Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 .Einleitung
2 .Der Personenname
3 .Der Familienname
3.1 Familiennamenklassen
3.2 Diachronischer, diatopischer und diastratischer Aspekt
4 .Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Doch während Objekte und Lebewesen auch ohne Namen existieren, gilt das nicht für den Menschen.“ (Debus 2012: 11)
Die Bedeutung des Namens für den Menschen lässt sich aus diesem Zitat von Debus deutlich aufzeigen, da erst durch den Akt der Benennung ein Mensch seiner Anonymität enthoben und als Individuum identifizierbar wird: „Er wird zur Person“ (ebd.: 79).
Dabei gliedert sich der Gesamtname in einen individuellen Namenteil, den man nach der Geburt verliehen bekommt und in einen Familiennamen, der „den Namensträger als Mitglied einer bestimmten Kleinfamilie kennzeichnet“ (Seibicke 2008: 9).
Hierbei erfüllt der Eigenname als Ganzes über die kommunikative Funktion hinaus die Aufgabe, etwas „in seiner Eigenart zu charakterisieren“ (ebd.: 3). Daraus lässt sich ableiten, dass der Eigennamen nicht schlichtweg durch Nummern ersetzbar ist (vgl. ebd.).
Daneben besitzt der Name als Identifikationsmittel eine psychologische Funktion. Laut Seibicke „identifiziert sich das Kind mit dem Namen, mit dem es am häufigsten gerufen wird“ und das bereits bevor das Ichbewusstsein erwacht (vgl. ebd.: 79). Auch Thomas Mann behauptet, dass aufgrund dessen der Name „später als ein Stück des Seins und der Seele“ (ebd.) empfunden wird. Auch wenn dies primär für Rufnamen gilt, die laut frühesten Quellen schon immer existierten, tritt an neuzeitlicher Stelle der Familienname hinzu, welcher im weiteren Verlauf eine ebenfalls starke Rolle einnimmt (vgl. ebd.).
Obwohl man, wie zuletzt angemerkt, in den meisten Fällen über den Rufnamen einer Person spricht, der in besonderer Weise die Persönlichkeit des Menschen widerspiegeln soll und ihn zu charakterisieren scheint, dürfen auch die Familiennamen nicht in Vergessenheit geraten, welche in anderer, aber keinesfalls minderwertiger Weise an Bedeutung besitzen und uns etwas über seine Träger verraten.
In dieser Hausarbeit werden die Familiennamen in Deutschland, als Teil der Personennamen, genauer betrachtet, indem die bestehende Forschung zusammengefasst wird. Dafür findet zunächst ein Überblick des Gegenstandsbereichs der Personennamen statt, bevor der Fokus auf die Familiennamen gelegt wird. Diese werden in ihre fünf Klassen unterteilt und anschließend wird zusätzlich kurz auf die wichtigsten diachronischen, diatopischen und diastratischen Aspekte eingegangen. Ziel ist es, einen Überblick über ein vielschichtiges und noch längst nicht abgeschlossenes beziehungsweise vollständig erforschtes Themen- und Forschungsgebiet zu geben.
2. Der Personenname
Betrachtet man die Namenkunde kann man feststellen, dass sich diese primär auf zwei Forschungsgebiete konzentriert: Personennamen (Anthroponyme) und Örtlichkeitsnamen (Toponyme) (Seibicke 2008: 4). Die Anthroponyme gliedern sich in folgende Gruppen: Vornamen, Beinamen, Familiennamen, Sippennamen und zuletzt Stammes- oder Völkernamen (vgl. Debus 2012: 29).
Wie in der Abbildung zur Klassifikation der Namenarten aufgezeigt, gehören die Personennamen unter den Bionymen zur Abzweigung real, wozu auch Tiernamen und Pflanzennamen gezählt werden. Die Abzweigung irreal umfasst daneben Namen für übernatürliche oder lebend gedachte Wesen, sogenannte Hyperphysionyme, die Götternamen und Dämonennamen umschreiben (vgl. ebd.).
Das Grundgerüst der Personennamen gliedert sich in einen Vornamenkomplex und einen Zunamen, die gemeinsam den Gesamtnamen bilden (vgl. Debus 2012: 80). Der Vornamenkomplex, als individueller Teil des Gesamtnamens, muss nicht, aber kann aus mehreren Elementen bestehen. Diese Elemente sind Rufname und Beivorname oder Taufname (vgl. ebd.). Der Rufname gilt hierbei als der „wichtigste“, da dieser für gewöhnlich als einziger im Alltag beziehungsweise öffentlichen oder privaten Leben gebraucht wird (vgl. Seibicke 2008: 10). Als Beivornamen werden solche Namen bezeichnet, die neben dem Rufnamen bestehen, gemeint sind demnach Zweit- oder Drittnamen.
