Diese Arbeit hat das Ziel, die verschiedenen Formen (politischer) Sprachkritik auf Grundlage ihres theoretischen Fundaments zu hinterfragen und anhand von Textmaterial zum ′Semantikkampf′′typische′ Argumentationsmuster herauszuarbeiten. Da sich sprachkritische Argumentationsstrategien mehr oder weniger explizit auf unterschiedliche Zeichentheorien stützen, halte ich es an dieser Stelle für angebracht, auf die wichtigsten von ihnen in Form einer allgemeinen Übersicht einzugehen, ihre Vor- und Nachteile darzulegen sowie jeweils Rückschlüsse auf die von ihnen abgeleitete ′Spielart′ der Sprachkritik zu ziehen. Weiterhin werde ich erkenntnistheoretische Aspekte in meine Arbeit einfließen lassen, da die Beantwortung der Frage nach dem ′Charakter′ von Zeichen, bzw. von Wortbedeutungen, eng mit dem jeweils eingenommen erkenntnistheoretischen Standpunkt verwoben ist, und die entwickelten Zeichentheorien ohne Kenntnis desselben nicht angemessen eingeordnet werden können. Abbildtheoretische Zeichentheorien1 basieren grundsätzlich auf drei Annahmen: (1)Es existiert (unabhängig von menschlicher Wahrnehmung2) eine objektive Wirklichkeit. (2)Diese Wirklichkeit ist durch den Menschen erkennbar, d.h., menschliche Wahrnehmungsdaten liefern unmittelbar Information über die tatsächliche Realität. Und (3) die Erkenntnisse, die der Mensch auf Grundlage dieser Wahrnehmungsdaten erlangt, stehen in einem direkten Abbildverhältnis zur ′Welt-ansich′. Diese eigentlich erkenntnistheoretischen (und anzweifelbaren- vgl. Kapitel 5) Prämissen bilden das Fundament einer Theorie, die erklären soll, durch welche Eigenschaften es Wörter vermögen, für Dinge in der Wirklichkeit zu stehen3, d.h., zu erläutern, wie es gelingt, mit Wörtern über (scheinbar) objektiv gegebene Tatsachen zu kommunizieren. Die Frage, die es zu beantworten gilt, ist: welche Kriterien ein Wort erfüllen muß, damit ein Hörer verstehen kann, was der Sprecher4 aussagen will?
Die Antwortmöglichkeit, die im "Kratylos"-Dialog angeboten wird, hat zum Inhalt, daß die Wörter selbst schon Strukturen der Wirklichkeit enthalten. Worte stehen nach dieser Theorie in einem mimetischen Abbildverhältnis zur Realität und können daher an deren Stelle gebraucht werden. Der Hörer versteht demnach deshalb die Sprecheräußerung, weil die Relation Wort-Realität eindeutig und somit jedem Sprachteilnehmer gleichermaßen zugänglich ist. [...]
