Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Psychische Erkrankungen
3 Belastungsfaktoren der Kinder psychisch kranker Eltern
3.1 Parentifizierung
3.2 Gefühle der Kinder
3.3 Tabuisierung
3.4 Auswirkungen auf das Familiensystem
4 Resilienz
4.1 Begriffsbestimmung
4.2 Ressourcen als Schutzfaktoren bei Kindern
5 Interventionen
5.1 Ressourcenaktivierung
5.1.1 Aktivierung personaler Ressourcen
5.1.2 Aktivierung sozialer Ressourcen
5.1.3 Förderung und Entwicklung familiärer Ressourcen
5.2 Weitere Hilfeangebote für betroffene Kinder und Familien
6 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Psychische Erkrankungen sind keine Seltenheit. Etwa drei Millionen Kinder erleben pro Jahr einen Elternteil mit einer psychischen Störung. Die betroffenen Kinder sind nicht nur dem erhöhten Risiko ausgesetzt, selbst eine psychische Störung im Verlauf ihres Lebens zu entwickeln, sondern viele Kinder leiden unter den bedrückenden Lebensumständen durch die elterliche Krankheit und sind einer Menge Belastungen ausgesetzt. Sie müssen ihre eigenen Bedürfnisse zurückstecken, übernehmen oftmals Aufgaben, für die die Eltern eigentlich zuständig sind und tragen eine zu hohe Verantwortung, aufgrund der Überforderung der Eltern. Daraus resultiert auch das erhöhte Risiko für Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch der Kinder, was schädliche Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung hat. Häufig treten in dieser belastenden Lebenssituation Gefühle von Angst, Schuld, Scham und Trauer bei Kindern und familiäre Spannungen auf. Gerade die mangelnde Kommunikation und Tabuisierung der Erkrankung der Eltern stellt ein zusätzlich erschwerendes Element für die Kinder dar.
Neben den Belastungen und Herausforderungen, denen Kindern von psychisch kranken Eltern gestellt sind, konnte die Resilienzforschung verschiedene Faktoren aufzeigen, die Kinder und deren Eltern in der Bewältigung dieser Lebensumstände unterstützen.
Die vorliegende Arbeit soll einen genaueren Einblick in diese Thematik ermöglichen mit dem Hinblick auf mögliche Hilfemaßnahmen.
In dieser Hausarbeit wird der Frage nachgegangen, wie Kinder psychisch kranker Eltern gestärkt werden können. Dazu wird zu Beginn der Arbeit der Begriff „psychische Erkrankungen“ erklärt. Im Anschluss daran werden die Belastungsfaktoren von Kindern psychisch kranker Eltern erläutert. Darin wird insbesondere auf die Parentifizierung, die Gefühle der Kinder, die Tabuisierung der Erkrankung und den Auswirkungen auf das Familiensystem eingegangen. Im weiteren Verlauf der Hausarbeit wird die mögliche Bewältigungsstrategie, Resilienz, die ergriffen werden kann, vorgestellt und Ressourcen als Schutzfaktor bei Kindern dargestellt. Infolgedessen werden Interventionen und präventive Angebote für die betroffenen Kinder und Eltern thematisiert. Hierbei wird spezifisch die Intervention Ressourcenaktivierung dargestellt. Das Fazit bildet den Abschluss der Arbeit.
2 Psychische Erkrankungen
„Mit dem Begriff der psychischen Erkrankungen werden erhebliche Abweichungen im Erleben und Verhalten eines Menschen beschrieben, die Krankheitswert haben. Dabei kommt es zu Veränderungen im Denken, Fühlen und Handeln, unter denen der Betroffene Mensch selbst leidet und/oder sein familiäres, berufliches und soziales Umfeld.“ (Schmutz 2010, 17)
Es gibt keine einheitliche Definition des Störungsbegriffs, jedoch werden psychische Erkrankungen im deutschen Gesundheitssystem im ICD-10 (International Classification of Diseases and Related Health Problems) umfasst und definiert. Mit Hilfe der ICD-10 ist die Klassifikation sämtlicher Erkrankungen erfolgt. Allerdings wird der Begriff „Störung“ anstelle von „Erkrankung“ für den psychischen Bereich verwendet (vgl. Muller 2021). „Psychische Erkrankungen sind keine Seltenheit, sondern kommen in der Gesamtbevölkerung häufig vor.“ (Lenz 2014, 61) Sie gehören sogar zu den häufigsten Erkrankungen insgesamt.
Verschiedene Forschungen zeigten auch, dass die Häufigkeitsrate von psychischen Erkrankungen bei Frauen wesentlich höher liegt als bei Männern (vgl. ebd.). Amerikanische Studien belegten, dass über die Hälfte psychisch erkrankter Frauen Kinder haben. Der überwiegende Teil der Erkrankten wohnt sogar mit ihren minderjährigen Kindern im selben Haushalt (vgl. Lenz 2014, 62).
