Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
2. VORAUSSETZUNGEN DES ANSPRUCHES GEM. § 15B INSO
2.1 FESTSTELLUNG DER MATERIELLEN INSOLVENZREIFE
2.1.1 Zahlungsunfähigkeit
2.1.1.1 Prüfung ex ante
2.1.1.2 Prüfung ex post
2.1.2 Überschuldung
2.2 ZAHLUNGEN NACH EINTRITT DER INSOLVENZREIFE
2.2.1 Insolvenzrechtliches Zahlungsverbot und Massesicherungspflicht
2.2.2 Masseschmälernde Zahlungen
2.2.2.1 Zahlungen von kreditorisch geführten Konten
2.2.2.2 Zahlungen von und auf debitorisch geführte Konten
2.2.3 Privilegierte Zahlungen
2.2.3.1 Zahlungen innerhalb der Antragsfrist
2.2.3.2 Zahlungen außerhalb der Antragsfrist
2.2.3.3 Sonderregelung für Steuerverbindlichkeiten
2.2.3.4 Keine Sonderregelung für Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung?
3. UMFANG UND BESCHRÄNKUNG DES ANSPRUCHS GEM. § 15B ABS. 4 INSO
4. FAZIT
LITERATURVERZEICHNIS
1. Einleitung
Die Gründe für eine finanzielle Schieflage eines Unternehmens sind Vielfältig und reichen von verschuldensunabhängigen Zahlungsausfällen bis hin zu unternehmerischen Fehlentscheidungen. Aktuell sind insbesondere auch die Folgen der COVID-19-Pande- mie vielfach Anlass dafür, dass ein Betrieb seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Unabhängig vom Hintergrund der finanziellen Krise sind unverzüglich Maßnahmen der Mitglieder des Vertretungsorgans einzuleiten und die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu prüfen. Wird sodann festgestellt, dass eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten ist, kann bzw. muss das antragsberechtigte Mitglied des Vertreterorgans einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen.
Der Zweck eines Insolvenzverfahrens liegt darin, die Gläubiger des insolventen Unternehmens gemeinschaftlich zu befriedigen, indem sämtliches Vermögen verwertet und der sich daraus erzielende Erlös - nach Abzug der Kosten des Verfahrens gem. § 54 InsO - gleichmäßig verteilt wird.1 Neben der Verwertung des schuldnerischen Vermögens sind ebenfalls die insolvenzrechtlichen Sonderaktiva in Form der Insolvenzanfechtung gem. §§ 129 ff. InsO sowie - bei juristischen Personen - der Haftung der antragspflichtigen Mitglieder des Vertretungsorgans gem. § 15b InsO zu prüfen und durchzusetzen.
Die vorliegende Hausarbeit wird sich mit den Haftungsansprüchen gem. § 15b InsO beschäftigen. Die vorgenannte Normierung ist in dieser Fassung erst zum 01.01.2021 aufgrund der Schaffung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) in Kraft getreten und hat die vorherigen Vorschriften in den gesellschaftsrechtlichen Einzelgesetzen der jeweiligen Rechtsform ersetzt. Mit dieser Neuregelung wurden die Einzelvorschriften § 64 GmbHG aF, § 93 AktG aF, §§ 130a und 177a HGB aF, § 99 GenG aF nunmehr rechtsformneutral in § 15b InsO umgesetzt.
Ziel dieser Hausarbeit ist die Darstellung der grundsätzlichen Voraussetzungen sowie des Umfangs bzw. die Beschränkungen der Haftungsansprüche gem. § 15b InsO.
Im Hinblick auf die in Deutschland am häufigsten gegründete juristische Person, der Gesellschaft mit beschränkter Haftung2, wird in dieser Hausarbeit in Bezug auf das Vertretungsorgan der GmbH und abweichend von dem Begriff des Geschäftsleiters in § 15b InsO die Begrifflichkeit des „Geschäftsführers“ gewählt.
2. Voraussetzungen des Anspruches gem. § 15b InsO
2.1 Feststellung der materiellen Insolvenzreife
Grundvoraussetzung für die Haftung des Geschäftsführers gem. § 15 b InsO ist der Eintritt der materiellen Insolvenzreife des Unternehmens. Diese sind in den §§ 17 bis 19 InsO normiert und sollen in Kürze - mit Ausnahme der drohenden Zahlungsunfähigkeit gem. §18 InsO - dargestellt werden.
2.1.1 Zahlungsunfähigkeit
§ 17 InsO sieht als allgemeinen Eröffnungsgrund die Zahlungsunfähigkeit vor. Gemäß der Legaldefinition ist zahlungsunfähig, wer seine fälligen Verbindlichkeiten nicht erfüllen kann und seine Zahlungen eingestellt hat, § 17 Abs. 2 InsO.
Dabei ist die Zahlungsunfähigkeit von der vorübergehenden Zahlungsstockung abzugrenzen. Letztere liegt nicht mehr vor, wenn es der Schuldnerin nicht gelingt, ihre fälligen Verbindlichkeiten in erheblicher Höhe nicht innerhalb von drei Wochen auszugleichen.3
Zur Feststellung der entsprechenden Zahlungsunfähigkeit stehen dem Untersuchenden die Prüfung ex ante und ex post zur Verfügung. Eine gesetzlich vorgeschriebene Prüfungsmethode gibt es nicht4, die Herangehensweise hängt von der Prüfung von dem Grund der Untersuchung ab.
