Die Fotografietheorien von Roland Barthes und Walter Benjamin in Bezug auf die Werke Andreas Gurskys


Hausarbeit (Hauptseminar), 2021

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Roland Barthes und die Fotografie
2.1 Zur Ästhetik der Fotografie
2.2 Studium und Punctum

3. Walter Benjamin und die Fotografie
3.1 Die Reproduktion des Kunstwerks
3.2 Kulturwert und Aura

4. Andreas Gursky und die Fotografie
4.1 Pyongyang I (2007)
4.2 Politik II (2020)

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Fotografie ist mittlerweile ein zentraler Bestandteil unseres Zusammenlebens. Sie ist zugleich Kommunikationsmittel als auch eine Form der künstlerischen Darbietung, die seit dem 19. Jahrhundert präsenter und gesellschaftsfähiger wurde. Nicht ohne Grund konsolidieren sich Firmen rund um die bildliche Ausgestaltung ihres Angebots, indem sie den Nutzern die Möglichkeiten der digitalen Bildkultur näherbringen, wie es beispielsweise bei dem Tochterunternehmen Facebooks Instagram der Fall ist.

Fotografien sind aber weitaus mehr als die heutige Form des digitalen Bildes, sondern sie spiegelten bereits Ende des 19. Jahrhunderts die Faszination der Wissenschaft für eine scheinbar vollkommen objektive Erfassbarkeit der Welt wider. So kreisen nicht erst die heutigen Fragen zur Fotografie um die Zweigliedrigkeit ihrer selbst zwischen Kunst und reiner technischer Reproduktion, sondern die Frage des Kunststatus sollte 1859 erstmals auch die Pariser Fotoausstellung beschäftigen. Hierbei wurde vor allem von den Kritikern der Fotografie angeführt, dass diese den Künstler1 in seiner freien Entfaltung beschneide, da er nur das zeichnen solle, was er auch tatsächlich sieht und fühlt. Gerade diese Zuschreibung, die Fotografie impliziere ein festes gedankliches Ziel scheint sich hier als ihr größter Makel aufzutun.

„Dieser subjektive Stempel, den der Fotograf den Bildern aufdrücken müsse, sei unabdingbare Voraussetzung für die Anerkennung der Fotografie als Kunst,“2 so heißt es in einem aktuellen Werk, herausgegeben von Bernd Stiegler. Dieser subjektive Stempel ist aber in der Fotografie nicht eindeutig, da die Veränderungen, die der Fotograf seinem Werk aufzwingen könnte, immer nur das Gesamte und nie die Teile oder die Nuancen in den Blick nehmen.

Im Besonderen zeigte sich die Fotografie Ende des 19. Jahrhunderts durch ihre teilweise angsterweckenden Apparaturen, die beispielsweise in der Porträtfotografie für die Ruhigstellung des Zu-Fotografierenden genutzt wurden, als ein Mittel einer fortschreitenden Mechanisierung zahlreicher gesellschaftlicher Bereiche. Insbesondere der Beginn der Industrialisierung in Deutschland bescherte der Fotografie einen regelrechten Aufschwung, da sie das Bild einer von Maschinen geprägten Zukunft noch verstärkte.

Neben zahlreichen Vertretern der Kunst (Baudelaire, Crary, Koloff uvm.) machten sich auch Walter Benjamin und Roland Barthes zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und dem Ende des 20. Jahrhunderts das Thema der Fotografie zu Eigen und entwarfen beide ihre Sichtweise auf diese Kulturtechnik in unterschiedlicher Tiefe und Herangehensweise. Roland Barthes veröffentlichte 1980 sein französisches Werk La Chambre Claire, welches unter dem deutschen Titel Die helle Kammer 1989 im Suhrkamp Verlag erschien. Walter Benjamin veröffentlichte sein Werk Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit 1939.

In der folgenden Arbeit möchte ich mich nun mit den beiden Fotografietheorien von Barthes und Benjamin auseinandersetzen und sie im Anschluss auf die Werke des zeitgenössischen Künstlers Andreas Gursky anwenden, da sie zentrale Aspekte enthalten, die für die Rezeption heutiger Fotografien von zentraler Bedeutung sind. Insbesondere erfährt die Frage einer realen Reproduktion von Objekten durch die Fotografie bei Andreas Gursky einen Wandel, der sich insbesondere durch die Möglichkeiten der digitalen Bearbeitung von Fotos zunehmend beschleunigt. Hierzu werde ich mich zunächst mit Roland Barthes Werk Die helle Kammer beschäftigen.

2. Roland Barthes und die Fotografie

2.1 Zur Ästhetik der Fotografie

Was die PHOTOGRAPHIE anlangte, so hielt mich ein ››ontologischer‹‹ Wunsch gefangen: ich wollte unbedingt wissen, was sie ››an sich‹‹ war, durch welches Wesensmerkmal sie sich von der Gemeinschaft der Bilder unterschied.3

Mit seinem Werk Die helle Kammer formulierte Barthes 1989 seine Sicht auf die Fotografie und verdeutlichte dies an mehreren Abbildungen, die in einem engen Zusammenhang mit seinem subjektiven Erleben ausgewählter Fotografien, unter anderem von seiner Mutter, stehen. Mit seinem 1989 erschienenen Werk folgt Barthes einer Reihe weiterer Abhandlungen zur Fotografie. Darunter fallen seine Werke: Die Photographie als Botschaft (1961), Rhetorik des Bildes (1964), Über die Photographie (1980) und Proust und die Photographie. Durchsicht eines wenig bekannten photographischen Archivs. Seminar (1980).4

In Die helle Kammer entwickelt Barthes seine Idee der Fotografie auf Basis seiner bis 1989 veröffentlichten Texte in einer autobiografischen Form weiter. Er bezieht sich im ersten Teil seines Werks stark auf die rein theoretisch angelegte Auseinandersetzung mit der Fotografie, um sich sodann im zweiten Teil mehr und mehr mit dem persönlichen Erleben ausgewählter Fotografien von seiner Mutter auseinanderzusetzen. Das Foto, so Barthes, ist eines, das drei Tätigkeiten miteinander in Beziehung setzt und daher den Fotografen ( Operator ), den Betrachter ( Spectator ) und das Objekt ( Spectrum ) in Relation zueinander setzt5.

Die Fotografie „[steht] in technischer Hinsicht am Kreuzweg zweier vollkommen verschiedener Prozesse.“6 Der eine basiert für Barthes auf der chemischen Reaktion der Lichtstrahlen mit den Silbersalzen und der andere auf der physikalischen Entstehung des Bildes durch eine technische Vorrichtung. Jedoch offenbart sich für Roland Barthes in der Fotografie und insbesondere im Handeln des Operators eine Objektifizierung der eigenen Person, in der Hinsicht, „daß die PHOTOGRAPHIE meinen Körper erschafft oder ihn abtötet […]. Zweifellos ist die Existenz, die mir der Photograph verleiht, nur eine metaphorische.“7 Diese metaphorische Existenz gründet insbesondere in der Frage der Heautoskopie der frühen Porträtmalereien, die sich, bereits deutlich früher als die Fotografie es möglich werden ließ, als Möglichkeit zeigte, den eigenen Körper, das eigene Bild durch das „Sich-Selbst-sehen“8 wahrzunehmen. Doch die Fotografie ist vielmehr nun ein „Auftreten meiner selbst als eines anderen: eine durchtriebene Dissoziation des Bewußtseins von Identität.“ Genau dies ist der Beginn, so Barthes, einer Veränderung in der Porträtdarstellung bzw. -fotografie: „Die PHOTOGRAPHIE hat das Subjekt zum Objekt gemacht und sogar, wenn man so sagen kann, zum Museumsobjekt […].“9

