Das Ziel ist, die Erfolgsfaktoren der strategischen Analyse im Rahmen der Digital Due Diligence für den Erfolg einer Unternehmenstransaktion zu beleuchten und wichtige Aspekte aus Sicht der wissenschaftlichen Literatur bei der praktischen Durchführung dieser Prüfung darzustellen. Eine erfolgreiche Durchführung einer Digital Due Diligence beschreibt hierbei den gelungenen Prozess der Prüfung, der entweder zu einer erfolgreichen Unternehmenstransaktion aus Sicht des akquirierenden Unternehmens führt oder in einer Aufdeckung von kritischen Punkten Red Flags, welche eine Beendigung der Transaktion herleiten können, resultiert.
Dafür wird ein Vergleich bestehender Grundgedanken der Digital Due Diligence bzw. einer geleiteten Onlineumfrage als Grundlage herangezogen. Die Ansätze werden aufgegliedert, verglichen und zusammengefasst sowie anschließend mit Hilfe der Expertenumfrage auf ihre Plausibilität geprüft.
Die Digitalisierung im Private-Equity-Umfeld gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Sowohl auf der Beteiligungsseite als auch auf der Beratungsseite ist es essenziell, digitale Kompetenzen aufzubauen und sich verstärkt an diesen Anforderungen auszurichten. Wer dies nicht verfolgt, wird zukünftig im Rahmen von Beteiligungs- und Due-Diligence-Prozessen vermehrt vor Probleme gestellt werden.
Viele Unternehmensübernahmen scheitern allerdings daran, dass die Digital Due Diligence häufig falsch bzw. zu kurz durchgeführt wird und die digitalen Einflussfaktoren auf das Geschäftsmodell bei klassischen Unternehmen aus dem nicht-digitalen Umfeld im Rahmen von Commercial-Due-Diligence-Prüfungen oder IT-Due-Diligence-Prüfungen heutzutage häufig vernachlässigt werden.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Vorgehensweise
2. Begriffliche Grundlagen
2.1 Unternehmensbewertung
2.2 Unternehmenstransaktion
2.3 Due Diligence
2.4 Digitalisierung
2.5 Digitale Reifegradmodelle
3. Ablauf Digital Due Diligence
3.1 Unternehmensanalyse
3.2 Umfeldanalyse
3.3 Validierung des Businessplans
3.4 Due Diligence Bericht
4. Vergleich Digital Due Diligence Ansätze
4.1 Aufgliederung
4.2 Onlineumfrage
4.3 Analyse
5. Bewertung
5.1 Bewertung der Kriterien
5.2 Bewertung der Prozessfaktoren
6. Erfolgsfaktoren Digital Due Diligence
6.1 Bewertungsspezifische Faktoren
6.2 Prozessuale Faktoren
7. Schlussfolgerung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Kurzfassung
Die Digitalisierung im Private-Equity-Umfeld gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Sowohl auf der Beteiligungsseite als auch auf der Beratungsseite ist es essenziell, digitale Kompetenzen aufzubauen und sich verstärkt an diesen Anforderungen auszurichten. Wer vorhergehendes nicht verfolgt, wird zukünftig im Rahmen von Beteiligungs- und Due-Diligence-Prozessen vermehrt vor Probleme gestellt werden.
Viele Unternehmensübernahmen scheitern allerdings daran, dass die Digital Due Diligence häufig falsch bzw. zu kurz durchgeführt wird und die digitalen Einflussfaktoren auf das Geschäftsmodell bei klassischen Unternehmen aus dem nicht-digitalen Umfeld im Rahmen von Commercial-Due-Diligence-Prüfungen oder IT-Due-Diligence-Prüfungen heutzutage häufig vernachlässigt werden. Das Ziel ist, die Erfolgsfaktoren der strategischen Analyse im Rahmen der Digital Due Diligence für den Erfolg einer Unternehmenstransaktion zu beleuchten und wichtige Aspekte aus Sicht der wissenschaftlichen Literatur bei der praktischen Durchführung dieser Prüfung darzustellen. Eine “Erfolgreiche Durchführung” einer Digital Due Diligence beschreibt hierbei den gelungenen Prozess der Prüfung, der entweder zu einer erfolgreichen Unternehmenstransaktion aus Sicht des akquirierenden Unternehmens führt oder in einer Aufdeckung von kritischen Punkten “Red Flags”, welche eine Beendigung der Transaktion herleiten können, resultiert. Dafür wird ein Vergleich bestehender Grundgedanken der Digital Due Diligence bzw. einer geleiteten Onlineumfrage als Grundlage herangezogen. Die Ansätze werden aufgegliedert, verglichen und zusammengefasst, sowie anschließend mit Hilfe der Expertenumfrage auf ihre Plausibilität geprüft.
Keywords: Digital Due Diligence, Digitalisierung, Mergers & Akquisition, Due Diligence, Technologie, Transaktionen
Abstract
Digitization in the private equity environment is becoming more and more important. Both on the investment side and on the consulting side, it is essential to develop digital skills and to focus more closely on these requirements. Those who do not follow the above will increasingly face problems in the context of investment and due diligence processes in the future. However, many company transactions fail because the digital due diligence is often carried out incorrectly or too briefly and the digital factors influencing the business model of traditional companies from the non-digital environment in the context of commercial due diligence checks or IT due diligence checks are often neglected these days. The aim is to highlight the success factors of the strategic analysis as part of the digital due diligence for the success of a corporate transaction and to present important aspects from the perspective of the scientific literature in the practical implementation of this audit. A "successful execution" of a digital due diligence describes the successful process of the audit, which either leads to a successful corporate transaction from the perspective of the acquiring company or results in the detection of critical points "red flags", which can lead to the termination of the transaction. A comparison of existing basic approaches of digital due diligence and an online survey that has been conducted is used as a basis for this. The approaches are broken down, compared and summarized, and then checked for plausibility with the help of the expert survey.