Inhaltsverzeichnis
1 Vorbetrachtung: Zeichentheorien und Sprachkritik
2 Abbildtheorie
3 Bekleidungstheorie
4 Gebrauchstheorie der Bedeutung
4.1 Kritik der Gebrauchstheorie aus Sicht des Konstruktivismus
5 Erkenntnis und Konstruktivismus
5.1 Das Problem der Erkenntnis
5.2 Konstruktivismus und Transzendentalphilosophie
5.3 Abbildung durch Adaption?
5.4 Zusammenfassung
6 Sprachkritische Relevanz
6.1 Abbildtheoretische Argumentationsstrategie
6.2 Bekleidungstheoretische Argumentationsstrategie
6.3 Der Sprache-Denken-Dualismus
6.4 Schlußbemerkung
7 Literaturverzeichnis
1 Vorbetrachtung: Zeichentheorien und Sprachkritik
Diese Arbeit hat das Ziel, die verschiedenen Formen (politischer) Sprachkritik auf Grundlage ihres theoretischen Fundaments zu hinterfragen und anhand von Textmaterial zum 'Semantikkampf''typische' Argumentationsmuster herauszuarbeiten. Da sich sprachkritische Argumentationsstrategien mehr oder weniger explizit auf unterschiedliche Zeichentheorien stützen, halte ich es an dieser Stelle für angebracht, auf die wichtigsten von ihnen in Form einer allgemeinen Übersicht einzugehen, ihre Vor- und Nachteile darzulegen sowie jeweils Rückschlüsse auf die von ihnen abgeleitete 'Spielart' der Sprachkritik zu ziehen. Weiterhin werde ich erkenntnistheoretische Aspekte in meine Arbeit einfließen lassen, da die Beantwortung der Frage nach dem 'Charakter' von Zeichen, bzw. von Wortbedeutungen, eng mit dem jeweils eingenommen erkenntnistheoretischen Standpunkt verwoben ist, und die entwickelten Zeichentheorien ohne Kenntnis desselben nicht angemessen eingeordnet werden können.
2 Abbildtheorie
Abbildtheoretische Zeichentheorien[1] basieren grundsätzlich auf drei Annahmen: (1)Es existiert (unabhängig von menschlicher Wahrnehmung[2] ) eine objektive Wirklichkeit. (2)Diese Wirklichkeit ist durch den Menschen erkennbar, d.h., menschliche Wahrnehmungsdaten liefern unmittelbar Information über die tatsächliche Realität. Und (3) die Erkenntnisse, die der Mensch auf Grundlage dieser Wahrnehmungsdaten erlangt, stehen in einem direkten Abbildverhältnis zur 'Welt-an-sich'.
Diese eigentlich erkenntnistheoretischen (und anzweifelbaren- vgl. Kapitel 5) Prämissen bilden das Fundament einer Theorie, die erklären soll, durch welche Eigenschaften es Wörter vermögen, für Dinge in der Wirklichkeit zu stehen[3], d.h., zu erläutern, wie es gelingt, mit Wörtern über (scheinbar) objektiv gegebene Tatsachen zu kommunizieren. Die Frage, die es zu beantworten gilt, ist: welche Kriterien ein Wort erfüllen muß, damit ein Hörer verstehen kann, was der Sprecher[4] aussagen will?
Die Antwortmöglichkeit, die im "Kratylos"-Dialog angeboten wird, hat zum Inhalt, daß die Wörter selbst schon Strukturen der Wirklichkeit enthalten. Worte stehen nach dieser Theorie in einem mimetischen Abbildverhältnis zur Realität und können daher an deren Stelle gebraucht werden. Der Hörer versteht demnach deshalb die Sprecheräußerung, weil die Relation Wort-Realität eindeutig und somit jedem Sprachteilnehmer gleichermaßen zugänglich ist. Als entscheidend ist hier festzuhalten, daß es die Eigenschaften der Wörter und nicht die Verwendungsweisen des Wortes durch den Sprecher sind, die dem Wort Bedeutung verleihen.
Natürlich steht es außer Zweifel, daß sich die Bedeutung von Wörtern wie dreizehn aus den Bestandteilen drei und zehn zusammensetzen (und damit auch in gewissem Umfang zurückführen) läßt. Das besagt allerdings nur, daß Komposita sekundär motiviert sein können und impliziert keineswegs, daß auch für drei oder zehn der Aspekt der Motiviertheit zutrifft. Weiterhin läßt sich nicht schlüssig erklären, welchem realen (nicht sprachlichen) Äquivalent die Begriffe drei oder zehn - die selbst abstrakte Konstrukte sind - entsprechen sollen und wie sie demzufolge überhaupt verstanden werden können.