Dieses Objekt-Werden lässt den persönlichen Charakter eines fotografischen Referenten ( Spectrum ) verschwinden und degradiert es zu einem toten Objekt, das „GANZ UND GAR BILD geworden“10 ist. Im Gegensatz zu dieser Entwicklung zeigt sich die stärkere Fokussierung auf den Fotografen, der „im wesentlichen Zeuge seiner eigenen Subjektivität ist bzw. der Art und Weise, wie er sich selbst als Subjekt gegenüber einem Objekt darstellt.“11

Für Barthes spielt die Frage nach dem „ganz und gar Bild werden“, „dem Tod in Person“ eine entscheidende Rolle, da sie bereits aus seinem Werk Der Tod des Autors bekannt ist und hier eine neue Dimension erfährt. Wird der Fotografierte „ganz und gar Bild“ und verblasst durch die Fotografie das Bild, das wir selbst von uns in der Erinnerung zeichnen? Insbesondere die Verknüpfung Barthes‘ von Theater und Fotografie im Gegensatz zu Malerei und Fotografie zeigt die Relevanz, die er dem Tod einräumt. Das Theater ist stärker mit der Fotografie verbunden, da sie ähnliche Züge aufweist wie die geschminkten Schauspieler, die sich durch ihre Schminke zu einem Objekt zweier Realitäten entwickeln: einem der Lebenden und einem der Toten.12 13

Barthes‘ Todesmetaphorik steht die Frage entgegen, weshalb einzelne Fotografien einen stärkeren Anreiz haben, betrachtet zu werden als andere. Für Roland Barthes ist die Entscheidung für oder gegen ein Foto insbesondere durch den Grad des Abenteuers eines Bildes gekennzeichnet:

Daher schien mir, daß das treffendste Wort zur (vorläufigen) Bezeichnung der Anziehungskraft, die bestimmte Photos auf mich ausüben, das des Abenteuers sei. Das eine Photo kommt bei mir an [m’advient], das andere nicht.14

Die Frage des Abenteuers ist zudem eine Frage der, wie Barthes es nennt, Beseelung. Die Fotografie, die besticht, zeichnet sich durch die Fähigkeit aus, den Spectator zu beseelen oder treffender, zu beleben.15 16 Außerdem, so führt Barthes weiter aus, bestehe in einer Fotografie von Koen Wessing: Nicaragua – Die Armee patrouilliert auf den Straßen (1979) das Abenteuer in der heterogenen Verschaltung zweier gänzlich konträrer Welten, die der Nonnen und die der Soldaten.17

Außerdem ist das Hervortreten des Referenten in der Fotografie für Roland Barthes als elementar anzusehen. Die „notwendig reale Sache, die vor dem Objektiv platziert war und ohne die es keine Photographie gäbe.“18 Diese Idee der Fotografie stellt für Barthes insbesondere die Verschränkung von Realität und Vergangenheit dar, indem sie auf das Noema, den Sinngehalt eines Fotos Bezug nimmt.19 Ein Foto ist somit nicht von seiner weltlichen Referenz zu trennen und spaltet sich durch diesen Umstand ebenfalls von der Malerei ab.20 Hinzu tritt für Roland Barthes die Faktizität des „Es-ist-so-gewesen“, da die Herkunft der Fotografie für Barthes aus der Chemie begründet wird, die durch den Herstellungsprozess maßgeblich zur Emanation des Referenten geführt hat, indem sie es ermöglichte, Lichtstrahlen, die von einem real existierenden Objekt zurückgeworfen werden, sichtbar zu machen.21 22 Somit weist Barthes auf den Umstand hin, dass „was die PHOTOGRAPHIE endlos reproduziert, hat nur einmal stattgefunden: sie wiederholt mechanisch, was sich existentiell nie mehr wird wiederholen können.“23 Vielmehr ist die Fotografie als Vertreterin eines „Vergangenen Wirklichen“24 anzusehen, da es die Zeit und nicht das Objekt ist, welche den Zeugenstatus der Fotografie ausmachen.25

Allerdings begegnet die Fotografie in modernen Gesellschaften einem starken Wandel, der sich u.a. in der Rezeptionsweise ihrer Produkte erschöpft. So stellt Barthes fest, dass „die Lektüre öffentlicher Photographien im Grunde genommen stets eine Privatlektüre [ist].“26 Die zunehmende Berichterstattung über Stars ist, so Barthes, ein solcher Ausdruck. Das Private tritt in die öffentliche Rezeption ein und „liest sich wie die private Erscheinung seines Referenten.“27

2.2 Studium und Punctum

Um die Rezeption einer Fotografie nun genauer zu verdeutlichen, verweist Roland Barthes in seinem Werk auf zwei zentrale Wahrnehmungsqualitäten hin, das Studium und das Punctum.

Für Roland Barthes ist somit die Reaktion auf das bewusste Erleben einer Fotografie zweigeteilt. „››Studium‹‹ bedeutet [...] die Hingabe an eine Sache, das Gefallen an jemandem [...].“28 Es stellt die intrinsische Motivation des Spectator dar, die gesellschaftlichen und kulturellen Ereignisse, die zu erkennen sind, wahrnehmen und einordnen zu können. Für ihn sind Kultur und Studium zwei zusammen zu denkende Erscheinungen des menschlichen Lebens – „eine Art allgemeiner Beteiligung“29. Es ist der Inbegriff einer einfachen Neigung – gut oder schlecht, „[es] gehört zur Gattung des to like und nicht des to love.“30 Anne-Kathrin Reulecke fasst diese Auffassung mit den Begriffen der moralischen und ästhetischen Codierung eines Fotos31 zusammen und verweist auf die gesellschaftlichen Werte und Auffassungen, indem das Studium Interpretationsmöglichkeiten bietet und Funktionen von Fotografien offenlegt. Es ist ganz und gar eine Kulturtechnik und keinesfalls eine bloße Gefühlsregung.

Das Studium und die Art der Fotografie hängen nach Barthes eng miteinander zusammen. Es ist die einförmige Fotografie, die mit dem Studium oftmals verknüpft ist und die Wirklichkeit emphatisch darzustellen versucht. Dabei sind für Barthes insbesondere pornografischen Bilder sowie Reportagefotos Beispiele für einförmige Fotografien. Erstere aus dem Grund, dass sie nicht durch das Spiel von Verdecken und Offenlegen Interesse wecken, wie es die erotischen Fotografien versuchen, sondern „naiv, absichtslos und ohne Kalkül“32 wirken.

Die Pornographie stellt gewöhnlich das Geschlecht dar, sie macht ein unbewegtes Objekt (einen Fetisch) daraus, beweihräuchert wie ein Gott, der seine Nische nicht verläßt [...]. Die erotische Photographie hingegen macht das Geschlecht nicht zum zentralen Gegenstand [...].33

Letztere aus dem Grund, dass sie nur „registriert“ werden und in ihrer Art zwar schockieren oder überraschen können, aber niemals in das Bewusstsein des Betrachters aufsteigen.34 Sie bleiben lediglich eine Form der Auseinandersetzung mit der Kultur einer Gesellschaft.

