Die Mustertextmappe im Unterricht zur Texterstellung in der achten und neunten Klasse der Schule zur Lernförderung


Examensarbeit, 2005

140 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Vorwort

1 Einleitung

2 Der Aufsatzunterricht in der SzL
2.1 Herkömmlicher Aufsatzunterricht in der SzL
2.1.1 Das traditionelle Konzept des Aufsatzunterrichts
2.1.2 Kritik am „herkömmlichen“ Aufsatzunterricht
2.2 Neuansatz für den Aufsatzunterricht in der SzL
2.2.1 Terminologie und Rahmenbedingungen
2.2.2 Das gegenwärtige Konzept des schriftlichen Sprachhandelns
2.2.2.1 Darstellung des neuen Konzepts schulischen Schreibens
2.2.2.2 Die Ziele des Neuansatzes mit dem Schwerpunkt des adressatenbezogenen und situativen Schreibens
2.2.3 Darstellung der allgemeinen Unterrichtsmethodik für das neue Konzept des Aufsatzunterrichts
2.2.3.1 Die Bedingungsfaktoren schriftsprachlicher Kommunikation
2.2.3.2 Adressatengerichtetes Schreiben in realen und fiktiven Schreibsituationen
2.3 Die gegenwärtige Situation des Aufsatzunterrichts mit den Grenzen adressatenbezogenen Schreibens

3 Die Mustertextmappe im Unterricht zur Texterstellung in der SzL
3.1 Die formale Beschreibung der Mustertextmappe
3.1.1 Inhalt und Aufbau einer Mustertextmappe
3.1.2 Anzahl und Art der Mustertexte pro Schuljahr
3.2 Intentionen einer Mustertextmappe
3.2.1 Verwendung der Mustertextmappe in der Schule
3.2.2 Der selbstständige Umgang der Förderschüler mit der Mustertextmappe nach ihrer Schulentlassung
3.3 Die Begründung der Mustertextmappe sowie der ausgewählten Mustertexte
3.3.1 Gründe für die Erstellung einer Mustertextmappe
3.3.2 Begründung der Auswahl und der Gestaltung der einzelnen Mustertexte

4 Die Mustertextmappe in der achten und neunten Klasse im Unterricht zur Texterstellung in der SzL
4.1 Die didaktisch-methodische Umsetzung eines adressatengerichteten Schreibens – ein methodisches Grundmodell .
4.2 Die Muster- Gebrauchstexte in der achten und neunten Klasse der SzL
4.2.1 Die Darstellung der didaktisch-methodischen Unterrichtsgestaltung bei Gebrauchstexten am Beispiel der Erstellung eines Bewerbungsschreibens
4.2.1.1 Vorbemerkungen und Sachinformationen zur Unterrichtseinheit
4.2.1.2 Die unterrichtliche Realisierung: Lernziele, methodische Schritte und Unterrichtsverlauf
4.2.2 Das Bewerbungsschreiben: der Mustertext und ergänzende Informationstexte
4.2.3 Der Lebenslauf: der Mustertext und ergänzende Informationstexte
4.2.4 Das Protokoll: der Mustertext und ergänzende Informationstexte
4.2.5 Die Inseratzuschrift: der Mustertext und ergänzende Informationstexte
4.2.6 Die Reklamation: der Mustertext und ergänzende Informationstexte
4.2.7 Das Entschuldigungsschreiben: der Mustertext und ergänzende Informationstexte
4.2.8 Die Anfrage: der Mustertext und ergänzende Informationstexte
4.2.9 Die Kündigung: der Mustertext und ergänzende Informationstexte
4.3 Die Musterformulare in der achten und neunten Klasse der SzL
4.3.1 Darstellung der didaktisch-methodischen Unterrichtsgestaltung zum Thema Formulare am Beispiel einer Überweisung
4.3.1.1 Vorbemerkungen und Sachinformationen
4.3.1.2 Die unterrichtliche Realisierung: Lernziele, methodische Schritte und Unterrichtsverlauf
4.3.2 Das Überweisungsformular: das Musterformular und ergänzende Informationstexte
4.3.3 Die GEZ- Anmeldung: das Musterformular und ergänzende Informationstexte
4.3.4 Die Beantragung eines Telefonanschlusses: das Musterformular und ergänzende Informationstexte
4.3.5 Die Beantragung einer Lohnsteuerkarte: das Musterformular und ergänzende Informationstexte
4.3.6 Die Wohnungsanmeldung: das Musterformular und ergänzende Informationstexte
4.3.7 Die Wohnungsabmeldung: das Musterformular und ergänzende Informationstexte
4.3.8 Der Nachsendeantrag: das Musterformular und ergänzende Informationstexte
4.3.9 Der Antrag auf Kindergeld: das Musterformular und ergänzende Informationstexte

5. Schwierigkeiten bei der Texterstellung sowie bei der Erstellung und Verwendung der Mustertextmappe für die Schüler der SzL
5.1 Schwierigkeiten bei der Texterstellung für die Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen
5.2 Mögliche Probleme bei der Erstellung Und verwendung einer Mustertextmappe für die Förderschüler

6 Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Gegenüberstellung der wesentlichen Merkmale des herkömmlichen und

adressatenbezogenen Aufsatzunterrichts

Abbildung 2: Datenblatt: Personalien auf einen Blick

Abbildung 3: Übersicht der Mustertexte von der sechsten bis zur neunten Klasse .42/

Abbildung 4: Die äußere Form eines Geschäftsbriefes

Abbildung 5: Fehlerhaft ausgefüllter Überweisungsträger

Abbildung 6: Musterformular: Überweisungsträger

Abbildung 7: Musterformular: GEZ - Anmeldung

Abbildung 8: Hinweise zum Ausfüllen der GEZ - Anmeldung, Teil 1

Abbildung 9: Hinweise zum Ausfüllen der GEZ - Anmeldung, Teil 2

Abbildung 10: Musterformular: Beantragung eines Telefonanschlusses

Abbildung 11: Musterformular: Beantragung einer Lohnsteuerkarte

Abbildung 12: Musterformular: Anmeldung bei der Meldebehörde

Abbildung 13: Allgemeine Hinweise zum Ausfüllen des Meldescheins „Anmeldung“

Abbildung 14: Erläuterungen zum Ausfüllen des Antragsvordrucks

Abbildung 15: Musterformular: Abmeldung bei der Meldebehörde

Abbildung 16: Allgemeine Hinweise zum Ausfüllen des Meldescheins „Abmeldung“

Abbildung 17: Erläuterungen zum Ausfüllen des Antragsvordrucks

Abbildung 18: Musterformular: Nachsendeantrag

Abbildung 19: Erläuterungen und Hinweise zum Nachsendeantrag

Abbildung 20: Musterformular: Antrag auf Kindergeld, Teil 1

Abbildung 21: Musterformular: Antrag auf Kindergeld, Teil 2

Abbildung 22: Hinweise zum Vordruck „Antrag auf Kindergeld“

Abbildung 23: Hinweise zum Ausfüllen des Antragsvordrucks

Vorwort

Die vorliegende Zulassungsarbeit beschäftigt sich mit der Erstellung einer Mustertextmappe bei Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Förderschwerpunkt Lernen im Rahmen des Unterrichts zur Texterstellung in der achten und neunten Klasse. Dabei musste ich nach intensiver Literaturrecherche feststellen, dass einerseits für diese spezielle Schülergruppe und andererseits für diese Thematik im Allgemeinen kaum aktuelles Material vorhanden ist. Verfügbare Artikel oder Bücher waren zudem oft veraltert, da die Literatur zur Aufsatzdidaktik, genau genommen zum so genannten „herkömmlichen“ Aufsatzunterricht, in der Schule zur Lernförderung (nachfolgend mit SzL abgekürzt) schon mit Beginn der 70er Jahre entstanden war. Seit dieser Zeit kann man gerade einmal eine Handvoll veröffentlichter Quellen zum Neuansatz des Aufsatzunterrichts in der SzL, nicht jedoch zur Thematik der Mustertextmappe, finden. Schon damals vorhandene Lücken in der Literatur zu diesem wichtigen Lernbereich sind auch heute noch fast unverändert groß geblieben (BÖHM 1999, S. 11). Gegenwärtig noch zutreffende Gesichtspunkte bzw. für den Verlauf der Arbeit sinnvolle Aspekte wurden dennoch in die Arbeit integriert.

Die Mustertextmappe als Bestandteil des Unterrichts zur Texterstellung in der SzL wird in der Literatur dagegen vereinzelt und nur als Randerscheinung erwähnt. Auch konnte ich eine Realisierung der Mustertextmappe in der Unterrichtspraxis im Rahmen meiner Praktika bisher nicht erkennen.

Lediglich SCHOR (1990, S. 64) spricht davon, dass Mustertexte wie der Lebenslauf oder die Bewerbung in einer Mustermappe zur künftigen Verwendung gesammelt werden sollen und auch bei BÖHM (1999, S. 125) wird die Mustertextmappe in einem Abschnitt kurz angesprochen. Dabei wird aber nur darauf aufmerksam gemacht, dass das eigentliche kommunikative schriftsprachliche Produkt zusammen mit den ergänzenden Informationstexten in einem Merkordner abgeheftet werden soll.

Neue Untersuchungen bzw. Befragungen zum gegenwärtigen Konzept des Aufsatzunterrichts in den Abschlussklassen der SzL sowie Befragungen zu Erfahrungen bezüglich der praktischen Umsetzung einer Mustertextmappe im Unterricht zur Texterstellung konnten aber nicht gefunden werden. Deshalb beziehen sich die verfügbaren Untersuchungen lediglich auf das adressatenbezogene Schreiben in der SzL und nicht auf die Erfahrungen von Lehrern und Schülern mit der Erstellung und Verwendung einer Mustertextmappe.

Bei einer Befragung von 202 Schülern aus 16 neunten Klassen verschiedener SzL durch SPODEN 1976 zeigte sich, dass diese Abschlussschüler die Erlebniserzählung als irrelevant für das Schreiben als Erwachsener ansahen. Dabei ließ SPODEN im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung die Schüler Rangreihen dazu erstellen, „was sie gerne schreiben würden“ und was sie meinten, „als Erwachsene schreiben zu müssen“ (SPODEN 1976, in BÖHM 1999, S. 49).

1979 führte SCHÖLCH in einer Mittelstufenklasse einer SzL mehrere Schreibprojekte im Sinne eines adressatenbezogenen und realitätsorientierten Schreibens durch. Die an den Schreibprojekten von SCHÖLCH beteiligte fünfte Klasse bestand zu diesem Zeitpunkt aus 18 Kindern. Vor Beginn des Projektschreibens haben diese in einem so genannten herkömmlichen Aufsatzunterricht vorwiegend Erlebnisaufsätze geschrieben. Am Ende dieser Schreibprojekte kommt SCHÖLCH zu einer positiven Bewertung der Ergebnisse. Sie betont dabei vor allem die positive Wirkung, welche ein Schreiben im „Ernstfall“ und an reale Adressaten hat, weil es den Schülern ein sinnvolles Tun und Lernen ermöglicht (in BÖHM 1999, S. 132 f.).

