich, also anthropomorph vorstellen. Dies sei, laut Bucher, des Weiteren nicht vom Geschlecht abhängig. In seiner Stichprobe stellten 82% der Kinder Gott anthropomorph dar.20 Hier gab es nur einen geringfügigen unterschied zwischen der Zeichnungen der Mädchen und der der Jungen. Gott wird von den Kindern hier größtenteils als Mann mit Bart in den Wolken gezeichnet. 72% der Kinder stellten Gott männlich, 8% der Kinder weiblich dar. Auffällig ist hier allerdings, dass lediglich Mädchen ihren Gott weiblich darstellten.21 75% aller anthropomorphen Gottesbilder trugen Kleidung. 37% der Bilder besaßen keinen Hintergrund. Laut der Untersuchung Buchers stellten 93 Jungen und 91 Mädchen Gott anthropomorph dar. Nach Bucher findet im 9. Lebensjahr ein leichter Anstieg der anthropomorphen Darstellung statt, obwohl die „Zahl der anthropomorphen Gottesdarstellungen im Laufe der Entwicklung der Kinder stetig abnimmt“.22 Eine Erklärung dafür gibt Bucher jedoch nicht. Die anthropomorphe Gottesvorstellung von Kindern begründet Bucher allgemein durch die Projektion des Vaterbildes auf das Gottesbild der Kinder. Anton Bucher hat den Begriff Kindertheologie geprägt. Kinder sind seiner Meinung nach Theologen, da sie sich eigenständige und kreative Gedanken über Gott machen. Des Weiteren führt Bucher Untersuchungen zu der zeichnerischen Entwicklung an. Hierbei unterscheidet er zwischen dem Kritzelstadium und der Schemaphase. Die Schemaphase findet man laut Bucher in der frühen Kindheit. Hierbei reproduzieren Kinder ihre bisherigen generierten Schemata. Sie operieren hier aus ihrem Gedächtnis.23 Ein Unterpunkt in der Schemaphase ist unteranderem das Größenverhältnis. Kinder malen Dinge größer, die eine wichtigere Bedeutung für sie haben.
Sowohl bei der Methode von Helmut Hanisch, als auch von Anton A. Bucher kommt immer wieder Kritik auf. Beide interpretierten die Zeichnungen der Kinder ohne sich Aussagen der Kinder zu dem jeweiligen Bild einzuholen. Als Kritik an der Methode beider Religionspädagogen wird dies immer wieder angeführt. Des Weiteren stellten beide die Frage „male eine Bild von Gott“ an die Kinder, Kritiker bemängeln hier eine eventuelle Provokation des Ergebnisse durch die gezielte Fragestellung. Denn um ein Bild von Gott zu malen, muss man ihn gegenständlich darstellen. In einer Zeichnung ist es den Kindern also nicht möglich Gott anders als personal darzustellen. Auch diese Vorgehensweise kann als kritisch betrachtet werden.
3. Das Studienprojekt
3.1. Die Fragestellung
Hinsichtlich der Befunde von Helmut Hanisch und Anton A. Bucher zum Thema Gottesbilder von Kindern lassen sich verschiedene Forschungsfragen anführen, die in dem vorliegenden Studienprojekt untersucht werden sollen. Zum Einen soll durch das Studienprojekt herausgefunden werden, wie Kinder sich Gott vorstellen. Im ersten Teil der Untersuchung steht somit nicht das „Was“ sondern das „Wie“. Das bedeutet hier soll darauf geachtet werden, wie Kinder sich Gott vorstellen. Betrachtet wird somit, ob Kinder sich Gott menschlich vorstellen, also anthropomorph oder in symbolischer Form. Im zweiten Teil der Untersuchung soll dann das „Was“ genauer betrachtet werden. Was Zeichnen die Kinder und gibt es unterschiede zwischen der Gestaltung von Jungen und Mädchen. Somit dient die vorliegende Arbeit der Klärung folgender Fragen:
1. Besitzen Kinder einer vierten klasse ein anthropomorphes Gottesbild?
2. Welche geschlechtsspezifischen Unterschiede weisen die gemalten Gottesbilder der Kinder einer vierten Klasse auf?
3.2. Allgemeine Voraussetzungen
Die vierte Klasse der Grundschule setzt sich aus 24 Schülern24 zusammen. Die Klassenstärke teilt sich auf in 10 Mädchen und 14 Jungen, die alle im Schnitt zwischen neun und zehn Jahre alt sind. Hiervon gehören 20 Schüler der evangelischen Konfession an und nehmen an dem konfessionellen Religionsunterricht teil. Alle 20 Schüler des evangelischen Religionsunterrichts haben Kenntnisse im grundlegenden biblischen Wissen.
