Der Pate - Zur Sequenz der "Taufe Michael Francis Rizzis"


Seminararbeit, 2008

13 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


1. Einführung

Die hier vorliegende Arbeit befasst sich mit einer knapp vierminütigen Sequenz[1] (im Folgenden auch „Kirchensequenz“ genannt) gegen Ende des Gangsterfilms „The Godfather“ (Der Pate) von Francis Ford Coppola. Sie wurde von Coppola persönlich[2] als auch von vielen Kritikern[3] als Höhepunkt des Films bezeichnet. Sie folgt auf die Beerdigung des Vaters Don Vito Corleone und darin ist die Taufe von Michael Corleones Neffen, Michael Francis Rizzi, zu sehen. Michael Corleone, durch Al Pacino verkörpert und im Folgenden nur „Michael“ genannt, schwört als Taufpate stellvertretend dem Teufel ab und bekennt sich zu Gott, während gleichzeitig in seinem Namen die Morde an den fünf größten Gegnern der Corleone-Familie durch seine Handlanger geschehen. Damit verschafft sich die Familie wieder den höchsten Status.

Dem offenkundigen Konflikt widmet sich diese Arbeit. Zunächst wird die formale Gliederung des Aufbaus der Sequenz analysiert, danach die inhaltliche. Das vorrangige Ziel ist dabei, neben der Untersuchung der Handlung auch ihr Zusammenspiel mit der filmischen Darbietung und der Inszenierung genauer zu betrachten, um somit die Wirkung beim Rezipienten besser erklären zu können.

2. Formale Gliederung

Die Sequenz gliedert sich in zwei Handlungsstränge, die Taufzeremonie und die Ermordung der Gegner.

2.1 Die Taufzeremonie

Die Taufzeremonie spielt in der Old St. Patrick’s Cathedral in New York, die wohl wegen der Größe der Orgel ausgesucht wurde.[4] Nach einer Einführung in die Szenerie, durch die Annäherung über einen Establishing Shot als Master Shot und einer Halbtotalen, sind im Wesentlichen Michael und sein gleichnamiger Neffe im Kreise der Angehörigen, sowie der Ritus der Taufe zu sehen. Neben Kay Adams sind die Familienangehörigen in den Einstellungen hauptsächlich Kinder, die Erwachsenen sind erst später auf der Treppe vor der Kirche im Bild.

2.2 Die Ermordung der Gegner

Zwischen den Schnitten innerhalb der Kirche werden im anderen Strang die verschiedenen Szenen der Vorbereitung und Durchführung der Morde an den wichtigsten Widersachern der Familie Corleone dargestellt. Unter anderem wird der größte Gegner Brazini (Richard Conte) auf offener Straße, genauer gesagt auf den Treppen eines Gerichts erschossen, die anderen vier Morde finden in geschlossenen Räumen statt – in einem Fahrstuhl, einem Massagesalon (dort wird Moe Greene, der Hotel- und Kasinobesitzer umgebracht, der den Verkauf seines Besitzes zuvor verweigerte), der Drehtür eines Hotels und einem Schlafzimmer – alle werden sie singulativ erzählt. Gemeinsam ist ihnen außerdem, dass der Vorgang des Sterbens nur wenige Sekunden von der Kamera dokumentiert wird. Beim einzigen Schuss auf Moe Greene, der durch dessen Brille hindurch ins Auge trifft, kann sich der Zuschauer fragen, ob dieser Treffer zur Tötung reicht, aber auch hier verweilt die Kamera nur kurze Zeit und zeigt, wie der Hotelbesitzer augenblicklich stirbt. Bei den Morden an Mitgliedern der Corleone-Familie werden hingegen der Schmerz und das Leid besonders deutlich gezeigt. Selbst Luca Brasis (Lenny Montana) Strangulierung wird sehr ausführlich gezeigt, obwohl er nur ein Handlanger der Familie ist. Somit wird eine Bindung und Identifikation des Zuschauers mit den Protagonisten hergestellt - mit ihren Gegnern aber bewusst unterdrückt.

2.3 Die Rangordnung der Sequenz

Die Rangordnung wird nun zunächst innerhalb der Sequenz analysiert, dann wird die Sequenz in ihrer Bedeutung zum Gesamtwerk gestellt.

Die Kirchenszene lässt sich als Leitszene ausmachen, weil sie durch ihre Häufung innerhalb der Sequenz deutlich hervorsticht. So teilt sich das Verhältnis von Taufszene und Mordszenen die Sequenz etwa zu gleichen Hälften auf, allerdings teilen sich fünf Schauplätze letzteren Bestandteil. Somit nimmt die Taufe etwa einen viermal so großen Teil wie ein einzelner Mord ein. Außerdem ist Michael in ihr zu sehen, der - spätestens nach dem Tod seines Vaters Don Vito Corleone (gespielt von Marlon Brando) - die Hauptrolle spielt.