Keywords: digital due diligence, digitization, mergers & acquisitions, due diligence, technology, transactions
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Übersicht von Unternehmensbewertungsverfahren
Abbildung 2: Bereiche des Mergers & Acquisitions
Abbildung 3: Allgemeiner Ablauf einer Due Diligence
Abbildung 4: Deloitte „Digital Maturity Model“
Abbildung 5: Berufserfahrung der Teilnehmer
Abbildung 6: Häufigkeit Durchführungen Due Diligence aktuell
Abbildung 7: Häufigkeit Durchführungen Due Diligence in 3-5 Jahren
Abbildung 8: Ablauf Analyse Bewertungskriterien
Abbildung 9: Ablauf Analyse prozessuale Faktoren
Abbildung 10: Auflistung Bewertungskriterien
Abbildung 11: Häufigkeit bei der Verwendung der Kriterien
Abbildung 12: Auflistung prozessuale Faktoren
Abbildung 13: Wichtigkeit der Bewertungskategorien
Abbildung 14: Notwendigkeit der Bewertungskategorien
Abbildung 15: Häufigkeit der Bewertungskategorien
Abbildung 16: Wichtigkeit der prozessualen Kategorien
Abbildung 17: Wichtigkeit der einzelnen prozessualen Faktoren
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht digitale Reifegradmodelle
Tabelle 2: Zuordnung der Kriterien
Tabelle 3: Wichtigkeit der Kriterien
Tabelle 4: Wichtigkeit der Kriterien nach Blom
Tabelle 5: Vergleich der Reifegradmodelle
Tabelle 6: Zuordnung der prozessualen Faktoren
Tabelle 7: Wichtigkeit der prozessualen Faktoren
Tabelle 8: Vergleich der Wichtigkeit von Studie und Onlineumfrage
Tabelle 9: Vergleich der Häufigkeit von Studie und Onlineumfrage
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Im ersten Teil der Arbeit geht es um die Erläuterung des zugrunde gelegten Problems, des Ziels und der Vorgehensweise zur Erreichung dessen. Dabei werden diese Punkte in der Einleitung kurz erklärt und im Hauptteil nochmals näher untersucht.
1.1 Problemstellung
Die Digitalisierung ist unaufhaltsam und verändert die Unternehmenslandschaft grundlegend. In vielen Branchen wandeln sich Geschäftsmodelle rasant und Technologien und Digitalisierung gehören immer mehr zu den wertvollsten Assets in Unternehmen. Dies verändert auch die Herangehensweise an die Due Diligence. Während klassische Felder wie die Financial Due Diligence weiterhin zum Standard gehören, kommen immer mehr spezialisierte Angebote hinzu. Mit ihnen sollen M&A-Verantwortliche die Zukunftsfähigkeit und Kompatibilität mit den Herausforderungen der Digitalisierung ermitteln können.1 Auf der einen Seite ist der Anteil reiner Digitalunternehmen in den Portfolios der Private-Equity-Gesellschaften in den letzten Jahren stark angestiegen, auf der andererseits sind traditionelle Unternehmen zunehmend digitalen Veränderungen und einem intensiveren Wettbewerb ausgesetzt.2 Immer mehr Unternehmen erkennen die Chancen der Digitalisierung. Die Technologie ist zu einem der wichtigsten Treiber im M&A-Markt geworden. Somit ist der Unternehmenskauf in Technologiemärkten ein Grundwerkzeug der Geschäftsentwicklung.3
Allzu oft ist unter Wettbewerbsgesichtspunkten ein schnellerer Marktzugang oder der zügige Zugriff auf ergänzende Produkte oder Fähigkeiten zur Umsetzung der Unternehmensstrategie über M&A notwendig, da eine interne Entwicklung zu lange dauern würde. Ein möglicher Zukauf ist dann oftmals die einzige Option, dennoch sind die damit verbundenen Risiken nicht unbeträchtlich. Im Zuge des Akquisitionsprozesses wird daher oft eine Commercial Due Diligence erstellt, die Markt- und Wettbewerbssituation, Wettbewerbsumfeld und Wachstumsrisiken betrachtet. Neben den notwendigen formalen, kaufmännischen und legalen Prüfungen (Financial, Legal und Tax Due Diligence) wird allerdings oft die technologische oder digitale Entwicklung nicht ausreichend berücksichtigt. Angesichts der wachsenden Bedeutung von Digitalisierung und Innovation ist der Erfolg einer M&A-Transaktion zunehmend von einer adäquaten Bewertung der digitalen Reife abhängig. Vor allem der Technologiesektor entwickelt sich extrem schnell. Organisches Wachstum reicht oft nicht aus, um erfolgreiche Innovationen zu generieren. Daher ist die Prüfung der technologischen und digitalen Kenntnisse eines Unternehmens und die Beantwortung der Frage, ob das Unternehmen auf den digitalen Wandel adäquat vorbereitet ist, hilfreich.4 Viele dieser Übernahmen scheitern daran, dass die Digital Due Diligence vermehrt falsch bzw. zu kurz durchgeführt wird und die digitalen Einflussfaktoren auf das Geschäftsmodell bei klassischen Unternehmen aus dem nicht-digitalen Umfeld im Rahmen von Commercial-Due-Diligence-Prüfungen heutzutage vermehrt vernachlässigt werden. Aus diesem Grund ist es unabdingbar, dass zu Beginn einer jeden Commercial Due Diligence ein klares Verständnis für das Geschäftsmodell des Akquisitionsunternehmens gewonnen wird und digitale Prüfpunkte in den Prozess integriert werden, um die „digital readiness“ zu validieren. Daher bedarf es zur Prüfung zukunftsorientierter Unternehmen einer Kombination aus traditioneller Commercial Due-Diligence-Erfahrung auf der einen sowie dem notwendigen digitalen Know-how auf der anderen Seite.5
1.2 Zielsetzung
Als technologischer Grundpfeiler für alle laufenden Aktivitäten im Hinblick auf die Digitalisierung ist eine möglichst aktuelle, leistungsfähige IT-Infrastruktur unvermeidbar. Das im Rahmen von Unternehmenstransaktionen verwendete Analyseverfahren der IT-Infrastruktur – die IT Due Diligence – konzentriert sich vor allem auf die Gebiete IT-Infrastruktur, IT-Anwendungen und IT-gestützte Geschäftsprozesse einschließlich des IT-Umfeldes und der IT-Organisation. Sie hat dabei die Kosten und die Kostenentwicklung im Blick.6 Die Digitalisierung hält nicht nur Einzug in die IT-Systeme, sondern auch in die Geschäftsmodelle, die Prozesse im Unternehmen sowie das gesamte Produktportfolio, wodurch die reine IT Due Diligence mehr und mehr an ihre Grenzen stößt. Themenfelder wie beispielsweise die Digitalisierungsstrategie sowie die Zukunftsfähigkeit der angebotenen Produkte werden im Rahmen dieser Prüfung bisher nicht abgedeckt.7 Die Digital Due Diligence beschäftigt sich vor allem mit dem Geschäftsmodell der Zukunft und der Begegnung des Unternehmens mit den Herausforderungen der digitalen Transformation. Dabei untersucht die Digital Due Diligence die Definition einer Digitalisierungsstrategie, das digitale Erscheinungsbild des Unternehmens sowie die Position des Unternehmens