Will man also auf Grundlage der Abbildtheorie ein Wort beurteilen, d.h., eine Aussage über dessen Richtigkeit bzw. Falschheit treffen[5], so muß man sich am Grad der Übereinstimmung von Wort und Realität orientieren[6]. Dabei wird übersehen, daß Verifizierungs- bzw. Falsifizierungskriterien bestenfalls einen Maßstab für Propositionen bieten[7] (wenn man an dieser Stelle außer acht lassen will, daß auch die Bestimmung von 'wahr' oder 'falsch' allein auf sozialen Konventionen beruht, und daher keinen verläßlichen Indikator darstellt):
"...Falschheit und Wahrheit ist an Verbindung und Trennung der Vorstellungen geknüpft. Die Nomina und Verba für sich allein gleichen nun dem Gedanken ohne Verbindung und Trennung, wie z.B. das Wort Mensch oder weiß, wenn man sonst nichts hinzusetzt: Hier gibt es noch nicht Irrtum und Wahrheit..." (Aristoteles in Keller 1995, 28)
Im Frühwerk Wittgensteins findet sich diese Unterscheidung wieder. Sätze sind entweder wahr oder falsch - das sei der eigentliche Sinn eines Satzes - , wohingegen Wörter nur die Wirklichkeit abbilden können oder, falls sie nicht tun, kein sinnvolles Symbol mehr darstellen (vgl. Kenny 1974, 78).
Offen bleiben bei dieser Theorie Fragen nach der objektiv vorhandenen Entsprechung von Begriffen, die nur durch und innerhalb der Sprache existieren. Dies trifft beispielsweise auf Abstrakta (Frieden, Freiheit), einige Sprachhandlungen (ARGUMENTIEREN), das Zahlensystem, für Pronomen, Konjunktionen sowie Bezeichnungen von Wortarten Substantiv, Verb, Adjektiv etc. zu.
Weiterhin trägt die Abbildtheorie weder dem Umstand der Monosemierung von Wörtern in Sätzen bzw. Texten[8] (und der damit verbundenen prinzipiellen Vagheit[9] von sprachlichen Ausdrücken) noch dem Handlungscharakter der Sprache Rechnung[10]. Nicht der Sprachhandelnde (bzw. die Sprachgemeinschaft) ist nach diesen Prämissen verantwortlich für den Gebrauch der Sprache, sondern allein die möglichst genaue Relation von Wort und Realität bestimmt die Verwendung eines Wortes. Daß ein Ähnlichkeitsverhältnis oder eine onomatopoetische Abbildung allein der Natur von Wortbedeutungen nicht gerecht wird, ist allerdings bereits im "Kratylos" erwähnt (vgl. Keller 1995, 34). Aristoteles versucht in der von ihm entwickelten Bekleidungs- oder auch Vorstellungstheorie dieses Problem zu lösen.
3 Bekleidungstheorie
Die Bekleidungstheorie unterscheidet drei Entitäten: Wort, Begriff (oder Vorstellung) und Ding. Das Problem der Zeichenbedeutung verschiebt sich folglich im Vergleich zu Platons Abbildtheorie auf eine psychologische Ebene. Diese 'innere' Ebene hat die Funktion einer Vermittlungsinstanz zwischen 'Welt' und Wort.
Die unter 2. dargelegten Prämissen werden weitestgehend übernommen. Lediglich die dritte erfährt eine Modifizierung: (Menschliche) Erkenntnis erfolgt nun nicht mehr unmittelbar aus den Wahrnehmungsdaten, sondern mittels Vorstellungen, die der Erkennende von der Realität entwickelt. Diese Vorstellungen wiederum sind überindividuell und befinden sich in einem Abbildverhältnis zur Realität.
Die Universalität der Vorstellungen ist ein logisches Resultat des Abbildverhältnisses. Da die Realität objektiv erkennbar ist, müssen alle Vorstellungen, die sich an ihr orientieren, übereinstimmen. Die Worte selbst stehen wiederum in einem Abbildverhältnis zu den Vorstellungen und referieren auf diese Weise indirekt auf 'die Außenwelt'. Kommunikation kann also funktionieren, weil die Vorstellungen - und in Folge des Abbildverhältnisses auch die Worte - für Sprecher wie Hörer identisch sind, bzw. weil die Worte für beide identische Bedeutungen haben.
