Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Eine drogenfreie Gesellschaft als Utopie?
2. Sucht- und Drogenbegriff
2.1 Definition und Entstehung von Sucht
2.2 Suchtauslösende Substanzen
2.2.1 Legale suchtauslösende Substanzen
2.2.2 Illegale suchtauslösende Substanzen
2.3 Klassifikation einer Suchtstörung
3. Jugendliche und Suchtmittelkonsum
3.1 Verbreitung des Drogenkonsums im Jugendalter
3.1.1 Prävalenz des Konsums legaler Drogen im Jugendalter
3.1.2 Prävalenz des Konsums illegaler Drogen im Jugendalter
3.2 Konsummuster und Folgen des Substanzmittelkonsums im Jugendalter
3.3 Suchtgefährdete Jugendliche
3.4 Substanzmittelkonsum im Jugendalter als Entwicklungsaufgabe
4. Die Kinder- und Jugendhilfe im Bereich der Suchthilfe
5. Suchtprävention
5.1 Der Präventionsbegriff
5.2 Suchtprävention für Jugendliche in der Praxis
5.2.1 Familienbezogene Suchtprävention
5.2.2 Suchtprävention im schulischen Setting
5.3 Wirksamkeit der Suchtprävention für Jugendliche
6. Methoden in der Suchthilfe für Jugendliche
6.1 Frühintervention durch motivierende Gesprächsführung
6.2 Ambulante Versorgung
6.3 Stationäre Therapiemaßnahmen
6.4 Wirksamkeit der Maßnahmen in der Suchthilfe für Jugendliche
7. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Eine drogenfreie Gesellschaft als Utopie?
Berauschende und bewusstseinsveränderte Substanzen werden schon seit Jahrtausenden von der Menschheit genutzt, um gemeinsam einen ritualisierten Rausch zu erleben. Auch heute noch werden Substanzmittel meist gemeinschaftlich konsumiert, um eine Verbesserung der Stimmung, Entspannung, einen Abbau von Angst und Hemmungen oder eine Intensivierung des Erlebens zu erreichen (vgl. Backmund, M., Be- herendt, K. & Reimer, J., 2018, S. 22). Doch auch riskante Konsumformen und Substanzabhängigkeiten begleiten die Menschheit durch alle Zeiten und Kulturen. Der Gedanke einer drogenfreien Gesellschaft ist längst nicht mehr tragbar, da beinahe jeder Mensch früher oder später mit Substanzmitteln in Kontakt kommt und sich dazu in Beziehung setzen muss (vgl. Bilke-Hentsch, O. & Lemenager, T., 2019, S. 11). Vor allem die Adoleszenz spielt hierbei eine wichtige Rolle. Dieser Lebensabschnitt stellt eine Entwicklung mit besonders großen Veränderungen und Herausforderungen dar, die sich in verschiedenen Bereichen und mit einer relativ schnellen Geschwindigkeit vollziehen (vgl. Petermann, H. & Roth, M., 2006, S. 97). Meist geschieht in dieser Lebensphase auch der erste Kontakt mit Substanzmitteln. Dabei gestaltet sich die Entwicklung eines alltagsentsprechenden Umgangs mit Suchtmitteln und die Kontrolle von suchterzeugenden Verhalten als eine Entwicklungsaufgabe in der Adoleszenz (vgl. Bilke-Hentsch, O. & Lemenager, T., 2019, S. 11).
Ziel dieser Arbeit ist es, das Konsumverhalten von legalen und illegalen Substanzen bei Jugendlichen darzustellen, die Chancen der Sozialen Arbeit anhand von Präventionsmöglichkeiten und deren Wirksamkeit aufzuzeigen sowie die Methoden und deren Wirksamkeit im Umgang mit Heranwachsenden, die bereits an einer Suchterkrankung leiden.