SCHMETZ weist noch 1996 auf die von KLAUER schon 1963 (in SCHMETZ 1996, S. 96) festgestellte Schreibenthaltsamkeit von Schülern mit Lernbeeinträchtigungen nach ihrer Schulentlassung hin, die er als Folge des herkömmlichen Aufsatzunterrichts sieht. Diese Ablehnung des Schreibens durch die Schüler ist jedoch nicht als Unvermögen im Hinblick auf ihre schriftsprachliche Handlungsfähigkeit, sondern im Gegenteil als Ausdruck einer verfehlten Schreibdidaktik und -praxis im Deutschunterricht der SzL zu verstehen.

Trotz der gegenwärtig noch recht schmalen Erfahrung weniger Lehrer mit der Erstellung und praktischen Umsetzung einer Mustertextmappe macht BÖHM schon 1979 (S. 156) darauf aufmerksam, dass vor allem Förderschüler durch reale Schreibanlässe und lebenspraktische Gebrauchstexte motiviert werden und, dass sie das Schreiben dadurch mehr als Handlungsmöglichkeit begreifen und auch benutzen, als es auf der Basis eines herkömmlichen Aufsatzunterrichts üblicherweise von ihnen erwartet wird. Dieser Aspekt verdeutlicht, dass die Schüler nach dem herkömmlichen Schreiben das „Schreiben des Lebens“ in der Schule nicht gelernt haben. Erst durch den Neuansatz des adressatenbezogenen und kommunikativen Schreibens entwickeln sie die nötige Motivation, lebenspraktische Texte und Gebrauchsschreiben selbstständig zu erstellen.

Die vorgestellten Ergebnisse aus den Untersuchungen müssen immer kritisch betrachtet werden, da man derartige Aussagen wegen fehlender Vergleichsuntersuchungen an SzL nicht belegen kann. Es handelt sich hierbei stets um die Auswertung der Angaben der Befragten. Des Weiteren muss vielfach auf Aussagen teilweise veralterter Literatur zurückgegriffen werden, da in der verfügbaren aktuellen Literatur kaum Angaben über neue Forschungsergebnisse oder speziell zur Mustertextmappe zu finden sind.

Für die Betreuung der Arbeit danke ich Herrn Dr. Frank.

1 Einleitung

Nur ein Drittel von 73 Entlassschülern der SzL kommen bei Gebrauchstexten wie Telefonnotizen oder Formularen zu brauchbaren Ergebnissen, so eine Aussage von Weber, die den Handreichungen von FRANK (2002/2003) zu entnehmen ist. Diese Feststellung trifft auch heute noch auf den Großteil der Entlassschüler der SzL zu, da bereits vorhandene Vorschläge und Anregungen von der Fachliteratur nur zögerlich aufgegriffen werden; und das obwohl erste Ansätze für ein adressatengerichtetes und kommunikatives Schreiben schon ab Ende der 70er Jahre erschienen sind. So etwa die Ansätze zu einem adressatenorientierten Schreiben 1979 von BÖHM oder 1987 von BÖHM/KORNMANN sowie 1983 von GRAMPP, der unter Rückgriff auf BÖHM den durchaus brauchbaren Ansatz eines situativ-adressatenorientierten Schreibens entworfen hat (nach BÖHM 1999, S. 85). Auch THAMM (1995) und SCHMETZ (1996) konnten mit ihren Ausführungen zum Aufsatzunterricht in Förderschulen die Lücken in der Literatur bezüglich des weiterführenden Schreibens bei Schülern mit Lernbeeinträchtigungen nur geringfügig verringern.

Ihre Konzeption der Textproduktion ist das aktuelle und empfehlenswerte Konzept des schriftlichen Sprachhandelns: der adressatenorientierte und kommunikative Aufsatzunterricht.

In Bezug auf meine bisherigen Praktikumserfahrungen in der SzL kann ich diesbezüglich anmerken, dass auch heute noch kaum ein Lehrer wirklich einen adressatenorientierten Aufsatzunterricht realisiert, geschweige denn im Hinblick auf eine spätere Alltags- und Lebenserleichterung bzw. -bewältigung, mit den Schülern systematisch eine Mustertextmappe mit lebensrelevanten Gebrauchstexten erstellt. Nach BÖHM (1999, S. 109) liegt dies sicherlich auch daran, dass auch in der Hochschule noch immer die Lehre vom Abfassen von Erlebnisaufsätzen und anderen herkömmlichen Aufsatzgattungen dominiert.

Angesichts der Feststellung von WEBER, meiner eigenen Praktikumserfahrungen sowie vor dem Hintergrund des bereits bestehenden Neuansatzes eines adressatengerichteten und kommunikativen Aufsatzunterrichts für die SzL, muss nach den Gründen für eine derartige Entwicklung bzw. Situation im Bereich des weiterführenden Schreibens gesucht werden. Gleichzeitig ist die Frage zu stellen, warum auch heute noch die Schüler beim Erstellen von Gebrauchstexten nicht generell zu zufrieden stellenden Ergebnissen kommen, wenn sich der Unterricht zur Texterstellung doch am Konzept des adressatenbezogenen Schreibens orientieren sollte.

Wie müssen demnach derartige Gebrauchsschreiben für die Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen grundsätzlich thematisiert und bearbeitet werden, damit sie den Schülern auch im späteren nachschulischen Leben zum einen verfügbar sind und zum anderen dann auch fehlerfrei und in adäquater Weise von diesen wiedergegeben werden können?

In Anbetracht der negativen Auswirkungen eines herkömmlichen Aufsatzunterrichts auf das Schreiben von Gebrauchstexten wie auch der möglichen Schwierigkeiten von Schülern mit Lernbeeinträchtigungen muss nun als Konsequenz darauf intensiver auf das Schreiben lebensrelevanter Gebrauchstexte eingegangen werden. Dieses lässt sich jedoch am Besten im Rahmen eines adressatenorientierten und kommunikativen Aufsatzunterrichts realisieren.

Beim aktuellen Aufsatzkonzept des adressatenbezogenen und kommunikativen Schreibens geht es darum, dass die Schüler mit Lernbeeinträchtigungen schon möglichst früh auf der Basis ihrer eigenen Interessen und ihrer Motivation lebens- und handlungsrelevante Texte an bestimmte Adressaten schreiben. Es handelt sich dabei um Gebrauchstexte und Formulare, welche auch Förderschüler nach ihrer Schulentlassung und im Laufe ihres späteren Lebens schriftsprachlich bewältigen müssen bzw. mit welchen sie zwangsläufig konfrontiert werden.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Erstellung einer Mustertextmappe als wichtiger Bestandteil des Unterrichts zur Texterstellung in der SzL zu sehen.

Unter einer Mustertextmappe versteht man einen Ordner mit einer Sammlung von Mustertexten, den jeder Schüler von der sechsten bis zur neunten Klasse in einem Schnellhefter anlegt. Dieser Ordner wird den Schülern bei ihrer Schulentlassung ausgehändigt und wird von ihnen zu Hause aufbewahrt, um die gesammelten Schreibmuster auch weiterhin benutzen zu können. Für eine vollständige Mustermappe müssen von der sechsten bis zur neunten Klasse je vier Gebrauchstexte und Musterformulare erarbeitet und eingeheftet werden. Zudem werden Sachbereiche zusammengefasst und alphabetisch eingeordnet.

Schon in der Schule üben die Schüler die einzelnen Mustertexte als Vorlage zu benützen, damit sie sich daran gewöhnen, nach der Schulentlassung im Sinne einer Erleichterung selbstständig auf die Schreibmuster zurückzugreifen. Somit soll den ohnehin schon bestehenden Schwierigkeiten von Schülern mit dem Förderschwerpunkt Lernen bei der Texterstellung allgemein oder speziell beim Erstellen von Gebrauchstexten entgegengewirkt werden (nach FRANK 2002/2003).

Die vorliegende Arbeit beleuchtet zuerst das Konzept des so genannten herkömmlichen Aufsatzunterrichts und die damit einhergehende Kritik, welche die Entwicklung des adressatenbezogenen und kommunikativen Aufsatzkonzepts als Neuansatz für den Unterricht zur Texterstellung in der SzL begründet. Nach einer ausführlichen Darstellung dieses neuen Konzeptes des schriftlichen Sprachhandelns sowie der gegenwärtigen Situation des Aufsatzunterrichts in der SzL folgen allgemeine Ausführungen zur Mustertextmappe. Im Anschluss daran wird auf die Mustertexte der achten und neunten Klasse genauer eingegangen. Dazu wird aus dem Bereich der Gebrauchstexte und der Musterformulare je eine unterrichtsdidaktisch-methodische Erarbeitung eines Mustertextes ausführlich erläutert, bevor die weiteren Mustertexte der achten und neunten Klasse zusammen mit den ergänzenden Informationstexten einzeln aufgelistet werden. Die anschließenden Darstellungen geben einen Einblick in die Schwierigkeiten und möglichen Probleme, welchen die Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen bei der Texterstellung allgemein oder speziell bei der Erstellung und Verwendung begegnen können. Zuletzt runden eine Zusammenfassung und ein Ausblick über zukünftige Verbesserungen im Unterricht zur Texterstellung in der SzL die Arbeit ab.

Die korrekte Bezeichnung der in dieser Arbeit angesprochenen Schülergruppe lautet nach dem Gesetz zum Bayerischen Erziehungs- und Bildungswesens (Bay EUG) vom 12.03.2003 Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Förderschwerpunkt Lernen. Um jedoch ständige Wiederholungen zu vermeiden, werden auch andere Bezeichnungen für die Schülerschaft der Schule zur Lernförderung bzw. Förderschule, wie Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen, Förderschüler oder Schüler mit Lernbeeinträchtigungen, verwendet.

Im weiteren Verlauf der Arbeit möchte ich mich, um den Lesefluss nicht zu behindern, nur auf die männliche Form der Personen (Lehrer, Schüler usw.) beschränken, spreche dabei aber immer beide Geschlechter an. Zudem verwende ich für die Bezeichnung der Schule zur Lernförderung bzw. der Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen die geläufige Abkürzung SzL.