Die PHOTOGRAPHIE ist einförmig, wenn sie die »Realität« emphatisch transformiert, ohne sie zu verdoppeln oder ins Wanken zu bringen (die Emphase ist eine bindende Kraft): kein Dual, kein Dativobjekt, keine Interferenz.35

Letztendlich ist das Studium daher immer eine Art Kodierung der Fotografie, die es notwendig macht, Objekte und Gefühle benennen und kulturell einordnen zu können.36 Kathrin Yacavone schreibt dazu:

Barthes argues that the studium corresponds to culturally determined aspects of the image, including its theme, content and presentation. It thus resembles the connoted message of the photograph, as defined in his earlier semiotic works.37

Demgegenüber steht für Barthes „das P unctum, das ist jenes Zufällige an [einer Fotografie], das mich besticht.38 Er vergleicht es mit einer Art Stich, der einen plötzlich trifft und somit das S tudium beeinflusst und unterbricht. Die fehlende Kodierung und die fehlende Einordbarkeit in kulturelle Riten prägen das Punctum, da es eine in der Folge zutiefst individuelle Ebene der Rezeption offenbart. Für Barthes ist die Trennung zwischen Studium und Punctum keinesfalls eindeutig, sondern vielmehr ein gleichzeitiges Auftreten von Zusätzen, die der Betrachter der Fotografie bei der Rezeption hinzufügt.39 So treten durch das Studium die kulturell tradierten Wertekonzepte sowie historisches Wissen zur Fotografie hinzu und durch das Punctum die individuell-nicht-objektiven Gefühlsregungen. „Und noch ein Letztes zum Punctum : ob es nun deutliche Konturen aufweist oder nicht, es ist immer eine Zutat: es ist das was ich dem Photo hinzufüge und was dennoch schon da ist.“40

Michael Fried stellt im Zusammenhang mit Barthes Idee des Punctum fest: „The punctum, we might say, is seen by Barthes but not because it has been shown to him by the photographer, for whom it does not exist […].“41 In dieser Aussage simplifiziert sich zugleich auch die Frage nach der Kraft des Punctums dahingehend, dass es zwar als ein Detail benannt werden kann, aber somit dennoch über das Foto und seine Elemente hinausweisen kann, ohne dass der Operator es intentional beeinflussen muss.

Das Detail, welches Barthes als das stark individuell geprägte Besondere einer Fotografie beschreibt, hat jedoch nicht unmittelbaren Einfluss auf die Rezeption eines Fotos. Vielmehr, so schreibt Barthes, offenbare sich seine Deutlichkeit erst, wenn man das Foto nicht mehr vor Augen hat. Allerdings, so Barthes, tritt insbesondere in den neuen und modernen Gesellschaften des 20. und 21. Jahrhunderts nicht mehr nur die Ebene der Details einer Fotografie im Punctum zu Tage, sondern nun „[ist es eines] der Dichte, [es] ist die ZEIT, [es] ist die erschütternde Emphase des Noemas (››Es-ist-so-gewesen‹‹) [...]“.42 43

Time, in Barthes’s sense of the term, funtions as a punctum for him precisely because the sense of someting being past, being historical, cannot be perceived by the photographer or indeed by anyone else in the present.44

Diese neue Form des Punctum ist das Kernelement der historischen Fotografie, da sie zwangsläufig eine zukunftsweisende Interpretation bereitstellt. Das Foto wird dadurch zu einem Spiegel der zeitlichen Veränderung von Individuen und Objekten, denn „in jedem Photo, [...]stets dieses unabweisbare Zeichen meines künftigen Todes enthalten ist [...]“45.

Vielmehr stellt die Fotografie für Barthes daher aber eine Möglichkeit dar, Verstorbene in Erinnerung zu behalten und somit in einen gedanklichen Raum zu überführen, in dem das Punctum, das Besondere der Person „als Ab- und Anwesende zugleich“46 markiert ist. Im Grundsatz lassen sich somit die beiden Begrifflichkeiten – Studium und Punctum – auch auf Barthes frühere Abhandlung über die Lust am Text beziehen, indem:

Das »studium« als Kulturelles der »Lust« bzw. dem »Lustprinzip« [entspricht], wohingegen das »punctum« als Kontingentes und Uncodierbares der »Wollust« bzw. dem »Todesprinzip« anzunähern wäre.47

3. Walter Benjamin und die Fotografie

3.1 Die Reproduktion des Kunstwerks

Als Walter Benjamin 1936 sein Werk Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit verfasste, war das mediale Echo weitestgehend verhalten. Vielmehr erlebte Benjamins Werk Mitte der 60er Jahre seinen eigentlichen Aufschwung. Walter Benjamin verfasste es sowie Die kleine Geschichte der Photographie zu einer Zeit, als er noch bei Theodor W. Adorno im Institut für Sozialforschung arbeitete.

Das Kunstwerk sei schon immer reproduzierbar gewesen, so schreibt es Benjamin gleich zu Anfang seines Werks. Die Vervielfältigungsformen hätten sich allerdings verändert, da nun nicht mehr nur die Lithografie oder der Kupferstich Möglichkeiten der Reproduktion boten, sondern auch und immer stärker die Fotografie eine Rolle hierbei spielte. Die Veränderung von rein manueller, durch Hände vollbrachter Reproduktion wurde alsbald durch die Fotografie als obsolet betrachtet und von nun an war „die Hand im Prozess bildlicher Reproduktion zum ersten Mal von den wichtigsten künstlerischen Obliegenheiten entlastet, welche nun seiner mehr dem ins Objektiv blickenden Auge allein zufielen.“48

Die immer weiterwachsenden technischen Möglichkeiten, mithilfe derer Kunstwerke fotografisch reproduziert werden konnten, machten es im 19. und 20. Jahrhundert notwendig, die Frage nach Original und Kopie zu bestimmen. Für Walter Benjamin spielt insbesondere die Zeit und der Ort des Kunstwerks eine zentrale Rolle: „Das Hier und Jetzt des Originals macht den Begriff seiner Echtheit aus.“49 Darüber hinaus spielen zwei zentrale Elemente eine Rolle bei der Unterscheidung zwischen Reproduktion und Original. Das Hier und Jetzt, wie es Benjamin beschreibt, kann nicht transformiert werden und findet sich damit auch nicht in der Kopie wieder.50 Vielmehr scheint es eine Transformation des Originals hin zum Reproduzierten zu geben, die allerdings mit einem Gewinn an Eigenständigkeit der Kopie einhergeht.

Der Gedanke Benjamins über die Frage nach Original und Reproduktion findet sich auch später im Werk von Roland Barthes wieder. Für ihn ist insbesondere die Faktizität einer Fotografie – das „Es-ist-so-gewesen“ – der entscheidende Aspekt, der ein Foto ausmacht und durch den es sich von der Malerei unterscheidet.51 So bestätigt die Fotografie das Original in nie zuvor erfahrbarer Art und Weise, indem in ihr das „Bestätigungsvermögen den Vorrang vor der Fähigkeit zur Wiedergabe“52 hat.53

Die Fotografische Reproduktion bietet durch ihren Reichtum an Einstellungen dem Fotografen die Möglichkeit, ein neues Arrangement des Fotos durch Hervorhebung oder Auslassung, durch Veränderung der Helligkeit oder des Blickwinkels, zu kreieren. Außerdem, so Benjamin, „kann [die Reproduktion] zudem zweitens das Abbild des Originals in Situationen bringen, die dem Original selbst nicht erreichbar sind.“ Insbesondere die wachsende Verbreitung von Tonträgern für zu Hause oder die Verfügbarkeit von Ansichtskarten weit entfernter Tempelanlagen für zuhause stellten eine Form der Veränderung der Kunstwerke durch Reproduktion dar. Die Entnahme der Objekte aus ihrem direkten Wirkungszusammenhang ist somit eines der zentralen Merkmale der Kopie.

Doch nicht nur der Ort und die Zeit spielen für das reproduzierte Kunstwerk eine Rolle, sondern vielmehr ist es seine Echtheit, seine Einbettung in die kulturelle Praxis. Benjamin formulierte es in seinem Werk so: „Die Echtheit einer Sache ist der Inbegriff alles von Ursprung her an ihr Tradierbaren, von ihrer materiellen Dauer bis zu ihrer geschichtlichen Zeugenschaft.“54 Die Herauslösung des Kunstwerks aus seiner Tradition stellt den Kern der massenweisen Verbreitung von Kunstwerken dar, denn dadurch löse sich die Einmaligkeit eines Kunstwerks zugunsten eines massentypischen reproduzierten auf. Benjamin fasst diese Veränderung vor allem mit dem Begriff der Aura zusammen. Hierauf wird im Folgenden noch eingegangen.

