Nostra Aetate und der christlich-islamische Dialog


Hausarbeit, 2020

23 Seiten, Note: 2,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Zweite Vatikanische Konzil und Nostra Aetate
2.1 Die Entstehungsgeschichte von Nostra Aetate
2.2 Die Erklärung Nostra Aetate
2.3 Der Inhalt der Erklärung
2.3.1 Artikel 1
2.3.2 Artikel 2
2.3.3 Artikel 3
2.3.4 Artikel 4
2.3.5 Artikel 5

3. Der christlich-islamische Dialog seit dem Konzil
3.1 Der Dialog durch kirchliche Autoritäten
3.2 Zentren des Dialoges
3.3 Dialoginitiativen auf nicht-kirchlicher Seite
3.4 Hindernisse und Ziele des Dialogs

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1.Einleitung

Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als
höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker. Viele Nationen machen sich
auf den Weg. Sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes
Jakobs. Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. (Jes 2,2-3)1

Das Zweite Vatikanische Konzil und seine einschneidende Erklärung Nostra Aetate, welche die Haltung der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen beschreibt, bilden einen Wendepunkt innerhalb der christlich-islamischen Beziehung.

Der Dialog des Christentums und des Islams war von Beginn an durch staatliche und gesellschaftlich-kulturelle Konflikte und Kriege unter dem Deckmantel djihad und Kreuzzug geprägt.2 Eroberungen, Sklaverei, Reconquista und Kolonialismus der Vergangenheit wirken bis in die Gegenwart in der Gestalt von Terrorismus, Fundamentalismus, systematischer Verfolgung und Kriegen.

Der Dialog hingegen soll in einer globalisierten Welt eine notwendige Bedingung sein, um Frieden für alle Menschen zu erreichen.

Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick über den christlich-islamischen Dialog nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu geben. Im Fokus steht die Erklärung Nostra Aetate und ihre Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Christentum und Islam, sowie Fortschritte wie Rückschritte innerhalb des Dialoges.

An diesem Punkt soll darauf hingewiesen werden, dass im Rahmen einer Hausarbeit Nostra Aetate und der christlich-islamische Dialog nur skizzenhaft analysiert werden können.

In einem ersten Schritt wird die Erklärung Nostra Aetate und ihre Entstehungsgeschichte erläutert. Darauf aufbauend werden die Artikel eins bis fünf dieser Erklärung inhaltlich analysiert. Im nächsten Kapitel wird der christlich­islamische Dialog nach Nostra Aetate auf unterschiedlichen Ebenen beleuchtet.

Abschließend gibt es in einem Fazit eine Zusammenfassung und einen Ausblick auf weitere Forschungsfelder.

2. Das Zweite Vatikanische Konzil und Nostra Aetate

Es mußte in den verschiedensten Bereichen frühere geschichtliche Verfestigungen und
Vereinseitigungen aufbrechen und die ursprüngliche, volle und ganze Tradition der Kirche
wiedergewinnen. Es war nötig , jene Sicht zu überwinden, die sich gegen Konziliarismus,
Reformation, Jansenismus, Aufklärung und Modernismus im herrschenden kirchlichen Bewußtsein
durchgesetzt hatte: daß kirchliche Tradition immer nur in ihrer Vermittlung durch das kirchliche
Bewußtsein späterer Zeiten anzunehmen und nicht als kritische Instanz gegen spätere Deformierungen
angerufen werden dürfen. Das Zweite Vatikanische Konzil hatte also die spezifischen
Weichenstellungen des zweiten Jahrtausends zu relativieren.3

Innerhalb der Kirchengeschichte stellt das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) einen Einschnitt gegenüber früheren Konzilstraditionen dar.4 Es kann als ein „Konzil der Kirche über die Kirche“5 mit dem Ziel, aus der Mitte des theologisch­geistlichen katholischen Glaubens heraus die Kirche neu zu gestalten, angesehen werden.6

„Der gewaltige Aufbruch, der das Konzil war [...]“7 wird von traditionellen und konservativen Kreisen der Kirche als ein irreparabler Bruch mit der Tradition angesehen. Moderne und progressive Kirchenbeobachter*innen bewerten das Zweite Vatikanische Konzil hingegen als eine verspätete Versöhnung der Kirche mit der Moderne.8

Die Haltung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen fand Ausdruck in der Kirchenkonstitution Lumen gentium, in der Erklärung Nostra Aetate und im Dekret Ad Gentes. Diese Schriften des Konzils verurteilen die nichtchristlichen Religionen nicht mehr als Heidentum - ein abwertender Begriff -, sondern schauen sie an als einen Ausdruck der menschlichen Suche nach Gott.9

2.1 Die Entstehungsgeschichte von Nostra Aetate

Die Geschichte der Entstehung von Nostra Aetate erweist sich als sehr komplex, weshalb im Folgenden nur die wichtigsten Stationen erläutert werden „um einen Eindruck von dem Werdeprozess und dem Ringen der Konzilsväter um die heute vorliegenden Formulierungen und Religionserklärungen zu erhalten.“10

Darüber hinaus soll hier darauf hingewiesen werden, dass einige Details in Bezug auf die jüdisch-christliche Beziehung in dieser Erläuterung ausgelassen werden, da der Fokus im Verlauf der Arbeit auf dem christlich-islamischen Dialog liegt.

