Analyse des Mythos in Platons "Politikos"

Zweck des Mythos innerhalb des Dialoges sowie zur Definition der Staatskunst


Hausarbeit, 2020

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Der Politikos und seine Charakteristika

3. Der Mythos im Politikos
3.1. Kontextualisierung des Mythos im Politikos
3.2. Aufbau des Mythos
3.3. Einleitendes Gespräch zum Mythos 2668d - 269c
3.4. Inhalt des Mythos
3.4.1. Natürliche Beschaffenheit und Drehrichtungen des Kosmos
3.4.2. Zeitalter des Kronos
3.4.3. Zeitalter des Zeus
3.5. Der Zweck des Mythos im Politikos
3.5.1. Nach Horn
3.5.2. Nach Schäfer
3.5.3. Nach Ricken
3.5.4. Nach Rowe
3.5.5. Nach Fleischer
3.5.6. Nach Seeck

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In Platons Politikos setzen sich die beiden Dialogpartner, der Fremde aus Elea und Sokrates der Jüngere, mit dem wahren Wesen der Staatskunst auseinander. Sie verfolgen das Ziel, den wahren Staatsmann durch Dihairese ermitteln und definieren zu können1. Durch das dihairetische Verfahren, der komplexen Sprache, der fehlenden Stringenz innerhalbs des Dialogs und der Beispiele, die aus heutiger Perspektive nicht mehr leicht zu fassen sind, entsteht eine hohe Komplexität, die den Zugang zum Gedankengang Platons erschwert. Der Politikos wird daher unter anderem als „langweilig, scholastisch, kompliziert und konfus2 " charakterisiert. Wenn man die Hürden und Schwierigkeiten der Sprache sowie der Methoden jedoch auf sich nimmt, bietet der Politikos zahlreiche interessante Diskussionsaspekte. Gerade weil er „zu den weniger bekannten und oft wenig geschätzten Dialogen Platons"3 zählt, ist es umso interessanter, diesen neu zu bearbeiten, zu interpretieren und das Potenzial des Dialogs herauszuarbeiten.

Einer der meist diskutierten Abschnitte ist der Mythos (269c - 274 d)4. In der folgenden Arbeit soll dieser im Zentrum stehen. Vor allem die Frage, welchem Zweck dieser dient, soll nachgegangen werden. Gibt es besondere Gründe für den Einschub? Wie lässt der Mythos sich innerhalb des Politikos kontextualisieren? Ist ein weiter Zweck zu finden, als der im Text genannte Zweck der Fehlerfindung? Warum wird innerhalb der stringenten Dialektik eine andere Methode eingeführt? Muss es unbedingt ein Mythos sein, der diese Zwecke erfüllt? Wieso wird der Mythos so ausschweifend und raumeinnehmend erzählt?

Um diese Fragen zu klären, soll der Politkos zunächst kurz formal sowie inhaltlich beschrieben und erläutert werden. Anschließend daran wird der Mythos im Werk kontextualisiert. Es folgen eine Auseinandersetzung mit dem Aufbau und der Herkunft der einzelnen Erzählungen innerhalb des Mythos sowie eine inhaltliche Erläuterung. Um den Zweck des Mythos zu erforschen, soll verschieden Literatur hinzugezogen werden. Grundlage hierfür bilden die unter anderem die Übersetzung und der Kommentar von Friedo Ricken sowie die Aufsatzsammlung von Markus Janka und

Christian Schäfer.

Abschließend sollen die Leitfragen im Fazit anhand der in der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse beantwortet werden.

2. Der Politikos und seine Charakteristika

Zusammen mit den Werken Kritias, Nomoi, Philebos, Sophistes und Timaios reiht sich der Politikos in die späten Werke Platons ein. Er entstand vermutlich zwischen 366 und 361. v. Chr. und passt auch inhaltlich zu den anderen staatstheoretischen Werken Nomoi und Politeia.

Bei der Zuordnung des Dialogs ergeben sich in der Forschung jedoch Schwierigkeiten. Früher ging man von einer Trilogie der Dialoge Theaitetos, Sophistes und Politikos aus5. Eine neuere Einteilung der Forschung fassejedoch die Dialoge Sophistes, Politikos und Philosophus zusammen. Obwohl der Philosophus niemals geschrieben worden ist, ergebe diese Einteilung dennoch Sinn6.