Entscheidend für die Ähnlichkeit von Original und Kopie ist aber vielmehr in der Fotografie, dass, so Benjamin, die Fotografie allenfalls eine „Kunstleistung“ des Fotografen, nicht jedoch selbst ein Kunstwerk darstellt. Walter Benjamin umreißt auch in seinem Kunstwerkaufsatz die Relevanz des Films für die Reproduktionsdiskussion. Darauf soll hier nur am Rande eingegangen werden, da sich einerseits Elemente des Films in der Fotografie widerspiegeln, aber andererseits keine Gleichwertigkeit des Films und der Fotografie besteht. Jedoch betont Benjamin einen Aspekt des Films, der auch in der heutigen Fotografie stärker in den Fokus rückt: „Das Kunstwerk entsteht hier im besten Fall erst auf Grund der Montage.“55 Diese Montage und Zusammenarbeit von unterschiedlichen Fachleuten bei der Produktion eines Films beschreibt Benjamin als eine Art „Testleistung“ und schafft somit die Grundlage für eine Diskussion über die heutigen Eingriffe in die Fotografie, die in zahlreichen Fällen besondere Elemente, wie man es bei der Werbefotografie zuweilen findet, hervorzuheben versucht oder durch gezielte Nachbearbeitung das Wesen des Fotografierten im Nachhinein neubestimmt.

Burkhardt Lindner schreibt in seinem Nachwort in der Reclam Ausgabe zum Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, dass „mit dem Film [...] das Filmbare hervortritt. Insofern handelt es sich nicht um bloße Re-Produktion, sondern um die Produktion von Reproduzierbarkeit.“56 Dieser Aspekt betrifft allerdings nicht nur den Film, sondern insbesondere auch die Fotografie, die sich immer stärker als Massenmedium begreift und somit einer breiteren Masse zugänglich wird. Im Gegensatz zu diesem Massenerleben der Fotografie stand zur Zeit der Malerei das Phänomen des hierarchisch-strukturierten Erlebens von Kunstwerken:

In den Kirchen und Klöstern des Mittelalters und an den Fürstenhöfen bis gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts fand die Kollektivrezeption von Gemälden nicht simultan, sondern vielfach gestuft und hierarchisch vermittelt statt.57

Roland Barthes bezieht sich ebenfalls auf die veränderte Rezeptionsweise von Fotografien im 20. und 21. Jahrhundert. Er sieht sie ähnlich wie Benjamin in der Transformation von den privaten Fotografien hin zu eben solchen, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und dadurch die Privatheit Einzelner gesellschaftliche Präsenz erfährt: „Jedes Photo liest sich wie die private Erscheinung seines Referenten.“58

3.2 Kulturwert und Aura

„In der Photographie beginnt der Ausstellungswert den Kultwert auf der ganzen Linie zurückzudrängen.“59 So beginnt Walter Benjamin seine Abhandlung über den Kultur- und Ausstellungswert. Die Frage der Präsenz der Fotografie im Gegensatz zur Malerei erschöpft sich immer stärker in ihrer Funktion – bei Benjamin vor allem als Massenmedium. Insbesondere der Verlust des Menschen in den Fotografien des 20. Jahrhunderts wirkt als Beschleuniger dieser Entwicklung, die sich vor allem in den Werken von Atget60 zeigt. Daraus geht auch das vorherrschende Ziel neuerer Fotografien, ähnlich wie das des Films, hervor: „Sie fordern schon eine Rezeption in bestimmtem Sinne.“61 Daher ist die Interpretation einer Fotografie für Benjamin weitaus stärker eingebunden in Deutungsmuster – man könnte fast von einer Politisierung des Bildes sprechen, die es so zuvor nicht gab. Um diesen Aspekt zu verstehen, ist die Auseinandersetzung mit der Schaffenszeit Benjamins notwendig. Benjamin verfasste seinen Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit 1935 in seinem Pariser Exil. Zentral für seine Ansicht einer Ästhetisierung der Politik ist das Aufkommen und vor allem stärkere Auftreten des Faschismus und die Sorge vor einem Krieg der Nationalsozialisten. Insbesondere die neuen Reproduktionstechniken in der Fotografie als auch im Film werden als Medium der Massenrezeption immer bekannter und häufiger genutzt:

Benjamins neue Konzepte stellen nach wie vor ein Reflexionsangebot dar und ermöglichen Perspektivierungen, die die Historizität, die Gefahren, insbesondere aber das Potential neuer massenkultureller Entwicklungen reflektieren und die Theorie der Kunst im Zeichen der modernen Massenkultur fortzuentwickeln erlauben.62

Die Fokussierung der Fotografie sowie des Films auf die Masse zeigt sich zudem in Produktionen wie der Wochenschau, die sich als propagandistisches Flugblatt auf einer Linie mit der visuellen Realisierung von Propagandareden, Festaufzügen und kriegerischen Auseinandersetzungen befindet. Diese düstere Prognose zeichnet Benjamin insbesondere im Hinblick auf den Film, allerdings ist dieses Phänomen diesem nicht inhärent und so erzeugen auch frühe Fotografien von Massenveranstaltungen eine auf die Kollektivrezeption konzentrierte Reproduktion.

Abseits des Diskurses über die Frage nach der beschleunigenden Wirkung der technischen Reproduzierbarkeit im Hinblick auf die Fotografie als Massenmedium zeigt sich ebenfalls ein weiterer Verlust: der Verlust der Aura. Der Begriff Aura stammt ursprünglich aus dem Griechischen und meint zumeist eine „Ausstrahlung einer Person oder eines Gegenstandes“63. Kunstwerke sind demnach auratisch, da sie „ihre ursprüngliche religiöse Funktion als Kultgegenstände im Ritual auch in säkularisierten Zusammenhängen zunächst noch bewahren [...].“64

In der viel zitierten Definition von Walter Benjamin heißt es dazu:

Was ist eigentlich Aura? Ein sonderbares Gespinst aus Raum und Zeit: einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag. An einem Sommermittag ruhend einem Gebirgszug am Horizont oder einem Zweig folgen, der seinen Schatten auf den Betrachter wirft, bis der Augenblick oder die Stunde Teil an ihrer Erscheinung hat – das heißt die Aura dieser Berge, dieses Zweiges atmen.65

Benjamin begründet somit seine Definition mit einem naturnahen Vergleich. Die Besonderheit der auratischen Fotografie der Anfangszeit liegt offenbar in deren Einmaligkeit – expliziter in ihrem Hier und Jetzt. Das Eingebettetsein in einen Traditionszusammenhang und die Einmaligkeit ist der Kern der Aura. Die zunehmende Veränderung der Kunst, insbesondere durch die Fotografie und den Film „ist die Signatur einer Wahrnehmung, deren ››Sinn für das Gleichartige in der Welt‹‹ so gewachsen ist, daß sie es mittels der Reproduktion auch dem Einmaligen abgewinnt.“66 Roland Barthes führt diesen Gedanken der auratischen Erscheinung von Fotografien und ihren Referenten weiter und bringt ihn in der Folge in Die helle Kammer auf den Begriff des Punctum. Dies legt nahe, dass Barthes die Formulierung des Optisch-Unbewussten von Benjamin durch das Detail einer Fotografie weiterentwickelt: „In der Tat wird Barthes‘ punctum als Detail für gewöhnlich als Nachfolger von Benjamins historischer Bestimmung der Neuartigkeit der Photographie verstanden […].“67

Die veränderte Funktion von Kunstwerken und damit auch von Fotografien beschreibt Walter Benjamin mit dem Gegensatz von Kult- und Ausstellungswert. Ersterer „zeichnet die numinose Präsenz des Heiligen oder wenigstens eines überalltäglichen Werteensembles im Werk selbst [...].“68 Die Präsenz des Tradierten und der Kultur ist in Benjamins Begriff des Kultwerts allgegenwärtig und stellt dadurch den Kern der frühen Fotografien des 19. Jahrhunderts dar, die durch die umfassenden Porträtaufnahmen eben jenen Hauch einer vergangenen Zeit widerspiegelten, wie es den heutigen Fotografien des 20. und 21. Jahrhunderts kaum möglich erscheint.