in der digitalen Infrastruktur. Ein weiteres Ziel ist, die Zukunftsfähigkeit der angebotenen Produkte zu identifizieren sowie die Digitalisierung der Prozesse zu analysieren. Hierzu untersuchen die Prüfer die Risiken, die sich für das Geschäft aus veralteten Strukturen oder möglichen neuen Entwicklungen im Wettbewerb ergeben und die Möglichkeiten der Gegensteuerung durch das Target. Um den digitalen Reifegrad eines Unternehmens zu ermitteln, führen die Prüfer Gespräche mit dem Management und den Mitarbeitern, konzentrieren sich zusätzlich auf die technologische Struktur und beleuchten den Stand der Digitalisierung der internen Prozesse. Auch der Umgang mit relevanten Kennzahlen und Daten rückt näher in den Fokus, um etwa zu eruieren, wie diese beispielsweise für Analysen in Vertrieb und Marketing genutzt werden.8 Insbesondere müssen die Fragen der Zukunftsfähigkeit, technischen Skalierbarkeit und Nachhaltigkeit des digitalen Geschäftsmodells beantwortet werden.9
Die vorliegende Arbeit hat daher zum Ziel, die Erfolgsfaktoren der strategischen Analyse im Rahmen der Digital Due Diligence für den Erfolg einer Unternehmenstransaktion zu beleuchten und wichtige Aspekte der wissenschaftlichen Literatur bei der praktischen Durchführung dieser Prüfung darzustellen. Eine “Erfolgreiche Durchführung” einer Digital Due Diligence beschreibt hierbei den gelungenen Prozess der Prüfung, der entweder zu einer effektiven Unternehmenstransaktion aus Sicht des akquirierenden Unternehmens führt oder in einer Aufdeckung von “Red Flags”, welche wiederum eine Transaktion beenden können, resultiert. Mit Hilfe dieser Faktoren wird es bei einem Unternehmenskauf möglich sein, eine zielorientierte und effiziente Prüfung des digitalen Geschäftsmodells durchzuführen.
1.1
1.3 Vorgehensweise
Um die zukünftige digitale Entwicklung eines Unternehmens allgemein berücksichtigen zu können, müssen Faktoren gefunden werden, die bei einer erfolgreichen Durchführung einer Digital Due Diligence beachtet werden müssen.
Das zweite Kapitel dieser Arbeit erläutert die theoretischen Grundlagen, die im Zusammenhang mit einer Unternehmenstransaktion stehen und liefert einen Überblick über die Arten und Gründe für Unternehmenstransaktionen, den Begriff einer Due Diligence in diesem Zusammenhang und eine kurze Einführung in die Thematik der Unternehmensbewertung im Rahmen einer Unternehmensakquisition. Zudem wird der Begriff der Digitalisierung im Allgemeinen, sowie dessen Kontext mit einer Unternehmenstransaktion erklärt.
Im weiteren Verlauf der Arbeit wird der beispielhafte Ablauf und die Untersuchungsschwerpunkte einer Due Diligence, bestehend aus einer Unternehmensanalyse und einer Marktanalyse sowie der abschließenden Validierung des Businessplans des Zielunternehmens in Bezug auf die Geschäftsplanung gezeigt.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit dem Vergleich bestehender Ansätze der Digital Due Diligence und der durchgeführten Onlineumfrage. Um zunächst einen Überblick zu bekommen, werden die verschiedenen Vorgehensweisen der größten deutschen Beratungsunternehmen aufgegliedert und zusammengefasst. Im zweiten Schritt folgt eine Gegenüberstellung, um aus den gewonnenen Ergebnissen auf die notwendigen Erfolgsfaktoren schließen zu können. Am Ende des Abschnitts werden die Erkenntnisse mit Hilfe der Expertenumfrage auf ihre Plausibilität geprüft.
Anschließend folgen die Ergebnisse der im vorhergehenden Kapitel analysierten Ansätze der Unternehmensprüfungen im digitalen Zusammenhang. Demnach werden die Erfolgsfaktoren der Digital Due Diligence in Bezug auf die zentralen Aspekte und Methoden der Analyse des Zielunternehmens hinsichtlich der Chancen und Risiken des Marktumfeldes und des Geschäftsmodells genauer beleuchtet.
Abgeschlossen wird diese Arbeit mit einer zusammenfassenden Betrachtung, der kritischen Reflexion und einem Ausblick hinsichtlich der Bedeutung des Digital Due Diligence als Beitrag für die erfolgreiche und letztendlich wertsteigernde Durchführung von Unternehmenstransaktionen.
2. Begriffliche Grundlagen
In diesem Kapitel werden die Begriffe „Unternehmensbewertung“, „Unternehmenstransaktion“, „Due Diligence“, „Digitalisierung“ und „Digitale Reifegradmodelle“ anhand einer Literaturrecherche zum klaren Verständnis erläutert und abgegrenzt.
2.1 Unternehmensbewertung
Ziel der Unternehmensbewertung im Rahmen einer Transaktion ist, dem Zielunternehmen einen Preis zuzuordnen, der dem zukünftig erwarteten Nutzen durch die Übernahme des Unternehmens entspricht.10 Dieser Wert ist der Grenzpreis des akquirierenden Unternehmens, d.h. der Preis, bei dessen Zahlung sich das akquirierende Unternehmen nicht schlechter stellt als bei einem Unterlassen der Transaktion. Hierzu sind die finanziellen Überschüsse zu prognostizieren und zu kapitalisieren, um den Barwert der Nettoeinnahmen der Unternehmenseigner zu erfassen. Hiervon abzugrenzen ist der tatsächlich gezahlte Preis, der zwar eine wichtige Orientierungsgröße zur Plausibilisierung von Unternehmenswerten ist, eine Bewertung aber nicht ersetzen kann. Dieser unterliegt den auf freien Märkten üblichen Schwankungen und ist häufig das Ergebnis unterschiedlich informierter Verhandlungspartner sowie teils unstrukturierter Verhandlungsabläufe. Ein Investor sollte beispielsweise den für ihn maßgeblichen Wert des Unternehmens ermitteln, um daraufhin eigene Preisvorstellungen zu entwickeln. Auch diejenigen der Gegenseite werden in der Regel hierdurch nachvollziehbarer. Der ermittelte Wert wird die Preisfindung maßgeblich beeinflussen.11
Unternehmensbewertungen werden auf verschiedenste Anlässe hin vorgenommen. Unterscheiden lassen sich transaktionsbezogene und nicht transaktionsbezogene Bewertungsanlässe. Hauptanlass ist dabei seit vielen Jahren die Begutachtung im Rahmen von M&A-Transaktionen sowie bei Umstrukturierungen, dabei beziehen sich transaktionsbezogene Bewertungsanlässe auf die Änderung der Eigentumsverhältnisse.12 Darunter ist zu verstehen, dass die Eigentumsrechte hinsichtlich des Anteils am Unternehmen von der einen auf die andere Partei übergehen. Transaktionsbezogene Anlässe beschäftigen sich mit dem Kauf bzw. Verkauf eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils, mit der Börseneinführung, der Ermittlung von Umtauschverhältnissen im Rahmen von Fusionen oder Liquidations- und Insolvenzverfahren.