Im Jahr 1959 verkündet Papst Johannes XXIII. (1958-1963), dass ein zweites Vatikanisches Konzil einberufen werde. Das Ziel solle dabei die Verfestigung der kirchlichen Strukturen und die Vermeidung weiterer Provokationen im 20. Jahrhundert sein.11 Aus diesem Grund lässt Papst Johannes XXIII. am 27. März 1959, dem ersten Karfreitag seines Pontifikates, den Ausdruck pro perdifis Judaeis aus dem Text der Liturgie streichen. Seine Motivation dafür ist vor allem das Miterleben der Judenverfolgungen und Deportationen in Bulgarien, Türkei, Slowakei und Ungarn während des II. Weltkriegs. Ebenso ist der Kontakt zum französischen Historiker Jules Isaac, einem jüdischen Anwalt, entscheidend. Dieser übergibt ihm ein Dossier. Dieses Schriftstück wird einen großen Einfluss auf seine „Judenerklärung“ haben.12

Die Begrüßungsworte „Ich bin Joseph, euer Bruder!“ mit denen der Papst 1960 anlässlich eines Besuches der United Jewish Appeal die jüdischen Student*innen begrüßt, wurden als entscheidende Wende einer jahrhundertelangen Zerrissenheit zwischen Juden* und Christ*innen empfunden. Die öffentliche Empathie des Papstes wird zum entscheidenden Auftrag, das Verhältnis von Christentum und Judentum zu überdenken. Aus diesem Grund entstehen im selben Jahr zwei Bittschriften und eine Denkschrift diverser Institute.

Am 14. und 15. November 1960 treffen sich die Mitglieder und Konsultoren des Einheitssekretariats erstmals, woraufhin die Konzilvertreter im Dezember 1961 einen ersten Textentwurf erstellen. Das gesamte Prozedere wird durch einige Kontroversen im Hinblick auf die jüdisch-christliche Beziehung erschwert. Bevor die Spannungen das Vorhaben des Papstes zum Scheitern bringen können, ist die Weltgemeinschaft hellhörig geworden und trägt die Aufforderung an das Konzil heran, die Ziele der Verständigung nicht aufzugeben.

Nach dem Tod von Papst Johannes XXIII. und der Wahl von Papst Paul VI. (1963­1978) debattiert das Konzil erneut und entschließt die „Judenerklärung“ als viertes Kapitel einzufügen mit einer zusätzlichen Erwähnung der nichtchristlichen Religionen.

Dieses Vorhaben stößt erneut auf Kritik wie das folgende Zitat des Patriarchen Maximos IV zeigt:

Der Ökumenismus ist das Streben nach der Wiedervereinigung der
gesamten christlichen Familie, das heißt die Versöhnung aller, die in Christus getauft
sind. Es handelt sich also um eine intime Familienangelegenheit; wenn dem aber so
ist, dann gehören die Nichtchristen nicht dazu13

Zum Schluss der zweiten Sitzungsperiode kommt es zu dem Vorschlag „die Judenfrage“ im Kontext der Frage nach den nichtchristlichen Religionen zu behandeln. Zu einer klaren Entscheidung kann sich das Konzil jedoch nicht durchringen. Neue Kontroversen rund um das Thema Islam, Judentum und Israel flammen auf. Schließlich entscheiden sich die Verantwortlichen für einen abgeschwächten Entwurf, der mit der Erklärung über die Religionsfreiheit in den Anhang verwiesen werden soll. Papst Paul VI. gründet im Mai 1964 das Sekretariat für die Nichtchristen und veröffentlicht im selben Jahr seine erste Enzyklika Ecclesiam Suam die zu einem Dialog mit dem Judentum und Islam aufruft.14

In der dritten Sitzungsperiode im September 1964 widmet sich das Konzil erneut der „Judenerklärung“. Die sogenannte Oktoberkrise droht erneut, das Projekt zum Scheitern zu bringen. Wieder ist es die Öffentlichkeit, die dies verhindert. Schließlich befürwortet die Mehrheit der Konzilsväter die Umarbeitung der abgeschwächten Version.

Im November 1964 wird eine neue Fassung, welche auch Bezug zu den anderen nichtchristlichen Religionen nimmt, verabschiedet. Obwohl es erneut Proteste gibt wird der Entwurf im September 1965 in die vierte Sitzungsperiode gebracht und am 28.Oktober 1965 durchgesetzt. Grund für das letztendliche Gelingen der Erklärung „[...] hing nicht zuletzt mit der Erkenntnis zusammen, daß es bei dieser Frage um das biblisch zugrunde gelegte und geschichtlich verantwortende Selbstverständnis der Kirche geht.“15

2.2 Die Erklärung Nostra Aetate

Die katholische Kirche fragt im Konzil nach ihrer eigenen Gestalt und muss demnach auch die Frage nach ihrer Beziehung zu den anderen Religionen stellen, wodurch neue Perspektiven eröffnet werden sollen.

