Familienaufstellung nach Bert Hellinger im Kontext systemischer Grundprinzipien


Hausarbeit (Hauptseminar), 2021

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsdefinitionen

3. Grundprinzipien Systemischer Therapie

4. Skulpturarbeit

5. Familienaufstellung

6. Analyse

7. Kritik und Diskussion

8. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Menschen fürchten nichts mehr als das Chaos und darum wählen sie eine Ordnung auch dann, wenn sie quälend ist“ (von Schlippe und Schweitzer 2019: 10).

Der Ausgangspunkt der Hausarbeit ist die Beschäftigung mit der umstrittenen Familienaufstellung nach Bert Hellinger. Die Methodik wird in vielen Fällen als Systemische Therapie verstanden; dennoch steht sie, gerade mit dieser Bezeichnung, scharf in Kritik (DGSF 2003). Die so entstehende Kontroverse lässt vermuten, dass der Begriff ‚systemisch‘ unterschiedlich gedeutet wird. Infolgedessen benötigt es einen Anhaltspunkt, der als theoretisches Fundament Systemischer Therapie dient. Schließlich wird der Forschungsfrage nachgegangen, inwieweit die Familienaufstellung nach Bert Hellinger mit den systemischen Grundprinzipien übereinstimmt. Dabei soll sich weniger mit der Person Hellingers beschäftigt werden als mit den Methoden, die aus der Arbeit mit Familienaufstellungen resultieren. Vorgestellte Konzepte, die sowohl auf den Kontext Therapie als auch auf den Kontext Beratung anwendbar sind, werden in einem familientherapeutischen Rahmen gedeutet. Statt ‚Klient*innen‘ und ‚Patient*innen‘ werden zur Vereinheitlichung die Begriffe ‚Teilnehmende‘ und ‚Betroffene‘ benutzt.

Als erstes erfolgt eine Zusammenfassung von Begriffsdefinitionen. Sie konzentriert sich auf Konzepte, die in der Hausarbeit eine Rolle spielen und dient als Orientierung während des Lesens. Anschließend findet eine Darstellung systemischer Grundprinzipien statt. Diese gehen unter anderem aus Arbeiten der sogenannten Mailänder Schule und Heidelberger Schule hervor. Dementsprechend bezieht sich die Forschungsfrage auf diese Grundprinzipien. Sie beinhalten vor allem Konzepte zur Haltung der Therapierenden und zu methodischen Vorgehensweisen während einer Therapiesitzung. Es folgt eine Beschreibung der Skulpturarbeit als symbolisch-räumliche Umsetzung der Systemischen Therapie. Die Vorstellung der Methode dient als Beispiel, wie die Grundprinzipien umgesetzt werden können und als Vergleich zur Familienaufstellung; diese wird anschließend erläutert. In der Erläuterung wird die Bedeutung der Ordnung hervorgehoben und wie sie sich auf die Umsetzung beim Aufstellen auswirkt. Anschließend werden konträre Position von Kritiker*innen geschildert, die als Ausgangslage für die Analyse dienen. In der Analyse werden wiederum die zuvor beleuchteten systemischen Grundprinzipien mit den Methoden der Familienaufstellung in Beziehung gesetzt. Hierdurch wird, unter anderem im Vergleich zur Skulpturarbeit, überprüft, ob und inwieweit systemisches Denken in Hellingers Konzept Einzug findet. Schließlich werden im Abschnitt ‚Kritik und Diskussion‘ die entwickelten Erkenntnisse in Hinblick auf die Forschungsfrage erörtert und ausgewertet. Im Fazit erfolgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse sowie ein kurzer Ausblick in Bezug auf die Hausarbeit.

2. Begriffsdefinitionen

Autopoiese: Die Autopoesie ist eine Art der Selbstorganisation, bei der sich lebende Systeme in ihrer Ganzheit selbst erschaffen und von ihrer Außenwelt abgrenzen (vgl. Simon et al. 1999: 39).

Epistemologie: Hiermit wird bezeichnet, „auf welche Art und Weise und auf welcher Grundlage Organismen erkennen, denken und verhaltensbestimmte Entscheidungen treffen" (Simon et al. 1999: 80). Epistemologie bezieht sich auf einzelne Personen oder Familiensysteme, die selbstreferent handeln, sich also selbst als Bestandteil in den Erkenntnisgewinn miteinbeziehen (vgl. ebd.: 80f.).

Familienaufstellung/Familien-Stellen: Die familientherapeutische Methode ist eine „[v]on Bert Hellinger entwickelte Form der lösungsorientierten Kurztherapie“ (Simon et al. 1999: 99). In der Hausarbeit wird vereinheitlicht der Begriff Familienaufstellung verwendet.

