Der russische Föderalismus unter Putin. Die Regelungen zur Wahl der Gouverneure


Hausarbeit, 2016

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Entwicklung des Föderalismus in der Russischen Föderation

3. Die Regelungen zur Wahl der Gouverneure
3.1. Gouverneurswahlen unter B. Jelzin
3.2. Einsetzung von Gouverneuren unter V. Putin
3.2.1. Änderung des Föderalgesetzes No. 184
3.2.2. Kritik an der Gesetzesänderung und dem Verfassungsgericht

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Ein Russe spricht und handelt zwar grundsätzlich geradeaus, hat aber stets noch Hintergedanken.“1 So ist es auch an dem Handeln des russischen Präsidenten V. Putin zu bemerken, der seine Reformen zwar als einen weiteren Weg der Demokratisierung des Föderalismus bezeichnet, doch sein Hintergedanke beruht auf der Stärkung der Macht des föderalen Zentrums und dementsprechend auch seiner eigenen.

Laut Art. 1 Abs. 1 der russischen Verfassung ist die Russische Föderation ein demokratischer föderativer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform. Russland besteht aus Republiken, Regionen, Gebieten, bundesbedeutsamen Städten, einem autonomen Gebiet und autonomen Bezirken als gleichberechtigte Subjekte der Russischen Föderation (vgl. Art. 5 Abs. 1). Es aber fragwürdig, ob alle Föderationssubjekte der Russischen Föderation gleichberechtigt sind, denn die Republiken stehen in der Rangfolge höher als Regionen, Gebiete, autonome Bezirke usw. Republiken sind Staaten mit eigener Verfassung und dem Präsidenten an der Spitze. Die übrigen Föderationssubjekte sind nur staatsähnliche Gebilde, die über einen Status verfügen und von einem Gouverneur geführt werden. Zudem haben die Republiken das Recht, ihre Staatssprache festzulegen und schließlich verfügen sie über mehr Entscheidungsspielraum als die übrigen Föderationssubjekte.2

Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem russischen Föderalismus unter V. Putin und dem Fallbeispiel Gouverneurswahlen. Gouverneure spielen in der Russischen Föderation eine herausragende Rolle, denn sie sind wichtige Akteure, die gewissen Einfluss auf politische, soziale und ökonomische Bereiche in ihren zuständigen Regionen haben. Die Gouverneurswahlen entwickelten sich im Laufe der russischen Geschichte unterschiedlich. In den Jahren 1992-1996 wurden einige regionale Verwaltungschefs3 ernannt, während die anderen direkt vom Volk gewählt wurden. In der Zeit von 1996-2004 wurden fast alle Gouverneure direkt gewählt. Die tragischen Ereignisse von Beslan im Jahr 20044 haben aber dazu geführt, dass Putin beschloss, die Direktwahlen der Gouverneure abzuschaffen. Bei dieser Reform ging es ihm darum, den Staat von den terroristischen Bedrohungen zu schützen und die Einheit der Russischen Föderation zu festigen. Zudem „President Putin justified the decision to cancel gubernatorial elections in 2004 as a way to purge criminals, political amateurs, and incompetence from the gubernatorial corpus.”5

Das Ziel dieser Ausarbeitung ist es, die unterschiedlichen Reformen der Gouverneurswahlen zu analysieren und die Fragestellung zu beantworten, inwiefern die Russische Föderation durch den Präsidenten V. Putin beeinflusst wird. In dem ersten Teil dieser Seminararbeit geht es um die Entwicklung des russischen Föderalismus. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über den Föderalismus im Zarenreich und in der Sowjetunion gegeben werden. Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Gouverneurswahlen unter B. Jelzin und V. Putin. Hier wird auf die föderale Maßnahme unter Putin eingegangen. Zudem wird das Föderalgesetz No. 184, welches nach dem Amtsantritt Putins geändert wurde, erläutert und analysiert. Der letzte Punkt dieser Arbeit befasst sich mit der Kritik an der Gesetzesänderung und dem Verfassungsgericht, denn die neue Regelung stellt nicht nur eine Verletzung des Föderalismusprinzips dar, sondern auch einen Widerspruch zur russischen Verfassung.

