Kommunaler Finanzausgleich in Nordrhein-Westfalen


Seminararbeit, 2004

45 Seiten, Note: 9


Leseprobe


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

LITERATURVERZEICHNIS

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A. Einleitung und Grundlagen

I. Einleitung

Die unbedingte Voraussetzung zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit eines modernen Staats ist die Ausstattung mit den nötigen, Finanzmitteln. Dabei muss Beachtung finden, dass der Staat auf jeder staatlichen Ebene – Bund, Länder und Kommunen – über die für die zugewiesenen Aufgaben erforderliche Finanzkraft verfügt.

Dies gilt insbesondere für die Kommunen, die eine Vielzahl der staatlichen Aufgaben erfüllen1 und dabei jedoch nur eingeschränkt eigene Finanzmittel in Form von Steuern – neben Gebühren und Beiträgen2 – erheben können3.

II. Der Begriff des Finanzausgleichs

Der Begriff des Finanzausgleichs4 wird mehrfach unterschieden.

1. Unterscheidung nach Ebenen

Zunächst wird die staatliche Ebene unterschieden, auf der der Finanzausgleich ansetzt.

a) Der Bundesstaatliche Finanzausgleich

Als bundesstaatlichen Finanzausgleic5 bezeichnet man die in Art. 106, 107 GG geregelte Finanzverteilung6. Diese spielt sich auf vier Stufen ab7 und regelt die direkte Verteilung der Finanzen an die Länder und Gemeinden (Art. 106 I-VI GG) und den Ausgleich zwischen den Ländern (Art. 107 II GG).

b) Der Länderfinanzausgleich

Der Länderfinanzausgleich8 findet als seine verfassungsrechtlichen Grundlagen in Art 107 GG und dient der Korrektur der Ergebnisse der primären Steuerverteilung9. Dies regelt näher das Finanzausgleichsgesetz (FAG)10, wobei finanzschwachen Ländern von finanzstarken Ländern zusätzliche Finanzmasse zugewiesen wird11. Bereits hier finden die Gemeinden ihre Berücksichtigung in Art. 107 II S. 1 Hs. 2 GG12, wonach auch auf ihre Belange einzugehen ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch dem Gesetzgeber aufgegeben das bestehende FAG bis zum 31.12.2004 zu ändern13 und Verfassungskonkretisierende und Verfassungsergänzende allgemeine Maß- stäbe zu bestimmen14, die dafür Sorge tragen, dass konkrete Verteilungsmaßstäbe bereits festgeschrieben sind, bevor die Verteilungsma- ße feststeht.

c) Der Kommunale Finanzausgleich

Der kommunale Finanzausgleich schließlich ist bundesrechtlich in Art. 106 VII GG verankert. Er regelt die Ausstattung der Gemeinden mit Finanzmitteln, die aus dem jeweiligen Landesanteil am Steueraufkommen nach Art. 106 III GG15 stammen.

2. Unterscheidung nach Wirkungsrichtung

Darüber hinaus unterscheidet man beim Begriff des Finanzausgleichs die Ausgleichsrichtung

a) Vertikaler Finanzausgleich

Der Begriff des vertikalen Finanzausgleiches bezeichnet einen Ausgleich einer staatlichen Ebene an eine untergeordnete Ebene; z. B. Bund an Land oder Land an Gemeinden16.

b) Horizontaler Finanzausgleich

Der horizontale Finanzausgleich bewirkt eine Umverteilung innerhalb derselben staatlichen Ebene17. Häufig werden dort auch soziale Umverteilungen vorgenommen. Es soll ein einheitliches finanzielles Grundniveau gewährleistet werden.

c) Kombinierter Finanzausgleich

Der kombinierte Finanzausgleich bewirkt eine Umverteilung innerhalb beider staatlichen Ebene. Es handelt sich um eine horizontale Zuweisung mit gleichzeitiger vertikaler Ausgleichsfunktion18.

B. Der Kommunale Finanzausgleich

Im Folgenden wird nun der Kommunale Finanzausgleich im Speziellen betrachtet19.

I. Historischer Überblick

Zunächst sei ein Blick auf die historische Entwicklung des Finanzausgleichs geworfen.

