Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung und Definition
B. Varianten der stillen Gesellschaft und rechtliche Einordnung
I. Typisch stille Gesellschaft
II. Atypisch stille Gesellschaft
III. Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative
C. Nutzung der stillen Gesellschaft in verschiedenen Konstellationen
I. Rechtsformabhängige Faktoren und Besonderheiten
1. Einzelunternehmen
2. Personenhandelsgesellschaften
3. Kapitalgesellschaften
II. Vorteile einer stillen Gesellschaft
1. Insolvenz und Haftung
2. Arbeitnehmerbeteiligungen
3. Scheinselbstständigkeit - stille Gesellschaft statt freier Mitarbeiter
III. Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten
D. Fazit
Literaturverzeichnis
Rechtsprechungsverzeichnis
A. Einleitung und Definition
Die stille Gesellschaft ist eine Beteiligung an einem Handelsgewerbe. Hierfür wird eine Einlage in das Vermögen des Inhabers eines Handelsgeschäfts geleistet (§ 230 I HGB). Der stille Gesellschafter erhält für seine geleistete Einlage einen Anteil am Gewinn des Betriebs. Die Zuweisung eines Verlustanteils kann gem. § 231 II HGB ausgeschlossen werden. Weiterhin gibt es keine Nachschusspflicht des stillen Gesellschafters, soweit die Einlage durch Verluste bereits aufgezehrt wurde (§ 232 II HGB). Die stille Gesellschaft ist allerdings nicht auf eine Beteiligung an einem Gewerbe beschränkt. Eine stille Gesellschaft ist ebenso an einem land- bzw. forstwirtschaftlichen Betrieb oder in Verbindung mit Freiberuflern möglich1. Der Zweck der Gesellschaft kann in der Überlassung von (Risiko-)Kapital, aber auch in der Begründung einer Mitunternehmerschaft liegen2 und neben der Bereitstellung von Barmitteln auch durch die Überlassung von Wirtschaftsgütern oder Knowhow geprägt sein3.
Dem stillen Gesellschafter sind gem. § 233 HGB Kontrollrechte zu gewähren. Diese entsprechen im Grunde den Rechten eines Kommanditisten (§ 166 HGB). Dadurch ist der Gesellschafter berechtigt den Jahresabschluss und somit die Richtigkeit des zugewiesenen Gewinnanteils zu überprüfen. Darüberhinausgehende Rechte, wie die Kontrolle der laufenden Buchführung oder ein Vetorecht für bestimmte Geschäfte können zusätzlich im Gesellschaftsvertrag verankert werden.
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird aufgezeigt welche Folgen durch die Varianten der stillen Gesellschaft ausgelöst werden, anhand welcher Merkmale diese abgegrenzt werden und welche Vorteile durch Vereinbarung einer stillen Gesellschaft zum einen steuerrechtlich, aber auch zivilrechtlich, sozialversicherungsrechtlich und im Hinblick auf die Struktur genutzt werden können. Steuerrechtlich ist für das Gesellschaftsverhältnis des Stillen insbesondere relevant inwieweit ein stiller Gesellschafter als typisch oder atypisch einzustufen ist.
B. Varianten der stillen Gesellschaft und rechtliche Einordnung
I. Typisch stille Gesellschaft
Steuerlich handelt es sich bei den Einkünften des stillen Gesellschafters um Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 I Nr. 4 EStG), sofern er die Beteiligung nicht einem Betriebsvermögen zugeordnet hat, sondern diese im Privatvermögen hält. Da es sich um Einkünfte aus Kapitalvermögen handelt, sind die Einkünfte kapitalertragsteuerpflichtig (§ 43 I Nr. 3 EStG) und unterliegen dem gesonderten Steuertarif n. § 32d I S. 1 EStG. Der Geschäftsinhaber hat die Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 Prozent, zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls anfallender Kirchsteuer beim zuständigen Finanzamt zum 10. des Folgemonats anzumelden und abzuführen (§ 44 I S. 5 EStG). Damit gilt die Steuer auf diese Erträge grundsätzlich als abgegolten (§ 43 V S. 1. EStG). Die Abgeltungswirkung tritt gem. § 43 V S. 2 EStG i. V. m. § 32d II Nr. 1 EStG hingegen nicht ein, wenn die Erträge des Steuerpflichtigen bei einer nahestehenden Person die tarifliche Einkommensteuer vermindern. Im Falle der typischen stillen Gesellschaft sind die Gewinnanteile für den Geschäftsinhaber steuerlich als Betriebsausgaben zu klassifizieren und deshalb in Konstellationen zwischen nahen Angehörigen immer zu beachten. Der Stille hat die Einkünfte mit seinem persönlichen Steuersatz zu versteuern. Für Zwecke der Gewerbesteuer wird der Gewinnanteil des typisch stillen Gesellschafters als Finanzierungsentgelt eingeordnet (§ 8 Nr. 1 lit. c. GewStG), sodass dieser in der Prüfung, ob der Höchstbetrag von 200.000 € (§ 8 Nr. 1 GewStG) überschritten wurde und somit eine Hinzurechnung des übersteigenden Betrags erfolgen muss, mit einem Viertel zu berücksichtigen ist.