Zunächst wird der Sucht- und Drogenbegriff behandelt. Dabei wird die Definition sowie die Entstehung von Sucht aufgezeigt, die legalen und illegalen suchtauslösenden Substanzen dargestellt und die Klassifikation einer Suchtstörung nach der ICD10 vorgestellt.
Das dritte Kapitel befasst sich mit Jugendlichen und deren Suchtmittelkonsum, wobei die Prävalenzen für den Konsum legaler und illegaler Substanzmittel näher beleuchtet und die verschiedenen Konsummuster und Folgen des Substanzmittelkonsums erläutert werden. Zudem wird ein Blick auf suchtgefährdete Jugendliche sowie auf den Substanzmittelkonsum im Jugendalter als Entwicklungsaufgabe geworfen.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Kinder- und Jugendhilfe im Bereich der Suchthilfe und eröffnet einen Einblick in die Entwicklung der Suchthilfe, den Voraussetzungen der pädagogischen Fachkräfte sowie in die elementaren Aufgaben der Suchthilfe bei Jugendlichen.
Die Chancen der sozialen Arbeit im Bereich der Suchthilfe für Jugendliche werden im fünften Kapitel am Beispiel der Suchtprävention verdeutlicht. Zunächst wird der Präventionsbegriff vorgestellt und anschließend mit einem Blick auf die Praxis anhand der familienbezogenen Suchtprävention sowie der Suchtprävention im schulischen Setting verdeutlicht. Nachfolgend befasst sich das Kapitel mit der Wirksamkeit der Suchtprävention für Jugendliche.
Im sechsten Kapitel werden die Methoden der Suchthilfe für Jugendliche aufgezeigt, die bereits an einer Suchterkrankung leiden oder bei denen ein Substanzmissbrauch vorliegt. Dabei wird die Frühintervention durch motivierende Gesprächsführung, die ambulante Versorgung sowie stationäre Therapiemaßnahmen und die Wirksamkeit verschiedener Methoden vorgestellt. Abschließend werden die Erkenntnisse dieser Arbeit in einem Fazit zusammengetragen.
2. Sucht- und Drogenbegriff
Anhand von Geschichts- und Archäologieforschungen ist bereits bekannt, dass berauschende und bewusstseinsveränderte Substanzen schon seit Jahrtausenden von Menschen konsumiert werden. Dies wurde vor allem als gemeinschaftliches Ritual ausgeübt (vgl. Backmund, M. et al., 2018, S. 22). Beispielsweise konnte belegt werden, dass Alkohol, als eine klassische legale Droge in Europa, seit der Antike von Menschen konsumiert wird, um sich damit zu entspannen. Auch illegale Drogen spielten weltweit eine ähnliche Rolle, wie beispielsweise der Haschischkonsum in Asien oder der Kokaingebrauch in Südamerika (vgl. ebd., 2018, S. 16f.). Hierbei kommt jedoch die Frage auf, inwieweit der Konsum von psychotropen Substanzen akzeptabel ist und ab wann man von einem problematischen oder süchtigen Verhalten spricht?
In diesem Kapitel wird die Frage aufgegriffen, was sich hinter dem Begriff der „Sucht“ verbirgt und wie Sucht entsteht. Außerdem werden die legalen und illegalen suchtauslösenden Substanzen beleuchtet und die Klassifikation einer Suchtstörung behandelt.
2.1 Definition und Entstehung von Sucht
Der Begriff „Sucht“ wird sehr häufig alltagspsychologisch und recht großzügig verwendet. Schnell ist von einer Kaffeesucht, Computersucht, Kaufsucht oder Schokoladensucht die Rede, denn der Begriff wird meist schlicht mit einem übermäßigen Konsum verknüpft, jedoch geht ein übermäßiger Konsum nicht immer mit einer Suchtstörung einher (vgl. Kuttler, H. & Schmider, F., 2011, S. 145).