1. Vorkonstitutionelle Entwicklung

Die historischen Grundlagen des Finanzausgleichs reichen zurück bis in die Jahre 1919/192020. In den dreißiger Jahren wurde das System nach den Grundlagen von Popitz21 umgestaltet. Dabei wurden Elemente eingefügt, die noch heute Bestandteile des Finanzausgleiches sind 22.

2. Entwicklung in der BRD

Nach dem Entstehen der Bundesrepublik folgten die Länder nach der Gemeindefinanzreform von 1969 im Wesentlichen dem System von Popitz23.

II. Rechtliche Grundlagen

1. Verfassungsrechtliche Grundlagen

Grundlegend verfassungsrechtlich verankert ist das Prinzip des Finanzausgleiches in Art. 106 GG. Dieser weist den einzelnen staatlichen Ebenen zunächst in Art. 106 I-VI GG direkte Anteile am Steueraufkommen zu.

In Art. 106 VII GG schließlich werden die Länder angehalten, einen bestimmten Hundertsatz zu beschließen, mit dem sie die Gemeinden am jeweiligen Landesaufkommen an den Gemeinschaftssteuern beteiligen wollen.

2. Landesrechtliche Grundlagen

Im Bezug auf das Landesrecht kann man zwei Grundlagen unterscheiden.

a) Landesverfassungsrechtliche Grundlagen

Die landesverfassungsrechtliche Grundlage findet der kommunale Finanzausgleich in Nordrhein-Westfalen in Art. 79 Satz 2 Verf NRW. Dabei wird dem Land die Aufgabe auferlegt, für einen übergemeindlichen Finanzausgleich zu sorgen24.

b) Einfachgesetzliche Grundlagen

Der in Art. 79 Verf NRW angesprochenen Pflicht kommt der Landesgesetzgeber im Gemeindefinanzierungsgesetz – GFG 200325 nach, welches jährlich aktuell erlassen wird26.

III. Das Wesen des Kommunalen Finanzausgleiches

1. Grundlagen

Nachfolgend werden die einzelnen Komponenten des kommunalen Finanzausgleichs betrachtet, sowie deren Berechnung.

2. Der Verbundbetrag

a) Grundlagen

Wie oben bereits angesprochen, eröffnet das GG den Landesgesetzgebern die Möglichkeit den jeweiligen Hundertsatz individuell festzulegen. Dieser ist im Jahr 2003 nach § 2 I GFG 200327 auf 23 v. H. festgelegt. Darüber hinaus ist jedoch entscheidend, worauf dieser Hundertsatz anzuwenden ist. Diese Größe ist der Verbundbetrag.

b) Ermittlung des Verbundbetrages

Der Verbundbetrag ermittelt sich nach Art. 106 VII 1 GG aus dem Landesanteil an den Gemeindesteuern, der Einkommen-, Körperschaft-, und Umsatzsteuer28. Darüber hinaus weißt der Landesgesetzgeber in Anlehnung an Art. 106 VII 2 GG dem Verbundbetrag nach § 2 I GFG noch vier Siebtel der Grunderwerbssteuer als Landessteuer zu. Anschließend ergeben sich nach § 2 II-V GFG noch einige Kürzungen29.

3. Die allgemeinen Zuweisungen

a) Grundlagen

Die allgemeinen Zuweisungen stellen die erste Aufteilung des Verbundbetrages nach § 3 I Nr. 2. GFG dar. Sie setzen sich primär aus den Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden, Kreise und Landschaftsverbände zusammen. Darüber hinaus aus den pauschalen Investitionszuweisungen und den besonderen Zuweisungen außerhalb des Verbundes zur Lenkung bestimmter Ziele.

b) Die Schlüsselzuweisungen

(1) Grundlagen

Die primären Ausgleichzahlungen des kommunalen Finanzausgleichs stellen die Schlüsselzuweisungen dar. Sie dienen dazu, die Finanzausstattung der Gemeinden, Kreise, und Landschaftsverbände landesweit auf ein gleiches vordefiniertes Grundniveau zu heben, ohne eine Ausgleichswirkung zu haben30.

(2) Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden

(a) Grundlagen

Im Falle der Gemeinden bemisst sich die Höhe der Schlüsselzuweisungen nach den eigenen Steuereinnahmen der Gemeinde. Dabei werden bei der Bemessung der Schlüsselzuweisungen nach § 7 I GFG 2 Faktoren betrachtet. Die Schlüsselzuweisung beläuft sich auf 90 v. H. der Differenz der sog. Ausgangsmesszahl und der sog. Steuerkraftmesszahl31.