3 Belastungsfaktoren der Kinder psychisch kranker Eltern
Psychische Erkrankung betrifft immer die ganze Familie, doch die Kinder sind in einem besonderen Maße betroffen von psychisch kranken Eltern (vgl. Kölch u. a. 2014, 14). Es wachsen Schätzungen zufolge drei Millionen Kinder in Deutschland mit einem psychisch erkrankten Elternteil auf und sind hierdurch mit besonderen Herausforderungen konfrontiert (vgl. Lenz, Wiegand-Grefe 2017, 3). „Studien zeigen übereinstimmend, dass eine psychische Erkrankung eines Elternteils das Risiko für die Kinder, im Verlauf ihres Lebens selbst eine psychische Störung auszubilden, deutlich erhöht.“ (Lenz 2014, 84) Doch auch Kinder, die nicht selbst erkranken, sind einer Menge von Belastungsfaktoren und Beeinträchtigungen ausgesetzt:
3.1 Parentifizierung
Leben beide Elternteile zusammen, so übernimmt der Vater Aufgaben der psychisch erkrankten Mutter oder umgekehrt. Jedoch können auch Kinder und Jugendliche in die Lage geraten, elterliche Aufgaben und Pflichten übernehmen zu müssen, für die früher der erkrankte Elternteil zuständig war. Bei Kindern und Jugendlichen kommt es somit oft 2 zu einer Verantwortungsübernahme für den Haushalt, den erkrankten Elternteil und teilweise auch für jüngere Geschwister. Diese Rollenumkehr nennt man Parentifizierung (vgl. Lenz 2012, 18; Schmutz 2010, 29).
„Unter Parentifizierung wird die subjektive Verzerrung einer Beziehung verstanden - so, als stelle der Ehepartner oder gar eines der Kinder einen Elternteil dar. Parentifizierung beschreibt also nicht nur die Rollenumkehr zwischen Eltern und Kindern, sondern auch in Partnerschaften, in denen ein Partner die Elternrolle für den anderen übernimmt.“ (Plass, Wiegand-Grefe 2012, 29)
Insbesondere, wenn Kinder allein mit einem psychisch kranken Elternteil leben, übernimmt das Kind die spezifischen Funktionen der Eltern- und Partnerrolle. Des Weiteren erhalten die Kinder von dem erkrankten Elternteil kaum noch Betreuung und Aufmerksamkeit. Meist sind die Kinder so sehr mit den elterlichen Pflichten beschäftigt und überfordert, dass sie ihre eigenen kindlichen Bedürfnisse verdrängen (vgl. ebd.). Die betroffenen Kinder fühlen sich oft verantwortlich für die psychische Krankheit der Eltern und die gesamte Familie. Da sich die Kinder Sorgen machen, dass eine Verschlimmerung der Störung eintreten könnte, bemühen sich die Kinder den Eltern so weit wie möglich zu helfen, indem sie die Aufgaben übernehmen, für die eigentlich die Eltern zuständig sind, wie kochen, waschen, putzen, Betreuung kleinerer Geschwister, etc. (vgl. Lenz & Wiegand-Grefe, 2016). Auch das Risiko für Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch ist sehr hoch, besonders, wenn die Eltern mit ihren Aufgaben überfordert sind (vgl. Plass, Wiegand-Grefe 2012, 38 f.). Die psychische Erkrankung eines Elternteils ist somit als ein kritisches Lebensereignis anzusehen (vgl. Schmutz 2010, 27).
Um Kindern eine angemessene Entwicklung zu gewährleisten und sie bei der Bewältigung der belastenden Situation zu unterstützen, sollte man Kinder in ihrer Kinderrolle lassen und einer möglichen Parentifizierung entgegenwirken (vgl. Schmutz 2010, 29 f.).
3.2 Gefühle der Kinder
„Gefühle, die bei den Kindern in Zusammenhang mit einer elterlichen Erkrankung häufig genannt werden, sind Ängste, das Gefühl des Verlustes, der Schuld, der Scham und Trauer. Ältere Kinder erleben auch Wut, Frust und Enttäuschung über die Situation.“ (Plass, Wiegand-Grefe 2012, 32)
Zudem ist Trennungsangst häufig gerade bei den kleineren Kindern in einem gewissen Ausmaß ein normales Phänomen, wenn man den Belastungen der psychischen Erkrankung der Eltern ausgesetzt ist (vgl. Schmutz 2010, 86).
Eine weitere Auswirkung der elterlichen psychischen Erkrankung ist, dass Kinder Schuldgefühle entwickeln. Die Kinder glauben, dass sie an den psychischen Problemen 3
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