2 Der Aufsatzunterricht in der SzL

Schriftsprachliches Lernen und Aufsatzschreiben gehören zu den Lernbereichen, die außerhalb der Schule oft nicht oder nur unter sehr günstigen Bedingungen gelernt werden, unter Bedingungen, welche insbesondere Schüler mit Lernbeeinträchtigungen in den meisten Fällen nicht haben. Gleichzeitig ist aber schriftsprachliches Handeln in unserer heutigen Gesellschaft unersetzlich. Die Schüler werden in ihrem Leben nach und außerhalb der Schule mit Schreibsituationen konfrontiert, in denen sie in angemessener Weise schriftsprachlich agieren müssen.

Schon allein deshalb muss eine Schule, die ihre Schüler auf eine gute Alltags- und Lebensbewältigung vorbereiten will, hier also tätig werden und einen Unterricht zur Texterstellung anbieten, falls das weiterführende Schreiben von Texten gelernt werden soll (nach BÖHM 1999, S. 25).

Aufsatzunterricht ist aber nicht gleich Aufsatzunterricht; das soll nun im Folgenden aufgezeigt werden. Ein Aufsatzunterricht für Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen muss so konzipiert sein, dass für sie die Relevanz des Schreibens durch handlungsmotivierende und reale Situationen einsichtig wird.

Nachdem zunächst das Konzept des „herkömmlichen“ Aufsatzunterrichts in der SzL ausführlich erläutert und die damit verbundenen Kritikpunkte aufgezeigt werden, wird der Neuansatz für den Aufsatzunterricht in der SzL näher beschrieben.

Dabei handelt es sich um das Konzept eines adressatengerichteten und kommunikativen Aufsatzunterrichts. Nach kurzer Klärung der Terminologie sollen daran anschließend dieses gegenwärtige Konzept sowie dessen Ziele vorgestellt werden. Im Zusammenhang mit der allgemeinen Unterrichtsmethodik für diesen Neuansatz soll auch auf die Bedingungsfaktoren schriftsprachlicher Kommunikation sowie auf das Schreiben in realen und fiktiven Schreibsituationen eingegangen werden.

Abschließend sollen die gegenwärtige Situation des Unterrichts zur Texterstellung in der SzL sowie die Grenzen eines adressatenbezogenen Schreibens aufgezeigt werden.

2.1 Herkömmlicher Aufsatzunterricht in der SzL

Wenn es darum geht den so genannten „herkömmlichen“ Aufsatzunterricht in der SzL zu beschreiben, muss zunächst einmal geklärt werden, dass man darunter jenen Aufsatzunterricht versteht, der etwa ab den späten 60er und frühen 70er Jahren kritisiert wurde.

So verstanden beziehen sich die folgenden Darstellungen zum herkömmlichen Aufsatzunterricht, bezüglich gleicher Tendenzen und Inhalte, auch auf den Aufsatzunterricht der Regelschule (nach BÖHM 1999, S. 27).

2.1.1 Das traditionelle Konzept des Aufsatzunterrichts

Die traditionelle Aufsatzkonzeption der SzL war, infolge der literarischen Anstöße der 50er und 60er Jahre, geprägt durch die starke Betonung der und die Orientierung an den „Darstellungsformen“ der Erzählung, des Berichts, der Beschreibung, der Schilderung und der Betrachtung.

Somit war es für den herkömmlichen Aufsatzunterricht charakteristisch, dass die Erlebniserzählung bzw. der Erlebnisaufsatz in allen Klassen der SzL stets einen sehr hohen Stellenwert hatte (nach BÖHM 1999, S. 49).

Subjektives Gestalten von Erlebnissen und Eindrücken sowie eine einseitige Betonung des Erlebnishaften standen hier inhaltlich im Vordergrund. Diese Form galt für Kinder besonders angemessen, um die freie Entfaltung der Phantasie zu fördern. Die Schulung der Ausdrucksfähigkeit, die Schärfung von Sprachgefühl und Sprachgewissen, die Bereicherung des Wortschatzes sowie die Verwendung bestimmter sprachlicher und formaler Gestaltungsmittel dienten der Darstellung dieser Erlebnisse (nach GRAMPP 1983, in BLEIDICK 1983, S. 238).

In diesem Zusammenhang ist aber auch darauf aufmerksam zu machen, dass die Schüler die Erlebniserzählung einerseits nur als speziell schulische Aufsatzform erleben und ihr im nachschulischen Leben keine Bedeutung beimessen. Andererseits halten sie Zweckformen wie etwa den Brief, den Lebenslauf oder die Bewerbung und auch so genannte „objektivere“ Darstellungsarten wie den Bericht oder die Beschreibung sehr wohl für das spätere Schreiben relevant. Das ergab auch eine Befragung von Schülern der Abschlussklassen einer SzL durch SPODEN (1976, in BÖHM 1999, S. 49).

Daraus lässt sich folgern, dass diese „subjektiven“ Darstellungsarten für den Schüler keinen Sinn machen und dass ein so konzipierter Aufsatzunterricht nicht nur an der Lebenswirklichkeit der Schüler vorbeigeht, sondern zugleich auch einen Beweis dafür liefert, dass die Schüler eigentlich nicht für das Leben lernen sondern einzig und allein für die Schule (nach BÖHM 1999, S. 49).

Neben diesen subjektiven Darstellungsformen sind die Zweckformen wie der Briefverkehr und das Gebrauchsschreiben hier mehr im Hintergrund der Ziele und Darstellungsweisen dieses „herkömmlichen“ Aufsatzunterrichts zu sehen. Wenn diese „lebenspraktischen schriftsprachlichen Verrichtungen“ dann doch einmal zum Thema im Aufsatzunterricht der SzL gemacht werden, werden sie meist nur an vorgegebenen Themen gelernt und lediglich transferiert, weshalb man in diesem Fall vielmehr von einem formalen Einprägen von „Zweckformen“, als von einem kommunikativen Schreiben sprechen kann (nach BÖHM 1999, S. 50).

Als methodische Schritte des so genannten herkömmlichen Aufsatzunterrichts sind die Vorbereitung, Hinführung, Wahl und Formulierung des Themas, Entwurfserstellung, Korrektur und Bewertung, Nachbesprechung, Verbesserung, Anfertigung der Reinschrift, Auswertung und schließlich das Anlegen von Aufsatzmappen mit beispielhaften Aufsätzen zu nennen. Die sehr ausgedehnten Korrektur- und Bewertungsphasen sowie die Durchführung spezifischer stilistischer Übungen verdeutlichen, dass die Sprachgestaltung hier der wesentliche Aspekt dieser „herkömmlichen“ Aufsatzkonzeption ist (nach GRAMPP 1983, in BLEIDICK 1983, S. 239).

Im Gegensatz dazu sieht BIRKEL (1970, S. 18ff., in BÖHM 1999, S. 50) die Bedeutung derartiger praktischer Schreibaufgaben insbesondere in der Bewältigung zukünftiger Lebens- und Alltagsaufgaben der Schüler der Abschlussklassen der SzL. Deshalb sollen die Schüler hier zunächst einmal auf die natürlichen Schreibanlässe des Briefverkehrs aufmerksam gemacht werden, bevor dann sowohl öffentliche Briefe wie z.B. Bewerbung, Bittgesuch, Lebenslauf, Anzeige, usw. als auch Einladungen, Glückwunsch- oder Dankschreiben als private Schreiben die Gestaltung des Aufsatzunterrichts vollkommen bestimmen.

Zusammenfassend kann man deshalb sagen, dass dieser „herkömmliche“ Aufsatzunterricht als ein sich an einengenden Stilarten orientierender, gebundener und sprachgestaltender Ansatz zu umschreiben ist, der die Rolle der Sprache für die zwischenmenschliche Kommunikation vernachlässigt. Da diese so angefertigten Aufsätze jedoch keine Gebrauchsrelevanz für die alltägliche Lebensbewältigung der Schüler haben, sind sie infolgedessen für das Leben nach der Schule völlig bedeutungslos. Deshalb wird ein derartiger Aufsatzunterricht auch als eine Art sprachliche Gestaltungslehre verstanden (GÖSSMANN 1991, S. 9 und S. 49).

Gleichzeitig finden dagegen Zweckformen wie der private oder öffentliche Briefverkehr oder auch das Gebrauchsschreiben, die in ihrer Funktion für das Leben und auch für die Bewältigung des Alltags der Schüler nach ihrer Schulentlassung von größter Bedeutung sind, nur am Rande dieser Aufsatzkonzeption Beachtung.

Vor dem Hintergrund dieser Aspekte erscheint eine Kritik, an dieser „herkömmlichen“ Aufsatzkonzeption, die nachfolgend dargestellt wird, mehr als berechtigt.

2.1.2 Kritik am „herkömmlichen“ Aufsatzunterricht

Bei der Beschreibung dieser traditionellen Aufsatzkonzeption der SzL sind bereits an einigen Stellen Kritikpunkte und Unzufriedenheiten angeklungen, auf die nun im weiteren Verlauf dieser Arbeit in ihren wesentlichsten Aspekten näher eingegangen werden soll.

Nach ABEL-FOLKERTS (1986, S. 247) ist eine Begründung für die Kritik darin gegeben, dass es nicht Aufgabe und Ziel eines Aufsatzunterrichts sein kann, losgelöst von bzw. ohne Berücksichtigung des kommunikativen Sprachgebrauchs, lediglich diese Stilarten zu vermitteln.

Ihren Ausgang nahm die Kritik am herkömmlichen Aufsatzunterricht zum Großteil an der vorherrschenden Beurteilungspraxis und der damit verbundenen Beurteilungs- und Bewertungsproblematik. Dieses Problem äußert sich nicht nur daran, dass nach BÖHM (1999, S. 55) die Bewertung der Aufsätze durch den Lehrer die einzige Reaktion von außen auf die Schreibaktivitäten der Schüler ist, sondern vor allem auch daran, dass nachweislich dieselben Aufsätze aufgrund subjektiver Beurteilungsmaßstäbe von verschiedenen Lehrern erheblich differierend bewertet werden. Des Weiteren besitzt ein derartiger Aufsatzunterricht kaum Handlungsrelevanz für die Förderschüler und als Folge auf ihr Schreiben haben sie eigentlich auch nur die Reaktion und die Beurteilung durch den Lehrer zu erwarten (nach BÖHM 1999, S. 52). So verstanden schreiben die Schüler diese herkömmlichen Aufsätze einzig und allein für den Lehrer, der in den meisten Fällen jedoch nichts zur Förderung der kommunikativen Kompetenz seiner Schüler beiträgt (nach MARENBACH 1983,S. 684). Der Lehrer, als alleiniger Empfänger herkömmlicher Aufsätze, vermittelt den Schülern meist nur eine eintönige Reaktion, nämlich die der Notengebung. Somit bedeutet dies für den Schüler, dass sie allein wegen der Benotung einen Aufsatz für den Lehrer schreiben. Das hat wiederum zur Folge, dass die Schüler nicht einmal fiktive Möglichkeiten und Reaktionen für die Ernstfälle des Schreibens vorwegnehmend kennen lernen, da sich die Lehrerreaktion ja hauptsächlich an gattungsspezifischen und formalen Gesichtspunkten orientiert (nach BÖHM 1979, S. 147).