Ein Namengebungsakt ist beim individuellen Teil des Gesamtnamens durchaus vorhanden, da sich die Eltern eines Neugeborenen auf Grundlage von Gesprächen auf einen Namen einigen. Allgemein lässt sich der Namengebungsakt in einen formellen und einen informellen Stil aufteilen (vgl. ebd.: 17). Dabei beschreibt der formelle Akt beispielsweise eine Taufe oder Geburtsanmeldung und ist somit als verbindlich zu sehen. Der informelle Akt kann hingegen ständig vollzogen werden und ist an keine Institution oder Zeremonie gebunden (vgl. ebd.).
Bei der Wahl des Vornamens eines Kindes gibt es keine direkt Einflussname durch äußere Faktoren, weswegen die Eltern durchaus „freie Hand“ haben (vgl. ebd.: 21). Auch die Anzahl der Vornamen ist gesetzlich nicht begrenzt, wobei der Konventionen nach heutzutage selten mehr als drei Vornamen vergeben werden (vgl. ebd.: 25). Einige Beschränkungen bestehen bei der Namensgebung dennoch, welche durch die Standesbeamt*innen zu kontrollieren gelten:
„(1) Bezeichnungen, die „ihrem Wesen nach“ keine Vornamen sind, dürfen nicht gewählt werden. [...] Aus kulturgeschichtlichen Gründen ist es in Deutschland nicht üblich, Jesus als Vornamen eintragen zu lassen [...].
(2) Aus dem Vornamen, d.h. dem individuellen Teil des Gesamtnamens, soll das Geschlecht des Namenträgers eindeutig hervorgehen. [.] Eine Ausnahme bildet der Name Maria, der auch Jungen, jedoch nur als Beivornamen, gegeben werden darf. [.] Doch gibt es einige nicht-eindeutige, geschlechtsneutrale Namenformen wie Toni oder Kim, und ihre Anzahl wird infolge der Übernahme von Vornamen aus dem Ausland ständig größer.
(3) Namen, die das Ansehen ihres Trägers schädigen würden (z.B. Ognio, Pillula, Morticia, Satan, Störenfried, oder Kain, Judas) sind zurückzuweisen.“ (Seibicke 2008: 21 f.)
„Eigennamen sind sprachliche Zeichen, und als solche haben sie nicht nur eine Ausdruckssondern auch eine Inhaltsseite“ - betont Seibicke und weist somit auf eine weitere Bedeutungsebene hin. Oftmals wird auf Grundlage einer Namenzusammensetzung versucht eine jeweilige Bedeutung abzuleiten, beispielsweise bei dem Namen „Bernhard“, welcher sich aus dem althochdeutschen bero „Bär“ und hart „kräftig“ zusammensetzt. Somit könnte man annehmen, dass eine Person, die den Namen Bernhard trägt, „hart, kräftig, ausdauernd wie ein Bär“ (ebd.: 47) sei. Diese Bedeutung ist jedoch durchaus schwer mit der Realität zu verbinden, was darauf hinweist, dass hinter dem Namengebungsmotiv der Namengeber beispielsweise ein Wunsch stehen könnte, wie: „Sei/Werde stark wie ein Bär!“ (ebd.: 47). Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass eine „sinnvolle Deutung der Personennamen aus den Einzelbedeutungen der im Namen kombinierten appellativischen Bestandteile oft nicht (mehr) möglich“ ist (ebd.: 47). Auch Namen wie „Erika“ oder „Linde“ wecken durchaus Assoziationen aufgrund der gleichnamigen Appellativa, sind jedoch in keinem Fall mit diesen gleichzusetzen, sondern scheinen in diesem Zusammenhang nahezu bedeutungslos (vgl. ebd.: 48).
Die Frage nach den Beweggründen und Motiven einer Namensgebung sind vorrangig auf die Kultur- und Sozialgeschichte zurückzuführen. Dabei kommt es je nach Namentyp zu unterschiedlichen Motiven, die in der Forschung untersucht oder in Betracht gezogen werden (vgl. ebd. 18). Debus merkt dazu an, dass hierbei zu wenig in Primär- und Sekundärmotivation unterschieden wird und macht deutlich, dass Motive bei der Namengebung oft durch seine Namenverwendung, also der Sekundärmotivation, überdeckt werden (vgl. ebd. 19). Es handelt sich hierbei allerdings um einen durchaus problematischen Gegenstand, auf den an dieser Stelle nicht weiter eingegangen wird.
Ein weiteres Motiv, dass die Namengebung maßgeblich beeinflusst, ist die Namenmode oder Modenamen (vgl. Debus 2012: 89). Beispielsweise waren im 17./18. Jahrhundert französische, im 18. Jahrhundert englische und im 19. Jahrhundert slawische und nordische Namen besonders beliebt und modern (vgl. ebd.). Diese Tendenzen bestätigen auch unser heutiges Bild der Namengebung: vielfältig, bunt, weltbürgerlich (vgl. ebd.).
