Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Stress: Eine Bestandsaufnahme
3. Stressreaktion
4. Stressquellen
5. Stressbewältigung
6. Resümee
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Deutschlands Kinder sind rundum stressgeplagt“ (Schadwinkel 2015), so oder so ähnlich begannen in den letzten Jahren immer mehr Artikel in deutschen Zeitungen, die über das Stresserleben deutscher Kinder und Jugendlichen berichteten. In einigen Artikeln ist sogar von Burnout und Depressionen bei Kindern und Jugendlichen, ausgelöst vor allem durch Leistungsstress, die Rede (vgl. Berndt 2015; Schadwinkel 2015). Sätze von Kindern und Jugendlichen, wie „Ich kann nicht mehr!“ (Berndt 2015) werden zitiert, um die Aktualität und Brisanz des Stresserlebens im Kindes- und Jugendalter zu unterstreichen.
Wie nah kommt der Mythos der „Burnout-Kids“ (ebd.) jedoch der Realität und befinden sich Kinder und Jugendliche tatsächlich in einem so „katastrophalen Zustand“ (Schadwinkel 2015) wie einige Zeitungsartikel berichten? Dieser Mythos soll im Folgenden näher beleuchtet werden.
Stress stellt in unserer heutigen Leistungsgesellschaft tatsächlich ein weitverbreitetes Phänomen dar, welches nicht nur Erwachsene betrifft (vgl. Hurrelmann 1990, S. 1f.; Hebold, S. 83). Dass auch Kinder und Jugendliche häufig von Stress betroffen sind, lässt sich auch mit Zahlen belegen, „20 bis 30 Prozent der deutschen Kinder zwischen elf und 17 Jahren fühlen sich häufig erschöpft“ (Berndt 2015), dies zeigt auch die Studie Health Behaviour in School-aged Children der Weltgesundheitsorganisation (vgl. ebd.). Die Stressbelastung geht bei Kindern und Jugendlichen oft mit physischen, sowie psychischen Gesundheitsschäden einher (vgl. Lohaus et al. 2007, S. 38), so sind „Kopfschmerzen, Nervosität, Unruhe, Depressionen, Kreuz- und Rückenschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, Schwindelgefühl, E[ss]störungen, Magenbeschwerden und Schlafstörungen“ (Hurrelmann 1990, S. 2) bei Kindern und Jugendlichen keine Seltenheit. Nicht zuletzt wegen dieser ernstzunehmenden Folgen für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen ist eine Befassung mit Stress und Stressbewältigung im Kinder- und Jugendalter in der Erziehungs- und Bildungswissenschaft von zunehmender Bedeutung.
Diese Arbeit wird sich damit befassen, welche Rolle Stress in dem Leben von Kindern und Jugendlichen einnimmt und welche Rolle vor allem die Eltern bei der Begegnung dieses Stresses spielen. Um den Einstieg in die Thematik zu erleichtern wird nachfolgend vorerst eine Bestandsaufnahme des Begriffes Stress stattfinden, in dem zunächst ein allgemeiner Überblick geschaffen werden soll und unter anderem auf negatives sowie positives Stresserleben eingegangen wird, bevor der Abschnitt sich mit dem Stresserleben aus der Sicht von Kindern und Jugendlichen auseinandersetzt. Daran schließt sich der Abschnitt Stressreaktion an, in welchem neben der körperlichen Reaktion auf Stress auch die psychischen Folgen zur Sprache kommen werden. Der nächste Abschnitt wird auf konkrete Stressquellen im Alltag der Kinder und Jugendlichen eingehen, zu nennen wäre hier neben der Schule vor allem die Familie. Im Anschluss daran werden Möglichkeiten der Stressbewältigung benannt und dabei insbesondere die wichtige Rolle der Eltern herausgestellt. Zum Schluss wird ein Resümee gezogen, in welchem eine letzte kritische Auseinandersetzung mit Stress und seiner Bewältigung im Kindes- und Jugendalter vorgenommen werden soll.