Unter nicht transaktionsbezogene Anlässe fallen alle Prüfungen hinsichtlich Kreditwürdigkeit sowie Kreditüberwachungen, Pachtung oder Verpachtung von Unternehmen, Besteuerung, Sanierungsfähigkeit oder Gewährleistungsansprüchen nach Unternehmensakquisitionen. Hinsichtlich der Arten der Unternehmensbewertung wird zwischen Einzelwert- und Gesamtbewertungsverfahren oder auch Mischverfahren unterschieden (siehe Abbildung 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Übersicht von Unternehmensbewertungsverfahren13
Bei einem Einzelwertverfahren wird der Unternehmenswert aus der Summe der einzelnen Vermögenbestandteile wie Anlagen oder Forderungen abzüglich der Verbindlichkeiten des Unternehmens bestimmt.14 Bei den Gesamtbewertungsverfahren wird das zu bewertende Unternehmen als eine Einheit betrachtet und der Unternehmenswert aufgrund der zu erwartenden zukünftigen diskontierten Zahlungsüberschüsse ermittelt.15 Grundsätzlich kann angenommen werden, dass sowohl das Gesamtbewertungs- als auch das Einzelbewertungsverfahren Fehler aufweisen können. Durch eine Kombination beider kann einerseits der Substanzwert, andererseits auch die künftige Ertragskraft mit in die Bewertung einfließen.16 Die Durchführung einer Unternehmensbewertung hängt vom Objekt und den jeweils verwendeten Bewertungsarten ab.17 Die Abschätzung eines Großunternehmens kann langwierig, personalintensiv und komplex sein und erfolgt meist durch externe Berater. Dagegen ist eine Bewertung kleinerer Unternehmen mittels der Multiplikationsmethode einfach durchzuführen und kann auch ohne externes Know-how erfolgen. Diese Unternehmensbewertungen können beispielsweise durch Investmentbanken, Banken, Wirtschaftsprüfer oder Unternehmensberatungen durchgeführt werden. Je nach Transaktionsvolumen kommen daher unterschiedliche Berater in Betracht.18
2.2 Unternehmenstransaktion
Für den englischen Begriff Mergers & Acquisitions (kurz M&A) gibt es kein Pendant in der deutschen Sprache. Nach Picot lässt sich dieser Begriff am besten mit „Unternehmenszusammenschlüsse und Unternehmensübernahmen“ übersetzen.19 Der Bereich der Mergers & Acquisitions ist weit gefasst und hat diverse Erscheinungsformen wie Fusionen von Gesellschaften, Unternehmenskäufe und -verkäufe sowie Sonderformen wie Übernahmeangebote (ggf. als feindliche Übernahmen), Betriebsübergänge, fremdfinanzierte Übernahmen, Spin-offs, Carve-outs oder Unternehmenskooperationen (siehe Abbildung 2).20
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Bereiche des Mergers & Acquisitions21
Während bei einem Merger die dem Unternehmen zur Verfügung stehenden vermögenden Gegenstände der beteiligten Unternehmen zusammengelegt werden und als eigenständige Organisationseinheit im Fortbestehen oder auch in einer neu gebildeten Einheit aufgehen können (a + b = c), erfolgt bei einer Mehrheits-Akquisition i.d.R. die Eingliederung des Zielunternehmens in das Käuferunternehmen (a + b = a). Grundlage einer solchen Transaktion bildet immer der Übergang von Eigentumsrechten an ein Unternehmen und damit die Übertragung von aktiv wahrgenommenen Leitungs- und Kontrollrechten. Die Akquisition oderAkquiseder Eigentumsrechte erfolgt dabei entweder direkt über den Kauf von Stimmrechtsanteilen (Share Deal) oder in Form einesAssetDeals durch den Erwerb aller vorhandenen Aktiva und Verbindlichkeiten gegen Bargeld (cash offer), im Austausch für Aktien des Käufers (stock swap) bzw. anderer Wertpapiere oder als Mischform dieser beiden Zahlungsweisen. Unternehmenskäufe unterscheiden sich von Fusionen durch den Wechsel des Eigentümers, der im Falle des Unternehmenskaufs dem Investor die Unternehmensführung überlässt. Von Bedeutung sind auch die unter das „Corporate restructuring“ fallenden Outsourcing, Insourcing, Spin-offs oder Carve-outs. Kooperationen können wiederum eingeteilt werden in strategische und operative. Bei strategischen Kooperationen arbeiten Unternehmen freiwillig zusammen wie bei Joint Ventures und strategischen Allianzen. Operative Kooperationen können Interessengemeinschaften, Konsortien, Arbeitsgemeinschaften oder Kartelle sein. Unabhängig einzelner Dimensionen einer Unternehmenstransaktion wird der Ablauf des M&A-Prozesses in drei Phasen eingeteilt:22
In der ersten Phase, der Planung des Transaktionsprozesses, wird das Projektteam benannt und gegebenenfalls externe Berater oder Investmentbanken konsultiert. Es werden erste Entscheidungen hinsichtlich der Struktur der Transaktion getroffen und mögliche Kandidaten für einen Kauf bzw. Verkauf des Unternehmens zusammengestellt. Außerdem finden in dieser Phase bereits vorab Bewertungen des Zielunternehmens statt, um ein erstes Kaufangebot vorzubereiten. Dies geschieht durch die Sichtung der Daten des externen Rechnungswesens wie des Jahresabschluss, der Gewinn und Verlustrechnung oder durch Schätzungen der Berater oder Branchenexperten innerhalb des Unternehmens.