Alle SuS besitzen eine enorme Leistungsbereitschaft und sind motiviert und engagiert beim Arbeiten. Sowohl das Verhältnis unter den SuS, als auch zwischen den SuS und dem Lehrpersonal kann als harmonisch, respektvoll und hilfsbereit beschrieben werden.
Die Schule befindet sich in einem Vorort von Bielefeld und ist sehr ländlich gelegen. Die Grundschule hat direkte Anbindung zur Natur. Der eigene Klassenraum ist liebevoll, hell und freundlich gestaltet, was zu einem positiven Klassenklima beiträgt. Die SuS beherrschen viele wichtige Methoden, wie Gruppen-, Partner- oder Einzelarbeit. Der evangelische Religionsunterricht findet zweimal in der Woche für jeweils 45 Minuten statt.
Die Entscheidung, die Untersuchung in dieser Klasse durchzuführen hängt vor allem damit zusammen, dass die Klasse sowohl aus religiöse als auch nicht religiöse Kinder besteht. Des Weiteren konnte durch eine enge Zusammenarbeit mit der Klasse eine Verbindung zu den Kindern hergestellt werden. Somit können die Aussagen der Kinder besser verstanden und gedeutet werden.
Die SuS dieser Klasse befinden sich in einer entwicklungspsychologischen Phase, in der sie die Merkmale der Selbstbeschreibung miteinander verknüpfen. Jedes Kind nimmt seinen eigenen Standpunkt ein und es nimmt auch andere Standpunkte wahr. „Von da an beginnt der Standpunkt anderer selbstleitend als self-guide“.25 Peers werden besonders in der Grundschulzeit eine wichtige Bedeutung zugeschrieben. Freundschaften sind geprägt von Akzeptanz und Zugehörigkeit.26 Die Schüler der vierten Klasse befinden sich nach dem Entwicklungsmodell von Piaget auf der Stufe des konkret-operativen Denkens. Das Denken der Kinder ist hier an anschaulich erfahrbaren Inhalten gebunden.27 Verschiedene Merkmale eines Gegenstandes können gleichzeitig erfasst und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Nach Fritz Oser und Paul Gmünder und deren Theorie der religiösen Entwicklung sind Kinder als aktive Subjekte ihrer Entwicklung anzusehen.28 Ein religiöses Urteil tätigen die Schüler auf der Grundlage der ersten oder zweiten Stufe. Die erste Stufe wird als Orientierung an absoluter Heteronomie bezeichnet. Die Kinder glauben hier an etwas Größeres, das über ihnen steht und unerreichbar ist.29 In der zweiten Stufe, Orientierung relativer Autonomie, geht das Kind davon aus, dass es dieses Größere durch Opfer oder Gebete beeinflussen kann. Kind und Gott stehen somit in einem Tauschverhältnis.30 Nach James Fowler und seiner Theorie der Glaubensentwicklung befinden sich Kinder einer vierten Klasse auf der zweiten Stufe, dem Mystisch-wörtlichen Glauben. Auf dieser Stufe besitzen die Kinder ein hochentwickeltes Fantasieleben, welches jedoch mit den Regeln der Logik untersucht wird.31 Geschichten und Mythen werden dem Wortsinn nach verstanden und nicht als symbolische Sprache. Gott wird ganz allein als menschliches Wesen aufgefasst.32
3.3. Das Forschungsdesign
Im Folgenden wird die Vorgehensweise der Untersuchung beschrieben.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die angeführten Fragestellungen durch die Erhebung zeichnerischer Darstellungen des Gottesbildes von Kindern zu beantworten.