2. Stress: Eine Bestandsaufnahme
Stress gehört mittlerweile zu einen der bedeutendsten gesundheitsbedrohenden Risiken für Menschen der modernen westlichen Gesellschaft (vgl. Kaluza 2012, S. 4). Der deutsche Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswissenschaftler Klaus Hurrelmann beschreibt Stress als einen „bio-psycho-sozialen Spannungszustand“ (Hurrelmann 1990, S. 1). Meistens fällt der Begriff Stress in direktem Zusammenhang mit bestimmten potentiell stressauslösenden Situationen, dies kommt beispielsweise „in Begriffen wie Beziehungsstress oder Schulstress zum Ausdruck“ (Lohaus et al. 2007, S. 4). Dabei löst nicht allein eine schwierige Situation den Stress in einem Menschen, egal ob jung oder alt, aus. Die individuelle Wahrnehmung und Bewertung eines Ereignisses ist ausschlaggebend dafür, ob eine Situation prinzipiell zum Stresserleben führt (vgl. ebd.). Auf die Wechselwirkung zwischen Person und Umwelt in Bezug auf das Stresserleben soll jedoch erst im nächsten Abschnitt genauer eingegangen werden.
In gefährlichen Situationen mit Stress zu reagieren ist in erster Linie ein völlig natürliches Verhalten. Stress diente dem Menschen am Anfang seiner Evolution als notwendige Reaktion, um seinen Körper und Geist auf die bevorstehende Gefahr vorzubereiten: „Die Sauerstoffversorgung nimmt zu, die Reaktionsbereitschaft und die Konzentration steigen an“ (ebd., S. 11). Diese Aktivierung des Organismus, welche die Aufgabe erfüllt den Körper auf die Bewältigung von Bedrohungen vorzubereiten, wird in unserer modernen Welt kritisch, wenn dieser „Aktivierungszustand“ (ebd., S. 10) zu einem Dauerzustand wird. Folgen einer solchen Daueraktivierung können oben angeführte körperliche, psychische, sowie psychosomatische Schäden sein. So überrascht es nicht, dass eine von Prof. Dr. Lohaus1 durchgeführte Untersuchung (vgl. Lohaus 1990, zitiert nach Lohaus et al. 2007, S. 10) ergab, dass 80% der befragten Schüler Stress negativ bewerten.
Obwohl diese Arbeit die negativen Folgen vor allem für Kinder und Jugendliche aufgrund von Stress betont und die Wichtigkeit der Stressprävention, besonders durch Eltern, fokussiert wird, soll im Folgenden die teilweise positiven Effekte von Stress nicht unerwähnt bleiben. Stressempfinden kann in geringer Intensität auch positiv bewertet werden (vgl. Lohaus et al. 2007, S. 11). Hier ist es wieder völlig individuell, welchen Grad an Anspannungsniveau man präferiert (vgl. ebd.). Festzuhalten ist, dass Stress eine Leistungssteigerung mit sich bringt und man lernt mit schwierigen Situationen umzugehen, wodurch man „sich ein Repertoire von Bewältigungsstrategien auf[baut]“ (ebd., S. 12). Solange keine Überforderung stattfindet und ein moderates Erregungsniveau nicht überschritten wird ist Stress für Kinder und Jugendliche nichts Gesundheitsbedrohendes wovor man sie prinzipiell bewahren sollte (vgl. ebd., S. 10-12).
Nachfolgend soll mehr auf Stress aus der Perspektive der Kinder und Jugendlichen eingegangen werden. Aus einer von Prof. Dr. Lohaus durchgeführten Studie, bei der „342 Schüler im Alter von 8 bis 18 Jahren nach ihren Vorstellungen über Stress befragt wurden“ (ebd., S. 12) ergab sich, dass 72% der 7-11jährigen und 81% der 12-18jährigen aussagten, dass es Stress bei ihnen gibt. Die Studie ergab zwar, dass der Stress bei älteren Schülern höher ist, jedoch ist hier laut Studie auch das Wissen über die richtige Bewältigung größer, während jüngere Schüler oft noch nicht wissen, wie sie dem Stress begegnen sollen (vgl. ebd., S. 13). Hier wird deutlich, dass es gerade für Jüngere wichtig ist elterliche Unterstützung bei der Stressbewältigung zu erfahren. Auch wenn Stresserleben in bestimmten Zügen für die kindliche und jugendliche Entwicklung notwendig ist, dürfen aus erwachsener Sicht wenig belastende Situation nicht banalisiert werden. Es ist wichtig sich bei der Betrachtung von Stress im Kindes- und Jugendalter vor Augen zu führen, dass Kinder „über einen geringeren Erfahrungsschatz als Erwachsene verfügen“ (Hebold 2004, S. 85) und somit vermeintlich harmlose Situationen ein „höheres Belastungspotenzial“ (ebd.) innewohnt als angenommen.
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1 Prof. Dr. Arnold Lohaus ist Professor der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft der Universität Bielefeld