2.1.1.1 Prüfung ex ante
Die Prüfung ex ante nutzt der Geschäftsführer zur Feststellung seiner möglichen Pflicht der Insolvenzantragstellung gem. § 15a InsO. Um die Zahlungsunfähigkeit feststellen zu können, bedient sich der Geschäftsführer der „betriebswirtschaftlichen Methode“5 und stellt eine stichtagsbezogene Liquiditätsbilanz auf, bei der die relevanten Verbindlichkeiten (Passiva) mit den relevanten flüssigen Mitteln (Aktiva) gegenüber gestellt werden.6
Sofern die Prüfung eine Liquiditätslücke von über 10 % ausweist und diese innerhalb der drei Wochen nicht geschlossen werden kann7 oder bei einer Deckungslücke von unter 10 % bereits absehbar ist, dass diese kurzfristig wieder überschritten wird, liegt Zahlungsunfähigkeit vor.8
Bei dieser Methode kann jedoch unweigerlich nur eine Prognose des kommenden Zeitraumes abgebildet werden, sodass etwaige Unsicherheiten sowie ein Bewertungsspielraum der Sachlage in Kauf genommen werden muss.9
2.1.1.2 Prüfung ex post
Dagegen wird die Prüfung ex post zur Feststellung etwaiger Haftungsansprüche durch den Insolvenzverwalter/Sachwalter herangezogen. Diese stützt sich objektiv auf die tatsächlichen Geschehnisse10 und betrachtet den Verlauf der Liquidität innerhalb der drei Wochen vor dem Stichtag.
Der erste Hinweis zur Prüfung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit ist die Zahlungseinstellung. Die herrschende Meinung geht von der widerleglichen Vermutung aus, dass bei einer erfolgten Zahlungseinstellung die Zahlungsunfähigkeit vorliegt.11
Die Zahlungseinstellung äußert sich durch ein nach außen erkennbares Verhaltes der Schuldnerin, mit welchem sie ihre Zahlungsunfähigkeit ausdrückt. Dies ist grundsätzlich dann gegeben, wenn bei dem beteiligten Verkehrskreis der berechtigte Eindruck erweckt wird, dass die Schuldnerin nicht in der Lage ist, ihre fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten zu begleichen.12
Nicht zwingend erforderlich ist jedoch, dass sämtliche Zahlungsflüsse eingestellt sind. Die Zahlungseinstellung wird auch dann vermutet, wenn noch einzelne, ggf. sogar beträchtliche Zahlungen fließen, sofern diese im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen.13
Grundsätzlich kann jedoch davon ausgegangen werden, dass Zahlungsunfähigkeit infolge von Zahlungseinstellung vorliegt, wenn in dem maßgeblichen Zeitraum erhebliche fällige Verbindlichkeiten bestanden, welche bis zum Stichtag der Insolvenzeröffnung nicht ausgeglichen wurden.14
Kann die Zahlungseinstellung nicht als Grundlage für die Zahlungsunfähigkeit herangezogen werden, ist von dem Insolvenzverwalter zur Ermittlung des Stichtags der Zahlungsunfähigkeit eine Liquiditätsbilanz aufzustellen.15 Hierzu verweise ich auf meine vorherigen Ausführungen unter der ex ante Prüfung.
2.1.2 Überschuldung
Neben der Zahlungsunfähigkeit sieht § 19 InsO bei einer juristischen Person ebenfalls die Überschuldung als Eröffnungsgrund vor. Die Überschuldung wird in dessen Abs. 2 Nr. 1 legaldefiniert: „Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die beste-
[...]
1 § 1 InsO
2 Udo Kornblum: Bundesweite Rechtstatsachen zum Unternehmens- und Gesellschaftsrecht. GmbHR 2016, 691-701
3 BGH NZI 2005, 547, 548; Gutmann, Thorsten: Die rechnerische Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit, NZI 2021, 473, 479
4 Uhlenbruck/Mock, 15. Auflage 2019, InsO § 17 Rn. 30
5 Pannen/Riedemann/Smid/Pannen, 1. Auflage 2021, StaRUG § 29 Rn. 47
6 Kübler/Prütting/Bork/Steffek, 89. EL August 2021, InsO § 17 Rn. 55
7 BGH, ZInsO 2018, 381; BGHZ 163, 134 = ZInsO 2005, 807
8 Schmidt, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 9. Auflage 2022, § 17 InsO, Rn. 4
9 Ampferl, Hubert/KilperRaik: Die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit in der Praxis, NZI 2018, 191
10 BGH, NZI 2018, 204 Rn. 33
11 Wimmer, FK-InsO, 9. Auflage 2018, § 17 InsO, Rn. 50; Eilenberger, Guido, Münchner Kommentar, 4. Auflage 2019, InsO § 17 Rn. 27; Uhlenbruck/Mock, 15. Aufl. 2019, InsO § 17 Rn. 155
12 Schmidt, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 9. Auflage 2022, § 17 InsO, Rn. 37
13 Schmidt, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 9. Auflage 2022, § 17 InsO, Rn. 38
14 Haarmeyer / Huber / Schmittmann, Praxis der Insolvenzanfechtung, 4. Auflage 2020, § 17 InsO, Rn. 67
15 Ahrens / Gehrlein / Ringstmeier, Insolvenzrecht Kommentar, 4. Auflage 2020, Rn. 257
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- Cindy Schmidt (Autor:in), 2021, Die Geschäftsführerhaftung gem. § 15b InsO, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1185597
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