Der Begriff „Sucht“ kommt vom althochdeutschen Wort „siech“, was Krankheit oder Kranksein bedeutet. Diese Verwendung des Begriffs kann man heute auch noch in einigen Wörtern, wie beispielsweise Gelbsucht oder Schwindsucht, erkennen (vgl. Kuttler, H. & Schmider, F., 2011, S. 146). In Deutschland gibt es keinen allgemein anerkannten Suchtbegriff, jedoch gibt es einige Versuche, den Begriff „Sucht“ zu definieren (vgl. Petersen, K.U., Sack, P.-M., & Thomasius, R., 2009, S. 3). Nach den Arbeiten von Edwards und Gross (1976) und Jellinek (1946) wird Sucht folgendermaßen definiert: „Unter Sucht bzw. Suchtstörung werden solche Phänomene zusammengefasst, die mit dem unkontrollierten, selbstschädigenden Ausführen bestimmter Verhaltensweisen zusammenhängen“ (vgl. Petersen, K.U. et al., 2009, S. 4). Der Begriff „Sucht“ umfasst nach Möller (2015) die psychische und physische Abhängigkeit. Betroffene verspüren ein starkes Verlangen nach der Substanz, trotz negativer Begleitfolgen. Es kommt zur Dosissteigerung, zu einer Toleranzentwicklung und schließlich auch zu Entzugssymptomen beim Weglassen der Droge (vgl. Möller, 2015, S. 23).
Doch wie kommt es eigentlich zu einer Abhängigkeit? Der Weg in eine Substanzmittelabhängigkeit geschieht schleichend und wird von drei Bereichen beeinflusst. Zum einen durch das Individuum und dessen Persönlichkeit, wobei die Ursache hier meist bereits in der Kindheit liegt. Eine stabile emotionale Beziehung zwischen Eltern und Kind legt die Grundlage für die kindliche Entwicklung. Wenn Kinder jedoch bereits sehr früh Bindungs- und Beziehungsstörungen erfahren, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass diese später an einer Suchterkrankung leiden. Zudem können auch Traumatisierungen, psychische, physische und sexuelle Gewalterfahrungen, mangelnde Akzeptanz sowie ein geringes Selbstwertgefühl der Grund für den Drogenkonsum darstellen und dazu führen, dass sich eine Abhängigkeit entwickelt. Auch psychische Erkrankungen, wie beispielsweise Depression, Schizophrenie oder Persönlichkeitsentwicklungsstörungen treten häufig im Zusammenhang mit Suchtstörungen auf. Des Weiteren beeinflusst das Lebensumfeld der Betroffenen die Entwicklung einer Abhängigkeit. Wenn bereits eine Alkohol- oder Drogenabhängigkeit in der Familie, eine psychische Erkrankung eines Elternteils oder soziale Benachteiligung vorherrscht, ist es wahrscheinlicher, dass Betroffene später an einer Suchterkrankung leiden. Auch ein anhaltender elterlicher Streit, Disharmonie oder eine Trennung der Eltern stellen Risikofaktoren für eine Suchtentwicklung dar. Beim Konsum von Substanzmitteln ist vor allem die Peer-Group von großer Bedeutung, da hier meist die ersten Erfahrungen mit Substanzmitteln erlebt werden. Ein Wunsch nach Dazugehörigkeit oder ein Gruppenzwang kann hierbei einen Risikofaktor für den Konsum von Substanzmitteln und einer möglichen Abhängigkeit darstellen. Zuletzt ist eine Suchtentwicklung aber auch abhängig von der konsumierten Substanz. Jede Substanz hat eine andere Suchtpotenz, was die Suchtentwicklung beeinflusst. Zudem unterscheiden sich Substanzen auch im Preis und der Verfügbarkeit. Wenn die Droge sehr teuer oder nicht immer verfügbar ist, sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Suchtentwicklung (vgl. Möller, C., 2015, S. 23 ff.). Zudem führen Suchtmittel zu einer zeitlich begrenzten