Die Erhebung wurde an der Grundschule in einer vierten Klasse durchgeführt. Hierbei wurden zunächst in einem Zeitraum von 4 Wochen 8 Klassen befragt, hierbei entstanden 160 Gottesbilder von Kindern. Untersucht wurden hierbei die Gottesvorstellungen von Kindern innerhalb zweier erste Klassen, zweier zweite Klassen, zweier dritte Klassen und zweier vierte Klassen. Bei sieben der acht Klassen wurde jeweils an einem Vormittag ein Tisch im Foyer aufgebaut. Eine kleine Gruppe von zwei bis vier Kindern wurde dann aus der Klasse abgeholt um an dem Tisch im Foyer ein Bild von Gott zu zeichnen. Hierfür würde pro Gruppe ein Zeitraum von ca. 15 Minuten eingerechnet. Je nach Gruppenanzahl und Klassengröße konnte so eine gesamte Klasse innerhalb von zwei bis drei Stunden befragt werden.
Die ausgewählte verwendete Stichprobe setzt sich allerdings nur aus 24 Kindern aus einer vierten Klasse zusammen. Zum Malprozess wurden bei dieser Klasse jeweils zwei Kinder aus dem regulären Religionsunterricht entnommen. Diese zwei Kinder kamen in einen separaten, vorbereiteten Raum. Der Raum wurde durch einen Tisch in der Mitte mit drei Stühlen, sowie zwei weiße Blätter und Bundstifte präpariert. Die Kinder saßen zur linken und rechten Seite des Forschers und bekamen den Auftrag Gott zu malen. Der zeitliche Rahmen betrug ca. 15 Minuten. Anschließend wurden die nächsten zwei Kinder in den Raum geschickt. Pro Religionsstunde konnten so 6 Stichproben erhoben werden. Insgesamt betrug der Gesamtrahmen der Erhebung 14 Tage. Die Entscheidung lediglich 24 Zeichnungen aus einer Klasse zu betrachten, anstatt alle 160 Bilder, hängt vor allem mit der Vorerfahrung der Klasse zusammen. Zu den Probanden konnte im Laufe der Zeit eine enge Beziehung aufgebaut werden. Daraus schließt sich, dass die Aussagen der Kinder am Ende zielsicherer gedeutet werden können. Des Weiteren geben die Zeichnungen der Kinder bezogen auf die Fragestellungen am Meisten her. Außerdem wurde die Befragung in der Klasse 4x zu Beginn durchgeführt, die Befragung fiel hier ausführlicher aus. Den Entschluss weitere Klassen der Grundschule zu befragen wurde erst nach der ersten Befragung getroffen, um so am Ende mehr Material zur Auswahl zu haben.
3.4. Die Erhebungsmethode
Im Folgenden werden die Instruktion für die Klasse 4x der Befragung betrachtet.
Wie bereits in 3.3. beschrieben kamen die Kinder in einen separaten, vorbereiteten Raum. Den Kindern wurde zunächst nur mitgeteilt, dass sie mitkommen sollen. Alle Kinder der Klasse sahen dies als spannend an und stellten neugierig die Frage was sie nun machen. In dem Raum selbst bekamen die Kinder die Instruktion sich rechts und links an den Tisch zu setzten, wo bereits zwei leere Blätter lagen. Den Kindern wurde dann erläutert, dass sie nun ein Bild von Gott zeichnen sollen, genau so wie sie sich ihn vorstellen. Diese ausformulierte Aufgabe wurde nicht weiter erläutert sondern einfach schlicht im Raum stehen gelassen. Den Kindern wurde jedoch erklärt, dass sie für die Zeichnung die Bundstifte und das vor ihnen liegende Papier benutzen sollen. Welche Farben sie verwenden ist ihnen selbst überlassen. Einige Kinder entgegneten hier, dass man Gott nicht zeichnen soll, andere hingegen wussten nicht wie sie sich Gott vorstellen. Den Kindern wurde hier kindgerecht erklärt, dass man sich schon ein Bild von Gott machen kann, es geht hierbei vielmehr um Abbilder, die man sich nicht machen sollte. Ein Bild bildet nicht ab, sondern drückt lediglich die eigene Wahrnehmung aus.