(b) Berechnung der Ausgangsmesszahl, § 8 GFG

Die Ausgangsmesszahl dient dazu eine Art objektivierten Bedarf anhand bestimmter sozialer Schlüsselzahlen zu ermitteln32. Dabei errechnet sich die Ausgangsmesszahl nach § 8 I GFG aus dem Produkt des Gesamtansatzes und dem Grundbetrag33.

aa) Berechnung des Gesamtansatzes, § 8 II GFG

Der Gesamtansatz besteht nach § 8 II GFG aus mehreren Komponenten, aus denen eine Gesamtsumme gebildet wird.

(aa) Der Hauptansatz, § 8 III GFG

Der Hauptansatz ermittelt sich zunächst aus der Einwohnerzahl der Gemeinde. Dabei wird mit zunehmender Größe der Einwohnerzahl diese stärker gewichtet34.

(bb) Der Schüleransatz, § 8 IV-VI GFG

Beim Schüleransatz werden die Schüler aller Schulen in Ansatz gebracht, die in Trägerschaft der Gemeinde35 stehen. Der Ansatz folgt der amtlichen Schulstatistik. Dabei werden nicht integrative beschulte Schüler aller Schulformen mit 150 v. H. berücksichtigt. Bei integrativ beschulten Schülern, die in Halbtagsschulen beschult werden, sind es 300 v. H. und bei integrativ beschulten Schülern, die in Ganztagsschulen beschult werden 510 v. H. Anschließen erfolgt ein Vervielfältigung nach Art der Schule gemäß Anlage 2 zum GFG36. Und zum Schluss bilden nach § 8 VI GFG 92 v. H. der Schülerzahl den Schüleransatz37.

(cc) Der Soziallastenansatz, § 8 VII GFG

Der Soziallastenansatz berücksichtigt die Belastung der Gemeindekassen durch soziale Elemente, wie z. B. Arbeitslosigkeit. Dabei kommen nach § 8 VII GFG alle Arbeitslosen38 in der Gemeinde zum Ansatz, die bereits 6 Monate und mehr arbeitslos sind. Es erfolgt dabei folgende Staffelung. Die Zahl der Arbeitslosen, die zwischen 6 und 12 Monaten arbeitslos sind, wird verfünffacht, die der Arbeitslosen, die zwischen 12 und 24 Monaten arbeitslos sind, versechsfacht und die, die über 24 Monate arbeitslos sind, versiebenfacht.

(dd) Der Zentralitätsansatz, § 8 VIII GFG

Beim Zentralitätsansatz schließlich findet Berücksichtung, dass manche Gemeinde als zentrale Metropolen ihrer Region höhere Belastungen erfahren, als andere. Das Kriterium zur Ermittlung dieser Zentralität, bildet die Zahl der in der Gemeinde beschäftigten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten zu 15 v. H.39.

bb) Berechnung des Grundbetrages, § 8 IX GFG

Der Grundbetrag wird nach § 8 IX GFG vom Innenministerium und Finanzministerium in der Weise festgesetzt, dass der insgesamt für die Schlüsselzuweisungen zur Verfügung stehende Betrag aufgebraucht wird.

[...]


1 Dies ergibt sich auch aus § 2 GO NRW, wonach die Gemeinden in ihrem Gebiet der ausschließliche Träger der öffentlichen Verwaltung sind.

2 Vgl. §§ 4, 8 KAG NRW. Dabei sind Gebühren per definitionem als Gegenleistung für eine Leistung und Beiträge zum Aufwendungsersatz zu erheben.

3 Zu kommunalen Verbrauchssteuern vgl. auch BVerfGE 98, 106.

4 Der Begriff „Finanzausgleich“ wurde aus dem Staatsrecht der Schweiz adaptiert und erstmals 1923 im Finanzausgleichsgesetz vom 23.6.1923 (RGBl. I S. 494) angewendet, vgl. Pagenkopf, § 37 I. 1.