Das früher anerkannte einnamige anthropologische System ging davon aus, dass ein Einzelname zur Identifikation einer Person ausreichte. Das System der Einnamigkeit herrschte in Deutschland bis zum 12. Jahrhundert. Zur eindeutigen Unterscheidung des Namenträgers entwickelte sich im weiteren historischen Verlauf das uns bekannte zweinamige anthropologische System, welches einen Zunamen benötigt (vgl. Debus 2012: 79). In Italien wurde das zweinamige System bereits im 9. Jahrhundert, in Frankreich bereits im 10./11. Jahrhundert benutzt (vgl. Kohlheim 1987). Zunamen unterscheiden sich in die bereits angesprochenen nichterblichen Beinamen und einem erblichen Familiennamen, auf welchen im Folgenden näher eingegangen wird (vgl. Debus 2012: 79).
3. Der Familienname
Der Familienname ist, wie zuletzt aufgezeigt, als ein Teil des Namens einer Person zu sehen und komplementiert dabei den Vornamen(-komplex). Familiennamen bildeten sich aufgrund von Beinamen, die früher in ihrer Funktion als „ehrend, beschreibend und karikierend“ galten und seit circa neun Jahrhunderten vererbt werden (vgl. Petershagen 2001: 11). Das Wachsen der Städte und das Abnehmen der Rufnamen trugen bedeutend dazu bei, dass Familiennamen entstehen konnten. Zudem kam eine sogenannte „Rufnamen-Konzentration“ (vgl. ebd.: 12). Alle Faktoren gebündelt bedingten folgend, dass „immer mehr Leute immer weniger unterschiedliche Namen [trugen] - und das bei einer wachsenden Bevölkerungsdichte in den Städten, die eines immer höheren Maßes an Verwaltung bedurften“ (ebd.: 12). Familiennamen trugen fortan zur zusätzlichen Identifizierung bei, die ein Individuum unverkennbar machen sollten.
Beim Familiennamen unterscheidet man zwischen dem Geburtsnamen, also dem Namen, der von einem oder beiden Elternteilen übernommen wird und einem Ehenamen, als gemeinsamer Name eines Ehepaares (vgl. Seibicke 2008: 10). Darüber hinaus tritt nach einer Eheschließung zum Gesamtnamen oftmals der Geburtsname hinzu, der schriftlich mit geboren beziehungsweise geb. angeschlossen wird. Dieser Zusatz ist nicht Teil des vollständigen Namens, sondern „nur die Erinnerung an einen historisch früheren Zustand, der durch den Namenwechsel bei der Heirat verändert worden ist.“ (ebd.: 11).
Auch bei Familiennamen gibt es einen sogenannten Namengebungsakt, bei dem durch die Eltern entschieden wird, welcher Zuname dem Neugeborenen zugeteilt werden soll - beispielsweise der Ehename des Elternpaares oder doch ein Geburtsname mütterlicher- oder väterlicherseits (vgl. ebd.: 16). Die Bedeutungslosigkeit zu gleichnamigen Appellativa, welche bereits im vorherigen Kapitel bei den Vornamen festgestellt wurde, trifft auch bei Familiennamen zu. Somit ist es heute reiner Zufall, wenn jemand, der „Schmied“ mit Nachnamen heißt, tatsächlich den gleichnamigen Beruf ausübt:
„Solange Benennungen wie Wilhelm (der) Müller einen Menschen bezeichneten, der als Müller sein Brot verdiente, war Müller noch kein Familienname. Nachdem Müller jedoch zum Familiennamen geworden war, spielte es keine Rolle mehr, ob der Namensträger tatsächlich als Müller arbeitete oder nicht.“ (ebd.: 49)
Laut einer Statistik von 1970, bei der die Familiennamen der Bevölkerung ermittelt wurden, hießen damals 10,63% Müller, 6,68% Schmidt, 4,31% Schneider, 3,9% Fischer, 3,66% Meyer und 3,33% Weber (vgl. Seibicke 2008: 161). Auch heute lassen sich laut einer Liste der häufigsten Familiennamen in Deutschland die ersten sechs Namen der Klasse der Berufsbezeichnungen zuordnen. Dabei handelt es sich um die Namen Müller, Schmidt, Schneider, Fischer und Weber.
Neben der Klasse der Berufsbezeichnungen gibt es noch vier weitere Klassen, mit deren Hilfe das riesige Feld der Familiennamen strukturiert werden kann.
3.1 Familiennamenklassen
Im Deutschen werden Familiennamen in insgesamt fünf Klassen unterteilt. Familiennamen entstanden somit nach der Bildung aus Rufnamen, nach der Herkunft, nach der Wohnstätte, nach Beruf oder Stand und zuletzt aus Übernamen. Die genannten Gruppen sollen im Folgenden ausführlich beschrieben werden.
Die Familiennamen aus Rufnamen sind in abwechslungsreicher Gestalt, vor allem ab dem 12. Jahrhundert, in die Beinamenbildung eingegangen (vgl. Debus 2012: 109). Dabei wird zwischen Patronymika, Metronymika und sekundären Patronymika unterschieden.
Ersteres umfasst Namen, die aus dem Rufnamen des Vaters hervorgehen, wie beispielsweise „Hans Petersohn“ oder „Karl Friedrichs“ (Kunze 2003: 63). Das Suffix -sohn oder -son wird in den meisten Fällen zu -sen lautlich abgeschwächt (vgl. Seibicke 2008: 183).
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