2. Entwicklung des Föderalismus in der Russischen Föderation

Die genauere Entstehung des Föderalismus in Russland ist immer noch umstritten. Jedoch hat Russland eine bedeutende historische Erfahrung mit dem Föderalismus gemacht, welcher als nationales Erbe gilt und die Bildung des föderalen Staatsbaus ermöglicht. Im zaristischen Russland hatte der Föderalismus nie eine große Anerkennung und Unterstützung gehabt. Es gab dort praktisch „keine Ansätze zu und entsprechend auch keine Erfahrungen mit einer dezentraleren Organisationsform der Verwaltung.“6 Vielmehr ist diese Periode durch die Hierarchisierung der Zentralmacht, die Entmachtung lokaler bzw. regionaler Administration gekennzeichnet. Die Dominanz des Zentrums ist seit den Reformen unter Peter I. nachgewiesen und diese lassen sich teilweise bis heute beobachten.

Die Idee des föderalistischen Staatsaufbaus wurde insbesondere im 19. Jahrhundert intensiv diskutiert. Dieser Gedanke war vor allem bei den führenden Köpfen der Dekabristen verbreitet. Sie waren für den verfassungsrechtlichen Aufbau des Staates und somit für den Föderalismus. N.M. Murawjow war zum Beispiel für ein föderalistisches Modell mit einer konstitutionellen Monarchie.7 N. I. Kostomarov propagierte einen nationalen Föderalismus, die Grundlage dazu war eine multiethnische Zusammensetzung des Russischen Reiches. M.A. Bakunin war dagegen für einen slawischen Föderalismus, in dem es um den republikanischen Föderalismus aller slawischen Länder ging.8 Es wurde versucht, verschiedene Reformansätze durchzusetzen, die aber letztendlich gescheitert sind.

Eine wichtige Rolle für das sowjetische Föderationsmodell spielte die Nationalitätenpolitik. So hat zum Beispiel Lenin eine föderalistische Konzeption der „brüderlichen Assoziation befreiter Völker“9 verkündet. Den Föderalismus sah er als einen Weg zum demokratischen Zentralismus. „Die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes ist nicht gleichbedeutend mit der Anerkennung des Prinzips des Föderalismus. Man kann ein entschiedener Gegner dieses Prinzips, ein Anhänger des demokratischen Zentralismus sein, aber der nationalen Nichtgleichberechtigung der Föderation als den einzigen Weg zum vollständigen demokratischen Zentralismus vorziehen.“10

Auch Stalin, als ein Experte für Nationalitätenfragen, hielt „eine formal föderalistische Organisation für eine günstige Möglichkeit, nationalistischen Bestrebungen zu saturieren, dadurch zugleich aber die zentralistisch ausgerichtete Hierarchie des Staatsbaus zu sichern.“11 Im Jahr 1922 wurde die Sowjetunion gegründet und somit wurde der föderale Staatsbau der RSFSR festgesetzt. Formal war die Sowjetunion zwar föderal organisiert, aber in Wirklichkeit war dies ein „in föderative Formen gekleideter Einheitsstaat“12, in dem alleine ethnisch definierten territorialen Einheiten ein gewisses Maß an Eigenständigkeit und Mitbestimmung bei gesamtstaatlichen Entscheidungen zugestanden wurden. Dies bedeutet, dass die administrativen Einheiten durch das Zentrum mehr oder weniger gesteuert waren. Erst nach dem Zusammenbruch der UdSSR drehten sich „föderale Arrangements auf verwaltungstechnische territoriale Einheiten aus“13, die sich im Laufe der Entwicklung Russlands verändert haben.

3. Die Regelungen zur Wahl der Gouverneure

3.1. Gouverneurswahlen unter B. Jelzin

Mit dem Zerfall der Sowjetunion und der Gründung der Russischen Föderation war „die politisch-institutionelle Rolle der Regionen erheblich aufgewertet worden (...), so zeichnete sich diese dadurch, dass das Zentrum zunächst versuchte, die Regionen in seinem Kampf durch Angebote politischer Unabhängigkeit einzubinden.“14 Unter Jelzin haben die Leiter der regionalen Administration eine Entscheidungsautonomie gewonnen. Zudem bekamen zum Beispiel elf Regionen den Status einer Freihandelszone. Weiter versprach Jelzin den Eliten des diamantenreichen Jakutien einen Teil ihrer Diamanten zum eigenständigen Verkauf behalten zu können.15 Somit erhoffte er sich die Unterstützung der regionalen Akteure.

Obwohl seit dem Jahr 1991 ein Föderalgesetz zur Wahl der Vertreter der regionalen Administrationen existierte, wurde dessen Umsetzung aber lange Zeit vom Präsidenten blockiert.