Fragt man analog zu 2. durch welche Eigenschaften es die Vorstellungen vermögen, auf die Realität zu verweisen, so erhält man eine Scheinantwort, denn die Begründung, Vorstellungen stünden für die Realität, weil sie diese symbolisierten, ist eine Tautologie, die in einen infiniten Regreß führen würde (vgl. Keller 1995, 71).
Da unterstellt wird, daß Vorstellungen Abbilder der Realität sind, läßt sich noch immer der Vergleich Wort - Realität ziehen; dieser findet nunmehr lediglich vermittelt auf einer intraindividuellen Ebene statt. Richtigkeit oder Falschheit eines Wortes orientiert sich gemäß dieser Theorie primär an den Vorstellungen des Wortbenutzers (wenn auch offen bleibt, wie der Hörer Zugang zu den Sprechervorstellungen bekommen soll), greift aber sekundär dennoch auf die von der Abbildtheorie bekannte Relation Wort - Realität zurück. Im Zweifelsfall verwendet ein Zeichenbenutzer dann ein falsches Wort, weil er eine falsche Vorstellung von der Realität hat, was in letzter Konsequenz ebenfalls bedeutet, daß Wort und Realität nicht übereinstimmen. Galt vormals die Unterscheidung Wort vs. Realität, wobei ersteres dem zweiten zu entsprechen habe, so verschiebt sich der Abbildungsvorgang nunmehr auf die Ebene Begriff (oder Vorstellung) vs. Realität. Da es sich also um eine psychologisch vermittelte Abbildung handelt, kann man die Bekleidungstheorie auch als eine erweiterte Abbildtheorie bezeichnen, welche ebenfalls die unter 2, dargelegten Mängel aufweist.
Die Beziehung Wort-Ding wird auch hier nicht als willkürlich (d.h. konventionell arbiträr) betrachtet, wie dies von der Gebrauchstheorie der Bedeutung angenommen wird, die ich anschließend besprechen werde, sondern "arbiträr ist (lediglich, J.H.) (...)die Bezeichnung der Vorstellung, nicht die Vorstellung selbst und nicht die begriffliche Klassifikation, die wir mit unserer Sprache vornehmen" (Keller 1995, 39).
Wie bereits die Abbildtheorie setzt auch die Bekleidungstheorie voraus, daß Realität objektiv erkennbar ist und somit überhaupt als Vergleichsmaßstab gelten kann. Daß gerade aber diese zentrale Prämisse nicht zu belegen ist, versuche ich unter 5. darzulegen.
Drei weitere Feststellungen lassen sich (nach Keller 1995, 58ff) treffen, die die Grundlagen der Bedeutungstheorie (und damit letztlich auch der Abbildtheorie) ad absurdum führen. Erstens sind Konjunktionen (ob), relationale (Vetter), evaluative (gut) oder nur strukturell definierbare Ausdrücke (Dienstag) schwerlich auf Bedeutungsvorstellungen rückführbar (sie existieren nur in und nur durch die Sprache). Zweitens setzt die Entstehung einer Vorstellung zu einem Begriff dessen Verständnis voraus (und kann somit das Verstehen als solches nicht erklären) und drittens "müßten Vorstellungen nichtsprachlich kommunizierbar sein, um eine Sprache lehren zu können" (Keller 1995, 60), d.h. um zu erläutern, welche Vorstellung welchem Begriff entspricht und was dieser bedeutet.
Zugleich kann eine Theorie, die Realität (und in Folge dessen auch Wortbedeutungen) als gegeben betrachtet, Phänomene wie den Sprachwandel nicht erklären. Selbst über vermeintlich für jeden Sprachbenutzer gleiche Kategorien wie Baum, Tisch etc. muß sich sprachlich erst verständigt werden, um jedem Einzelnen zu suggerieren, daß seine eigenen Vorstellungen mit den anderer kompatibel sind, was die Voraussetzung jeder sinnvollen Kommunikation ist.