Das Zuflussprinzip gem. § 11 I S. 1 EStG ist für Einkünfte aus Kapitalvermögen anzuwenden. Durch die Thesaurierung der Gewinne kann keine Einsparung der Kapitalertragsteuer erwirkt werden, da sofern die Gewinnanteile nicht ausgezahlt werden, diese mit Gutschrift auf dem Gesellschafterkonto des Stillen als zugeflossen gelten; unterbleibt eine Bilanzerstellung findet für Zwecke der Kapitalertragsteuer die Zuflussfiktion des § 44 III EStG Anwendung4.
Bei Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses ist ein bestehendes Guthaben des stillen Gesellschafters in Geld zu berichtigen (§ 235 I u. II HGB). Dieses Auseinandersetzungsguthaben ist von dem Unternehmen zu berechnen, hierfür sind auch schwebende Geschäfte miteinzubeziehen. Das Auseinandersetzungsguthaben setzt sich im Regelfall aus der geleisteten Einlage sowie laufenden, noch nicht ausgezahlten Gewinnanteilen, die der Besteuerung nach § 20 I Nr. 4 EStG unterliegen, zusammen. Der auf die Rückzahlung der geleisteten Einlage entfallende Betrag unterliegt keiner Besteuerung, da dem Stillen nur das ausgezahlt wird, was ihm wirtschaftlich zuzuordnen ist. Darin ist kein entgeltlicher Vorgang zu sehen. Somit findet der Auffangtatbestand, der privaten Veräußerungs- geschäfte5 i. S. d. § 22 Nr. 2 EStG i. V. m. § 23 I S. 1 Nr. 1 lit. b EStG, keine Anwen- dung6. Sofern eine Veräußerung des Anteils im Einzelfall möglich ist und der Veräußerungserlös hierbei die Anschaffungskosten übersteigt, handelt es sich um Einkünfte n. § 20 II Nr. 4 EStG.
Hat der Steuerpflichtige die stille Beteiligung seinem Betriebsvermögen zugeordnet, unterliegen die Einkünfte aus der stillen Beteiligung dem Subsidiaritätsprinzip7 und werden gem. der Abfärbetheorie zu gewerblichen Einkünften umqualifiziert (§ 15 III Nr. 1 EStG). In diesem Fall unterliegen die Aufwendungen und Erträge des Stillen in Verbindung mit der Beteiligung dem Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG.
II. Atypisch stille Gesellschaft
Im Gegensatz zum Gewinnanteil des typisch stillen Gesellschafters handelt es sich bei dem Gewinnanteil eines atypisch stillen Gesellschafters nicht um Betriebsausgaben auf Ebene des Handelsgewerbes, sondern um Gewinnverwendung. Die Einkünfte der Gesellschafter sind gesondert und einheitlich festzustellen. Der atypisch stille Gesellschafter erzielt somit Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 I Nr. 2 EStG, da er als Mitunternehmer der vorliegenden Personengesellschaft anzusehen ist. Ebenso wie bei anderen Personengesellschaften sind Wirtschaftsgüter, die der Überlassung an den Geschäftsbetrieb dienen oder durch die das Gesellschaftsverhältnis begründet oder gestärkt wird als Sonderbetriebsvermögen zu aktivieren (R. 4.2 II S. 1 u. 2 EStR) oder zumindest aktivierungsfähig (R. 4.2 II S. 3 EStR). Die Einnahmen die mithilfe von Sonderbetriebsvermögen erzielt werden sind Sonderbetriebseinnahmen und die entsprechenden Ausgaben Sonderbetriebsausgaben. Dadurch werden die erzielten subsidiären Nebeneinkünfte, in der Praxis meist Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) oder Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) aufgrund der Zuordnung zum betrieblichen Vermögen zu Einkünften aus Gewerbebetrieb umqualifiziert (s. a. C. I. 3. Kapitalgesellschaften).