Außerdem wurde erläutert, dass die Kinder einmal an Gott denken und die Augen schließen sollen. Das Bild was ihnen dann vor Augen kommt sollen sie aufmalen. Was sie malen ist ihnen freigestellt und es gibt kein Richtig oder Falsch, auch das wurden den Kindern erläutert. Während des Malvorgangs wurden keine Fragen zu der Zeichnung gestellt, kleinere Plaudereien wurden jedoch notiert. Im Fokus stehen somit nicht nur visuelle Prozesse sondern auch die verbalen Äußerungen der Kinder. Aufkommende Fragen der Kinder wurden beantwortet, ansonsten wurde nicht gesprochen.
3.5. Die Auswertungsmethode
Im Folgenden werden die Zeichnungen hinsichtlich ihrer Auswertung beschrieben. Hierbei wird besonders die Auswertungsmethode Hanisch berücksichtigt.
Die Auswertung der Zeichnungen erfolgte zunächst über die tabellarische Auswertungsform. Hierbei wurde jedes einzelne Bild betrachtet. Die Tabelle wurde durch unterschiedliche quantitative Merkmale, die auf den Zeichnungen zu finden waren, erstellt. Anschließend wurden die Merkmale, die auf einem Bild vorkamen den Merkmalen in der Tabelle durch Kreuze zugeordnet. So entstand eine übersichtliche Darstellung aller vorkommenden Merkmale der Gottesbilder.33
In der Religionspsychologie ist es üblich, anthropomorphe von nicht anthropomorphen bzw. symbolischen Gottesbildern zu unterscheiden.34 Auch Hanisch ging in seiner Auswertung so vor. Gottesbilder auf denen Gott als Mensch dargestellt ist, werden als anthropomorph bezeichnet. Sieht man hingegen auf den Zeichnungen Gott als Auge, Licht, Blase oder als eine biblische Geschichte, werden diese Zeichnungen als nicht anthropomorph oder symbolisch bezeichnet. Genau so wie in der Auswertung von Hanisch werden in der Tabelle zunächst alle anthropomorphen Bilder von den nicht anthropomorphen getrennt. Anschließend wird das Geschlecht des gezeichneten Gottesbildes betrachtet. Hierbei wird zwischen vier Möglichkeiten unterschieden: Mann, Frau, Geist und Gesicht.35 Um Gott zu beschreiben verwenden die Kinder häufig eine Reihe von Attribuierungen. Diese Attribuierungen die Gott zugeschrieben werden, sind in weiteren Merkmalen in der Tabelle unterteilt. Zu den 17 angeführten Attribuierungen zählen unteranderem Merkmale wie Gott kann fliegen, er ist Klug und Weise, er schwebt auf einer Wolke oder er beschützt. Anders als bei Hanisch werden Attribuierungen wie ein Heiligenschein oder eine Krone in der Tabelle als extra Punkt betrachtet unter dem Merkmal Accessoires Gottes. Die optische Darstellung wird ebenfalls unter einem gesonderten Merkmal betrachtet. Hierzu zählen alle optischen Merkmale die den Körper und die Gliedmaße Gottes, sowie Bart und Haare betreffen. Die Kleidung Gottes wird in der Tabelle extra betrachtet unter dem Merkmal Kleidung. Die letzten beiden quantitativen Merkmale der Tabelle betreffen zum Einen die gewählten Farben der Kinder und zum Anderen den Hintergrund des Bildes. Wie bereits in 2.3.2. beschrieben, betrachtet Bucher als das Größenverhältnis von Zeichnungen. Auch dieser Punkt wird in der Tabelle berücksichtig. Hierbei wird in der Auswertung betrachtet, wie groß die Kinder Gott zeichnen und wo auf dem Bild sich Gott befindet, eher im Vordergrund oder im Hintergrund der Zeichnung.
So entsteht eine übersichtliche Tabelle, mit allen vorkommenden Merkmalen der Zeichnungen. Die Ergebnisse der Befragung können so einfach der Tabelle entnommen werden.36
4. Darstellung und Diskussion der Ergebnisse
Im Folgenden werden die Ergebnisse der Zeichnungen im Hinblick auf die Forschungsfragen erläutert und diskutiert. Hierbei werden die Merkmale der Zeichnungen nacheinander vorgestellt, betrachtet und mit den Aussagen Hanisch und Buchers verglichen.