Welche Erklärungen liefert nun die von Ludwig Wittgenstein entwickelte Gebrauchstheorie der Bedeutung?
4 Gebrauchstheorie der Bedeutung
Die fundamentalen Unterschiede zu den unter 2. und 3. dargelegten Zeichentheorien äußern sich bereits in der Art der Fragestellung. Während es bisher zu beantworten galt, durch welche Eigenschaften es Wörter vermögen, auf die 'Welt-an-sich' zu verweisen, so heißt die Frage jetzt, wie es dem Menschen gelingt, mit Hilfe von Zeichen zu kommunizieren. Die Differenz besteht dabei in der Erkenntnis, daß Wörter unabhängig von ihrer Verwendung keine Bedeutung besitzen, bzw. überhaupt nicht existieren:
"Die Bedeutung ist nichts Geheimnisvolles, nichts Seelisches oder sonst etwas Inneres. Die Bedeutung ist eine Technik, und genau deshalb können wir sie lehren und lernen und modifizieren. Die Theorie besagt nicht: Man muß die Bedeutung eines Wortes kennen, um es richtig gebrauchen zu können. (...) Ein Wort richtig gebrauchen können, heißt, die Bedeutung kennen. Es gibt nichts 'hinter' der Gebrauchsregel, das gleichsam die Korrektheit des Gebrauchs garantiert. Der Gebrauch 'fließt' nicht aus der Bedeutung, ist nicht eine Folge der Bedeutung, sondern er ist die Bedeutung" (Keller 1995, 67).
Konnte man unter abbildtheoretischen bzw. bekleidungstheoretischen Prämissen weitestgehend von der kommunikativen Interaktion abstrahieren, da Kommunikation dann erfolgreich verlaufen sollte, wenn eindeutige, der 'Realität' entsprechende, Wörter verwendet werden, so rückt jetzt die Art und Weise der Kommunikation, bzw. der Wortverwendung, in den Mittelpunkt des Interesses. Wörter sind eben keine isolierbaren Entitäten, sondern Mittel der Beeinflussung[11], die nur innerhalb des 'Sprachspiels' - wie Wittgenstein formuliert (PU § 7)[12] - eine Rolle übernehmen können. Wittgenstein vergleicht den Gebrauch der Sprache mit einem Schachspiel. Bevor den einzelnen Spielfiguren keine Rollen durch Regeln zugewiesen worden sind, bleiben sie bloße Figuren. Ihre Bedeutung erlangen sie erst, durch ihre Funktion innerhalb des Spiels[13].
[...]
[1] Ich beziehe mich im folgenden vor allem auf Platons „Kratylos“; bzw. auf dessen Erörterung in Keller, 1995.
[2] Die Abbildtheorie setzt voraus, „daß das Objekt der Erkenntnis nicht vom erkennenden Subjekt erzeugt wird, sondern getrennt und unabhängig vom erkennenden Subjekt besteht“(Ulfig 1993, 7).
[3] Ich verwende bereits an dieser Stelle den von Umberto Eco entwickelten (auf Peirce und Morris rückführbaren) Zeichenbegriff, um im Verlauf meiner Darlegungen auf die Differenzen zur Abbildtheorie verweisen zu können. Eco (Eco 1989, 27) definiert ein Zeichen, zu denen auch die sprachlichen zählen, wie folgt: „Ich möchte vorschlagen, alles Zeichen zu nennen, was aufgrund einer vorher festgelegten sozialen Konvention als etwas aufgefaßt werden kann, das für etwas anderes steht“ (Hervorhebung im Original).