5 Auch primärer Finanzausgleich genannt.

6 Bestehend aus dem primären vertikalen und primären horizontalen Finanzausgleich.

7 Siehe Korioth, S. 48.

8 Auch sekundärer Finanzausgleich genannt.

9 BVerfGE 86, 148, 214; 101, 158, 221.

10 Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944), zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes vom 20.12.2001 (BGBl. I S.3955).

11 Vgl. dazu Maurer Staatsrecht, § 21 Rn 49.

12 Vgl. Pieroth in Jarass / Pieroth Art. 107 Rn 8.

13 BVerfGE 101, 158, 238.

14 Siehe dazu Maßstäbegesetz vom 9.09.2001 (BGBl. I S. 2302) und das Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes vom 20.12.2001 (BGBl. I S. 3955).

15 Die sog. Gemeinschaftssteuern; vgl. auch Pieroth in Jarass / Pieroth Art. 106 Rn 6.

16 Pagenkopf, § 37 I. 5.

17 Pagenkopf, § 37 I. 5.

18 Pagenkopf, § 37 I. 6.

19 Grundlegend zur Gemeindefinanzierung: Henneke Jura 1986, 568 ff.

20 Das System des Finanzausgleichs geht dabei zurück auf das System der Reichs- überweisungssteuern, das von Mathias Erzberger entwickelt wurde.

21 Vgl. Jacoby, Finanzausgleich, S. 66, m. w. N.

22 Es wurde bereits ein Hundertsatz zwischen 20 % und 30 % festgelegt, mit dem die Gemeinden an der Einkommen-, Körperschaftund Umsatzsteuer beteiligt wurden. Ebenso waren bereits Schlüsselund Bedarfszuweisungen vorgesehen und diese richteten sich z. B. nach der Steuerkraft und der Zusammensetzung der Bevölkerung der Gemeinde.

23 Vgl. dazu: Popitz, Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden.

24 Zur Verfassungsmäßigkeit des kommunalen Finanzausgleichs vgl. VerfGH NRW NVwZ-RR 1999, 81.

25 Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2003 und zur Regelung des interkommunalen Ausgleichs der finanziellen Beteiligung der Gemeinden am Solidarbeitrag der Deutschen Einheit im Haushaltsjahr 2003 vom 18.12.2002 (GVBl. S. 671).

26 Andere Länder, z.B. Rheinland-Pfalz, erlassen ein entsprechendes Gesetz über einen längeren Zeitraum. Vgl. RP LFAG vom 30.11.1999 (GVBl. S. 415).

27 m Folgenden bezieht sich die Abkürzung GFG immer auf das d. J. 2003.

28 Der Anteil des Landes an der Umsatzsteuer wird nach § 36 III GFG 2003 zum Ausgleich der Verluste durch die Neuregelung des Familienleistungsausgleichs gekürzt.

29 Vgl. Anlage I zur Berechnung des Verbundbetrages im Jahre 2003.

30 Zu Zielen und Ermittlung vgl. § 5 I GFG.

31 Vgl. dazu Anlage II 1.

32 Wie z. B. Schüleransatz, Soziallastenansatz oder Zentralitätsansatz.

33 Vgl. dazu Anlage II 2.

34 Vgl. § 8 III GFG i. V. m. Anlage 1.

35 Jeweils zu Beginn des Haushaltsjahres, § 8 IV GFG.

36 Das Ergebnis ist die sog. veredelte Schülerzahl.

37 Besonderheiten ergeben sich noch aus § 8 VI GFG für die Städte Düren und Gü- tersloh.

38 Die Grundlage bilden die Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit, § 8 VII GFG.

39 Auch hier kommen Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit, § 8 VIII GFG, zu Ansatz.

Ende der Leseprobe aus 45 Seiten

Details

Titel
Kommunaler Finanzausgleich in Nordrhein-Westfalen
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Lehrstuhl für Unternehmenssteuerrecht)
Veranstaltung
Reform der Gemeindefinanzen
Note
9
Autor
Jahr
2004
Seiten
45
Katalognummer
V118542
ISBN (eBook)
9783640219766
ISBN (Buch)
9783640219964
Dateigröße
552 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kommunaler, Finanzausgleich, Nordrhein-Westfalen, Reform, Gemeindefinanzen
Arbeit zitieren
Michael Kaiser (Autor:in), 2004, Kommunaler Finanzausgleich in Nordrhein-Westfalen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118542

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