Hinzuweisen ist auch noch darauf, dass eine gerechte und objektive Aufsatzbewertung fast unmöglich erscheint und dass deshalb mit Recht hinterfragt werden sollte, ob es für die Texterstellung nicht besser andere Ziele, als die der guten Benotung bzw. die einer guten Sprachbeherrschung geben sollte. Oft sind nicht einmal die Lehrer in der Lage, den Schülern charakteristische Gattungsmerkmale oder auch genaue Anfertigungsvorschriften zu geben. Deshalb schlägt WAGNER (1979, S. 13) vor, dass diese sehr subjektive Form der Aufsatzbenotung einer Bewertung nach den Kriterien einer adressaten-, situations- und sachangemessenen Sprachverwendung weichen muss.

Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit der Bewertung besteht darin, dass die Schüler ihre Note und somit die Beurteilung ihrer Schreibarbeit durch den Lehrer in den seltensten Fällen unmittelbar nach der Texterstellung, sondern meist erst nach einem gewissen Zeitraum erfahren. Oft haben die Schüler dann keinen Bezug mehr zur jeweiligen Schreibaufgabe, dem eigentlichen Schreibanlass, sie haben ihre Schreibmotivation bis dahin schon längst vergessen oder ihnen sind die Anforderungskriterien, an denen der Lehrer seine Bewertung orientiert, unbekannt. Infolgedessen geben sich die Schüler mit ihrer Note häufig nur zufrieden, ohne jedoch das Zustandekommen näher zu hinterfragen bzw. sich nochmals damit auseinander zu setzen.

Da aber die Note letztlich ausschlaggebend ist für die weitere schulische Karriere bzw. das spätere nachschulische Leben, wird in der Bewertungsproblematik oft auch der Auslöser für die Diskussion und Kritik am herkömmlichen Konzept der Aufsatzdidaktik gesehen.

Ein weiterer Kritikpunkt des herkömmlichen Aufsatzunterrichts ist die dominierende Stellung von sprachästhetischen sowie literarischen Kriterien und Zielen, im Gegensatz zu der eher als nebensächlich angesehenen Bewältigung der Schreibsituation. Es geht dabei viel mehr um das Erreichen formaler Normen als um inhaltlich bestimmte Ziele der Gestaltung. So verstanden bezieht sich dieser Aufsatzunterricht nicht auf konkrete, zu bewältigende Schreibsituationen, sondern auf Aufsatzformen mit oft lebensfremden Themen, die Überbetonung der Ausdrucks- und Darstellungsfunktion von Sprache und schließlich das Erlernen situationsferner Kriterien eines so genannten Aufsatzformalismus (nach BÖHM 1979, S. 146).

Für die unterrichtliche Praxis bedeutet dies, dass die Schüler der SzL vor allem Gattungen wie Erzählung, Bericht, Beschreibung, Schilderung, Erörterung erlernen mit denen sie später in realen Schreibsituationen kaum bzw. in dieser expliziten Form überhaupt nicht konfrontiert werden. Denn nicht diese Gattungen, sondern die jeweiligen Situationen des Schreibens, die Schreibintentionen, die Einschätzung des Adressaten sowie die Lesererwartungen und -interessen bestimmen in realen Zusammenhängen Inhalt und Form der Schreibaufgaben (nach BÖHM 1979, S. 147).

Das Problem besteht somit darin, dass diese Gattungen in der Wirklichkeit der Schüler kaum Entsprechung finden und als reine „Schulformen“ im späteren Alltag der Schüler nicht mehr vorkommen. Auf der anderen Seite beschäftigen dagegen später relevante Schreibformen wie der öffentliche Briefverkehr den Unterricht kaum oder gar nicht. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass derartige Inhalte seitens der Schüler nicht notwendigerweise eine tragfähige Schreibmotivation erzeugen können, ist dies zumindest eine Erklärung für die bei den Schülern oft festgestellte „Aufsatzunlust“ (nach MARENBACH 1983, S. 684).

Ein wesentlicher Kritikpunkt besteht ferner darin, dass die so genannten „Zweckformen“ oder auch der „private und öffentliche Briefverkehr“ in das herkömmliche Gattungsschema kaum eingegliedert waren, wodurch sie trotz Betonung ihrer Wichtigkeit nur eine Randstellung einnahmen. Obwohl sich viele Autoren über den Stellenwert und der damit einhergehenden frühen Motivation der Schüler für adressatenbezogenes Schreiben bewusst sind, bringen sie diesem zentralen Gebiet des schriftsprachlichen Handelns dennoch nur eine sehr geringe Aufmerksamkeit entgegen.

In diesem Aufsatzmodell mussten sich die Schüler nämlich vor allem mit einem erlebnisbetonten Scheiben auseinandersetzen und hatten kaum Gelegenheit, sich mit den zur Bewältigung sprachlicher Alltagssituationen notwendigen Gestaltungsformen vertraut zu machen (nach Sautter/ Pschibul 1975, S. 19, in BÖHM 1999, S. 52).

Obwohl aber in einer Befragung sowohl die Mehrheit der Lehrer als auch alle Schüler der Klasse neun der SzL die „privaten und öffentlichen“ Formen des Schriftverkehrs für lebens- und alltagsrelevanter hielten als die herkömmlichen literarästhetischen Texte und sie deshalb in der Wichtigkeit vor diese Gattungen stellten, standen im Aufsatzunterricht bis 1970 immer noch verschiedenartige Erzählungen im Vordergrund. Dabei ist gerade dieser Aspekt besonders problematisch, da speziell die Klientel der SzL in ihrem täglichen Leben nachweislich bestimmte Alltagssituationen durch schriftsprachliches Handeln bewältigen muss, wozu sie aber die Schule nicht befähigt (nach BÖHM 1999, S. 56f.).

Des Weiteren wird auch bemängelt, dass die Gattungen als Stufenmodelle der kindlichen Entwicklung gesehen werden, wobei Erzählung, Bericht, Beschreibung und Erörterung im Sinne einer entwicklungspsychologischen Folgereihe nur nacheinander gereiht und stur abgehandelt werden ( nach BÖHM 1979, S. 147).

Für die Kinder bedeutet dies, dass sie durchaus schon sehr früh nicht nur erlebnis-, sondern auch problembezogen und vor allem auch informativ, werbend und urteilend schreiben müssen. Das wiederum bedeutet, dass die Entwicklungsstufen des „herkömmlichen“ Aufsatzunterrichts sowohl den Kompetenz-, als im Besonderen auch den Performanzerwerb eher behindert als begünstigt haben, da sie den Notwendigkeiten und kognitiven Fähigkeiten der Schüler nicht entsprachen (nach BÖHM 1999, S. 52).

Ferner beanstandet BÖHM (1999, S. 55), dass die Methodik der Aufsatzerstellung aufgrund der vielen Phasen der Themenfindung, Wortschatzerarbeitung, Erstfassung, Korrektur, Reinschrift und schließlich der Nachbesprechung für die Schüler eher demotivierend als anspornend ist. Außerdem schreiben sie die Aufsätze eben nicht aus realen Anlässen und Gegebenheiten, sondern verfolgen nur das Ziel, eine gute Note zu erreichen. Weil die Schüler somit oft keine relevanten Gründe für die Texterstellung erkennen können, empfinden sie die lange Kette von Anstrengungen oft als Frustration oder Last.

Diese lange Reihe von Kritikpunkten am „herkömmlichen“ Aufsatzunterricht lässt zusammenfassend erkennen, dass beim traditionellen Modell der Texterstellung der kommunikative Aspekt, der den Schülern letztendlich die Chance gibt, in Alltagssituationen durch schriftsprachliches Handeln auf die jeweilige Situation einzuwirken, vollkommen fehlt. Außerdem erscheint der Aufsatz den Schülern als verschultes und damit rein künstliches Anwenden einer Kulturtechnik, wofür die Lehrer ihnen oft keine relevanten und logischen Gründe aufzeigen können. Des Weiteren ist ein solcher Unterricht zur Texterstellung unnatürlich und realitätsfern, da er in den wenigsten Fällen den tatsächlichen Bedürfnissen der schreibenden Schüler entspricht. Denn mit dem Anstreben eines literarischen Zieles und einer guten Note stellt er hauptsächlich ästhetische und formale Kriterien in den Vordergrund, welche die Hinführung zu schriftsprachlichem Handeln nicht gewährleisten. Schreibaktivitäten mit direkter Kommunikation finden, wenn überhaupt, nur am Rande des Curriculums ihre Berücksichtigung (nach BÖHM 1999, S. 56).

BÖHM bringt diese Kritik auf den Punkt, wenn er bezüglich des Fehlens des kommunikativen Aspekts schreibt, dass

„der Aufsatz [ ... ] nicht nur „verschultes“ und damit künstliches Anwenden einer Kulturtechnik [ist], welches Kindern nicht als wichtig gezeigt werden kann“

und dass

„er [ ... ] zudem tatsächlich von den Bedürfnissen der meisten Schüler weit entfernt [ ist ], weil er einem literarischem Ziel verpflichtet ist“ (zitiert nach BÖHM 1999, S. 56).

Diese Reihe von Kritikpunkten verdeutlicht, dass zwischen den Voraussetzungen der Schüler wie auch den notwendigen Lebensqualifikationen und den tatsächlich notwendigen Anforderungen der Lebenswirklichkeit enorme Diskrepanzen bestehen (nach BÖHM 1999, S. 56).

In Anbetracht dieser unzähligen Kritikpunkte entsteht zwangsläufig die Frage, wie es sich die Schule leisten kann, Dinge einüben zu wollen, die im Leben der meisten Menschen, aber vor allem in der Lebenswirklichkeit der Schüler der SzL, überhaupt keine Rolle spielen und ob und in welchem Ausmaß der herkömmliche Aufsatzunterricht überhaupt einen Transfer auf nachschulische Schreibsituationen ermöglicht (nach Abel-Folkerts 1986, S. 247).

In der Ausrichtung des gesamten Aufsatzunterrichts auf die Förderung der kommunikativen Kompetenz sah man demnach die Überwindung dieser für die Schüler der SzL äußerst ungünstigen Lage (nach MARENBACH 1983, S. 684).

Jedoch hat nach BÖHM (1993, in KORNMANN 1993, S. 64) sowohl die Kritik am „herkömmlichen“ Aufsatzunterricht als auch die Bemängelung seiner unzureichenden Handlungs- und Lebensbezogenheit keine großen Auswirkungen nach sich gezogen, da auch weiterhin die Vorschläge für adressatenbezogenes und situationsrelevantes Schreiben in der SzL meist noch wenig systematisiert sind oder kaum akzeptiert werden.