[4] Ich gebrauche Hörer und Sprecher in der allgemeinsten Verwendungsweise, nämlich im Sinne von Sender und Empfänger. Kommunikation erfolgt natürlich nicht nur mittels von Sprache und beide Positionen wechseln ständig im Verlauf der Interaktion.
[5] Hauptsächlich dieser Aspekt ist von seiten der normativen Sprachkritik zur Diffamierung des jeweilig politischen Gegners verwendet worden: Nur wer im Besitz der 'wahren Wortbedeutung' ist, kann seinem Opponenten vorwerfen, die Wörter falsch zu verwenden (vgl. Kapitel 6).
[6] „Eine Aussage ist nach dieser Theorie nur dann wahr, wenn sie mit dem zu erkennenden Sachverhalt übereinstimmt“ (Ulfig 1993, 7)
[7] Wenn wir nun aber eine auf die Kommunikation rekurrierende Bedeutungstheorie entwickeln wollen, müssen wir uns dann nicht eher auf die Bedeutungen von Sätzen anstatt auf die von Wörtern konzentrieren? Wenn jemand bloß einen Teil eines Satzes, als welcher ein Wort gewöhnlich zu gelten hat, äußert, welche kommunikative Funktion hat dies? Im allgemeinen wohl so gut wie keine. Angenommen ich sage einfach ‘Pferd’. Ist damit irgend etwas kommuniziert worden? Es bedarf im allgemeinen eines ganzen Satzes, damit etwas übermittelt wird. Die kleinste Kommunikationseinheit ist ein Satz“ (Armstrong in Meggle 1993, 113) (Hervorhebung im Original).
[8] „Einfache syntaktische Umstellproben zeigen, daß allein die Stellung eines Wortes im Satz die Satzbedeutung entscheidend verändern kann; ebenso kann der Austausch eines einzelnen Wortes im Satz zu einer völlig veränderten Satzbedeutung führen. Andererseits konkretisiert die Einbettung eines Wortes die ‘Bedeutung’, welche auf der Ebene der ‘lexikalischen Bedeutung’ noch vielgestaltig war, dadurch, daß der durch die anderen Zeichen im Satz gebildete, das Wort umgebende Kontext die Bedeutungsmöglichkeiten des Wortes einschränkt. ‘Monosemierung’ bzw. ‘Disambiguierung’, d.h. der Ausschluß z.B. von synonymen Bedeutungen, findet stets nur in Texten statt.“ (Busse 1992, 65)
[9] Ernst von Glasersfeld erklärt diese Vagheit durch die Unterscheidung von Wort und Begriff, wobei Begriffe als mentale Operationen verstanden werden. "Man kann diese relative Unschärfe so verstehen, daß mentale Operationen das Mittel sind, um grundlegende Beziehungen zwischen Elementen der Erfahrung herzustellen. Die grundlegenden Beziehungen werden sodann durch einen konkreten Kontext genauer bestimmt" (Glasersfeld 1996, 142). Dabei ist zu berücksichtigen, daß aus Sichtweise des Autors (und in Anlehnung an die Theorie Piagets) diese 'grundlegenden Beziehungen' auf einfache Schemata, die durch Akkomodation oder Assimilation entstehen, zurückgeführt werden, deren spezielle Realisierung ebenfalls nur im jeweiligen Kontext nachvollziehbar ist. Daraus ergibt sich die Analogie der Anwendung immer gleicher Schemata auf unterschiedliche Reizsituationen im allgemeinen und der Verwendung (gleicher) kognitiver Begriffe (als Bestandteile der Schemata) in verschiedenen kommunikativen Interaktionen im besonderen. Beispielsweise ließe sich im Deutschen das Wort von durch die (abstrakt-konstant) mentale Operation 'Herstellung einer Relation von mindestens zwei Entitäten' umschreiben, die eine räumliche, zeitliche, interpersonelle etc. Ausformung im jeweiligen Kontext aufweisen kann. Visuell wahrnehmbare Gegenstände führten dann etwa zu Umschreibungen wie 'Herstellung einer Relation von visuellem Wahrnehmungsbild bzw. Repräsentation und auditivem Wortmuster (Wort)'. Die unterschiedliche Realisierung dieser möglichen Zuordnungen von Wort und Begriff variiert natürlich von Sprache zu Sprache und führt zu den bekannten Übersetzungsschwierigkieten. Wichtig ist an dieser Stelle, daß ich hiermit nicht eine Position einnehme, die Wortbedeutungen auf einer epistemischen Ebene ansiedelt (vgl. Kapitel 3). In einer Modifizierung der Gebrauchstheorie der Bedeutung könnte man formulieren, daß Worte (linguistische Ebene) und mentale Operationen (epistemische Ebene) durch den Sprachgebrauch miteinander verknüpft werden, wobei zwischen beiden keine Identität bestehen muß. Letztere sind (noch?) nicht zugänglich und daher können Wortbedeutungen - und damit auch der Sinn einer sprachlichen Äußerung - immer nur aufgrund der Kenntnis des Sprachgebrauchs einer Sprachgemeinschaft erschlossen werden.