Hypothetisieren: Beim Hypothetisieren dient die Hypothese Therapeut*innen „sowohl als Ausgangspunkt für [ihre] Untersuchung wie auch [...] zur Überprüfung ihrer eigenen Gültigkeit“ (Palazzoli et al. 1981: 124) und kann nicht wie in wissenschaftlicher Überprüfung wahr oder falsch sein (vgl. Simon et al. 138), sondern „sich nur als therapeutisch nützlich erweisen“ (ebd.).

Neutralität: Der Begriff Neutralität wird in der Hausarbeit nach dem Heidelberger Ansatz von Simon und Weber als Weder-noch- und als Sowohl-als-auch-Haltung verstanden (vgl. Simon und Weber 2004: 33).

Selbstorganisation: Die Selbstorganisation wird in Bezug auf ein „selbstreparierendes System, lernendes System, selbstreproduzierendes System usw.“ (Simon et al. 1999: 289) verstanden.

Skulpturarbeit/Familienskulptur: Bei der Skulpturarbeit werden durch das Aufstellen der Familienmitglieder im Raum bildlich Beziehungsmuster verdeutlicht (vgl. Simon et al. 1999: 92f.).

System: Ein System wird als „zusammengesetzte Einheit“ verstanden, die aus „Elementen (materieller oder geistiger Art)“ (Simon et al. 1999: 320) besteht. Es bildet sich ein ganzheitliches Konstrukt mit Eigenschaften, die sich nicht auf einzelne Elemente zurückführen lassen (vgl. ebd.). Das Konzept kann auch auf Lebewesen übertragen werden, sodass von sozialen System und Familiensystemen gesprochen wird (vgl. von Schlippe und Schweitzer 2019: 7; 69) und Elemente beispielsweise Individuen, Menschgruppen oder Institutionen darstellen können (vgl. Simon et al. 1999: 324).

Systemische Therapie/systemisch: Die Systemische Therapie wird in den folgenden Kapiteln als Familientherapie verstanden, welche aus den Arbeiten der Mailänder Schule um Mara Selvini Palazzoli hervorgeht (vgl. Simon et al. 1999: 32) sowie unter anderem durch die Heidelberger Schule um Fritz B. Simon und Gunthard Weber (Simon und Weber 2004) weiterentwickelt wurde. Im Fokus stehen bedeutende soziale Beziehungen innerhalb eines Systems, die im Kontext therapeutischer Grundprinzipien behandelt werden (vgl. Simon et al. 1999: 324). Die Grundprinzipien in Kapitel 3 werden als systemisch betrachtet.

Zirkularität und zirkuläres Fragen: Das Prinzip der Zirkularität wird als „[e]ine Folge von Ursachen und Wirkungen“ verstanden, „die zur Ausgangsursache zurückführt und diese bestätigt oder verändert“ (Simon et al. 1999: 351). Hierauf baut das zirkuläre Fragen als Fragetechnik auf, welche in der Hausarbeit als konzipierte Methode der Mailänder Schule um Mara Selvini Palazzoli aufgefasst wird (vgl. ebd: 350).

3. Grundprinzipien Systemischer Therapie

In der Systemischen Therapie werden Probleme nicht auf Ursachen zurückgeführt, die sich allein durch das Wirken einzelner Personen oder Institutionen begründen lassen, sondern immer in einem Kontext verstanden, indem mehrere Personen beziehungsweise Parteien beteiligt sind (vgl. von Schlippe und Schweitzer 2019 nach Nicolai et al. 2001: 7). Probleme bestehen demnach nicht eigenständig, sie werden erzeugt (vgl. von Schlippe und Schweitzer 2019: 30), so „können sich [Problemsysteme] aus ganz verschiedenen Handlungen ganz verschiedener Akteure auf ganz verschiedenen Systemebenen zusammensetzen“ (ebd.). Sie brauchen Beobachtende, die einen bestimmten Zustand als nicht erwünscht, jedoch als veränderbar deklarieren. Die Festigung des Problems entsteht durch einen gemeinschaftlichen Konsens darüber, dass etwas nicht stimmt. Gründe werden oft in der Vergangenheit, in der Schuld einer Person oder in der Unfähigkeit aller Beteiligten ausfindig gemacht. Ein Ausweg wird von den Problemerzeugenden eher darin gesehen, dass eine Person etwas ändert, als dass sie selbst Veränderung anstreben (vgl. von Schlippe und Schweitzer 2019: 31ff.). In dem Zusammenhang betonen die beiden Autoren die „Kraft der Beschreibungen“, da sich Systeme in ihrer Kommunikation meist „wechselseitig verstärken und stabilisieren“ (ebd.: 33).