Um alle bisher aufgeführten negativen Aspekte nochmals auf den Punkt zu bringen, ist zu sagen, dass durch das Verhaftet sein am Formalismus, ein selbstständiges Zurückgreifen auf bereits angefertigte Texte, im Sinne von Mustertexten, hier keinesfalls gegeben ist. Demnach ist die direkte Wirkung des „herkömmlichen“ Aufsatzunterrichts für die spätere Schreibqualität von Schülern der SzL auffallend gering. Infolgedessen ergibt sich daraus die logische Konsequenz für einen neuen verbesserten Aufsatzunterricht, nämlich die Integration der Gebrauchsformen in ein Aufsatzkonzept, welches zugleich auch literarische Intentionen enthält (nach BÖHM 1999, S. 57).

Somit werden vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen einige Forderungen und Erwartungen an das neue Modell bzw. den Neuansatz des Unterrichts zur Texterstellung in der SzL gestellt. Zum einen sollen nicht nur die Defizite und Kritikpunkte der „herkömmlichen“ Konzeption vermieden, sondern zum anderen auch alle Leistungen erzielt werden, die bisher schon erreicht werden konnten (nach BÖHM 1999, S. 57).

So muss es beim schriftsprachlichen Lernen in der SzL sicherlich darum gehen, keine überzogenen Anforderungen an die Schüler zu stellen, sondern sie vielmehr mit den für schriftsprachliches Handeln im Alltag notwendigen Fertigkeiten und Fähigkeiten auszustatten. Die Schule muss dabei jedoch auch in Betracht ziehen, dass zwischen einem literarischen Schreiben und dem Schreibverhalten der Schüler der SzL eine große Diskrepanz besteht. Diese Differenz kann jedoch nur und insbesondere durch realitätsangemessenes und möglichst unmittelbar handlungsrelevantes Schreiben reduziert werden. Nur so können diese Schüler das Schreiben überhaupt als relevant erleben (nach BÖHM 1999, S. 48f.).

Auf diese Weise wird deutlich, dass bei einer veränderten Konzeption des Schreibens, im Gegensatz zur bisherigen Betonung der „Darstellungsformen“ sowie der formalen und inhaltlichen Aspekte einer Schreibaufgabe, die Sprache als Kommunikationsmittel die Basis für die schriftsprachliche Produktion sein muss.

Da man jedoch sicherlich auch nicht von „der neuen“ Konzeption schulischen Schreibens sprechen kann, soll im weiteren Verlauf nach einer kurzen Begriffsklärung zunächst das Grundkonzept mit seinen Zielen und einigen methodisch-didaktischen Aspekten dieser „neuen“ gegenwärtigen Konzeption dargestellt werden. Anschließend wird auf die gegenwärtige Situation sowie die Grenzen eines adressatengerichteten Schreibens eingegangen.

2.2 Neuansatz für den Aufsatzunterricht in der SzL

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Kritik am herkömmlichen Aufsatzunterricht und der stetigen Frage

„warum, wozu, mit welchem Ziel überhaupt Schulaufsätze geschrieben werden, schriftliche Kommunikation betrieben, Texte von Schülern verfasst werden“(nach BECK 1977, S. 11, zitiert nach BÖHM 1999, S. 51),

muss der Versuch einer neuen Aufsatzkonzeption ebenfalls unter dem Aspekt der Qualifikation für bestimmte Lebenssituationen gesehen werden. Auch nach BÖHM (1979, S. 147) hat der herkömmliche Aufsatzunterricht nur wenig mit einem schriftsprachlichen Handeln aus relevanten Gründen zu tun.

Demnach war die kritische Haltung vieler Deutschdidaktiker grundlegend für zahlreiche Vorschläge und Anregungen für einen Neuansatz der Aufsatzdidaktik der SzL (nach BÖHM 1999, S. 51).

Bei diesem Neuansatz für den Aufsatzunterricht in der SzL handelt es sich um das so genannte Konzept des adressatenbezogenen und kommunikativen Schreibens. Im Gegensatz zum herkömmlichen Aufsatzkonzept stehen hier vor allem die Adressatenbezogenheit, das Schreiben als Prozess und die Schülerorientierung im Mittelpunkt des schriftlichen Sprachhandelns.

Nach FRANK (2002/2003) soll dieses aktuelle und empfehlenswerte Konzept die Schüler mit Lernbeeinträchtigungen in allen realen Schreibsituationen im Privatleben, beim Behördenkontakt oder im Beruf zu einer lebenspraktischen, schriftsprachlichen Handlungsfähigkeit befähigen; es soll den Anforderungen in Ausbildung und Beruf stand halten.

2.2.1 Terminologie und Rahmenbedingungen

Während in den bisherigen Ausführungen immer nur vom so genannten „herkömmlichen“ Aufsatzunterricht die Rede war, gibt es in der Fachliteratur verschiedene Begrifflichkeiten zum Terminus „Aufsatzunterricht“ im Allgemeinen, die teilweise synonym verwendet werden.

So spricht GRAMPP (1983, in BAIER 1983, S. 238) gleichzeitig von „Textgestaltung“ und „Aufsatzunterricht“, wobei jedoch anzumerken ist, dass der Begriff „Textgestaltung“ nicht ideal ist und eher dem Bereich des kreativen Schreibens zugeordnet werden muss.

Bessere und treffendere Bezeichnungen bzw. Synonyme des Aufsatzunterrichts findet man im Lehrplan der Schule zur individuellen Lernförderung von 1991. Dieser Lehrplan verwendet durchgängig den Begriff „schriftliches Sprachhandeln“ und spricht zugleich auch vom „Texte verfassen“ und „Texte erstellen“ (vgl. LEHRPLAN 1991).

2.2.2 Das gegenwärtige Konzept des schriftlichen

Sprachhandelns

Beim aktuellen Konzept für den Unterricht zur Texterstellung liegt der Schwerpunkt auf dem adressatenbezogenen-kommunikativen Schreiben. Zur Vermeidung von Einseitigkeit müssen daneben aber auch die Teilelemente des so genannten herkömmlichen Aufsatzunterrichts, nämlich das planende, erörternde und kreative Schreiben, berücksichtigt werden. Im Rahmen dieser Arbeit soll aber vor allem dem Neuansatz des schriftlichen Sprachhandelns in der SzL, dem adressatengerichteten und kommunikativen Schreiben, Beachtung geschenkt werden.

2.2.2.1 Darstellung des neuen Konzepts schulischen Schreibens

Wie es die bisherigen Darstellungen schon angedeutet haben, ist der adressatengerichtete, kommunikative und situationsbezogene Aufsatzunterricht Schwerpunkt und Basis der aktuellen und empfehlenswerten Konzeption für den Unterricht zur Texterstellung in der SzL. Es handelt sich hierbei um ein Konzept der Kommunikations- und Erstfalldidaktik mit notwendigen ergänzenden Aspekten aus den Bereichen des planenden, kreativen und erörternden Schreibens (nach BÖHM 1999, S. 113f.).

Der Hintergrund dieses Neuansatzes besteht darin, das bewährte „Alte“ mit dem zweckmäßig „Neuen“ auf sinnvolle Weise zu verbinden. Demzufolge sollen neben der Notwendigkeit vielfältiger und lebensnaher Schreibsituationen, der Betonung der Mitteilungsfunktion von Sprache, der stärkeren Beachtung der Schreiberintentionen und der Partnerorientierung auch die Vielfalt der Äußerungsformen und deren inhaltliche sowie sprachliche Strukturelemente akzentuiert werden. In Anlehnung an die herkömmliche Aufsatzdidaktik finden in diesem Rahmen nach wie vor die so genannten traditionellen Stilgattungen ihren Platz (nach GLASER 1995, S. 135).

So stehen anstelle einer umfassenden und verbindlichen Umsetzung aller Aufsatzarten vielmehr lebenspraktische und persönliche Texte mit Gebrauchswert im Mittelpunkt des Lehrplans der SzL (nach SCHOR 1990, S. 50).

Auf einige wichtige und wesentliche Aspekte dieser neuen Aufsatzkonzeption soll wegen der Bedeutung des adressatengerichteten und situationsbezogenen Schreibens sowie dessen Relevanz für das Erstellen und Anfertigen einer Mustertextmappe im Rahmen des Unterrichts zur Texterstellung in der SzL im Folgenden deshalb genauer eingegangen werden.

Adressatenbezogenes Schreiben mit Realitätsbezug ist ein grundlegender, wenn nicht sogar der wichtigste Aspekt der neuen Aufsatzkonzeption für die Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Denn nicht nur die Tatsache, dass dieser Ansatz die Schülerinteressen am Besten berücksichtigen kann sondern vor allem auch deshalb, weil er zu einem wirklichen Schreibhandeln führen und die Bedeutung der aktiven Verwendung der Schriftsprache am Eindringlichsten vermitteln kann, macht ihn zum Hauptaspekt des Neuansatzes des schriftlichen Sprachhandelns (nach BÖHM 1999, S. 119).

Diese kommunikationsorientierten Konzepte gehen nämlich grundsätzlich von der Notwendigkeit aus, dass die Schüler der SzL dazu befähigt werden müssen in entsprechenden Situationen schriftsprachlich adäquat handeln zu können. Somit muss sich der Neuansatz für den Unterricht zur Texterstellung vor allem an der Realität und deren Schreibanlässen orientieren, daneben aber auch auf einige Verfahren des herkömmlichen Aufsatzunterrichtes zurückgreifen sowie die Sprachkompetenz der Schüler erweitern( GRAMPP 1983, in BAIER 1983, S. 239ff.).

Derartige Schreibanlässe mit Realitätsbezug sind somit Basis für motiviertes Arbeiten der Schüler. Dies kommt aber nur dann zu Stande, wenn das Schreiben solcher Texte auch ihrem Interesse und Mitteilungsbedürfnis entspricht (nach Abel-Folkerts 1986, S. 247).