[10] „Im Gegensatz zu der traditionellen Auffassung, daß der Aussagekern einer Prädikation im Akt des Prädizierens liege, während das Bezugnehmen nur den Verweis auf eine vorgefundene Wirklichkeit beinhalte, geht eine pragmatische Satzsemantik davon aus, daß auch das Bezugnehmen eine Handlung von Sprechern/Schreibern ist, die nicht nur auf vorfindliche Bezugsgegenstände verweist, sondern diese für den Zweck der Kommunikation einführt bzw. ‘konstituiert’; Referenz ist also eine gegenstandskonstitutive Handlung. Damit wird Referenz nicht mehr, wie in der philosophisch-logisch orientierten Wortsemantik, als eine Eigenschaft von Wörtern behandelt, sondern als Handlung von Sprachbenutzern, die abhängig ist vom Bewußtsein über Sprachinhalte einer Sprachgemeinschaft.“ (Busse 1992, 72)
[11] Beeinflussung im Sinne des Grice’schen Grundmodells: „ ‘S meinte etwas mit dem Äußern von x’ ist wahr gdw. für einen Hörer H gilt: S äußerte x mit der Absicht, daß
(1) H eine bestimmte Reaktion r zeigt,
(2) H glaubt (erkennt), daß S (1) beabsichtigt (und, J.H.)
(3) H (1) aufgrund seiner Erfüllung von (2) erfüllt“ (vgl. Grice in Meggle 1993, 20).
[12] Ich beziehe ich im folgenden auf die im Literaturverzeichnis angegebene Werkausgabe Ludwig Wittgensteins im Suhrkamp-Verlag; PU gebrauche ich als Abkürzung für die Philosophischen Untersuchungen.
[13] „Wenn in der Wittgensteintradition die Bedeutung mit dem Gebrauch gleichgesetzt oder zumindest damit in Verbindung gebracht wird, so immer mit einem regelgeleiteten Gebrauch. Die Verwendung der Ausdrücke erfolgt nämlich immer aufgrund gewisser Regeln und nicht beliebig. Wittgensteins bedeutungstheoretische Hinweise in diese Richtung ergeben sich bereits aus der in seinen Schriften immer wieder auftauchenden Analogie zwischen Sprache und Spiel: Was ist die Bedeutung einer Spielfigur im Damespiel? ‘...die Bedeutung eines Steines (einer Figur) ist ihre Rolle im Spiel’ (PU § 563). Und die Rolle der Figur ergibt sich aus den Regeln des Damespiels“ (Runggaldier 1990, 57).
- Arbeit zitieren
- Jana Kullick (Autor:in), 1996, Bedeutung, Wirklichkeit, Kommunikation - Erkenntnistheorie, Konstruktivismus und Sprachkritik - Versuch einer Synthese, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11858
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