Verbesserung einer unerträglichen Situation, woraufhin jedoch die Konfrontation mit der Realität folgt. Aufgrund dieser Ernüchterung entsteht ein Verlangen, das Suchtmittel erneut zu konsumieren, was wiederum zu einem Missbrauch der Substanz und in schlimmeren Fällen auch zu einer späteren Abhängigkeit führen kann (vgl. Möller, 2003, S. 987). Wenn es nicht beim experimentellen Konsum bleibt, sondern immer häufiger vorkommt, setzt die instrumentelle und operante Konditionierung ein, sodass Orte, Situationen und Personenkreise automatisch mit dem Konsum verknüpft werden und der Konsum allmählich zunehmend in das Leben der Betroffenen integriert wird. Hierbei wird es schwierig die Kontrolle über das eigene Konsumverhalten zu bewahren und verantwortungsvoll zu konsumieren. Beim Übergang vom missbräuchlichen zum abhängigen Konsum tritt die Umweltvariable zunehmend in den Hintergrund und eine veränderte Hirnphysiologie führt dazu, dass sich der Konsum zunehmend vom ursprünglichen Setting und der damaligen Motivation zum Konsum ablöst. Auch erleben Betroffene den Konsum immer weniger als positiv, sondern setzen diesen meistens nur zum Ausgleich beziehungsweise zur Vermeidung akuter Entzugssymptome ein oder um chronische Defiziterlebnisse zu umgehen. Ein abhängiger Konsum ist also auch häufig davon geprägt, dass kein erlebter oder beobachtbarer Lustgewinn vorhanden ist, denn der Konsum ist von den Betroffenen meist nicht mehr gewollt, jedoch kaum steuerbar, was nicht zuletzt auch häufig zu einem kompletten Kontrollverlust führt (vgl. Daumann, J. & Gouzoulis- Mayfrank, E., 2015, S. 100 ff.).
2.2 Suchtauslösende Substanzen
„Psychoaktive Substanzen sind Stoffe, die über das zentrale Nervensystem auf den Organismus wirken und dabei Wahrnehmung und Urteilsvermögen, Stimmung, Kognition und Motorik verändern“ (Arnaud, N. & Thomasius, R., 2019, S. 40). Durch die Drogeneinwirkungen wird in die Übertragung von Impulsen von einer Hirnzelle zur anderen an ihren Verknüpfungspunkten, den Synapsen, eingegriffen. Anschließend werden an den Synapsen elektrische Impulse durch Botenstoffe, den Neurotransmittern, freigesetzt, die wiederum an den Rezeptoren anderer Zellen andocken und Impulse und Informationen weitergeben. Die Neurotransmitter werden dann entweder wieder in die Ausgangszelle aufgenommen oder sie werden abgebaut. Psychoaktive Substanzen greifen auf unterschiedliche Weise in diesen Prozess ein, also beispielsweise, indem sie die Neurotransmitter an den Botenstoffen verdrängen oder die Wiederaufnahme oder einen Abbau der Botenstoffe hemmen. Dabei wird die natürliche Wirkung der körpereignen Botenstoffe meist verstärkt oder ersetzt (vgl. Backmund, M. et al., 2018, S. 22).
2.2.1 Legale suchtauslösende Substanzen
Zu den legalen Substanzen zählen vor allem Alkohol und Nikotin, aber auch suchtauslösende Medikamente.
Alkohol wirkt betäubend auf das zentrale Nervensystem, was zu einem Gefühl von Heiterkeit und Entspannung führt. Bei einer höheren Dosis können jedoch auch Gleichgewichts- und Sprachstörungen, ein Nachlassen des Erinnerungsvermögens und des Orientierungssinns sowie Bewusstlosigkeit auftreten. Der Alkoholkonsum führt zudem zu einer starken psychischen und physischen Abhängigkeit, die sich nur sehr langsam entwickelt (vgl. Hutterer, C., Müller, R., Rietenberg, S., Sensse, U. & Sterzer, B., 2020, S. 27).