Die Erklärung Nostra Aetate ist mit 1200 Worten der kürzeste Text des Konzils und beschreibt die Haltung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen. Das Ziel der Erklärung ist es, Stellung zu beziehen: Die 2000jährige Geschichte der Beziehung zum Judentum und zu Anhänger*innen anderer Religionen - und damit auch die Lehrtradition der katholischen Kirche - wird mit neuen Augen angeschaut. Mit Nostra Aetate hebt die katholische Kirche ihre Lehrtradition auf ein neues Niveau und hat ihre eigentliche Herausforderung gefunden. Aus diesem Grund birgt der kürzeste Konzilstext den größten Horizont. Das friedliche Gespräch mit Andersgläubigen* soll aktiv gesucht werden.16

Die Erklärung ist so bedeutend, dass sie als Areopagrede angesehen wird. Endlich stellt sich die Kirche den Herausforderungen der Moderne. Kardinal Bea kommentiert den Beschluss der Erklärung mit folgender Stellungnahme: „Hätte ich sämtliche

[...]


1 Arenhoevel, Diego; Deissler, Alfons (Hrsg.): Das Alte Testament. Deutsche Ausgabe mit den Erläuterungen der Jerusalemer Bibel. Leipzig: 1969, S.1034f.

2 Vgl., Siebenrock, Roman A.: Theologischer Kommentar zur Erklärung über die Haltung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen. Nostra Aetate. In: Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil, hrsg. von Peter Hünermann; Bernd Jochen Hilberath. Freiburg im Breisgau: 2009, S.591-694, hier S.616. Im Folgenden zitiert als „Siebenrock 2009“ mit entsprechender Seitenangabe.

3 Schatz, Klaus. Kirchengeschichte der Neuzeit II (=Leitfaden Theologie 20) Düsseldorf: 2008, S.190.

4 Vgl. Großbölting, Thomas: Wie ist Christsein heute möglich? Suchbewegungen des nachkonziliaren Katholizismus im Spiegel des Freckenhorster Kreises. Alenberge: 1997, S.55. Im Folgenden zitiert als „Großbölting 1997“ mit entsprechender Seitenangabe.

5 Rahner, Karl; Vorgrimler, Herbert: Kleines Konzilskompendium. Freiburg im Breisgau: 2008, S.24. Im Folgenden zitiert als „Rahner/Vorgrimler 2008“ mit entsprechender Seitenangabe.

6 Vgl. Großbölting 1997, S.56.

7 Seeber, David Andreas: Das Zweite Vatikanum. Konzil des Übergangs. Freiburg im Breisgau: 1987, S.352.

8 Vgl. Großbölting 1997, S.66.

9 Vgl. Die deutschen Bischöfe 76. Allen Völkern sein Heil. Die Mission der Weltkirche, hrsg. vom Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz 23.Sempember 2004. Internetpublikation: https://www.erzbistumberlin.de/fileadmin/user_mount/PDF-

Dateien/Erzbistum/DBKLAllenVoelkernseinHeil2004db76.pdf. Eingesehen am: 12.08.2020, S.48.

10 Roddey, Thomas: Das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen. Die Erklärung „Nostra Aetate“ des Zweiten Vatikanischen Konzils und ihre Rezeption durch das kirchliche Lehramt (Bd.45). Paderborn: 2005, S.33. Im Folgenden zitiert als „Roddey 2005“ mit entsprechender Seitenangabe.

11 Vgl. Ebd., S.34.

12 Vgl. Im Folgenden Abschnitt beziehe ich mich auf die ausführliche Darstellung der Textgeschichte in: Osterreicher, Johannes: Kommentierende Einleitung zur Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen. In: LThK-E Bd. 2, Freiburg 1967, S. 406-478.

13 Pesch, Otto Hermann Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965). Vorgeschichte-Verlauf­Ergebnisse-Nachgeschichte. Würzburg: 2001, S. 298.

14 Vgl. Papst Paul VI.: Ecclesiam Suam. Die Wege der Kirche. Recklinghausen-Gelsenkirchen: 1964, S.41.

15 Zenger, Erich: Nostra Aetate. Der notwendige Streit um die Anerkennung des Judentums in der katholischen Kirche. In: Die Kirchen und die Juden. Versuch einer Bilanz, hrsg. von Günther, Ginzel; Günter, Fessler. Gerlingen: 1997, S.49-82, hier: S.79. Im Folgenden zitiert als „Zenger 1997“ mit entsprechender Seitenangabe.

16 Vgl. Siebenrock 2009, S.595-599.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Nostra Aetate und der christlich-islamische Dialog
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Note
2,3
Jahr
2020
Seiten
23
Katalognummer
V1184835
ISBN (eBook)
9783346609885
ISBN (Buch)
9783346609892
Sprache
Deutsch
Schlagworte
nostra, aetate, dialog
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Nostra Aetate und der christlich-islamische Dialog, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1184835

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