Inhaltlich wird innerhalb des Politikos die Frage diskutiert, was einen Staatsmann ausmache und worin die Aufgaben der wahren Staatskunst bestehen.

Diskussionspartner des fiktiven Gespräches sind ein „Fremder" aus Elea und Sokrates der Jüngere. Außerdem anwesend sind Sokrates der Ältere, Theodoros von Kyrene und Theaitetos.

Lenker des Gesprächs ist hierbei der Fremde, welcher Sokrates den Jüngeren durch Fragen und Anmerkungen durch die philosophische Analyse führt. Sokrates ist deutlich unterlegen, hat einen weitaus geringeren Redeanteil und bestätigt den Fremden oft nur in seinen Aussagen.

Um der Frage nach dem Staatsmann auf den Grund zu gehen, werden verschiedene Methoden verwendet. Neben der Dihairese helfen auch Beispiele, Exkurse und Einschübe sowie auch der hier zu bearbeitende Mythos auf dem Weg zur gesuchten Definition.

3. Der Mythos im Politikos

Um einen angemessenen Rahmen der Arbeit einzuhalten, wird im Folgenden nicht auf die einzelnen Mythen eingegangen, sondern nur auf den im Politikos erzählten konstruierten Mythos. Außerdem wird im Folgenden die Einteilung von zwei Perioden innerhalb der Erzählung angenommen. In der Forschung wird diese Einteilung diskutiert und es lassen sich Argumente für eine Gliederung in drei Phasen finden7. Da die Bearbeitung dieser beiden Themenkomplexe den Rahmen der Arbeit sprengen würden, werden sie im Folgenden weitestgehend ausgeklammert.

3.1. Kontextualisierung des Mythos im Politikos

Durch den bisherigen Dialog sind die Diskussionspartner zu dem Zwischenergebnis gelangt, dass der Staatsmann als ein Künstler zu definieren sei. Er habe eine Kunst inne, die als eine Oberste und Souveräne beschrieben werden kann8. Es folgt eine weitere dihairetische Unterscheidung. Die gesuchte souveräne Kunst wird nun weiter als jene definiert, welche sich um Herden von Lebewesen sorge. Der Staatsmann sei also ein Hirte einer menschlichen Herde9.

Mit dieser Definition ist der Fremde aber nicht zufrieden. Die Gesprächspartner stellen fest, dass sich der Viehhirte fundamental von einem Menschenhirten, also dem hier so definierten Staatsmann unterscheidet. Ein Viehhirte sei für das Wohl seiner Herde verantwortlich und niemand anderes würde ihm dessen Anspruch absprechen. Bei Menschen sei aber keinesfalls nur der Staatsmann für das Wohlergehen seiner Herde verantwortlich. Nicht nur der Staatsmann und andere Politiker, sondern auch Kaufmänner, Bäcker, Sportlehrer und Ärzte trügen Verantwortung in der Betreuung der Herde10.

Um den Fehler im Argumentationsgang zu finden, kündigt der Fremde nun ein „Spiel"11 an. Dieses habe „eine Funktion für das Ganze"12 und sei „ein notwendiger Schritt in der Untersuchung, was aber nicht besagt, dass alles ernst zu nehmen ist"13.

Der Einschub soll nach Ricken „die begriffliche Untersuchung vor dem Scheitern bewahren"14.

Nach dem Einschub werden die aus dem Mythos gewonnenen Erkenntnis weiter bearbeitet und „die Begriffsteilung [soll] fortgesetzt werden"15. Es folgt eine Auseinandersetzung mit den Begriffspaaren vom göttlichen und menschlichem Hirten, der freiwilligen und unfreiwilligen Herrschaft sowie Fürsorge und Aufzucht durch den Hirten16.

3.2. Aufbau des Mythos

Erzählt werden nun drei einzelne Mythen, „zwischen denen kein Zusammenhang besteht und die unterschiedlichen Traditionen entstammen"17. Diese werden nun verbunden durch einen zugrundeliegenden Mythos. Dieser sei nach Ricken „kein tradierter und auch kein vergessener Mythos, sondern eine Konstruktion"18. Die aufgegriffenen Mythen sind die Erzählung von Thyestes und Atreus, die Herrschaft des Kronos sowie das Zeitalter der Erdgeborenen.