Coppola fasst hier zwei in der Handlungszeit parallel verlaufende Teile zu einer Sequenz zusammen, wie es die Romanvorlage Mario Puzos nicht vorsah: „was dort in 30 Seiten erklärt wird, muss auf ein paar [Drehbuch-] Seiten zusammengefasst werden. Deshalb hatte [Coppola] die Idee, die Taufe mit den Anschlägen zu verbinden, was so nicht im Buch steht, sondern erst im Film entstand.“[5] Diese Verknappung und somit eine suggerierte Simultanität realisiert Coppola durch eine Parallelmontage[6] beider Handlungen (Weyand spricht auch von einer Kollisionsmontage, also Attraktionsmontage[7] ), ähnlich derjenigen nach dem Tod Vito Corleones, durch die die eingeblendeten Zeitungsartikel mit anderen Einstellungen vermischt werden. Aber während in der erwähnten Sequenz wie auch im übrigen Film weiche Schnitte durch Blendentechnik erzeugt werden[8], wird in der Kirchensequenz mit verhältnismäßig schnellen und harten Schnitten gearbeitet.

Der Einfluss auf Coppola durch Sergei Eisenstein[9] und dessen frühe Versuche, verschiedenste Einstellungen durch Montage (zu etwas neuem) zusammenzufügen, wird hier besonders deutlich. Im Zusammenhang mit Eisenstein spricht man wohl bei dieser Sequenz von einer rhythmischen Montage, aufgrund der Rhythmik, die durch die Pausen in Ton und Bild entstehen.[10]

2.4 Die Verständlichkeit der Sequenz

2.4.1 Durch das Bild

Doch durch diese beiden stilistischen Elemente entsteht das Problem, die Sequenz verständlich erscheinen zu lassen. Coppola löst dies auf verschiedene Weise: Zunächst wird die Sequenz gegenüber dem Rest des Films ‚räumlich‘ getrennt, da die Szenen vorher und nachher im Freien spielen. Zwar werden die Einstellungen mit harten Schnitten voneinander getrennt, doch erzeugen Wiederholungen von Vorangegangenem eindeutige Assoziationen. Als Beispiele lassen sich die Handführung des Priesters zum Täufling und die des Barbiers zum Handlanger Michael Rizzis nennen, Barzini im Gericht, dessen Bau an ein Kirchenschiff erinnert, oder die Fortführung des Treppenaufsteigens, durch Clemenza und zuvor erwähnten Handlanger. Dabei handelt es sich aber nie um echte Match Cuts, sondern meistens um Wiederholungen oder nur sehr entfernt Assoziation erzeugendes Aufgreifen des Vorangegangenen.

[...]


[1] 2:30:03 bis 2:34:53.

[2] Vgl. Coppola, Francis Ford (2006): Der Pate – DVD Collection. Audiokommentar 2:29:00. Red Box 1-3. Los Angeles, Paramount Home Entertainment.

[3] Vgl. Weyand, Gabriele (2000): Der Visonär: Francis Ford Coppola und seine Filme. In: Koebner, Thomas (2000): Filmstudien. Band 16. Mainz: Gardez!-Verlag (zugl.: Mainz, Univ., Diss., 2000, S. 66.

[4] Vgl. Clarke, James (2003): Coppola. London: Virgin Books, S. 44.

[5] Coppola, Francis Ford (2006): 2:29:25: “Everything it takes 30 pages in the book and you do it in a couple of pages. Therefore I had this idea to unify all of the strikes against these families...by unifying with the Baptist ceremony. This is really an innovation of the film; it is not in the book.”

[6] Weyand, Gabriele (2000): S. 66.

[7] Ebd., S. 66.

[8] Clarke, James (2003): S. 47: “The Godfather is an elegantly mounted movie. [...] Intercutting brings the movie to a climax as the baptism of Connie’s daughter [Korrektur: son] and the killing of the family heads occur simultaneously.”

[9] Vgl. Clarke, James (2003): S. 38.

[10] Vgl. Hickethier, Knut (2007): Film- und Fernsehanalyse. Weimar/Stuttgart: Verlag J.B. Metzler, 4., aktualisierte und erweiterte Auflage, S. 149f.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Der Pate - Zur Sequenz der "Taufe Michael Francis Rizzis"
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut Filmwissenschaft)
Veranstaltung
Filmanalyse
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
13
Katalognummer
V118427
ISBN (eBook)
9783640213191
ISBN (Buch)
9783640213283
Dateigröße
406 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pate, Filmanalyse, Filmwissenschaft, Al Pacino, Coppola
Arbeit zitieren
Mattias Wohlleben (Autor:in), 2008, Der Pate - Zur Sequenz der "Taufe Michael Francis Rizzis", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118427

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