Gänzlich konträr dazu steht der Ausstellungswert als Zeichen für die säkulare und massenmedial geprägte Gesellschaft des 20. und 21. Jahrhunderts. Die Entfremdung der Fotografie (und des Films) vom Hier und Jetzt ist insbesondere durch „fast schrankenlose Diffusion von Werken, ihre Kontextualisierung durch Kunst-Diskurse, Kommerz oder modische Konjunkturen“69 gekennzeichnet. Die Theorie einer auf Masse angelegten Konsumgesellschaft entwickelt Benjamin allenfalls implizit, jedoch ist die Gleichförmigkeit der Kunst durch die massenweise Reproduktion zentral für die Frage nach neuen Rezeptionsmustern. Es stellt sich die Frage, ob sich durch die regelrechte Bilderflut im 20. und 21. Jahrhundert auch die Art und Weise der Betrachtung durch die Rezipienten verändert hat.

Und unverkennbar unterscheidet sich die Reproduktion, wie illustrierte Zeitung und Wochenschau sie in Bereitschaft halten, vom Bilde Einmaligkeit und Dauer sind diesem so eng verschränkt wie Flüchtigkeit und Wiederholbarkeit in jener.70

Roland Barthes differenziert in Die helle Kammer diese veränderte Betrachtung der Fotografie in neuzeitlichen Diskursen weiter aus. So stellt für ihn, ähnlich wie für Benjamin, das Charakteristische der modernen Gesellschaften der Konsum von Bildern und nicht mehr von Glaubensinhalten dar – eine so gesehene beschleunigte Säkularisierung des Bildes, die nun im Widerspruch des Fotos an sich liegt: „erst das Bild verschafft den Genuß: hierin liegt die große Wandlung.“71

4. Andreas Gursky und die Fotografie

Andreas Gursky ist derzeit mithin einer der gefragtesten und renommiertesten Fotografiekünstler unserer Zeit. Insbesondere eine umfangreiche Anzahl an großformatigen Werken zeichnet seine Arbeit aus. Gursky ist derzeit ebenfalls einer der zentralsten Vertreter der sogenannten Düsseldorfer Schule – ehemals Becher-Schule genannt. Den Ausgangspunkt fand die Becher-Schule in ihren Gründern, dem Künstlerpaar Bernd und Hilla Becher, die bereits in der deutschen Nachkriegsgeschichte zu den bedeutendsten Fotografen ihrer Zeit gehörten. „[Die] Fotografien, die sie als Künstlerpaar in etwa drei Jahrzehnten gemeinsam schufen, entsprachen der traditionellen Funktion der Fotografie als Dokumentationsmedium.“72 Seit 1988 galt die Becher-Schule als eine der renommiertesten Formen zeitgenössischer Fotografie und bot ihren Absolventen, darunter auch Andreas Gursky, einen objektivierten Zugang zu ihren Fotoobjekten. Jedoch haben die heutigen, der Düsseldorfer Schule zugerechneten Werke nicht mehr die enge Verbindung zu den Werken von Bernd und Hilla Becher.73 Andreas Gursky galt in den Anfängen der Düsseldorfer-Schule u.a. als ein Meisterschüler von Bernd Becher und arbeitet seit Ende 1990 bereits mit Großformaten und mit den Möglichkeiten digitaler Bildverarbeitung.

4.1 Pyongyang I (2007)

Im Jahr 2007 führte Andreas Gursky seine Arbeit an großformatigen Werken, die den Gegensatz von Menschen und Masse behandeln, mit seinen Werken Pyongyang I-IV weiter. Das Werk entstand aus dem Bildmaterial, das Gursky im selben Jahr beim Arirang-Festival zu Ehren des koreanischen Diktators Kim Il-sung aufnahm. Insgesamt veranstalteten dort rund 100.000 Menschen ein kaum vergleichbares Massenspektakel, bei dem ebenfalls 20.000 Schulkinder auf den Tribünen mithilfe von „unterschiedlich eingefärbten Doppelseiten [...] abwechselnd Blumen, revolutionäre Szenen und Landschaften ›malten‹.“74 Auf den ersten Blick erhebt sich in Gurskys Werk eine schier kaum enden wollende Monumentalität der Bildelemente. Das Individuelle tritt zugunsten der Masse in den Hintergrund. Sein Werk ist getragen von Symmetrien und einer tiefgreifenden Gleichzeitigkeit von Detail und Ganzem – dies erlaubt es, „zwischen dem kleinsten, messerscharfen Detail und der ornamentalen Großstruktur hin und her zu pendeln [...].75 Die Frage nach der Typologisierung von Pyongyang I stellt sich in besonderem Maße, da Gursky mit seinem Werk die Grenze zwischen der klaren Bezugnahme der Fotografie auf einen real existierenden Referenten und der Fotografie als Kunstform verschwimmen lässt. Die bei genauerer Betrachtung hervortretenden Details des Fotos offenbaren den Kern der Ausrichtung Gurskys an der Düsseldorfer-Schule, die sich einerseits die Abwesenheit des Individuums in der Fotografie sowie andererseits die „Liebe zum Detail“76 als Charakteristikum bewahrt.

Insbesondere die Ausrichtung Gurskys am Phänomen Masse offenbart einen starken Bezug zu Walter Benjamin. Die Entwicklung der Fotografie von einem rein reproduzierenden Medium – beispielsweise im Sinne der Porträtfotografie – hin zu einem Massenphänomen, das immer mehr Gesellschaftsbereiche für sich reklamiert, war für Walter Benjamin ein zentrales Momentum der Instrumentalisierung von Fotografien für andere Zwecke. Nicht nur die Absenz des Menschlichen läutet ein neues Zeitalter der Fotografie ein, denn mittlerweile tritt der eigentliche Referent des Fotos zugunsten einer geglückten Montage von Bildelementen in den Hintergrund. Vor dem Hintergrund des Fotografieverständnisses von Walter Benjamin zeigt sich in den Werken von Andreas Gursky die Weiterentwicklung der Fotografie als Medium der Masse.

Jedoch offenbart ebenfalls Roland Barthes mit seiner Fotografietheorie eine neue Sichtweise – vielmehr sie ist Grundlage für das tiefere Verständnis von Gurskys Werken. In der Zweigliedrigkeit des Fotos, das sich für Roland Barthes aus dem Studium und dem Punctum ergibt, eröffnet sich eine ebenfalls zweigliedrige Analyse von Gurskys Werken. Mitnichten erschließen sich seine Werke, so auch das Werk Pyongyang I, dem Betrachter auf den ersten Blick. Vielmehr ist es die kulturhistorische Einordnung, das Studium, die uns die Umstände des Fotos nahebringt. Es handelt sich hierbei um, wie eingangs erwähnt, eine Massenveranstaltung zu Ehren des nordkoreanischen Diktators Kim Il-Sung. Jedoch bewegt nicht dieser Umstand des Ereignisses an sich den Betrachter, sondern es könnte ein Detail – eine Kleinigkeit oder ein Gesicht – aus der Masse hervorscheinen und den Blick des Betrachters fesseln – ein Punctum bilden. Insbesondere in Gurskys Werken zeigt sich das Foto erst nach und nach – es muss entblättert werden77.

4.2 Politik II (2020)

Im Jahr 2020 entstand ein weiteres Werk Gurskys. Die Fotografie, die den Titel Politik II trägt, besticht ebenfalls wie Gurskys Werk Pyongyang I (2007) durch seine Monumentalität. Die Fotografie unterscheidet sich allerdings in einem ersten Zugang vor allem durch ihr Motiv. Im Gegensatz zu Pyongyang I handelt es sich hierbei nicht um ein Ereignis, das in dieser Fotografie zum Ausdruck kommt, sondern um eine Montage einzelner Elemente zu einem Gesamtwerk. Auf der einen Seite füllt Gursky seine Fotografie mit einer am oberen Rand abgebildeten übergroßen Uhr, die er mit einer Reihe deutscher Spitzenpolitiker kontrastiert.78 Auf der anderen Seite sind andere Elemente, z.B. der kaum erkennbare Zeitungsleser am linken Rand oder der Bambusstab in der Bildmitte irritierend platziert, da sie, in Bezug auf den Bambusstab auf den ersten Blick keine Verknüpfung zum Rest der Fotografie erkennen lassen.