Dieser Dynamik liegt ein konstruktivistischer Ansatz zugrunde. Nach Simon und Weber (2004: 47) ist es so, „dass jeder Mensch (also auch mancher Psychotherapeut) seine Wirklichkeit konstruiert“ und seine Epistemologie wie eine „ ‚innere Wanderkarte‘ “ aufbaut, an die sie oder er sich orientiert. Es lässt darauf schließen, dass es keine absolute Wirklichkeit, also keine vorgeschriebene Wanderkarte gibt, die „objektiv ist und ein für allemal Gültigkeit besitzt“ (von Schlippe und Schweitzer 2019: 7); sie wird selbst von jedem geschrieben und Entscheidungen, in welche Richtung gegangen wird, werden vorherbestimmt von selbst eingetragenen Wegen auf der Karte (vgl. Simon und Weber 2004: 47f.). Entsprechend wird im Kontext systemischer Therapie die Epistemologie einer Familie betrachtet, die ihre grundsätzlichen Ansichten teilen (vgl. von Schlippe und Schweitzer 2019 nach Reiss und Olivieri 1983: 9) und als „familienspezifische[s] interne[s] Erfahrungsmodell“ (von Schlippe und Schweitzer 2019 nach Schneewind 1991: 9) beschrieben werden kann. Hierbei sind zwar individuelle, manchmal auch widersprüchliche Ansichten einzelner Personen vorhanden, jedoch ist eine auf sich gegenseitig bezogene Familiendynamik zu beobachten (vgl. von Schlippe und Schweitzer 2019: 9). Die Kommunikation ist untereinander festgefahren, so wird „eine Wirklichkeit erzeugt, die leidvoll und quälend erlebt wird“, da die Familienmitglieder selbstorganisierend „ein starres Muster festgelegt haben“ (ebd.). Zugrunde liegen weniger die Ansichten über sich selbst als die Ansicht, was andere von einem erwarten (vgl. ebd.: 12), denn die so entstehenden Erwartungs-Erwartungen führen zu einer Musterbildung familiärer Selbstorganisation, die wie in einem Teufelskreis am Leben gehalten wird (vgl. von Schlippe und Schweitzer 2019 nach Luhmann 1984: 12f.).

Die Therapierenden können den Betroffenen helfen, aus dem Teufelskreis herauszukommen und das konstruierte Problem in einer anderen Perspektive zu betrachten (vgl. von Schlippe und Schweitzer 2019 nach Efran et al. 1992: 11). Hierzu bedarf es einer gewissen Haltung, die im Einklang mit dem systemischen Denken steht. Palazzoli et al. (1981: 137f.) betonen die Bedeutung der Neutralität. Die Familie soll nicht das Gefühl haben, die oder der Therapierende stelle sich auf die Seite eines Familienmitglieds und somit gegen die anderen. Dies gelingt unter anderem dadurch, dass der Fokus nicht auf einer Person liegt, sondern jedes Familienmitglied für den Erkenntnisgewinn miteinbezogen wird (vgl. ebd.). Außerdem führt eine neutrale Haltung dazu, dass „Koalitionsangebote, Verführungsversuche und Streben nach Sonderstellung in der therapeutischen Beziehung“ (ebd.) erkannt und umgangen werden können. Simon und Weber (2004: 32f.) heben durch die Neutralität die Funktion „[der oder] des außenstehenden Dritten“ hervor. Sie beziehen sich in ihrem Begriffsverständnis auf die Mailänder Weder-noch-Haltung und die Sowohl-als-auch-Haltung, die von Boszormenyi-Nagys Konzept der Allparteilichkeit ausgeht, bei dem Therapierende sich in die Lage aller Familienmitglieder hineinversetzen und für sie sprechen (vgl. Simon et al. 1999: 29). Jedoch betonen Simon und Weber (2004: 33f.), dass die allparteiliche Sowohl-als-auch-Haltung in der Praxis schwer zu realisieren ist und schneller dazu führt, die neutrale Position gegenüber der Familienmitglieder zu verlieren.

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Familienaufstellung nach Bert Hellinger im Kontext systemischer Grundprinzipien
Hochschule
Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
17
Katalognummer
V1184331
ISBN (eBook)
9783346609038
ISBN (Buch)
9783346609045
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bert Hellinger, Familienaufstellung, Systemische Familienaufstellung, Familientherapie, Virginia Satir, Gunthard Weber
Arbeit zitieren
Nils Weber (Autor:in), 2021, Familienaufstellung nach Bert Hellinger im Kontext systemischer Grundprinzipien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1184331

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