Nikotin wirkt anregend auf das zentrale und auf das vegetative Nervensystem und sorgt dafür, dass die Konzentration gesteigert, der Hunger gedämpft wird und der Blutdruck steigt. Bei einer Überdosierung können Übelkeit, Schwächegefühl, Schweißausbrüche und Herzklopfen auftreten. Durch den Nikotinkonsum kann es sehr schnell zu einer körperlichen Abhängigkeit kommen, woraufhin sich auch eine psychische Abhängigkeit entwickeln kann (vgl. Hutterer, C. et al., 2020, S. 28).
Zu Medikamenten mit Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial zählen Schlaf- und Beruhigungsmittel, wie beispielsweise Benzodiazepine und Z-Drugs sowie frei verkäufliche Schmerzmittel, wie Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Ibuprofen. Benzodiazepine wirken beruhigend, dämpfend, entspannend, angstlösend und schlaffördernd, da die Empfindlichkeit bestimmter Nervenzellen des Gehirns vermindert wird. Z-Drugs sind neue Schlafmittel, zum Beispiel Zolpidem oder Zopiclon, die an denselben Bindungsstellen wie Benzodiazepine angreifen und deren pharmakologischen Wirkung ähneln. Nebenwirkungen sind Gleichgewichtsstörungen, verminderte Bewegungskontrolle, verlangsamte Reaktionen und Konzentrationsschwächen. Eine regelmäßige Einnahme kann zu schwerer seelischer und körperlicher Abhängigkeit führen. Doch auch frei verkäufliche Schmerzmittel, wie Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Ibuprofen können mit der Zeit zur Gewöhnung und Missbrauch führen und sind deshalb nicht zu unterschätzen (vgl. Hutterer, C. et al., 2020, S. 29 ff.).
2.2.2 Illegale suchtauslösende Substanzen
Zu den illegalen suchtauslösenden Substanzen zählen vor allem Opiate, Cannabis, Kokain, Amphetamin, Methamphetamin und Ecstasy.
Opiate, wie beispielsweise Heroin, docken an den Opiatrezeptoren, ähnlich dem Schlüssel-Schloss-Prinzip, an. Hierbei können Rezeptoren aktiviert, aber auch blockiert werden. Durch die Einnahme von Opiaten empfindet der Betroffene ein Gefühl der Schmerzfreiheit, Entspannung, Ermüdung und verbesserte Stimmung. Zudem kann es aber auch zu Atemlähmungen, Übelkeit und zu einer Hemmung der MagenDarm-Bewegung kommen. Bei einer länger andauernden Einnahme von Opiaten entsteht eine Gewöhnung an die Substanz, wodurch die Stoffwechselvorgänge im Gehirn umgestellt werden. Da sich der Stoffwechsel nicht abrupt rückumstellen kann, kommt es beim plötzlichen Absetzen der Substanz zu erheblichen Entzugssymptomen, wie beispielsweise Muskelschmerzen oder -krämpfe, Übelkeit, Erbrechen oder krampfartige Bauchschmerzen, was von den Betroffenen als sehr qualvoll erlebt wird (vgl. Backmund, M. et al., 2018, S. 23 ff.).
Cannabis wird als Oberbegriff für alle Substanzen, die aus der Hanfpflanze Cannabis sativa gewonnen werden, wie beispielsweise Marihuana und Haschisch, verwendet. Der psychoaktive Bestandteil THC sorgt für ein allgemeines Wohlbefinden bis hin zur Euphorie, Schläfrigkeit und gesteigertes Lachen. Durch die Einnahme wird das Denkvermögen, das Gedächtnis, die motorische Koordination und die zeitliche Orientierung beeinträchtigt. Ein länger andauernder hochdosierter Konsum kann zu einer Abhängigkeitsentwicklung führen. Die Entzugssymptome sind hierbei jedoch weniger stark ausgeprägt (vgl. Backmund, M. et al., S. 29 f.).