1. Besitzen Kinder einer vierten Klasse ein anthropomorphes Gottesbild?
Durch die Erhebung der Daten kann zunächst gezeigt werden, dass Kinder im Alter von 9 bis 10 Jahren in der Lage sind, sich zum Einen eine Vorstellung Gottes zu machen und zum Anderen diese zeichnerisch darzustellen. Bei der Vorstellung, wie Gott aussieht ist festzustellen, dass 19 der 24 Schüler (79%) sich Gott menschlich, also anthropomorph vorstellen. Dies deckt sich mit den Forschungsergebnissen von Bucher und Hanisch. Wobei Hanisch lediglich in der nicht religiös geprägten Gruppe zu einem ähnlich hohen prozentualen Ergebnis kommt (87%).
[...]
1 Vgl. Gottfried Orth, Helmut Hanisch: Was Kinder glauben Teil 2, Glauben entdecken – Religion lernen, Stuttgart 1998, S. 9.
2 Vgl. http://www.lkgsachsen.de/images/inhalte/themen-und-texte/grundworte-des-glaubens/pdf/GrundworteDesGlaubens-Gottesbilder.pdf (Stand 25.04.2016).
3 Vgl. M. Wiedmaier: Dissertation, S.92.
4 Ebd., S. 92.
5 Vgl. Hilger, Georg. Ritter, Werner H.: Religionsdidaktik Grundschule, S. 98.
6 Ebd., S. 98.
7 Ebd., S. 100.
8 Ebd., S. 100.
9 Fowler, James W.: Glaubensentwicklung, München 1989, S.9.
10 Hilger, Georg. Ritter, Werner H.: Religionsdidaktik Grundschule, S. 102.
11 Vgl. Schweizer F.: Lebensgeschichte und Religion. S. 146-147.
12 Vgl. Hanisch, H.: Die zeichnerische Entwicklung des Gottesbildes bei Kindern und Jugendlichen. S.13.
13 Vgl. Ebd., S. 14.
14 Gott wird als menschliche Gestalt gezeichnet.
15 Gott wird durch ein Symbol repräsentiert.
16 Schweitzer, F.: Lebensgeschichten und Religion, S. 145.Oertel.
17 Vgl. Hanisch, H.: Die zeichnerische Entwicklung des Gottesbildes bei Kindern und Jugendlichen. S. 41 f..
18 Vgl. Hanisch, H.: Die zeichnerische Entwicklung des Gottesbildes bei Kindern und Jugendlichen. S. 183.
19 Vgl. Ebd., S. 27.
20 Vgl. Ebd. S. 26-27.
21 Vgl. Ebd., S. 27.
22 Hanisch, H.: Die zeichnerische Entwicklung des Gottesbildes bei Kindern und Jugendlichen. S. 28.
23 Vgl. Bucher, A.: Vom Kopffüßlergott zu den perspektivischen Lichtstrahlen. S. 52.
24 Im Folgenden wird zur Vereinfachung jeweils die männliche Form gewählt.
25 Oertel, R.: Entwicklungspsychologie, Beltz Verlag, Weinheim u.a. 2008, S. 231.
26 Ebd., S. 231.
27 Quelle: http://www.kindergartenpaedagogik.de/1226.html (Stand 4.04.2016).
28 Vgl. Hilger, G., Ritter, W.H.: Religionsdidaktik Grundschule, S. 98.
29 Ebd., S. 100.
30 Ebd., S. 100.
31 Ebd., S. 102.
32 Schweitzer, F.: Lebensgeschichten und Religion, S. 145.Oertel
33 Tabelle befindet sich im Anhang auf Seite.
34 Hanisch, H.: Das Gottesbild bei religiös und nicht religiöse erzogenen Kindern und Jugendlichen im Alter von 7 bis 16 Jahren. S. 2.
35 Vgl. Ebd., S. 3.
36 Die Tabelle befindet sich im Anhang. S. 13.