Da ein atypischer stiller Gesellschafter im Gegensatz zum typisch Stillen zusätzlich an den stillen Reserven oder dem Geschäftswert beteiligt ist, kann die Wertsteigerung eben dieser Wirtschaftsgüter der Besteuerung nach § 16 I Nr. 2 EStG unterliegen. Da es sich hierbei um außerordentlich Einkünfte im Sinne des § 34 II Nr. 1 EStG handelt, kommt darüber hinaus eine Besteuerung nach dem ermäßigten Tarif (§ 34 III EStG) oder, sofern die persönlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind, nach der Fünftel-Regelung (§ 34 I S. 2 EStG) in Betracht. Die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils ist gem. § 7 S. 2 GewStG nicht in den Gewerbeertrag miteinzubeziehen und unterliegt somit nicht der Gewerbesteuer, insoweit die Beteiligung dem Privatvermögen einer natürlichen Person zuzuordnen ist. Ebenso unterliegt der Veräußerungserlös nach § 1 Ia UStG nicht der Umsatzsteuer, wenn der Erwerber die Rechtsnachfolge antritt.
III. Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative
Die Einordnung in eine typische oder atypische stille Gesellschaft erfolgt anhand der Kriterien Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko (vgl. H 15.8 I [Mitunternehmerinitiative] & [Mitunternehmerrisiko] EStH). Beide Merkmale müssen für eine Mitunternehmerschaft vorliegen. Die Ausprägungen der Merkmale können sich hinsichtlich ihrer Stärke in einem gewissen Rahmen kompensieren8.
Die Stärke des Kriteriums Mitunternehmerrisiko wird sowohl an dem Umfang der Beteiligung an Gewinn und Verlust des Unternehmens als auch an den stillen Reserven und dem Firmenwert gemessen. Bei Betrachtung von Verlustbeschränkungen muss zwischen einer Verlustbeschränkung auf die geleistete Einlage oder einer generellen Verlustbeschränkung unterschieden werden. Die Verlustbeschränkung auf die Einlage spricht für die Mitunternehmereigenschaft des Stillen, da auch Kommanditisten nur bis zu ihrer Einlage am Verlust teilnehmen und keine Nachschusspflicht gegenüber der Gesellschaft be- steht9.
Mitunternehmerinitiative lässt sich durch die Möglichkeit der Einflussnahme an unternehmerischen Entscheidungen charakterisieren. Das Spektrum reicht hierbei von der reinen Teilhabe an Gesellschafterversammlungen durch Ausübung des Stimmrechts sowie durch das Vorhandensein von Widerspruchs- oder Kontrollrechten, die im Kern denen
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1 Roth in: Baumbach/Hopt, § 230 Rn. 1; Schmidt in: MüKo HGB, § 230 Rn. 6; BFH v. 06.03.2003 - XI R 24/02.
2 Aichberger/Groh in: Weber Rechtswörterbuch, Stille Gesellschaft.
3 Seefelder in: Die Stille Gesellschaft, S. 23.
4 Martini in: Brandis/Heuermann EStG, § 11 Rn. 157; s. a. BFH v. 06.10.2009 - I R 25/09.
5 Synonym auch: Spekulationsgeschäfte.
6 BFH v. 18.10.2006, IX R 7/04; BFH v. 22.09.1987 - IX R 15/84.
7 Definition Subsidiaritätsprinzip: Bei konkurrierenden Einkunftsarten erfolgt eine Unterordnung von Nebeneinkünften (Überschusseinkünften) unter die Haupteinkünfte (Gewinneinkünfte).
8 BFH vom 16.12.2003 - VIII 6/93.
9 Rennar in: NWB 2018, S. 3335.
- Arbeit zitieren
- Leon Helmers (Autor:in), 2022, Stille Gesellschafter. Varianten und Vorteile, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1187935
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