Andreas Gursky schafft durch die Zusammenstellung jedes einzelnen Elements in seiner Fotografie einen neuen Deutungsrahmen, der nahelegt, dass sich die Fotografie mehr und mehr zu einem Kunstwerk im Sinne der Malerei entwickelt und durch die Montage ein Zeugnis einer Kunstleistung – wie es Walter Benjamin dem Film zugeschrieben hat – wird. Offenbart sich durch diese veränderte Rezeption der Blick auf das Werk Gurskys? Auf der einen Seite zeigt Gursky, im Kontrast zu Walter Benjamin, die künstlerische Kraft der Fotografie, die weit über das Maß der reinen Reproduktion hinaus geht und schließt vielmehr an die Idee Benjamins an, dass Fotografien zunehmend politisiert gebraucht und somit in ihrer freien Rezeption79 eingeschränkt werden: „[Die Reproduktion] kann zweitens das Abbild des Originals in Situationen bringen, die dem Original selbst nicht erreichbar sind.“80 Die Frage des Hier und Jetzt, der Patina eines Kunstwerks, stellt sich bei Politik II in einem besonderen Maße. Gursky arrangiert bekannte Persönlichkeiten neu miteinander und löst sie dadurch aus ihrem eigentlichen Wirkungszusammenhang.

Jedoch eröffnet nicht nur Benjamins Theorie der Fotografie und des Kunstwerks einen sinnvollen Ansatz zur Beschreibung der Werke von Andreas Gursky. Die Frage nach der eingehenden Betrachtung einer Fotografie und ihrer grundlegenden Rezeption bildet die Möglichkeit, die Fotografietheorie Barthes hier erneut anzuwenden. Die Unterscheidung in die beiden Ebenen Studium und Punctum erscheint sich hier ebenfalls als Möglichkeit der Analyse zu eignen. Insbesondere das „ziellose Interesse, der inkonsequenten Neigung: ich mag / ich mag nicht, I like /I don’t.“81 macht das Studium aus und legt in der Fotografie Politik II den Deutungsrahmen fest. Offenbar handelt es sich, so legt es das kulturell-gespeicherte Wissen nahe, um eine Fotografie der gegenwärtigen Situation im Jahr 2020, in der die politischen Verantwortungsträger mit einer neuen Gesundheitsgefahr konfrontiert wurden. Ebenfalls lassen die Elemente eine Interpretation in dieser Hinsicht zu. Die im Verhältnis zum Rest der Fotografie überdimensionierte Uhr deutet durch die Darstellung Es-ist-fünf-vor-zwölf die drohende Gefahr an, die sich mit überwältigender Bestimmtheit auf die Corona-Pandemie bildlich fokussiert. Jedoch bedeutet sich mit dem Studium auseinanderzusetzen auch, „den Intentionen des Photographen zu begegnen.“82 Zweckbestimmtheit und Zielgerichtetheit werden insbesondere von Andreas Gursky durch das Zusammenspiel der Elemente deutlich, da eben sie den politischen Charakter der Fotografie offenlegen. So ist eben jene Fotografie als ein Konstrukt einer neuen realen Irrealität. Gursky selbst beschreibt seine Werke wie folgt: „‚Ich behaupte nie, das Bild sei eine Abbildung der Realität‘ […]. ‚Es ist immer eine Mischung aus Erfindung und Realität, eine Interpretation von Realität.‘“83

Allerdings, und das ist der Kern der Idee zur Fotografietheorie von Roland Barthes, enthält die Fotografie ein Detail, das Besondere, das Nicht-Allgegenwärtige. Dieses Punctum ist hochgradig individuell und eignet sich daher nur bedingt zur Analyse. Allerdings erscheinen einzelne Elemente geeigneter als andere. Einerseits irritieren Elemente wie zum Beispiel der durch seine zentrale Anordnung etwas oberhalb der Mitte abgebildete Bambusstab. Seine Anordnung entbehrt auf den ersten Blick einer sinnvollen Einbindung in die Fotografie und erregt dennoch zugleich die Aufmerksamkeit des Betrachters. Roland Barthes verwies in seinem Werk Die helle Kammer auf die Verschränkung zwischen dem Gegenstand, dem Referenten und dem Detail, das der Fotografie im Nachhinein nicht zugegeben wurde, sondern der Situation des Fotos entstammt: „es befindet sich im Umfeld des photographierten Gegenstandes als zugleich unvermeidliche und reizvolle Zutat [...].“84 Es stellt sich insbesondere bei Politik II die Frage, inwieweit hier der Begriff des Punctum Anwendung im Sinne Barthes finden kann. Durch die Montage verschiebt sich die Grenze zwischen dem fotografierten Objekt, dem Referenten von einer Es-ist-so-gewesen -Realität hin zu einer fiktionalen und surrealistisch anmutenden. Dieser Umstand erschwert die Möglichkeit, der Fotografie etwas Bestechendes zu entnehmen. Um noch auf ein Element, welches ein mögliches Detail im Sinne Barthes darstellen könnte, zurückzukommen, sei auf die Person in der linken unteren Ecke verwiesen. Das Offensichtliche ermöglicht kein Punctum, es ist vielmehr die teilweise Darstellung der Person, die etwas Bestechendes in sich trägt. Es wird nicht klar, in welcher Beziehung die Person zum Rest der Fotografie steht, jedoch ist in Anknüpfung an Roland Barthes insbesondere in der vermeintlichen Historizität des Bildes ein Punctum vorzufinden. Die Zeitung im linken unteren Bereich der Fotografie ist durch ihren subtilen Verweis auf einen bestimmten Veröffentlichungstermin zu einem Objekt der Vergangenheit geworden und ließe sich im Sinne Barthes‘ „Es-ist-so-gewesen“-Theorie als das Detail einer vergangenen Zeit erkennen.85

Insgesamt, so zeigt sich, eignet sich der Zugang Walter Benjamins zur Fotografie bei Politik II deutlich besser, um das Werk als Kunstwerk zwischen Fotografie und Malerei zu begreifen. Roland Barthes‘ Theorie findet hingegen nur schwer Anwendung, da das Foto im Begriff ist, zwischen Fotografie auf Basis eines Referenten und Malerei oder Montage einzelner singulärer Elemente zu oszillieren.

5. Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das fotografische Bild im Zuge einer voranschreitenden Digitalisierung, einer starken Veränderung in der Produktions- sowie Rezeptionsweise erfährt.

Roland Barthes und Walter Benjamin haben bereits sehr früh in ihren Theorien zur Fotografie eine Vielzahl an unterschiedlichen Aspekten beleuchtet und dabei gleichsam anhand einzelner Beispielfotografien deutlich gemacht, was das Wesen der Fotografie ausmachen könnte. Die Deutlichkeit mit der sowohl Barthes als auch Benjamin auf die Massenkultur und den sich dadurch verstärkenden Verlust einer fotografischen Patina, einer kulturgeschichtlichen Einordnung, verweisen, gibt Anlass dazu, die Werke auch im 21. Jahrhundert als Grundlage für ein Verständnis dieses Mediums zu nutzen. Die Spezifität, die den Werken von Andreas Gursky innewohnt, verändert insbesondere die Idee der realen Referenz einer Fotografie. Die Möglichkeit, Objekte aus ihrer Ursprünglichkeit zu entfernen und ihnen durch eine neue Anordnung einen neuen Sinn zu verleihen verknüpft somit die Theorien von Roland Barthes und Walter Benjamin mit den großformatigen Bildern des Fotografiekünstlers. Dennoch muss hervorgehoben werden, dass in dieser Hausarbeit nur Ansätze gefunden werden konnten, die eine mögliche Verbindung der Theorien mit den Werken von Andreas Gursky offenbaren. So ist es notwendig, insbesondere bei einer zunehmenden Digitalisierung der Fotografie, die Grundfrage nach ihrem Wesen weiterhin zu stellen und die bereits bekannten Konzepte und Theorien im Sinne eben dieser Veränderung weiterzuentwickeln.