In der zweiten Phase, der Durchführung des Transaktionsprozesses, findet eine erste
Kontaktaufnahme statt und es erfolgt die Abgabe einer schriftlichen Absichtserklärung
(Letter of Intent) über das Transaktionsinteresse, oft in Verbindung mit einem unverbindlichen Angebot. In der schriftlichen Absichtserklärung können erste Eckpunkte wie eine genaue Definition des Transaktionsobjekts bei der Akquisition eines Unternehmensteils oder die Bedingungen der Due Diligence fixiert werden. Nach Unterzeichnung einer Vertraulichkeitserklärung erhält das Projektteam des potenziellen Käufers sowie dessen Berater Zugang zu internen Daten des Zielunternehmens. Mit diesen zusätzlichen Informationen erfolgt die Due Diligence des Käufers und eine damit verbundene detaillierte Unternehmensbewertung des Zielunternehmens. Nach der Abgabe eines verbindlichen Angebotes folgt die Ausgestaltung des Transaktionsvertrags, bei einer Übereinkunft der Parteien wird dieser abgeschlossen.
Die dritte Phase des M&A-Prozesses, die Integration des akquirierten Unternehmens, hat zum Ziel, die geplanten Wertsteigerungen durch die Unternehmenstransaktion zu realisieren und mögliche Synergien durch die Übernahme des Zielunternehmens zu nutzen. Hierbei unterscheidet Picgot zwischen diversen Möglichkeiten der Ausgestaltung in Bezug auf die Integration. Diese reichen von einer Angliederung des übernommenen Unternehmens unter Beibehaltung der bisherigen Strukturen bis hin zu einer Transformation der am Prozess beteiligten Unternehmen zu einer neuen Zielstruktur mit vollständiger Auflösung der bisherigen Strukturen.23
2.3 Due Diligence
„Due Diligence“ (DD) ist ein Ausdruck, der im deutschen Sprachraum mit „gebotene Sorgfalt“ übersetzt werden kann. Damit ist gemeint, dass beim Kauf bzw. Verkauf von Unternehmensbeteiligungen bzw. Immobilien oder dem Börsengang das Kaufobjekt im Vorfeld des Prozesses geprüft wird. Im englischen Sprachraum sind noch weitere Prüfungen und freiwillige Auskunftserteilung eingeschlossen. Due-Diligence-Prüfungen (sinngemäß übersetzt als „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“) analysieren Stärken und Schwächen des Objekts sowie die Risiken des Kaufs oder Börsengangs. Der Begriff geht auf den Anlegerschutz zurück, welchen die US-amerikanische Aufsichtsbehörde 1933 einführte und zielt darauf ab, Informationsasymmetrien zwischen den Vertragsparteien abzubauen.24 Ein Unternehmenszusammenschluss birgt daher nicht nur die Chancen des beschleunigten Wachstums und einer gesteigerter Rendite, sondern auch das Risiko eines Fehlkaufs mit erheblicher Negativentwicklung der gesamten Company-Performance - insbesondere der finanziellen Situation des akquirierenden Unternehmens. Ziel einer Due-Diligence-Prüfung, also einer sorgfältigen Unternehmensprüfung, ist es, dieses Risiko durch eine umfassende Analyse und Evaluierung sowohl des Ziel- als auch des Käuferunternehmens zu minimieren. Daher spielt dieser Vorgang eine wichtige Rolle bei der bei der Wertfindung des Objektes. Unter der Due Diligence werden sämtliche Aktivitäten der Beschaffung, Überprüfung, Verdichtung, Aufbereitung, Analyse und Dokumentation von Informationen über potenzielle Partner verstanden, die im Rahmen von geschäftlichen Transaktionen – meist dem Kauf eines Unternehmens oder einer Fusion25, zum Zwecke der Informationsversorgung des Entscheidungsträgers, durchgeführt werden. Hierdurch soll die Qualität von Entscheidungen durch Chancen- und Risikoerkennung auf betriebswirtschaftlicher, steuerlicher und juristischer Ebene erhöht werden. Die Due Diligence erstreckt sich von der ersten Informationsbeschaffung in der Pre-Merger-Phase bis hin zum Akquisitions- bzw. Fusionscontrolling in der Post-Merger-Phase. Das Instrument der Due Diligence ist somit ein fester Bestandteil eines jeden M&A-Projekts. Durch eine systematische Prüfung im Rahmen einer geordneten Einbindung in den gesamten Akquisitionsprozess kann die Gefahr eines Misserfolges deutlich verringert werden, während zum einen bedeutende Inputs für die Risikobeurteilung und Vertragsgestaltung, zum anderen wesentliche Informationen zur Unternehmensbewertung sowie zur Preisverhandlung gegeben werden. Die Unternehmensbewertung ist Voraussetzung, um sich über den auszuhandelnden Kaufpreis einig zu werden. Grundsätzlich erfordert eine umfassende Due Diligence eine ganzheitliche Herangehensweise, indem zunächst sämtliche relevanten Aspekte wie Markt und Wettbewerb, Produktion und Technik, Rechnungswesen und Organisation, Recht und Steuern, Kultur und Psychologie nahezu gleichwertig behandelt werden.26 Anknüpfend daran werden besondere Analyseschwerpunkte gelegt, um die unternehmensspezifischen Kernfaktoren für den Erfolg bzw. den Misserfolg des Unternehmens zu ermitteln.27 Der Umfang der Due-Diligence-Prüfung richtet sich nach der Komplexität der Transaktion, der Qualität und Breite, der bereits vorhandenen Informationen des Käufers.