Ferner ist das adressatengerichtete und kommunikative Schreiben im Alltag durch folgende Merkmale gekennzeichnet. Zum einen ist ein Schreiben in so genannten „Ernstfall-Situationen“ im Besonderen auf die Bedürfnisse und Probleme der Schüler bezogen. Denn dieser Bedürfnis- und Problembezug ist oft der Ausgangspunkt für die Motivation der Schüler über ein Thema zu diskutieren, zu lesen oder selbst zu schreiben. Jedes neue Problem, jede neuartige Situation sowie ein vielfältiger Schriftverkehr mit unterschiedlichen Adressaten dient somit der Aufrechterhaltung dieser intrinsischen Motivation. In Folge dessen entwickelt sich beim Schüler eine Motivationslage, die das Schreiben als eine für ihn notwendige und auch nützliche Handlung erachtet, vor allem dann, wenn die persönlichen Bedürfnisse und die aktuelle Problemlage berücksichtigt werden. Zum anderen wird beim adressatengerichteten Schreiben dem Gebrauchswert des Textes eine große Bedeutung beigemessen. Die Schreibaktivitäten und -produkte entstehen aus Situationen, die für die Schüler aufgrund ihrer Lebensnähe und Lebensbedeutsamkeit relevant sind. Die Schüler werden sich über die Notwendigkeit des Schreibens bewusst und sehen anhand ihrer eigenen Schreibprodukte, dass sich die Anstrengung hierfür lohnt. Indem sie positive Erfahrungen mit dem Schreiben assoziieren, sehen sie darin einen Sinn. Deshalb haben sie auch später im Alltag der Erwachsenen die erforderliche Motivation zu schreiben.

Im Bereich der Texterstellung in der SzL umfassen diese Texte mit Gebrauchswert im Sinne einer Bewältigung von schriftsprachlichen Alltagssituationen beispielsweise das richtige Ausfüllen von Formularen, das Schreiben von Postkarten, Briefen, Lebenslauf und Bewerbung sowie berufsbezogene Berichte und Protokolle. Eine positive Auswirkung zeigt sich darin, dass die Schüler durch das adressatenbezogene Schreiben Kontakte zu anderen herstellen und somit soziale Handlungsfähigkeit entwickeln (nach SCHMETZ 1996, in BAUDISCH/ SCHMETZ 1996, S. 109).

Ein weiteres positives Merkmal adressatenbezogenen Schreibens ist darin zu sehen, dass die Schüler im Verlauf eines solchen Schreibprojektes zunehmend mehr Wissen und Fertigkeiten erwerben, wie etwa in Bezug auf verschiedene Anredevarianten und bestimmte Redewendungen oder hinsichtlich spezieller Formulierungen. Allgemein kann auch festgestellt werden, dass den Schülern komplexere Satzkonstruktionen immer geläufiger werden und dass sie diese mit der Zeit auch immer flexibler einsetzen können.

Im Kontext dieser neuen Konzeption adressatengerichteten Schreibens darf aber nicht das neue Verständnis der Textproduktion vergessen werden, welches nicht mehr von einem Endprodukt als geschriebene Texterstellung ausgeht, sondern die Textproduktion als Prozess des Schreibens sieht (SCHMETZ 1996, in BAUDISCH/ SCHMETZ 1996, S. 103).

Zusammenfassend kann im Zuge eines solchen kommunikativen Schreibens somit gesagt werden, dass eben nicht die Richtigkeit einer komplizierten Syntax das Entscheidende ist, sondern viel mehr die Intention des Schreibproduktes, die intentionalen Schreibvorgänge sowie der Schreibprozess an sich (nach GÖSSMANN 1991, S. 29). Demzufolge ist besonders die positive Wirkung hervorzuheben, die ein Schreiben im „Ernstfall“ und an reale Adressaten auf die Schüler ausübt und so bei den Kindern zu einem sinnvollen Tun und Lernen führt (nach BÖHM 1999, S. 153f.).

Zum Abschluss sollen nun noch einmal die gravierenden Unterschiede und Neuerungen eines adressatengerichteten und kommunikativen Schreibens gegenüber dem so genannten herkömmlichen Aufsatzunterricht durch eine direkte Gegenüberstellung der wesentlichen Merkmale zusammenfassend angeführt werden (vgl. Abbildung 1), bevor in den nachfolgenden Ausführungen noch etwas näher auf die Ziele des neuen Ansatzes eingegangen wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Gegenüberstellung der wesentlichen Merkmale des herkömmlichen und

adressatenbezogenen Aufsatzunterrichts

2.2.2.2 Die Ziele des Neuansatzes mit dem Schwerpunkt des

adressatenbezogenen und situativen Schreibens

Da sich eine veränderte Aufsatzkonzeption nicht nur hinsichtlich bestimmter Merkmale, sondern auch bezüglich der Ziele vom herkömmlichen Aufsatzunterricht unterscheidet, sollen im Folgenden nun die einzelnen Ziele, die das Konzept des schriftlichen Sprachhandeln verfolgt, erläutert werden.

Der kommunikative und handlungsbezogene Aspekt des Schreibens stellt für die Förderschüler, die im Vergleich zu Schülern anderer Schularten die Relevanz von außerschulischen Schreibanlässen noch weniger erfahren, eine besondere Brisanz dar. Denn gerade ein realer Schreib- und Interaktionsvollzug gibt ihnen die Möglichkeit die Bedeutsamkeit derartiger Schreibanlässe am Eindeutigsten zu erfahren. Das Deutlichmachen der Handlungsrelevanz der Schreibprodukte scheint demnach ein wichtiges und grundlegendes Ziel dieses Aufsatzunterrichts zu sein. Somit stellen die Kommunikationssituationen nicht nur eine Begründung sondern zugleich auch eine Zielangabe für das schriftsprachliche Lernen dar, weshalb das Schreiben nun näher an den Ausgangsbedingungen, den Lernvoraussetzungen der Schüler ansetzen soll, als dies beim herkömmlichen Aufsatzunterricht in der SzL der Fall war. Infolgedessen soll das schriftliche Sprachhandeln zum einen an die jeweiligen sprachlichen Kompetenzen der Schüler anknüpfen und zum anderen diese ausbauen. Die Schüler sollen befähigt werden, zu unterschiedlichen Schreibanlässen angemessene Texte zu erstellen und dabei ihre Sprache auch gleichzeitig situationsadäquat zu verwenden (nach BÖHM 1999, S. 112).

Vor dem Hintergrund bisheriger Ausführungen muss nach BÖHM (1999, S. 112) kommunikatives Schreiben bzw. eine erfolgreiche und störungsfreie Bewältigung von Kommunikationssituationen Schwerpunkt und Zentrum des neuen Aufsatzunterrichts sein. In diesem Zusammenhang erscheint es zugleich wichtig, dass die Schüler erkennen, dass sich die schriftliche Kommunikation nicht nur auf reale Situationen, sondern ebenso auch auf „fiktive“ Situationen beziehen kann und dass sich ein Schreiben, auch wo es nicht immer direkten Handlungszwecken dient, ebenso allein aus der Freude am Schreiben entfalten kann (nach BÖHM 1999, S. 112).

Aus dieser klaren und zentralen Zielstellung lässt sich nach BÖHM (1999, S. 113) folgender Zielkatalog mit eindeutigen Lernzielen für das schriftliche Sprachhandeln für die Schüler der SzL begründen. Gemäß des Zielkatalogs sollen die Schüler zum einen verstehen, dass und entscheiden, wann schriftsprachliches Handeln notwendig ist, beispielsweise wenn viele Adressaten mittels einer Anzeige erreicht werden sollen oder auch wenn die Unterlagen und Notizen für spätere Handlungen wie im Falle einer Beschwerde einsehbar und nachweisbar bleiben sollen. Zum anderen sollen die Schüler auch lernen zu entscheiden, ob und wann schriftsprachliche Kommunikation, schriftsprachliche Planung sowie schriftsprachliche Notation notwendig und von Vorteil sind. Sie sollen erkennen lernen, dass sie an kreativen schriftsprachlichen Produkten Freude haben, andere Menschen unterhalten und ihnen Freude bereiten können.

Die einzelnen Lernziele für den Bereich der „Kommunikation“ sind dabei folgende:

„Die Schüler sollen, [unter Berücksichtigung des situativen Kontextes], dazu befähigt werden, mit Partner schriftsprachlich zu kommunizieren, und zwar

- zum Zwecke der Information anderer ( Bericht, Vereinbarung, Bestellung, Anmeldung usw.)
- zum Zwecke der Informationserkundung ( Anfragen, Rückfragen, Bitten um Erläuterungen, Interviews usw.)
- zum Zwecke der Beeinflussung anderer (auffordern, anweisen, werben, argumentierend überzeugen usw.)
- zum Zwecke der Verteidigung gegen andere ([ ], Bitten ablehnen, sich entschuldigen, um Nachsicht bitten usw.)
- zum Zwecke der Übermittlung von Wertschätzung (loben, beglückwünschen, tadeln, beschimpfen usw.) und
- zum Zwecke der Verdeutlichung eigener Gefühle ( Freude, Sorge, Liebe, Angst, Misstrauen, Hoffnung usw.)“ (zitiert nach BÖHM 1999, S. 113f.).

Somit lässt sich für den Bereich der Kommunikation das Resümee ziehen, dass in erster Linie das Ziel verfolgt wird, dass die Schüler eine lebenspraktische schriftsprachliche Handlungsfähigkeit in realen Schreibsituationen – im Privatleben, im Beruf oder bei Behörden – erreichen und für die Bewältigung möglicher Anforderungen in der Zeit nach ihrer Schulentlassung befähigt werden (nach BÖHM 1999, S. 113f.).

Als weitere Bestandteile des Zielkatalogs der schriftsprachlichen Kommunikation muss auf die kognitiven und affektiven Nebenziele hingewiesen werden. Auf Seiten der kognitiven Nebenziele sollen die Schüler einige Maßstäbe bezüglich der Qualität und Güte ihrer Schreibprodukte erwerben und anwenden. Ihre Schreibprodukte sollen dabei zum einen funktionell, zweckmäßig und effizient aber zugleich auch verständlich sein und zum anderen sollen die Schüler in der Lage sein sach- und situationsgemäß zu schreiben. Zudem sollen sie sich über die Bedeutung der schriftlichen Handlungsfähigkeit zunehmend bewusst werden und diese begreifen. Nach GRAMPP (1983, in BAIER 1983, S. 242) sollen sie demnach die Rechtschreibnormen soweit beherrschen, dass der Empfänger den Text problemlos verstehen kann.

Die Schüler sollen sich der Bedeutung der schriftsprachlichen Kommunikation bewusst werden und wissen, wann welche Form der schriftlichen Kommunikation angemessen ist.

Im Bereich der affektiven Ziele stehen dabei hauptsächlich die Lernmotivation, die Freude am schriftlichen Gestalten und Tun sowie die schriftliche Handlungsbereitschaft im Vordergrund.

Abschließend kann festgehalten werden, dass ein Aufsatzunterricht in der SzL, der alle diese Ziele auch nur annähernd erreicht, bei den Schülern eine Motivationslage bewirkt, die das Schreiben als eine notwendige und auch nützliche Handlung erachtet (nach SCHOR 1990, S. 50).

Die Schüler sollen die Sprache schließlich als Mittel der intendierten und sinnhaften Teilhabe an gesellschaftlichen Handlungsprozessen verwenden.