6. Literaturverzeichnis

Primärliteratur

Barthes, Roland: Die helle Kammer: Bemerkungen zur Photographie (suhrkamp taschenbuch), 17. Aufl., Frankfurt am Main, Deutschland: Suhrkamp Verlag, 1989.

Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit: Mit Ergänzungen aus der Ersten und Zweiten Fassung, Burkhardt Lindner (Hrsg.), Ditzingen, Deutschland: Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, 2011.

Sekundärliteratur

Auerochs, Bernd: Art. ›Aura‹. In: Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen. Dritte, völlig neu bearbeitete Auflage. Hg. Dieter Burdorf, Christoph Fasbender und Burkhard Moennighoff, Stuttgart 2007, S. 56.

Benjamin, Walter/Hartmut Böhme/Yvonne Ehrenspeck: Aura und Reflexion: Schriften zur Kunsttheorie und Ästhetik (suhrkamp taschenbuch wissenschaft), 2. Aufl., Frankfurt am Main, Deutschland: Suhrkamp Verlag, 2007.

Fried, Michael: Barthes’s Punctum. In: Critical Inquiry Vol. 31, No. 3 (2005), S. 539-574.

Geimer, Peter/Bernd Stiegler/Roland Barthes: Auge in Auge: Kleine Schriften zur Photographie (suhrkamp taschenbuch wissenschaft), Originalausgabe, Frankfurt am Main, Deutschland: Suhrkamp Verlag, 2015.

Kawashima, Kentaro: Autobiographie und Photographie nach 1900. Proust, Benjamin, Brinkmann, Barthes, Sebald. Bielefeld 2011, transcript Verlag.

Matzner, Alexandra: Die Düsseldorfer Photoschule Photographien von 1961–2008, in: Kunst, Künstler, Ausstellungen, Kunstgeschichte auf ARTinWORDS, 07.06.2009, https://artinwords.de/die-duesseldorfer-photoschule/ (abgerufen am 14.10.2021).

Reulecke, Anne-Kathrin: Verlust schreiben: Roland Barthes‘ „Tagebuch der Trauer“ und der Photographie-Essay „Die helle Kammer“. In: Zeitschrift für Germanistik. Neue Folge XXV - 3/2015. Vedder, Ulrike (Hrsgb.). Peter Lang Verlag. Bern 2015. Hier S. 572.

Schmidt-Garre, Jan: Das perfekte Bild vom totalen Staat. In: DIE ZEIT 08 (2007).

Stein, Swen: Roland Barthes, Die helle Kammer – Bemerkungen zur Photographie, eine Lesart, 2008.

Stiegler, Bernd (Hg.): Texte zur Theorie der Fotografie, 3., durchgesehene Auflage, Ditzingen 2018, Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG.

Stiegler, Bernd/Felix Thürlemann: Meisterwerke der Fotografie (Reclams Universal-Bibliothek), 2., durchges. und erw., Ditzingen, Deutschland: Reclam, Philipp, jun. GmbH, Verlag, 2020.

Yacavone, Kathrin: Benjamin, Barthes and the singularity of photography, 2012, Continuum International Publishing Group, New York.

Yacavone, Kathrin: Die Photographien »zu ihrem Rechte kommen lassen«. Zu Roland Barthes‘ Rezeption von Walter Benjamins »Kleiner Geschichte der Photographie«. In: Benjamin-Studien, Vol. 2 (2011), S. 15-32.

[...]


1 Fraglich, ob sich Künstler und Fotograf hier gleichsetzen ließen, daher vermerke ich hier, dass dieser Umstand sowohl für Künstler als auch für Fotografen besteht.

2 Vgl. Stiegler, Bernd: Texte zur Theorie der Fotografie, 3., durchgesehene Auflage, Ditzingen, Deutschland: Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, 2018. S.116.

3 Barthes, Roland: Die helle Kammer – Bemerkungen zur Photographie, Frankfurt am Main 1985, S. 11.

4 Insbesondere in Die Rhetorik des Bildes verdeutlichte Barthes seine Sichtweise auf den Fotojournalismus, indem er dem Foto zuschrieb, es sei eine message without a code. Erst die Verknüpfung von Zweierlei – auf der einen Seite der denotierten Sicht (was das Bild grundsätzlich darstellt) und auf der anderen Seite die konnotierte Sicht (das was in ihm erkannt wird, aufgrund bestimmter Musterhaftigkeit oder aufgrund aktueller Gestaltungsprinzipien) schreibt dem Bild einen kulturellen Code zu und entwickelt eine message with a code.

5 Vgl. Barthes: Helle Kammer, S. 17.

6 Ebd., S. 18.

7 Ebd., S. 19.

8 Vgl. Barthes: Helle Kammer, S. 19.

9 Ebd., S. 21.

10 Ebd., S. 23.

11 Barthes, Roland: Über die Photographie. In: Roland Barthes. Auge in Auge. Kleine Schriften zur Photographie. Hg. Von Peter Geimer und Bernd Stiegler, 2. Auflage, Berlin 2020, hier S. 224.

12 Ebd., S. 41.

13 Insbesondere das totemistische Theater und weiß bemalte Haut in verschiedenen Kulturen, u.a. in Indien, stellen eine solche Anverwandlung von Lebendigen und Toten dar.

14 Ebd., S. 28.

15 Vgl. Barthes: Helle Kammer, S. 29.

16 Die Frage der Beseelung ist schwierig zu klären, da sie mithin eine sehr subjektive und spezifische Empfindung ist. Für Barthes sind es aber eben diese Aspekte des tiefen Erlebens eines Fotos, die die langweiligen von den spannenden Fotos unterscheiden. Roland Barthes wird für diese spezifische Empfindung, diesen Reiz einer Fotografie zu verfallen, später mit seiner Idee zum Punctum weiter forcieren.

17 Vgl. ebd., S.31.

18 Vgl. ebd., S. 86.

19 Vgl. ebd., S. 86.

20 Vgl. ebd., S. 87.

21 Vgl. ebd., S. 90.

22 Hierbei verweist Barthes außerdem auf die Rolle der Farbe. Die nachträgliche Koloration legt sich, wie Barthes es schreibt, wie eine Tünche im Nachhinein über die Fotografie und wirkt dadurch als unnatürliche Zutat, die das tatsächliche Vorhandensein eines Referenten nicht mehr versichert.

23 Barthes: Helle Kammer, S. 12.

24 Ebd., S. 99.

25 Vgl. Barthes: Helle Kammer, S. 99.

26 Vgl. ebd., S. 108.

27 Barthes: Helle Kammer, S. 109.

28 Ebd., S. 35.

29 Ebd., S. 35.

30 Ebd., S. 36.

31 Reulecke, Anne-Kathrin: Verlust schreiben: Roland Barthes‘ „Tagebuch der Trauer“ und der Photographie-Essay „Die helle Kammer“. In: Zeitschrift für Germanistik. Neue Folge XXV - 3/2015. Vedder, Ulrike (Hg.). Peter Lang Verlag. Bern 2015. Hier S. 572.

32 Barthes: Helle Kammer, S. 51.

33 Ebd., S.68.

34 Vgl. Barthes: Helle Kammer, S.65.

35 Barthes: Helle Kammer, S. 50.

36 Vgl. Barthes: Helle Kammer, S. 60.

37 Yacavone, Kathrin: Benjamin, Barthes and the singularity of photography, 2012, Continuum International Publishing Group, New York. S. 152.