Käufer und Verkäufer vereinbaren den Zeitraum und Umfang für die Due-Diligence-Prüfung, dabei kann ggf. die Zahlung einer Gebühr vereinbart werden, falls ein Kauf nicht zustande kommt. Da die Due Diligence die Chancen und Risiken der Transaktion möglichst umfassend ermitteln soll, gliedert sich die diese in mehrere Bereiche. Die Literatur unterscheidet folgende Teile im Rahmen der Due Diligence, deren Gebiete sich jedoch überschneiden und somit eine klare Trennung zwischen den Teilbereichen in diesem Prozess nicht möglich ist:
Basic und External Due Diligence
Dieses Gebiet der Due Diligence gilt als ein vorgelagerter Prozess vor der Prüfung der anderen Teilbereiche, da hier funktionsübergreifende und allgemeine Daten über das Unternehmen und dessen Umfeld gesammelt werden. Bei der Basic Due Diligence wird zwischen öffentlich zugänglichen und unternehmensinternen Daten unterschieden. Zu den öffentlich zugänglichen Daten gehören beispielsweise die Rechtsform des Unternehmens, die Namen der Vorstände und mögliche Ansprechpartner für die Unternehmenstransaktion. Diese Angaben können bereits vor der eigentlichen Due Diligence und der Öffnung des Datenraums gesammelt werden. Bei den unternehmensinternen Daten handelt es sich um Informationen, die erst ab der Verhandlung mit dem Zielunternehmen zugänglich sind, sich aber keinen der noch folgenden Teilbereiche zuordnen lassen. Hierzu gehören beispielsweise Unternehmensgutachten, Wirtschaftsprüferberichte oder Protokolle der Vorstandssitzungen. Die External Due Diligence beschäftigt sich mit der Erfassung und Analyse gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Diese Form hat insbesondere bei grenzübergreifenden M&A Projekten oder bei stark international tätigen Unternehmen Relevanz. Zu untersuchende Gebiete sind hierbei die volkswirtschaftliche Lage der Länder, in denen das Zielunternehmen tätig ist sowie mögliche Entwicklungstendenzen in Bezug auf die innere Sicherheit oder die Gesetzgebung.28
Legal Due Diligence
Die Legal Due Diligence überprüft die internen und externen rechtlichen Verbindungen des Zielunternehmens. Zu den unternehmensinternen Rechtsstrukturen, die im Falle einer solchen Untersuchung analysiert werden, gehören exemplarisch die gehaltenen Beteiligungen an anderen Unternehmen durch das Zielunternehmen, Immobilienvermögen, Grundschulden oder Arbeitsverträge.29
Tax Due Diligence
Mit der optimalen steuerlichen Gestaltung der Transaktionen und den steuerlichen Risiken, die mit einer Übernahme des Zielunternehmens auf das akquirierende Unternehmen übertragen werden, befasst sich der Teilbereich Tax Due Diligence.30
Financial Due Diligence
Schwerpunkt der Financial Due Diligence ist die Analyse der finanziellen Lage des Zielunternehmens. Das Ziel dieser Prüfung ist die Validierung der Plandaten und eine Untersuchung der Verlässlichkeit und Qualität der Planung. Des Weiteren dient diese der Ermittlung des Wertes des Zielunternehmens und somit der Ermittlung des Kaufpreises.31
Commercial Due Diligence
Picot definiert die Zielsetzung der Market bzw. Commercial Due Diligence als „Aufdecken der unternehmens- und marktbezogenen Chancen und Risiken, welche die zukünftige Entwicklung des Unternehmens bestimmen und damit den Akquisitionserfolg der Transaktion absichern“.32 Neben der Ermittlung von Chancen und Risiken liefert sie wie die Financial Due Diligence einen Beitrag zur Ermittlung des Kaufpreises des Zielunternehmens, da die Unternehmensbewertung von den gegenwärtigen Kennzahlen der zukünftigen Entwicklungen des Unternehmens abhängt. Dadurch wird die vergangenheits- und gegenwartsbezogene Betrachtung der Financial Due Diligence durch eine zukunftsbezogene Analyse ergänzt. Die Commercial Due Diligence ergänzt die Financial Due Diligence außerdem in dem Aspekt, dass neben den internen Unternehmensdaten auch das externe Umfeld des Zielunternehmens beleuchtet wird. Insbesondere wird in der externen Analyse die Wettbewerbsposition des Zielunternehmens innerhalb der Branche sowie die Zukunftsträchtigkeit und künftige Entwicklung der selbigen untersucht.
Environmental Due Diligence
Dieser Bereich dient der Analyse möglicher Umweltrisiken in Bezug auf das Zielunternehmen sowie der Identifikation von zusätzlichen Kosten durch die Anpassung hinsichtlich umwelttechnischer Standards. Mögliche zu untersuchende Risikopotenziale sind beispielsweise der Standort, die Bebauungsart und die maschinelle Ausstattung des Zielunternehmens und die Umweltverträglichkeit der Produkte und Produktionsverfahren.33
IT- und Organisations-Due Diligence
Analyseschwerpunkt dieser Teilprüfung ist die Organisation des Zielunternehmens in aufbau- und ablauftechnischer Sicht und die IT-Prozessunterstützung. Insbesondere sollte in diesem Schritt eine mögliche Integration der IT-Systeme in das akquirierende Unternehmen nach der Transaktion untersucht werden, da dies mit hohen Kosten durch Störung der betrieblichen Abläufe und fehlendem Know-how verbunden sein kann. Faktoren, die in diesem Bereich untersucht werden, sind beispielsweise die Vertragslaufzeiten mit Hard- und Softwareanbietern, die Qualität der Management-Informationssysteme, die Abschätzung des Investitionsbedarfs in die IT und eine mögliche Kompatibilität mit den Systemen des akquirierenden Unternehmens.34
Human Resources Due Diligence
Bei der Human Resources Due Diligence werden Chancen und Risiken untersucht, die in Verbindung mit den beschäftigten Mitarbeitern des zu kaufendem Unternehmens stehen. Die Mitarbeiterstruktur des Zielunternehmens kann als Chance bzw. Potential betrachtet werden, insbesondere bei Transaktionen im Dienstleistungsbereich aufgrund der häufigen Immaterialität der Leistung. Im Rahmen dieser Prüfung kann beispielsweise die Personalstruktur des Zielunternehmens (Anzahl der Mitarbeiter, Alter, Qualifikation, Fluktuationsquote) aber auch Faktoren wie die prozentuale Gewerkschaftszugehörigkeit oder das betriebliche Verbesserungswesen untersucht werden.35
2.4 Digitalisierung