[...]


1 Vasilij Rozanov - ein russischer Religionsphilosoph und Publizist

2 Vgl. Schneider, Eberhard: Föderalismus in Rußland :Kompetenzabgrenzungsverträge und Gouverneurswahlen. Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien (Ed.), Köln 1997, S. 3.

3 Die Leiter der jeweiligen Exekutiven werden unterschiedlich benannt. In den Republiken werden sie meistens als Präsidenten, in den Bezirken und Gebieten als Gouverneure bzw. regionale Verwaltungschefs benannt. In den Städten werden sie als Mer bzw. Bürgermeister bezeichnet. Vgl. Golosov, G.: Die Abschaffung der Gouverneurswahlen, in: Russlandanalyse, St.-Peterburg 74/05, S. 2.

4 Geiselnahme von Beslan 2004, bei der Terroristen im Nordkaukasus eine Schule besetzten. Dies stellte auch eine Bedrohung für die Festung der Staatlichkeit.

5 Frye, T., Reuter, O. J., Buckley, N.: The political economy of Russian Gubernatorial election and appointment, political science WP BRP 01/PS/2011, in: https://www.hse.ru/pubs/share/direct/document/58953810 (letzter Zugriff am 23.09.2016), 4.

6 Fuchtmann, J.: Die Entwicklung des russischen Föderalismus - eine Zwischenbilanz, in: Buhbe, Matthes; Gorzka, Gabriele (Hrsg.): Russland heute. Rezentralisierung des Staates unter Putin. Wiesbaden 2007, S. 52.

Von Rauch, G.: Russland: Staatliche Einheit und nationale Vielfalt. Föderalistische Kräfte und Ideen in der russischen Geschichte, München 1953, S. 46f.

7 Vgl. Nußberger, Angelika: §103 Das föderale System in Russland, in: Härtel, Ines (Hrsg.): Handbuch Föderalismus. Föderalismus in Europa und der Welt. Band IV, Springer, Berlin/Heidelberg, 2012, S. 847.

8 Originaltext: '«Hejbio (...) nocTaBnan pycckyro pciio.iionnio u pecnyönukaHckyro $egepa^uro Bcex cnaBaHckux 3eMenb,— ocHOBaHue eguHoä u Hepa3genbHoä CnaBaHckoä pecnyönuku, ^egepaTUBHoä Tonbko b agMUHucTpaTUBHOM, Heiripa.ibiioH >Kf b nonuTuaeckOM OTHomeHuu», in: EakyHuH M. A. (1990). HcnoBegb //AnekceeBckuä paBenuH: cekpeTHaa rocygapcTBeHHaa TropbMa Poccuu b XIX Beke. Kh. I / Coct. A. A. MaTbiuieii. H.: HeHu3gaT. S. 269.

9 Fruchtmann, J.: a.a.O., S. 52.

10 Lenin, W.I.: Die sozialistische Revolution und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, in: ders., Ausgewählte Werke, Moskau 1971, S. 172.

11 Fruchtmann, J.: Die Entwicklung des russischen Föderalismus - eine Zwischenbilanz, in: Buhbe, Matthes; Gorzka, Gabriele (Hrsg.): Russland heute. Rezentralisierung des Staates unter Putin. Wiesbaden 2007, S. 52.

12 Meissner, Boris: Sowjetföderalismus undstaatsrechtliche Stellung der Nationalitäten der RSFSR bis 1991, in: Andreas Kappeler (Hg.): Regionalismus und Nationalismus in Rußland. Baden-Baden 1996, S. 41-45.

13 Ettner, H.: Föderalismus - To be or not to be? Das Gebiet Sverdlovsk in Rußlands Föderationsgefüge,in: Osteuropa. Zeitschrift für Gegenwartsfragen des Ostens, 55. Jahrgang/Februar 2005, S. 58.

14 Ebd., S. 55.

15 Fruchtmann, J.: a.a.O., S. 54.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Der russische Föderalismus unter Putin. Die Regelungen zur Wahl der Gouverneure
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
19
Katalognummer
V1185481
ISBN (eBook)
9783346615022
ISBN (Buch)
9783346615039
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Russischer Foederalismus, Putin, Gouverneurswahlen
Arbeit zitieren
Rushena Abduramanova (Autor:in), 2016, Der russische Föderalismus unter Putin. Die Regelungen zur Wahl der Gouverneure, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1185481

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