Als allgemeines Ziel-Niveau soll deshalb eine verständliche Umgangssprache mit Annäherung an die hochsprachlichen Normen angestrebt werden, wobei die Schüler durch angemessene und realisierbare Anforderungen und Leistungssteigerung zu Selbstvertrauen in die eigene schriftsprachliche Handlungsfähigkeit kommen sollen (vgl. Frank 2002/ 2003).

2.2.3 Darstellung der allgemeinen Unterrichtsmethodik für das neue Konzept des Aufsatzunterrichts

In der SzL ist bei Schülern mit umfänglichen Lernschwierigkeiten die didaktisch-methodische Vorgehensweise von ganz besonderer Bedeutung, weshalb sie spezielle Maßnahmen erfordert. Demzufolge muss eine Didaktik des Texteschreibens neben den bestimmenden Faktoren schriftlicher Kommunikation ebenso die subjektiven Lernvoraussetzungen, die gegenwärtigen Bedürfnisse und die zukünftige Lebensperspektive der Schüler berücksichtigen. Dabei sind die subjektiven Lernvoraussetzungen der einzelnen Schüler immer wieder aufs Neue zu überdenken (nach SCHMETZ 1996, in BAUDISCH / SCHMETZ 1996, S. 112).

Grundsätzlich ist somit bei der didaktischen Planung und methodischen Durchführung des Unterrichts zur Texterstellung in der SzL zu beachten, dass die gegebenen sprachlichen Insuffizienzen der einzelnen Schüler Berücksichtigung finden. Es muss Aufgabe sowohl der Didaktik als auch der Unterrichtsmethodik sein, diesen sprachlichen Unzulänglichkeiten der Schüler durch die Auswahl geeigneter Lehrstoffe, durch die Bereitstellung adäquater Hilfen sowie durch speziell auf die Schüler und deren Bedürfnisse abgestimmte Unterrichtsabläufe zu begegnen, was individualisierende und auch differenzierende Maßnahmen erforderlich macht (nach GEIST 1986, S. 396). Somit wird die methodische Konzeption des Aufsatzunterrichts in der SzL entscheidend durch das Verständnis sowie der Einstellung zu jedem einzelnen Schüler mitsamt seinen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bedürfnissen geprägt. So verstanden sollen die einzelnen Schüler sprachlich dort abgeholt werden, wo sie aufgrund ihrer subjektiven Befindlichkeit gerade stehen, damit infolge dieser Heterogenität der jeweiligen Lebensumstände und der damit verbundenen Lernbiographien eine Öffnung des didaktischen Konzeptes bewirkt wird (nach SCHMETZ 1996, in BAUDISCH/ SCHMETZ 1996, S. 9f.).

Im Zusammenhang mit dieser allgemeinen Unterrichtsmethodik soll im Kommenden näher auf die einzelnen Bedingungsfaktoren der schriftsprachlichen Kommunikation sowie auf das Schreiben in realen und fiktiven Situationen eingegangen werden.

2.2.3.1 Die Bedingungsfaktoren schriftsprachlicher Kommunikation

Wenn man berücksichtigt, dass die Mehrzahl realer Schreibanlässe durch kommunikatives Handeln bestimmt ist und dass es Aufgabe der Schule ist, die Schüler auf eben diese Situationen vorzubereiten, dann müssen diese nicht nur lernen ihre Absichten schriftlich darzustellen sondern die jeweils aktuelle Situation des Adressaten zu beachten und bei der Planung und Durchführung des Schreibens gleichzeitig den formalen Rahmen einzubeziehen.

Beim kommunikativen bzw. adressatengerichteten Schreiben geht es in erster Linie darum, dass die Schüler auf unterschiedliche Schreibanlässe in einer angemessenen Form schriftsprachlich reagieren können. Folglich müssen im Besonderen den Schülern der SzL die „Gesetzlichkeiten des kommunikativen Schreibens“ (nach GLASER 1995, S. 135) im Unterricht zur Texterstellung nahe gebracht werden. Denn die Schüler sollen die Fähigkeiten erwerben, Texte schriftsprachlich abzufassen und dabei die Abhängigkeit der schriftlichen Gestaltung von den fünf zentralen Bedingungsfaktoren beachten. Diese Faktoren des Schreibens, welche im Folgenden kurz dargestellt werden, sind im Einzelnen die Schreiberintention, der Adressatenbezug, der Inhaltsbezug, die Formentsprechung und der Faktor Sprache.

Bei der Schreiberintention handelt es sich um einen besonders grundlegenden Faktor, da sich der Verfasser bereits während des Schreibens über die Absicht seines Schreibproduktes im Klaren sein muss. Die jeweils hinter dem Schreiben stehende Intention hat hierbei einen wesentlichen Einfluss auf die Auswahl der möglichen Schreibformen und der entsprechenden sprachlichen Mittel, je nachdem ob der Schreiber beabsichtigt andere zu informieren, etwas zu kritisieren, jemanden zu überzeugen oder ob er sich Auskünfte einholen oder sich bewerben will. Deshalb müssen Texte an einen Freund oder einen Bekannten anders verfasst sein als an eine Institution; ein Glückwunschschreiben braucht andere sprachliche Mittel als ein Geschäftsbrief. Demzufolge muss der Verfasser, in Abhängigkeit von den Intentionen, die er mit seiner Nachricht verfolgt, sein Schreiben situationsangemessen gestalten.

Passend zum Schreibanlass und zur Intention des Schreibers müssen die dafür angemessenen Schreibformen, wie z.B. der Brief oder die Postkarte als mögliche Formen des Briefverkehrs, Formulare und Anträge als denkbare Formen des amtlichen Schriftverkehrs ausgewählt werden. Die Schüler sollen in diesem Kontext die verschiedenen Schreibformen nicht nur kennen lernen, sondern vor allem auch kompetent anwenden und einsetzen können.

Als ein weiterer zentraler Bedingungsfaktor des Schreibens ist der Adressatenbezug zu nennen. Dabei müssen sich die Schüler nicht nur darüber bewusst werden, welche Absichten beim Schreiben verfolgt werden, sondern sie müssen schon im Voraus über den späteren Adressaten der Nachricht sowie dessen Erwartungen reflektieren. Da jede schriftliche Kommunikation grundsätzlich Mitteilungscharakter hat und somit auf einen bestimmten Adressaten bezogen ist, muss dieser Adressat schon von Anfang an in das Schreiben einbezogen werden. Die Schüler können dies am Besten dadurch erreichen, indem sie sich die Fragen stellen „Wie wird der Adressat mein Schreiben aufnehmen“, „Wie wird er reagieren?“ und „Kann er das Geschriebene auch verstehen?“. Durch den hierbei vollzogenen schriftlichen Sprachgebrauch lernen die Schüler zugleich auch, sich in die Rolle des jeweiligen Adressaten zu versetzen. Denn je nachdem, an wen der Schreiber die Mitteilung richtet, muss er bestimmte Kriterien beachten. Ein Schreiben an eine bekannte Einzelperson wird er anders formulieren müssen, als ein Schreiben an eine unbekannte Person, eine Institution oder an die Öffentlichkeit. Im Hinblick auf den vierten Faktor – den Inhaltsbezug – müssen sich die Schüler beim Abfassen eines Textes fragen, was für den Adressaten wichtig oder eher unwichtig erscheint, was ihn interessiert bzw. was für den Empfänger weniger interessant ist. Die Schüler werden erst dann kommunikationsfähig, wenn sie lernen, ihre eigenen Probleme, Erfahrungen und Vorstellungen auf dieselbe Weise inhaltlich-sachlich zu versprachlichen, wie sie zu Konflikten oder aktuellen Themen Stellung nehmen können.

Als letzte Gesetzlichkeit kommunikativen Schreibens ist noch auf den Faktor Sprache zu verweisen. Hier muss sich der Schreiber Gedanken darüber machen, mit welchen sprachlichen Mitteln er seine Absichten verwirklichen will. Er muss sich entscheiden, welche Wörter er wählt, ob er in Fachsprache oder Umgangssprache schreibt, welche Satzarten er verwenden soll und mit welchen stilistischen Mitteln er seine Absicht am Besten erreichen kann.

Erst wenn die Schüler diese fünf zentralen Bedingungsfaktoren beherrschen, dann haben sie den Sinn und Zweck des kommunikativen Schreibens durchschaut und sind somit in der Lage auf die unterschiedlichsten Schreibanlässe angemessen zu reagieren (nach GLASER 1995, S. 135).

Diese eben dargestellten Gesetzmäßigkeiten müssen die Schüler beachten, wenn sie ein adäquates situations- und adressatengerichtetes Schreiben erstellen möchten. Doch das Wissen über diese Bedingungsfaktoren allein hat noch keine Auswirkungen auf die Texterstellung der Schüler, wenn sie nicht motiviert sind bestimmte Texte in angemessener Form zu verfassen. Von welchen Faktoren die Motivation der Schüler zum Schreiben abhängig sein kann, soll im Folgenden mit der Gegenüberstellung von realen und fiktiven Schreibsituationen näher aufzeigt werden.

2.2.3.2 Adressatengerichtetes Schreiben in realen und fiktiven Schreibsituationen

Auch wenn die Schüler wissen, welche Faktoren sie bei einem adressatengerichteten und kommunikativen Schreiben beachten müssen, stellt sich nun die Frage, ob sie auch die erforderliche Motivation für das jeweilige Schreiben besitzen bzw. von welchen Aspekten diese Motivation beeinflusst werden kann. Eine mögliche Antwort darauf sollen die folgenden Ausführungen über reale und fiktive Schreibanlässe geben.

Im Bezug auf die Themengebiete für den Unterricht zur Texterstellung muss darauf verwiesen werden, dass der Lehrplan dem Lehrer bestimmte inhaltliche Themenkomplexe vorgibt. Dabei steht es dem Lehrer jedoch frei, ob er diese Inhalte eher in fiktiven, exemplarischen Situationen oder eben in realen Schreibsituationen, gekennzeichnet durch wirkliche kommunikative Intentionen und realen Adressatenbezug, den Schülern vermittelt.

Im Hinblick auf die Zielsetzungen eines Aufsatzunterrichts, mit der Betonung der Kommunikationsfunktion des Schreibens, sollen die Schüler jedoch vor allen in Realsituationen handlungsfähig gemacht werden, weshalb die Themen im Unterricht zur Texterstellung möglichst real und für die Schüler unmittelbar relevant sein sollen. Andererseits sind aber fiktive Schreibanlässe ebenso unentbehrlich, da die Zahl der so genannten „echten“ Anlässe für das Schreiben an „echte“ Adressaten auf einige wenige begrenzt ist und der so genannte „Ernstfall“ im Schulalltag eher selten der Fall ist. Deshalb muss auch in einem adressatengerichteten Aufsatzunterricht auf derartige fiktive bzw. simulierte Schreibsituationen zurückgegriffen werden. Das sollte aber lediglich im Sinne einer Ergänzung realer Schreibanlässe der Fall sein (nach BÖHM 1999, S. 155ff.).