Eine einheitliche Definition des Begriffs „Digitalisierung“ ist kaum möglich, da mit diesem in der alltäglichen Sprache ein großes Spektrum an Inhalten abgedeckt wird. Ebenso kann sich die Bedeutung je nach Kontext ändern. Das Wort „Digitalisierung“ leitet sich vom lateinischen „digitus“ ab, das übersetzt so viel wie „Finger“ bedeutet. Grundlegend versteht die Literatur unter Digitalisierung das Überführen von analogen Daten in eine digitale Form. Die Daten werden für Maschinen lesbar gemacht. Das können beispielsweise Zeichen und Symbole aus Schriftsätzen, Bilder oder auch Töne sein, die in eine binäre Form (1 und 0) gebracht werden.36 Bei der Digitalisierung handelt es sich somit um einen in digitalen Technologien begründeten Prozess, der die Unternehmenswelt und ihre zugrundeliegenden Führungsperspektiven grundlegend verändert und mit einer wachsenden Immaterialisierung von Ressourcen, Prozessen und Produkten einhergeht. Die mit dem Einsatz neuer digitaler Technologien verbundenen gravierenden Veränderungen können unter dem Begriff der „digitalen Transformation“ zusammengefasst werden. Sie beeinflussen im ökonomischen Kontext die gesamte Wertschöpfungskette. Der Begriff „digitale Transformation“ ist wie auch „Digitalisierung“ aktuell nur sehr grob und ebenfalls nicht einheitlich definiert. Im Gegensatz zum Oberbegriff Digitalisierung wird unter digitaler Transformation im engeren Sinn die Umsetzung physischer (realweltlicher) Prozesse eines Unternehmens (Mikroebene) oder des gesamten Marktes (Makroebene) in digitaler Form und deren Verkettung verstanden. Das bedeutet, dass die realweltlichen Prozesse und auch Geschäftsmodelle um digitale Komponenten erweitert werden. Diese Aspekte ermöglichen es, beispielweise den Kunden neue Services anzubieten oder zur Steuerung und Kontrolle von Abläufen eingesetzt zu werden.37 Die digitale Transformation beschreibt den „grundlegenden Wandel der gesamten Unternehmenswelt durch die Etablierung neuer Technologien auf der Basis des Internets mit fundamentalen Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft“.38 Unternehmen sind durch die digitale Transformation gezwungen, ihre Strategien, Geschäftsmodelle und Investitionen im Hinblick auf die digitale Wirtschaft anzupassen und auf zukünftige Märkte auszurichten. Eine digitale Strategie eröffnet einem Unternehmen die Möglichkeit auf zukünftige Veränderungen zu reagieren, die Marktattraktivität zu steigern, die Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten und auf den gesellschaftlichen Druck einzugehen. Ursachen für die digitale Transformation sind die direkten und indirekten Technologieauswirkungen in Bezug auf Rahmenbedingungen und Strukturen des Wirtschaftens sowie auf völlig neuartige Produkt- und Dienstleistungsangebote. Besonders bedeutsame Technologiefelder sind in diesem Zusammenhang der Einsatz von Sensoren, die mobile Kommunikation, Big Data, das Maschinenlernen und KI, Mensch-Computer-Interaktionen, Simulationstechniken sowie der integrierte Einsatz solcher und weiterer Technologiefelder bei der Produktentwicklung (neue digitale Geschäftsmodelle), der Produktion (Industrie 4.0), der Vermarktung und der Kundeninteraktion.39
2.5 Digitale Reifegradmodelle
Um ein Unternehmen hinsichtlich seines digitalen Fortschritts bewerten zu können, benötigt es ein Reifegradmodell. Zunächst beziehen sich diese Modelle allgemein auf den Fortschritt der Entwicklung des Unternehmens bezüglich der Transformation. Das Ziel eines solchen Modells ist somit die objektive Bestimmung des Status quo des Unternehmens innerhalb eines Prozesses. Damit kann eine Grundlage geschaffen werden, Vergleiche und Fortschritte der Transformation zu verfolgen sowie Verbesserungsvorschläge und Handlungsempfehlungen abzuleiten.40 41 Es gibt sowohl Modelle, die komplette Unternehmen durchleuchten, als auch solche, die sich auf Bereiche des Unternehmens spezialisieren. Auch die Erstellung von Benchmarks und der Vergleich mit Best-Practices sind anhand von Reifegradmodellen möglich.42 Somit dienen diese unter anderem als Diagnoseinstrument.43 Daraus lässt sich schließen, dass es sich bei einem solchem Modell bzw. Digital Maturity Model um eine Methode bzw. ein Instrument handelt, um den Status quo und Fortschritt des digitalen Wandels zu bestimmen, zu steuern und zu gestalten.44
Die digitale Reife eines Unternehmens zeigt wiederum an, wie weit es im digitalen Transformationsprozess vorangeschritten ist und gibt Hinweise darauf, wie gut sich ein Unternehmen im Markt gegenüber der Konkurrenz behaupten kann. Je höher der Grad der Reife, desto eher ist ein Unternehmen in der Lage, flexibel zu reagieren und Innovationen umzusetzen.
Dieser digitale Reifegrad als Status der digitalen Transformation eines Unternehmens stellt somit eine spezifische Form eines Reifegradmodells für die digitale Transformation dar.45 Ein solches Modell ist hilfreich, da ein spezifisches Set an digitalen Fähigkeiten zu einem höheren digitalen Reifegrad führt, welches sich gemäß zahlreicher Studien stark positiv auf die Wettbewerbsvorteile, Kosteneffizienz und Unternehmensergebnisse auswirkt.46
3. Ablauf Digital Due Diligence
Die Übernahme eines Unternehmens oder der Erwerb einer Unternehmensbeteiligung und die damit einhergehende Unternehmensbewertung erfordern, dass sich die Beteiligten zuvor ein genaues Bild von der Situation des Unternehmens machen. Um zu einer Entscheidung über die Durchführung der Investition zu gelangen, sind verschiedene Informationen zu beschaffen, auszuwerten und zu verarbeiten. Aus den häufig reichlich vorhandenen Informationen sind diejenigen herauszufiltern, die für die Investitionsentscheidung relevant sind. Dies erfolgt in einem so genannten Due-Diligence-Prozess, in dem die bereitgestellten oder zu beschaffenden Informationen gesichtet und ausgewertet werden.47
Der Ablauf der Teildisziplin Digital Due Diligence erfolgt dabei schematisch und in ähnlichen Schritten wie andere Teildisziplinen der Due Diligence. Dabei ist es Unabhängig davon, ob der Grund für die Prüfung ein Börsengang oder eine Unternehmensakquisition ist. Dabei gliedert sich der allgemeine Due-Diligence-Prozess in die Phasen der Vorbereitung, der Zusammenstellung, der Analyse und Bewertung sowie der Berichterstellung (siehe Abbildung 3).48
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Allgemeiner Ablauf einer Due Diligence49
Die Vorbereitung beinhaltet die Planung, die Beteiligten, den inhaltlichen Umfang sowie die zeitlichen Ausmaße der Prüfung. Je komplexer das Zielunternehmen, dessen wirtschaftliche Aktivitäten und seine rechtlichen Beziehungen sind, desto mehr Zeit wird hier verwendet.
Die tatsächliche Durchführung der Due Diligence umfasst das Arbeiten der Teams an den jeweiligen Teilprüfungen. Dazu zählt das Sammeln, Sichten, Filtern und Analysieren aller notwendigen Informationen.50 Daneben werden Gespräche mit dem Management und den Mitarbeitern des Zielunternehmens sowie eine Betriebsbesichtigung durchgeführt. In der Informationsanalyse werden alle relevanten Daten aus der „Inwelt“ und der „Umwelt“ des Unternehmens gesammelt.