Eine Substanz, die in der menschlichen Kultur schon seit mindestens 5000 Jahren eine Rolle spielt, stellt Kokain dar, was im Gehirnstoffwechsel zu einer Erhöhung der Botenstoffe Dopamin, Norepinephrin und Serotonin führt. Die Einnahme von Kokain führt zu einer Verbesserung der Stimmung und der Leistungsfähigkeit, zu einer erhöhten Aktivität und zur Unterdrückung von Hunger- und Müdigkeitsempfinden. Beim Abklingen der Wirkung wechselt die Stimmungslage meist in eine depressive über, wodurch der Wunsch nach einem erneuten Konsum aufkommt und dadurch die Abhängigkeitsentwicklung verstärkt wird. Wenn Kokainhydrochlorid in einer basischen Lösung aufgelöst wird, entsteht Crack, was anschließend verdampft und inhaliert werden kann (vgl. Backmund, M. et al., 2018, S. 31 f.).
Die Gruppe der Amphetamine sind vor allem unter jungen Partygängern beliebte Substanzen und setzen sich aus den Drogen Amphetamin, Methamphetamin und Ecstasy zusammen. Gemeinsam ist allen Substanzen, dass sie zu einer erhöhten Energie, Wachheit, zu einem gesteigerten Selbstwertgefühl, verstärkter Gesprächigkeit und zu Euphorie führen. Jedoch können im Gegenzug Gereiztheit, Unruhe und aggressives Verhalten auftreten. Im Allgemeinen weisen Amphetamine ein geringeres Abhängigkeitspotenzial auf als Heroin und Kokain, da Amphetamine meist nur zu besonderen Anlässen konsumiert werden. Jedoch praktizieren einige Betroffene auch Konsummuster, die zu einer Abhängigkeit führen können und stark gesundheitsschädlich sind (vgl. Backmund, M. et al., 2018, S. 34 f.).
2.3 Klassifikation einer Suchtstörung
Grundsätzlich kann sich jedes Verhalten des Menschen zu einer Sucht entwickeln. Hierbei ist es wichtig, aber auch schwierig, eine Grenze zwischen unproblematischen zum problematischen Konsum zu bestimmen. Eine Sucht, beziehungsweise eine Abhängigkeit, zeigt sich, wenn durch das Absetzen, beziehungsweise durch die Verminderung von der Dosis, Entzugserscheinungen auftreten. Diese äußern sich meist als Gegenzustände der typischen Wirkung der Substanz, was häufig als äußerst qualvoll empfunden wird, sodass Betroffene alles tun würden, um diesen Zustand zu beenden (vgl. Backmund, M. et al., 2018, S. 19).
Seit den 1990er Jahren wird die Diagnose einer Abhängigkeitserkrankung nach der ICD-10, der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen von der Weltgesundheitsorganisation gestellt (vgl. Backmund, M. et al., 2018, S. 19). Ziel einer solchen psychiatrischen Klassifikation ist zum einen die Vereinheitlichung der Diagnosestellung und zum anderen aber auch die Hoffnung auf einen Erkenntnisgewinn bezüglich Ursachen und Therapie (vgl. Ullrich, J., 2018, S. 208). In der ICD-10 verwendet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Sucht im engeren Sinne den Begriff des Abhängigkeitssyndroms, was eine Gruppe von Verhaltensweisen sowie kognitiven und körperlichen Phänomenen, die sich nach wiederholtem Substanzgebrauch entwickeln, umfasst (vgl. Ullrich, J., 2018, S. 209). Nach der ICD-10 liegt eine Suchterkrankung dann vor, wenn während des letzten Jahres drei oder mehr der nachfolgend dargestellten Kriterien gleichzeitig auftraten: 1. Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, ein Suchtmittel zu konsumieren, 2. Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums des Suchtmittels, 3. Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums, 4. Nachweis einer Toleranz, wodurch für die erwünschte Wirkung zunehmend höhere Mengen erforderlich sind, 5. Fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen und Vergnügen zugunsten des Suchtmittelkonsums und/oder erhöhter Zeitaufwand, um die Substanz zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen und 6. Anhaltender Substanzgebrauch trotz des Nachweises eindeutiger körperlich, psychisch oder sozial schädlicher Folgen (vgl. Backmund, M. et al., 2018, S. 19).