Sie alle stammen aus der griechischen Mythologie. Die erste Geschichte handelt von einer Erzählung, die ursprünglich von Euripides stammt. In dieser wird der Lauf der Gestirne umgekehrt und Westen und Osten werden vertauscht19. Die zweite Erzählung handelt von der Herrschaft des Kronos, welche in einem Zeitalter vor Zeus einzuordnen sei. Sie ist ursprünglich zu finden in Hesiods Lehrepos Werke und Tage, in welchem dieses Zeitalter als das „Goldene Zeitalter" beschrieben wird20. Der letzte Mythos handelt von Erdgeborenen. Die Menschen seien hier nicht auf natürlicher Art geboren, sondern aus der Erde gezeugt21.

Die Mythen werden vom Fremden teilweise nur erwähnt und inhaltlich wenig ausgeführt. Obwohl sie „keinen festen Autor, keine feste Form und auch keinen eindeutigen Inhalt"22 aufweisen, würden sie gemäß Seeck grundsätzlich als wahr gelten

[...]


1 Vgl. Platon: Politikos 257a.

2 Ricken, Friedo: Platon Politikos. Übersetzung und Kommentar. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG 2008, S. 7.

3 Ebd.

4 Vgl.Ebd.

5 Vgl. Ottmann, Henning: Geschichte despolitischen Denkens. Band 1: Die Griechen Teilband 2: Von Platon bis zum Hellenismus. Stuttgart: J. B. Metzler 2001, S. 75.

6 Vgl. Kranz, Magarita: Das Wissen des Philosophen. Platons Trilogie ’Theaitet’, ’Sophistes’ und 'Politikos'. Tübingen: o. V. 1986, S. 1.

7 Vgl. Rowe, Christopher J: „Zwei oder drei Phasen? Der Mythos im Politikos". In: Janka, Markus u.

Schäfer, Christian: Platon alsMythologe. Neue Interpretationen zu denMythen in Platons Dialogen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2002, S. 160 - 175.

8 Vgl. Platon: Politikos 260e.

9 Platon: Politikos 261e-267c.

10 Vgl .Ebd.. 268b f.

11 Ebd. 268d.

12 Ricken 2008, S. 109.

13 Ebd.

14 Ebd.

15 Ebd.

16 Vgl. Platon: Politikos 274e ff.

17 Ricken2008, S. 110.

18 Ebd.

19 Vgl.Euripides: Orestes 982 - 1012.

20 Vgl. Hesiod: Werke und Tage 109 - 119.

21 Vgl.Ricken2008, S.lll.

22 Seeck, Gustav Adolf: Platons Politikos. Ein kritischer Kommentar. Heft 144. München: Verlag C. H. BeckoHG2012, S. 19.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Analyse des Mythos in Platons "Politikos"
Untertitel
Zweck des Mythos innerhalb des Dialoges sowie zur Definition der Staatskunst
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Note
2,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
18
Katalognummer
V1184675
ISBN (eBook)
9783346609663
ISBN (Buch)
9783346609670
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In der folgenden Arbeit soll der im Politikos verwendete Mythos im Zentrum stehen. Vor allem die Frage, welchem Zweck dieser dient, soll nachgegangen werden. Gibt es besondere Gründe für den Einschub? Wie lässt der Mythos sich innerhalb des Politikos kontextualisieren? Ist ein weiter Zweck zu finden, als der im Text genannte Zweck der Fehlerfindung? Warum wird innerhalb der stringenten Dialektik eine andere Methode eingeführt? Muss es unbedingt ein Mythos sein, der diese Zwecke erfüllt? Wieso wird der Mythos so ausschweifend und raumeinnehmend erzählt?
Schlagworte
Platon, Politikos, Mythos, Staatskunst, Kronos, Zeus, Horn, Ricken, Schäfer, Rowe, Fleischer, Seeck
Arbeit zitieren
Judith Ophey (Autor:in), 2020, Analyse des Mythos in Platons "Politikos", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1184675

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