Alle im Laufe der Durchführung der Due Diligence festgehaltenen Informationen werden abschließend im sogenannten Due Diligence Report gesammelt. Dieser enthält die Dokumentationen der Prüfteams und gibt einen Überblick über alle relevanten Analyseergebnisse der verschiedenen Teilbereiche. Die Ergebnisse der Due-Diligence-Prüfung müssen stets nachvollziehbar sein und eine solide Entscheidungsgrundlage bieten. Dazu ist der Prüfungsprozess so zu organisieren, dass die wesentlichen Informationen erkannt, analysiert und Fehler und Versäumnisse möglichst vermieden werden.51 Auf Basis des Berichts treten die Vertreter der beauftragenden Partei beispielsweise in die Kaufverhandlungen, leiten eventuell notwendige Maßnahmen vor dem Börsengang ein oder legen ausgewählte Ergebnisse der Due Diligence einer Institution oder Behörde vor.
Die Digitalisierung hat nicht nur die Geschäftsmodelle von Unternehmen grundsätzlich verändert, sondern auch einen zunehmenden Einfluss auf Due-Diligence-Prüfungen im Rahmen von Unternehmenstransaktionen – insbesondere im kommerziellen Kontext. Einerseits ist der Anteil reiner Digital-Unternehmen in den Portfolios der Private Equity-Gesellschaften in den letzten Jahren stark angestiegen, andererseits sind traditionelle Unternehmen zunehmend digitalen Veränderungen und einem intensiveren digitalen Wettbewerb ausgesetzt.
In der Vergangenheit konzentrierte sich die Due Diligence auf finanzielle, operative, kommerzielle, steuerliche und rechtliche Themen. Daneben spielten HR, Umwelt sowie Technologie eine Rolle. Im heutigen digitalen Zeitalter drängen Überlegungen zu Digital Assets und Digital Debt in den Vordergrund, weshalb die Digital Due Diligence ein kritischer Bestandteil des Prozesses geworden ist. Jedoch werden lediglich die Abläufe oder Erfolgsfaktoren anderer Teilbereich in der Literatur beschrieben. Die Faktoren für eine erfolgreiche Durchführung einer Digital Due Diligence werden kaum bzw. nicht erwähnt. Der Grund dafür liegt darin, dass sich die Digital Due Diligence noch in der Anfangsphase befindet und nicht klar definiert ist. In der Literatur finden sich viele Ansätze aus der IT/ Software/ Technology Due Diligence oder klassische Commercial Due Diligence Ansätze mit Digitalisierungspunkten.
Insbesondere bei der Prüfung von reinen Online-Playern reicht es aber nicht mehr aus, den klassischen Commercial Due Diligence Ansatz zu verfolgen, da die Unterschiede zwischen den Wertschöpfungsmodellen zu hoch sind. Digitale Unternehmen sind „asset-light“, hoch skalierbar und in der Regel internationaler ausgerichtet. Zusätzlich unterscheiden sich die digitalen zu den traditionellen Unternehmen hinsichtlich der Sales Engine, der Kultur und dem Team. Dies erfordert den gezielten Einsatz digitaler Werkzeuge und Methoden und ein fundiertes Verständnis digitaler Geschäftsmodelle wie beispielsweise E‑Commerce, Marketplace, Network. Im Gegensatz zu der Commercial Due Diligence konzentriert sich die reine IT-Due Diligence wiederum besonders auf die Kosten und Kostenentwicklung der IT-Gebiete Infrastruktur, Anwendungen und IT-gestützte Geschäftsprozesse einschließlich des IT-Umfeldes und der -Organisation. Themenfelder wie das Verfolgen einer Digitalisierungsstrategie sowie die Zukunftsfähigkeit der angebotenen Produkte werden bei der Prüfung nicht abgedeckt.
Die Digital Due Diligence hat einen anderen Fokus und greift zukunftsorientiert verschiedenste Aspekte der Digitalisierung auf. Die internen und externen Analysen bei einer Digital Due Diligence werden in den nächsten Kapiteln allgemein beschrieben. Eine genaue Aussage, ob und in welchem Maß die Analysepunkte oder Abläufe für zu einer erfolgreichen Digital Due Diligence führen können, kann jedoch erst in Kapitel 6 gegeben werden.
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1 Vgl. Reifenberger (2017)
2 Vgl. Fränkel (2019)
3 Vgl. Sambol (2019), S. 39
4 Vgl. Sambol (2019), S. 38
5 Vgl. Sambol (2019), S. 39
6 Vgl. Berens (2019), S. 817
7 Vgl. Berens (2019), S. 817
8 Vgl. Göbel (2006), S. 2
9 Vgl. Fränkel (2019)
10 Vgl. Nölle (2009), S. 11
11 Vgl. Schacht (2005), S. 15
12 Vgl. Voigt (2005), S. 14
13 Vgl. Ernst et al. (2018), S. 2
14 Vgl. Ernst et al. (2018), S. 2
15 Vgl. Ernst et al. (2018), S. 9
16 Vgl. Ernst et al. (2018), S. 5
17 Vgl. Voigt (2005), S. 14
18 Vgl. Ernst et al. (2018), S. 14
19 Vgl. Picgot (2008), S.26
20 Vgl. Jansen (2016), S. 130
21 Vgl. Jansen (2016), S. 130
22 Vgl. Picgot (2008), S.31-36
23 Vgl. Picgot (2008), S.450-451
24 Vgl. Beisel (2010), S. 17
25 Vgl. Koch et al. (1998), S.14-24
26 Vgl. Niederdrenk (2017), S. 8
27 Vgl. Bloech (2005), S. 126
28 Vgl. Picot (2008), S. 173-175
29 Vgl. Picot (2008), S. 182-183
30 Vgl. Picot (2008), S. 183-184
31 Vgl. Lucks (2015), S. 336
32 Picot (2008), S. 178
33 Vgl. Picot (2008), S. 189-190
34 Vgl. Picot (2008), S. 190-191
35 Vgl. Picot (2008), S. 184-189
36 Vgl. Raos (2021), S. 5
37 Vgl. Raos (2021), S. 7
38 Schallmo (2017), S. 4
39 Vgl. Schellinger (2020), S. 2
40 Vgl. Becker et al. (2019), S.249
41 Vgl. Röglinger et. al. (2012), S. 4
42 Vgl. Bley et al. (2020), S. 337
43 Vgl. Grande (2014), S. 3
44 Vgl. Rossmann (2016), S. 3
45 Vgl. Bruhn (2020), S. 69
46 Vgl. Westerman et al. (2011)
47 Vgl. Schacht (2005), S. 35
48 Vgl. Schacht (2005), S. 47
49 Eigene Darstellung
50 Vgl. Schacht (2005), S. 49
51 Vgl. Schacht (2005), S. 35
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