38 Barthes: Helle Kammer, S. 36.

39 Vgl. ebd., S. 52.

40 Ebd., S. 65.

41 Fried, Michael: Barthes’s Punctum. In: Critical Inquiry Vol. 31, No. 3 (2005), S. 539-574. Hier S. 546.

42 Barthes: Helle Kammer, S. 105f.

43 Der Frage der Zeitlichkeit eines Fotos muss jedoch notwendigerweise auch die Bedeutung eben jener hinzugerechnet werden. Die eigentliche Unergründbarkeit der Fotografie hat demnach für Roland Barthes einen starken Bezug zu der Evidenz des Gezeigten. Das Foto ist durch seine Gewissheit, dass etwas so war, wie es gezeigt wird, unanfechtbar, gleichsam dadurch aber auch nicht zu interpretieren. Es ist nicht möglich, die Evidenz des Fotografierten, die Emanation des Referenten, zu interpretieren. Das Foto, so Barthes, ist platt, deutlicher: Es teilt nichts mit.

44 Fried: Barthes’s Punctum, S. 560.

45 Barthes: Helle Kammer, S.108.

46 Reule>

47 Kawashima, Kentaro: Autobiographie und Photographie nach 1900. Proust, Benjamin, Brinkmann, Barthes, Sebald, Bielefeld 2011, transcript Verlag, hier: S. 209.

48 Lindner, Burkhardt/Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit: Mit Ergänzungen aus der Ersten und Zweiten Fassung (Reclams Universal-Bibliothek), Ditzingen Reclam, Philipp, jun. GmbH Verlag, 2011, S. 12.

49 Lindner/Benjamin: Das Kunstwerk, S.13.

50 Die Zeichen der Zeit oder auch die Spuren von Wettereinflüssen prägen Statuen überall auf der Welt. Sofern man aber eine baugleiche Kopie dieser Gebilde erschafft, so schwindet der Charakter der Objekte und offenbart nunmehr nicht ihr Alter oder die Geschehnisse, die um sie herum passiert sind, sondern bietet allenfalls eine reine, nicht-berührte Fläche.

51 Vgl. Barthes: Helle Kammer, S. 97.

52 Barthes: Helle Kammer, S. 99.

53 Die Rezeption von Walter Benjamin durch Roland Barthes kann zu einem großen Teil als gesichert betrachtet werden, da Barthes selbst in einem Interview mit Angelo Schwarz, das einer Interviewsammlung aus den Jahren 1962-1980 entstammt. Darin bezieht sich Barthes sehr deutlich auf die Theorie von Walter Benjamin, indem er ihr einen hohen Rang in den damaligen Diskursen aufgrund ihrer warnenden Botschaft zur Massenkultur einräumt. Zur weiteren Lektüre: »Sur la photographie«, in Le Photographe, Februar 1980. Dt. in: Roland Barthes, Die Körnung der Stimme. Interviews 1962-1980, Frankfurt am Main 2002, S. 382-389.

54 Lindner/Benjamin: Das Kunstwerk, S. 15.

55 Ebd., S. 57.

56 Ebd., S. 101.

57 Ebd., S. 41.

58 Barthes: Helle Kammer, S. 109.

59 Ebd., S. 25.

60 Im Besonderen sei hier auf die frühen Werke von Atget verwiesen, die sich mit den Straßen von Paris im 19. Jahrhundert befassen. Teilweise wirken diese Fotografien, wie Benjamin es beschreibt, wie ein Tatort. Beinahe gespenstig muten diese Fotografien an, wie beispielsweise eine Fotografie eines Pariser Cafes (hierzu siehe Anhang 1). Anmerkung der Redaktion: Der Anhang wurde aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.

61 Ebd., S.26.

62 Benjamin, Walter: Aura und Reflexion. Schriften zur Kunsttheorie und Ästhetik. Ausgewählt und mit einem Nachwort von Hartmut Böhme und Yvonne Ehrenspeck. Suhrkamp taschenbuch wissenschaft. S. 476.

63 Auerochs, Bernd: Art. Aura. In: Metzler Literaturlexikon (2007), 3. Auflage, S. 56.

64 Ebd., S. 56.

65 Lindner/Benjamin: Das Kunstwerk, S. 17.

66 Vgl. ebd., S. 18.

67 Yacavone, Kathrin: Die Photographien »zu ihrem Rechte kommen lassen«. Zu Roland Barthes‘ Rezeption von Walter Benjamins »Kleiner Geschichte der Photographie«. In: Benjamin-Studien, Vol. 2 (2011), S. 29.

68 Benjamin: Aura und Reflexion, S. 478.

69 Ebd., S. 479.

70 Benjamin: Das Kunstwerk, S. 18.

71 Barthes: Helle Kammer, S. 129.

72 Matzner, Alexandra: Die Düsseldorfer Photoschule Photographien von 1961–2008, In: Kunst, Künstler, Ausstellungen, Kunstgeschichte auf ARTinWORDS, 07.06.2009.

73 Vgl. ebd.

74 Stiegler, Bernd/Felix Thürlemann: Meisterwerke der Fotografie (Reclams Universal-Bibliothek), 2., durchges. und erw., Ditzingen 2020, Reclam, Philipp, jun. GmbH, Verlag, S. 319.

75 Ebd., S. 319.

76 Vgl. Matzner: Die Düsseldorfer Photoschule Photographien von 1961–2008.

77 Hier sei insbesondere auf Gurskys Werk Rhein verwiesen, indem sich auf den ersten Blick keine Botschaft erkennen lässt, sondern allenfalls der Fluss in Erscheinung tritt und uns durch die Bildunterschrift eine erste Deutung empfiehlt. Der ungeheure Wert, der dem Foto bei seinem Verkauf zuteilwurde, ist allerdings mehr ein Zeichen einer tiefen Beschäftigung mit den Details der Fotografie als ein Zeichen eines zunehmenden Kapitalismus. Die Unbegrenztheit des Deiches und des Flusses ist fähig, ein punctum für den Betrachter zu bilden. Es verwundert und für diese Verwunderung lassen sich keine angemessenen Worte finden – es ist die Gewissheit „Es-ist-so-gewesen“, die hier von Gursky erweckt wird, obwohl es bereits Gegenstand einer digitalen Bearbeitung war.

78 Diese beobachtete Gursky laut einer Pressemitteilung von Sprüht/Magers über mehrere Monate hinweg in ihrem politischen Alltag. Interessanterweise geben die Kuratoren an, dass es sich bei dieser Szene um eine analoge Gestaltung zum Abendmahl handelt. Insbesondere die Ergänzung bzw. Kontrastierung mit einem bekannten Werk von Ed Ruscha ( Five Past Eleven ; 1989) zeigt die zahlreichen Ebenen, die Andreas Gursky seinen Werken verleiht und dem Rezipienten dadurch vor Augen führt.

79 Über den Begriff der freien Rezeption wird noch ausführlicher zu diskutieren sein, da sich kein Rezipient gewissen Deutungsmustern bei der Betrachtung von Kunstwerken (Fotografien eingeschlossen) entziehen kann.

80 Benjamin: Das Kunstwerk, S. 14.

81 Barthes: Helle Kammer, S. 36.

82 Ebd., S.37.

83 Schmidt-Garre, Jan: Das perfekte Bild vom totalen Staat. In: DIE ZEIT 08 (2007).

84 Barthes: Helle Kammer, S. 57.

85 Vgl. Barthes: Helle Kammer, S. 124.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Fotografietheorien von Roland Barthes und Walter Benjamin in Bezug auf die Werke Andreas Gurskys
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
22
Katalognummer
V1185323
ISBN (eBook)
9783346614117
ISBN (Buch)
9783346614124
Sprache
Deutsch
Schlagworte
roland, barthes, walter, benjamin, bezug, werke, andreas, gursky, fotografietheorie, Analyse
Arbeit zitieren
Leon Lier (Autor:in), 2021, Die Fotografietheorien von Roland Barthes und Walter Benjamin in Bezug auf die Werke Andreas Gurskys, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1185323

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