Auch ein „schädlicher Gebrauch“ wird in der ICD-10 definiert und liegt dann vor, wenn bereits Schädigungen durch den Substanzkonsum eingetreten sind, auch wenn noch nicht mindestens drei der oben genannten Kriterien erfüllt sind. In der amerikanischen Klassifikation, der DSM-IV, gibt es noch den Begriff des Missbrauchs, der einen nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch bezeichnet, ohne dass es notwendigerweise zu Schädigungen gekommen ist (vgl. Backmund, M. et al., S. 20).
3. Jugendliche und Suchtmittelkonsum
Drogenmissbrauch und -abhängigkeit bei Jugendlichen gilt als wachsendes Problem und zählt zu den häufigsten psychiatrischen Auffälligkeiten bei Heranwachsenden (vgl. Möller, C., 2015, S. 17). Das Jugendalter ist eine Phase der physiologischen sowie der sozialen Reifung und ist geprägt durch individuelle und soziale Neuorientierungen (vgl. Arnaud, N. & Thomasius, R., 2019, S. 46). In dieser Phase des Heranwachsens entwickeln sich meist Subkulturen, also bestimmte eigene Muster von Werten, Normen und Verhaltensweisen, die von der vorherrschenden Kultur abweichen und eine Gegenposition zu der Erwachsenenwelt bilden. Diese Subkulturen sind gekennzeichnet von einer eigenen sozialen Umwelt, in der sich beispielsweise ritualisierte Verhaltensweisen, Kleidungsstile oder Musikrichtungen entwickeln. Jugendliche können hierbei durch die Abweichung von den gesellschaftlichen Werten und Normen eine Gemeinsamkeit entwickeln und ihre Identität festlegen. Hierbei kann auch der Konsum psychoaktiver Substanzen eine Rolle spielen, da dieser oft als Demonstration des jeweiligen Lebensstils genutzt wird, wodurch Jugendliche die Gegenposition, Protest und Widerstand zur Gesellschaft verstärkt ausdrücken. Daneben kann der Substanzmittelkonsum auch mit bestimmten Ereignissen, wie beispielsweise Konzerte oder Partys, verbunden sein (vgl. Farke, W., 2009, S. 75f.).
Nachfolgend werden die Prävalenzen legaler und illegaler Substanzmittel bei Jugendlichen dargestellt und im Anschluss auf die Konsummuster und Folgen des Substanzmittelkonsums eingegangen. Anschließend wird erläutert, welche Jugendliche besonders suchtgefährdet sind und warum der Substanzmittekonsum im Jugendalter als Entwicklungsaufgabe beschrieben werden kann.
3.1 Verbreitung des Drogenkonsums im Jugendalter
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) führt bereits seit den 1970er Jahren regelmäßig Querschnittsbefragungen durch und untersucht damit den Konsum legaler und illegaler Substanzen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland. Die erste Studie wurde im Jahr 1973 durchgeführt und findet seitdem im Abstand von drei bis vier Jahren wiederholt statt (vgl. Merkel, C. & Orth, B., 2020, S. 14 f.). Für die aktuelle Drogenaffinitätsstudie 2019 wurden stichprobenartig 7000 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 12 bis 15 Jahren mit computergestützten Telefoninterviews befragt (ebd., S. 7).