Infolgedessen soll anschließend das Schreiben in Situationen mit Realitätsbezug einerseits und adressatengerichtetes Schreiben in fiktiven Situationen andererseits dargestellt und schließlich gegenübergestellt werden.

In realen Schreibsituationen stützt sich die Auswahl der Schreibanlässe und -inhalte auf aktuelle und wirklichkeitsbezogene Situationen und Ereignisse. Je stärker die Schüler davon betroffen sind, desto motivierter bewältigen sie die gegebenen Schreibaufgaben. Es liegt hier eine enge Verknüpfung des so genannten Ernstfalls mit dem Bedürfnis der Schüler vor. Deshalb begegnen die Schüler derartigen Realsituationen mit einer besonders hohen und intrinsischen Motivation, da sie hier aufgrund eines „echten“ Anlasses an „echte“ Adressaten schreiben. Durch die Echtheit und Präsenz von Schreibsituation und Adressatenkreis erfährt ihr Tun bei einem derartigen Schreibprojekt einen Sinn, der sie dann weiterhin zu neuen Denk-, Diskussions- und Schreibaktivitäten veranlasst. So wird den Schülern hier konkret die Sachlage nahe gebracht (nach BÖHM 1999, S. 131).

Ein weiterer Nutzen realer Schreibanlässe für die Schüler und deren motivationale Lage besteht darin, dass hierbei nicht nur ihre Primärmotivation und Eigeninitiative gefördert werden, sondern dass das Schreiben an „echte“ Adressaten zugleich den Ernstcharakter der Situation sowie den Gebrauchswert des adressatengerichteten Schreibens verdeutlicht (Frank 2002/ 2003). Eine derartige Gestaltung des Schreibunterrichts stellt für die Schüler eine klare Herausforderung dar, der sie mit sehr großer Motivation begegnen (nach KLICPERA/ GASTEIGER- KLICPERA 1995, S. 341f.).

Die Kehrseite dieses Aspektes ist jedoch darin zu sehen, dass Realsituationen nur einen eng begrenzten Ausschnitt der Lebenswirklichkeit wiedergeben, oft dem Zufall überlassen bleiben und schließlich eine langfristige Planung mit einem gezielten curricularen Aufbau ausschließen. Auf weitere Gesichtspunkte, welche die vielen Vorteile eines realen adressatenbezogenen Schreibens relativieren, soll anschließend eingegangen werden, ebenso auch auf alternative Schreibsituationen.

Als Nachteil eines adressatenbezogenen Schreibens mit Realitätsbezug kann angeführt werden, dass Schreibsituationen mit Ernstfallcharakter im Schulalltag der Schüler der SzL äußerst selten auftreten und deshalb bei weitem nicht ausreichen, um „alle“ relevanten Situationen, mit denen die Schüler in ihrer späteren nachschulischen Lebenswirklichkeit konfrontiert werden, zu behandeln.

Des Weiteren gibt es aber auch Schreibanlässe mit Realitätsbezug, bei denen der Lehrer schon vorhersehen kann, dass die Schüler mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Antwort auf ihr Schreiben erhalten werden, wie etwa bei Eingaben an Behörden. Besteht eine solche Gefahr, dann muss der Lehrer das Schreiben an diesen konkreten Adressaten verhindern, um somit eine unnötige Frustration bei den Schülern zu vermeiden (nach SOMMERFELD 1984, S. 42).

Ein weiteres Problem realer Schreibanlässe äußert sich darin, dass die Schule ihre Schüler auf ganz bestimmte Schreibanlässe des nachschulischen Lebens vorbereiten muss, die allerdings nur schwer oder eben überhaupt nicht unter realen Kommunikationsbedingungen durchzuführen sind. So etwa das Erstellen einer Bewerbung für eine Lehrstelle oder das Ausfüllen diverser Formulare, mit denen die Schüler unter Umständen erst im Laufe ihres Lebens konfrontiert werden (nach SOMMERFELD, 1984, S. 42).

Vor dem Hintergrund dieser Nachteile eines Schreibens an reale Adressaten wird der Lehrer nicht umhin kommen, auf so genannte fiktive Schreibanlässe zurückzugreifen. Denn wie bereits geschildert, ist die Zahl der „echten“ Anlässe für das Schreiben an „echte“ Adressaten auf einige wenige begrenzt. Außerdem ist es mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden immer wieder Adressaten zu suchen, die auch zu Reaktionen und Rückmeldungen bereit sind. Deshalb sind für eine Methodik des adressatenbezogenen Schreibens in Realsituationen diverse Ergänzungs- und Stützungsmaßnahmen notwendig, damit zumindest die für die Schüler wichtigsten Schreibanlässe thematisiert und behandelt werden können. In der Praxis ist demnach ein Schreiben in fiktiven Situationen mit fiktiven Partnern unumgänglich. Denn allein die Tatsache, dass viele zwingende Schreibsituationen des Erwachsenenlebens während der Schulzeit noch nicht vorkommen oder ein realer Schreibanlass auch nur in den seltensten Fällen genutzt werden kann, macht ein antizipierendes Üben mit fiktiven Schreibanlässen geradezu unverzichtbar (nach BÖHM 1999, S. 156).

Demzufolge ist jeder Verzicht auf die große Vielfalt fiktiver Schreibsituationen bzw. eine reine Konzentration der schriftlichen Kommunikation auf reale Adressaten mit einer unzulässigen Verkürzung oder Einengung der Kommunikationsmöglichkeiten der Schüler gleichzusetzen.

Auch wenn solche fiktiven Situationen mit ihren simulierten Adressaten eine notwendige Ergänzung der sonst sehr begrenzten Realsituationen darstellen, muss beachtet werden, dass sie für eine ausgeprägte Schreibproduktion seitens der Schüler auf Dauer meist nicht motivierend genug sind. Deshalb können sie neben der Ergänzungsfunktion lediglich noch die Möglichkeit beinhalten, das in Realsituationen Erfahrene und Gelernte zu verfestigen, zu generalisieren und auf andere Situationen zu transferieren. Da in vielen dieser fiktiven Fälle, wie etwa der Stellensuchanzeige oder dem Verkaufsinserat, ebenso ein gewisses Maß an Realität erreicht werden kann, wird den Schülern hierbei eine Simulation von Kommunikationshandlungen ermöglicht (nach BÖHM 1999, S. 157f.).

Abschließend kann deshalb festgehalten werden, dass auf der einen Seite adressatenbezogene konkrete Schreibsituationen mit Realitätsbezug einem Schreiben unter künstlichen Bedingungen immer vorzuziehen sind, da die Schüler der Ernstfallsituation eine erhöhte Primärmotivation entgegen bringen. Auf der anderen Seite muss aber auch erwähnt werden, dass aufgrund mangelnder Realsituationen dennoch die ergänzende und stützende Funktion solcher fiktiven Situationen betont und ihre Notwendigkeit und Bedeutung hervorgehoben werden muss, da diese zusätzliche Möglichkeiten zum Üben und Initiieren adressatengerichteten Schreibens darstellen.

2.3 Die gegenwärtige Situation des Aufsatzunterrichts mit den Grenzen adressatenbezogenen Schreibens

Vor dem Hintergrund aller bisherigen Darstellungen im Hinblick auf die herkömmliche und neue veränderte Aufsatzkonzeption sowie den Überlegungen zu realen und fiktiven Schreibsituationen, sollen die nun folgenden Ausführungen einen kurzen Einblick in die gegenwärtige Situation und Praxis des Aufsatzunterrichts in der SzL gewähren.

Bei genauerer Betrachtung der gegenwärtigen Situation des Aufsatzunterrichts wird zum einen deutlich, dass das so genannte herkömmliche Aufsatzschreiben teilweise immer noch beibehalten wird, aber im Vergleich zur Grund- und Hauptschule in der SzL schon relativ stark zurückgedrängt wurde, wobei es von pragmatischen Schreibformen im „formularähnlichen“ Bereich jedoch lediglich ergänzt wird. Demnach ist eine Umsetzung der Neukonzeption in ein mehr oder weniger geschlossenes, lehrplanmäßig aufbereitetes Unterrichtswerk in den letzten Jahren noch nicht erfolgt, wenn man von den einzelnen Ansätzen in Zeitschriftenbeiträgen oder wenigen Einzelhinweisen einmal absieht. Weiterhin ist darauf zu verweisen, dass sich dieser neue und veränderte Ansatz eines kommunikativen und adressatenbezogenen Aufsatzunterrichts in der Theorie zwar schon etabliert hat und auch immer mehr an Stellenwert gewinnt, in der Praxis der SzL dagegen noch immer mit einigen Schwierigkeiten bzw. Widersachern zu kämpfen hat. Grund dafür mag sicherlich sein, dass es über den Aufsatzunterricht der SzL nach wie vor nur sehr wenige Veröffentlichungen sowie methodische Hilfen und Hinweise für den Lehrer gibt. Infolgedessen bleibt der Lehrer bei der praktischen Verwirklichung dieser neuen Komponenten des Aufsatzschreibens vielfach auf sich allein gestellt (nach BÖHM 1999, S. 66 und S. 72).

Außerdem wird der Lehrer bei der Umsetzung eines adressatenbezogenen Aufsatzunterrichts zwangsläufig an dessen Grenzen und Nachteile stoßen. Diese bestehen unter anderem in der Komplexität und Zeitintensität derartiger Schreibprojekte, den hohen Anforderungen bzw. den unzureichenden Fertigkeiten und Fähigkeiten der Schüler bezüglich Übersicht und Durchhaltefähigkeit sowie den eventuell negativen Adressatenreaktionen, die für die Schüler eventuell auch belastend sein können. Des Weiteren sind die so genannten realen Schreibsituationen nicht beliebig abrufbar, was wiederum die Zahl und die Relevanz für das spätere Schreiben der Schüler stark einschränkt. (nach GRAMPP 1983, in BAIER 1983, S. 245).

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Ende der Leseprobe aus 140 Seiten

Details

Titel
Die Mustertextmappe im Unterricht zur Texterstellung in der achten und neunten Klasse der Schule zur Lernförderung
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Der Aufsatzunterricht in der Schule zur Lernförderung
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
140
Katalognummer
V118689
ISBN (eBook)
9783640220830
Dateigröße
6160 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mustertextmappe, Unterricht, Texterstellung, Klasse, Schule, Lernförderung, Aufsatzunterricht, Schule, Lernförderung
Arbeit zitieren
Claudia Rampp (Autor:in), 2005, Die Mustertextmappe im Unterricht zur Texterstellung in der achten und neunten Klasse der Schule zur Lernförderung , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118689

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