Im Folgenden werden die Ergebnisse der Drogenaffinitätsstudie 2019 von der BZgA im Hinblick auf die Konsumprävalenzen legaler und illegaler Drogen im Jugendalter zusammengetragen.
3.1.1 Prävalenz des Konsums legaler Drogen im Jugendalter
2019 gaben 83,0 % der 12- bis 17-jährigen Jugendlichen an, dass sie noch nie geraucht haben. 7,2% der Jugendlichen sind Raucher/innen, also rauchen gegenwärtig gelegentlich oder regelmäßig. Nur 1,8% der Jugendlichen in Deutschland rauchen täglich, 0,9% rauchen täglich 10 Zigaretten oder mehr und 0,1% rauchen täglich 20 Zigaretten oder mehr. Zudem lassen sich Geschlechterunterschiede im Rauchverhalten feststellen. Beispielsweise haben 84,9% der weiblichen 12- bis 17-jährigen Jugendlichen in Deutschland noch nie geraucht, wohingegen nur 81,2% der männlichen Jugendlichen noch nie geraucht haben. Auch unter den 18- bis 25-jährigen lässt sich feststellen, dass Tabak häufiger von Männern als von Frauen konsumiert wird. Die Verbreitung des Tabakkonsums nimmt auch mit dem zunehmenden Alter zu, wie beispielsweise in der Altersgruppe der 12- bis 13-jährigen, in der nur 0,8% rauchen, wohingegen bereits 14,8% der Jugendlichen im Alter von 16 bis 17 angaben, zu rauchen. Es besteht außerdem ein Zusammenhang zwischen dem Rauchverhalten und der Bildung, denn je höher die Bildung, desto höher der Anteil an Nichtrauchern/in- nen (vgl. Merkel, C. & Orth, B., 2020, S. 19 ff.). Zudem wird der Konsum von Wasserpfeifen, E-Zigaretten und E-Shishas von immer größerer Bedeutung für Jugendliche. 20,9% der Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren, also knapp jeder fünfte, hat schon einmal eine Wasserpfeife geraucht und 14,5% eine E-Zigarette. Etwa jeder neunte (11,0%) der Jugendlichen in Deutschland hat schon eine E-Shisha geraucht, wohingegen der Konsum von Tabakerhitzern unter Jugendlichen mit 0,5% geringer verbreitet ist. Auch hier lassen sich wieder geschlechterspezifische Unterschiede aufweisen, die aufzeigen, dass Wasserpfeifen, E-Zigaretten und E-Shishas eher von männlichen Jugendlichen als von weiblichen konsumiert werden. Zudem weisen auch hier Jugendliche mit einer geringeren Bildung eine höhere Prävalenz für den Konsum auf (vgl. ebd., S. 23). Es ist jedoch ein deutlicher Abstieg des Tabakkonsums unter den Jugendlichen zu beobachten. Während der Anteil der rauchenden 12- bis 17-jährigen Jugendlichen im Jahr 2001 noch bei 27,5% lag, hat er sich mittlerweile um vier Fünftel verringert. Der Anteil der Jugendlichen, die noch nie geraucht haben, lag 2019 so hoch wie in keiner der früheren Untersuchungen (vgl. ebd., S. 29). Bei der Verbreitung des Konsums von E-Zigaretten lässt sich allerdings eine Zunahme feststellen. Während im Jahr 2012 9,1% der Jugendlichen eine E-Zigarette ausprobiert haben, haben dies im Jahr 2019 schon bereits 12,3%. Dies trifft aber vor allem auf männliche Jugendliche zu, bei weiblichen hat sich die Konsumprävalenz für E- Zigaretten kaum verändert. Beim Konsum von Wasserpfeifen, E-Shishas und Tabakerhitzern ist jedoch auch ein Rückgang oder zumindest ein Gleichbleiben der Konsumprävalenz unter Jugendlichen zu erkennen (vgl. ebd., S. 33 f.).
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